TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/23 W189 2154393-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.07.2020
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Entscheidungsdatum

23.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W189 2015395-2/18E

W189 2154388-2/13E

W189 2154393-2/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien 2.) XXXX , geb. XXXX und 3.) XXXX , geb. XXXX , 2.) und 3.) StA. Ukraine, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1.) 27.10.2014 und 2.) und 3.) vom 05.04.2017, Zlen. 1.) XXXX , 2.) XXXX und 3.) XXXX , zu Recht:

A)       

I. Die Beschwerde des BF1 wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2, 52 Abs. 9 FPG und § 46 FPG sowie § 55 Abs. 1a FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als Spruchpunkt IV. zu lauten hat: „Gemäß §10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005, BGBl. I. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Armenien zulässig ist“.

II. Die Beschwerden der BF2 und der BF3 werden gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2, 52 Abs. 9 FPG und § 46 FPG sowie § 55 Abs. 1a FPG als unbegründet abgewiesen.

B)       

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Das Vorbringen der Beschwerdeführer ist untrennbar miteinander verknüpft bzw. beziehen sich die Beschwerdeführer auf dieselben Verfolgungsgründe, weshalb die Entscheidung unter Berücksichtigung der Vorbringen aller Beschwerdeführer abzuhandeln war. Die Beschwerdeführer werden in der Folge als BF1, BF2 und BF3 bzw. gemeinsam als "die Beschwerdeführer" bezeichnet. BF1 ist der Ehemann von BF2 und BF3 deren gemeinsame minderjährige Tochter.

2. BF1 reiste alleine illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 10.03.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er vorbrachte Staatsangehöriger Armeniens zu sein.

Im Rahmen der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab BF1 zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates an, dass er ein paar Tage zuvor von ungefähr 6 pro-russischen Gefolgsleuten aufgefordert worden sei, pro-russisch aufzutreten und sich auch bei Abstimmungen so zu verhalten. Zwei Tage später sei BF1 von maskierten ukrainischen Rechtsextremisten angehalten worden und sei ihm eine pro-russische Gesinnung unterstellt worden, weil sie ihn mit den zuvor genannten Russen gesichtet hätten. Sie hätten ihm daraufhin mit Gewalt und dem Umbringen gedroht. Aus Angst habe BF1 das Land verlassen. BF2 und BF3 habe er in einem Dorf in Sicherheit gebracht, da die Flucht zu gefährlich gewesen sei.

Nach Zulassung seines Verfahrens gab BF1 im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 28.08.2014 ergänzend zu seinen Personalien an, dass er XXXX heiße und Staatsangehöriger der Ukraine sei. Dazu wurde festgehalten, dass seine Staatsangehörigkeit aus dem im Akt befindlichen Pensionsausweis nicht ersichtlich sei.

Auf die Frage, wie es zur Eintragung der russischen Staatsangehörigkeit gekommen sei gab BF1 an, dass er bei der Erstbefragung angegeben habe im Jahr 1996 mit einem sowjetischen Pass in die Ukraine gezogen zu sein und der Dolmetscher somit von der russischen Staatsangehörigkeit ausgegangen sei. Die Befragung sei auch sehr schnell verlaufen. Weiters gab BF1 befragt an, dass er in Jerewan, Armenien, geboren worden sei und die armenische Staatsangehörigkeit nicht mehr besitze. Weiters gab BF1 die Personalien von BF2 und BF3, welche sich noch in der Ukraine befinden würden, an und berichtigte das Datum der Verehelichung. Momentan stehe BF1 in ärztlicher Behandlung und nehme Medikamente, weil er von Geburt an an Perthes leide. Er habe auch aktuell Probleme mit der Wirbelsäule und sei das Sitzen sowie das Socken-Anziehen für ihn beschwerlich, ansonsten komme er im Alltag selbst zurecht. Manche Übungen würden ihm nicht gelingen und würde das, laut Aussage seines Arztes, noch einige Zeit dauern. BF1 sei von Geburt an in Behandlung gewesen und aufgrund eines Arztfehlers für den Rest seines Lebens invalide. Zunächst sei er in Jerewan, sodann auf der Krim Halbinsel behandelt worden. Ihm sei die 2. Invaliditätsgruppe zuerkannt worden und habe er Massagen und Injektionen bekommen und sei ferner mit Strom behandelt worden. Da sein Knochen ganz schief gewesen sei, sei er letztendlich in Österreich operiert worden.

BF1 gab befragt an ukrainischer Staatsangehöriger zu sein, nur habe er keine Dokumente, die das belegen könnten, außer seinen Pensionsausweis. Er würde sich sogleich um die Besorgung von Unterlagen bemühen, die seine Staatsangehörigkeit bestätigen würden. Dabei handle es sich um seine alte Aufenthaltsbewilligung und seinen Inlandspass, den er mit dem Erwerb der Staatsbürgerschaft erhalten habe. BF2 sei Ukrainerin, da ihre armenische Familie schon im Jahr 1988 in die Ukraine übersiedelt sei. Nach der Hochzeit und der Geburt von BF3 habe BF1 eine Aufenthaltsbewilligung und die Staatsbürgerschaft erhalten, wobei er die armenische dabei automatisch verloren habe. In Armenien habe er bis 1996 gelebt, die Schule besucht und gearbeitet.

Nachgefragt gab BF1 an, dass er in der Ukraine, gemeinsam mit BF2 und BF3 im Elternhaus von BF2 gelebt habe, sowie dem Bruder, den zwei Schwestern und dem Vater von BF2. Das Haus stehe im Eigentum der Schwestern von BF2. BF1 habe außer BF2 und BF3 keine Angehörigen in der Ukraine und auch keine Besitztümer. BF2 sei Friseurin und habe einen eigenen Friseurladen, wo ihre jüngere Schwester und drei weitere Angestellte arbeiten würden.

In Armenien lebe der Vater von BF1, der ihn im Alter von zwei Jahren verlassen und zu welchem er keinen Kontakt habe. Nochmals nachgefragt gab BF1 an, dass er außer dem im Akt befindlichen Pensionsausweis keine weiteren Dokumente habe aber beteuerte er, dass er vor langer Zeit einen sowjetischen Reisepass und nun einen ukrainischen besäße.

Die Frage, ob er jemals im Heimatland Mitglied einer politischen Organisation oder eines Vereines und ob er den Militärdienst abgeleistet habe, verneinte er. Weiters sei er Armenier und gehöre der apostolischen Kirche an. Er habe die Mittelschule absolviert und sei Tontechniker. In Armenien habe BF1 beim Fernsehen gearbeitet, in der Ukraine habe er aber aufgrund seiner Krankheit keiner Beschäftigung nachgehen können, weswegen er von der Pension und den Einkünften von BF2 gelebt habe. Sie hätten der Mittelschicht angehört. Er sei seit seiner Geburt an Pensionist, anfangs der Gruppe 3 und nun der Gruppe 2. Die Höhe seiner Pension betrage 100 USD, welche alle sechs Monate erhöht werde. Zu BF2 habe er manchmal telefonischen Kontakt, zuletzt vor ein paar Tagen und falle es ihm schwer, weil er seine Familie sehr vermisse. Sie würden nicht über die Lage sprechen, sondern über BF3, wie es ihr gehe. Weiters gab BF1 befragt an, dass Österreich nicht sein Zielland gewesen, sondern vom Schlepper organisiert worden sei. Gegen ihn bestehe im Heimatland kein Haftbefehl und habe er keine Stafrechtsdelikte begangen.

Zu den Fluchtgründen befragt gab BF1 an, dass BF2 ihn eines Tages angerufen habe, da junge Russen in ihrem Friseursalon gewesen seien und ihn hätten treffen wollen, weswegen BF1 in den Laden runtergegangen sei, wo 7 bis 8 Männer gestanden seien. Daraufhin hätten sie sich in das nächstgelegene Kaffeehaus gesetzt und hätten sie ihn überreden wollen, dass alle aus dem Bekannten- und Freundeskreis von BF1 für Russland stimmen, dann würde alles gut sein. Als BF1 entgegnet habe, dass er mit Politik nicht viel am Hut habe, sei das Gespräch aggressiver geworden und hätten sie begonnen ihm zu drohen. Sie hätten ihm gesagt, dass sie wüssten, dass er eine Familie habe und BF2 einen Friseursalon besitze, woraufhin BF1 weiterhin auf seine Meinung beharrt habe. Zwei Tage später habe BF1 nachhause gehen wollen und sei ein Wagen stehen geblieben, aus welchem vier Personen ausgestiegen seien. Drei davon seien maskiert gewesen und hätten sich als „rechter Sektor“ vorgestellt. Diese hätten ihn auf das Gespräch mit den Russen angesprochen und gesagt, dass das Gebiet den Ukrainern gehöre und die Russen hier nichts zu suchen hätten. Weiters hätten sie mit ethnischer Säuberung gedroht. BF1 habe auch diesen Leuten gesagt, dass er sich auf keiner Seite beteiligen werde und mit Politik nichts zu tun habe, denn er sei ein kranker Mensch. Einer der jungen Maskierten habe dann einen Holzprügel hervorgezogen und BF1 von der Seite stark in die Nierengegend geschlagen. Als sich BF1 gekrümmt habe, habe ihn ein anderer, wahrscheinlich mit dem Ellenbogen, von oben geschlagen, woraufhin BF1 zu Boden gestürzt sei. Nachdem sie ihn und seine Familie beschimpft, sowie gesagt hätten, dass man auch mit Leuten wie ihnen, die nicht ursprünglich aus der Ukraine stammen würden, ebenfalls abrechnen werde. Einige Tage später seien auch die Fenster des Friseursalons eingeschlagen worden, was BF1 sehr beunruhigt habe, weshalb er seine Familie in ein nahegelegenes Dorf gebracht habe. Da die Lage auch zu sehr angespannt gewesen sei, habe er das Land verlassen.

Nachgefragt, warum die Russen gerade zu ihm gekommen seien gab BF1 an, dass sie Kunden von BF2 gewesen seien, die Stadt klein sei und sich jeder kenne. Sie wüssten auch, dass die Leute, die BF1 kennen, auch bei einer Abstimmung auf seine Empfehlung reagieren würden. Die Vorfälle hätten sich am 19. und 20. Februar ereignet. Der Vorfall mit den Russen hätte sich nur einmal ereignet, danach seien die Ukrainer auf ihn zugekommen. Sie seien jedenfalls aggressiv gewesen.

Auf die Frage, wie er gewusst habe, dass der Maskierte ein junger Mann gewesen sei gab BF1 an, dass er schlank gewesen sei und eben wie ein junger Bursche gewirkt hätte. Jener ohne Maske sei älter gewesen und habe er diese Leute nicht gekannt, die Russen aber schon. Der zweite Vorfall habe sich am Frühabend ungefähr zwei Tage nach dem Treffen mit den Russen ereignet und sei BF1 schockiert, dass so etwas am helllichten Tage passieren könne. An das Auto könne er sich nicht erinnern, nur, dass es ein 4-türiger, nicht ausländischer PKW in Bordeaux-Farbe gewesen sei. BF1 habe starke Schmerzen am Genick erlitten und eine Art Gurt getragen, aber kein Krankenhaus aufgesucht, weil er sich andere Sorgen, insbesondere um ihre Sicherheit, gemacht habe. Da bei ihnen nichts mehr normal funktioniere hätte es auch nichts gebracht, eine Anzeige zu erstatten.

Nachgefragt gab BF1 an, dass ungefähr zwei oder drei Tage nach dem Vorfall mit dem rechten Sektor die Fenster des Friseursalons eingeschlagen worden seien, und zwar in der Nacht. BF2 habe ebenfalls keine Anzeige erstattet. Im Geschäft habe nichts gefehlt und nehme BF1 an, dass es eine Art Warnung gewesen sei, um zu zeigen, wozu sie fähig seien.

Auf die Aufforderung den Vorfall mit dem rechten Sektor näher zu schildern gab BF1 an, dass er gerade auf sein Haus zugegangen sei, aber das Tor noch nicht habe öffnen können, als das Auto plötzlich gebremst habe und stehen geblieben sei. In diesem Moment seien die Männer auch ausgestiegen und hätten BF1 angesprochen. Die Straße sei eine ruhige Seitenstraße, an welcher sich viele Einfamilienhäuser befinden würden. Auf die Frage, wie es sein kann, dass er gerade nachhause gekommen und gleichzeitig das Auto in diesem Moment stehen geblieben sei gab BF1 an, dass er das nicht wisse, diese Männer ihn aber vielleicht beobachtet hätten. Auch sei er langsam unterwegs gewesen, denn er habe keine Krücke, sondern einen Stock gehabt. Als er zusammengeschlagen worden sei, seien Leute auf der Straße gewesen aber sei ihm niemand zur Hilfe gekommen, da alle verängstigt seien. BF2 und BF3 habe er Anfang März in ein nahegelegenes Dorf zu einem ukrainischen Bekannten seines Schwiegervaters gebracht. Auch habe er die Schwestern und den Vater von BF2 hingebracht, wogegen ihr Bruder in XXXX geblieben sei, damit ein Mann im Haus sei. Nach ein paar Tagen sei BF1 ausgereist und habe er seine Familie dort gelassen, weil die Verantwortung zu groß gewesen sei. Zwei bis drei Monate später seien BF2 und BF3 nach XXXX zurückgekehrt und habe BF1 gehört, dass sich drei bis vier Mal Leute nach ihm erkundigt hätten. Wann genau das gewesen sei, wisse er nicht, wahrscheinlich im Mai und Juni, als BF1 bereits in Österreich gewesen sei. Weitere Vorfälle habe es nicht gegeben. BF1 sei am 06.03.2014 mit einem Lastwagen ausgereist. Auf die Frage, wann diese Leute genau nach ihm gefragt hätten und dass die Daten nicht übereinstimmen würden gab BF1 an, dass er das nicht mehr genau wisse und er sich das anhand der Gespräche mit BF2 so zurechtgelegt habe.

BF2 berichte ihm, dass die Lage sehr angespannt sei, sie ihr Geschäft aber geöffnet habe. Es könne jederzeit etwas passieren, weil Krieg herrsche. Außerdem sei der rechte Sektor auf eine ethnische Säuberung aus, was alle betreffe, die nicht Ukrainer seien. Das hätten ihm die Männer selbst gesagt.

Nachgefragt gab BF1 an, dass es sich bei der Aufforderung, sich pro-russisch zu verhalten um die Regionalwahlen gehandelt habe. Im Falle einer Rückkehr erwarte BF1 schlimmstenfalls der Tod, wenn er nicht das tue, was von ihm erwartet werde. Er würde es aber mit Sicherheit nicht machen, weil er nicht an Politik interessiert sei. Er habe Angst vor beiden Seiten. Zur Frage der innerstaatlichen Fluchtalternative gab BF1 an, dass es in der ganzen Ukraine diese Bewegung gäbe, nachgefragt ergänzte er, dass er den rechten Sektor meine. In Armenien habe er niemanden, weshalb er nicht dorthin zurückgekehrt sei. Auf den Vorhalt auch in Österreich niemanden zu haben gab er an, dass sich aber eine Fahrgelegenheit ergeben habe und es schwer gewesen sei, die Ukraine zu verlassen. Auch wolle er nicht nach Russland, da er zuerst das Problem mit den Russen gehabt habe. Jedenfalls würde er auf keinen Fall in die Ukraine zurückkehren. Nachgefragt, warum er seine Familie nicht mitgenommen habe gab er an, dass es eine viel zu große Verantwortung sei und hoffe er, dass sein Kind nachkommen könne.

In Österreich lebe er von der Grundversorgung und besuche einen Deutschkurs. Er habe keine Verwandte und sei nicht Mitglied in einem Verein oder einer Organisation. In seiner Freizeit besuche er die Deutschkurse, lese und gehe zu Ärzten. Er habe nur Kontakt zu Leuten in der Unterkunft.

3. BF2 reiste gemeinsam mit BF3 legal mit einem Visum C in das Bundesgebiet ein und stellte am 13.01.2016 für sich sowie für die BF3 als deren gesetzliche Vertreterin Anträge auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab die BF2 zu den Gründen des Verlassens ihres Herkunftsstaates befragt an, dass BF1 Ende Februar 2014 von unbekannten Männern geschlagen worden sei, er sie und BF3 daraufhin auf einer Datscha versteckt und sodann das Land verlassen habe. Ende 2015 hätten sie drei Männer erkannt und zu ihr gesagt, sie solle dafür sorgen, dass ihr Mann binnen zweier Wochen zurückkomme, widrigenfalls würden sie ihr und BF3 etwas antun.

Nach Zulassung ihres Verfahrens wurde die BF2 ebenfalls im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 28.12.2016 zu den Fluchtgründen befragt.

Eingangs der Befragung gab sie an, dass sie mit BF1 standesamtlich verheiratet und BF3 ihre gemeinsame Tochter sei. BF2 sei in Armenien geboren und habe seit 1989 gemeinsam mit ihren Eltern in der Ukraine gelebt und sei ihre Mutter bereits verstorben. Sie besitze die ukrainische Staatsangehörigkeit und habe noch Geschwister. Ein Teil ihrer Familie sei nach Russland ausgewandert, zu diesen habe sie keinen Kontakt. Ihr Vater und eine ihrer Schwestern würden weiterhin in XXXX leben, zu ihnen stehe sie noch in Kontakt.

Zu den Lebensumständen befragt gab die BF2 an, dass sie in Armenien die Schule besucht habe und im Alter von 17 Jahren in die Ukraine gezogen sei, wo sie eine Friseurlehre absolviert und in weiterer Folge ein eigenes Geschäft aufgemacht habe. Dieses habe sie 5 Jahre, bis zur Ausreise, geführt.

Nachgefragt gab BF2 an, dass Österreich ihr Zielland gewesen sei, da sich BF1 hier befinde. In der Ukraine sei sie weder politisch tätig gewesen oder verfolgt worden, noch habe sie Strafrechtsdelikte begangen. Zu den Gründen der Asylantragsstellung gab sie an, dass sie bedroht worden sei und den Aufenthaltsort ihres Mannes habe bekanntgeben müssen. Das seien wieder jene vom „prawy“ Sektor gewesen. Da es zu gefährlich gewesen sei, habe sie mit dem BF1 gesprochen und beschlossen, das Land zu verlassen. Der Vorfall sei kurz vor Silvester 2015 gewesen, glaublich am 26.12.2015. Sonst habe es keine weiteren, auf ihre Person gerichteten Vorfälle gegeben. Zu BF1 führte sie aus, dass er zunächst von den Russen, sodann vom rechten Sektor aufgesucht worden sei. Er sei auch mehrmals zusammengeschlagen worden. Nachdem er ausgereist sei, sei BF2 mit BF3 zuhause geblieben und als sich die Lage wieder beruhigt habe, habe sie ihre Arbeit wieder aufgenommen.

Nachgefragt schilderte BF2 den Vorfall im Dezember 2015 so, dass drei kräftige Männer zu ihr gekommen seien und einer sie am Kragen gepackt und gezerrt habe. Sie hätten ihr eine Frist von zwei Wochen gegeben, damit ihr Mann zurückkomme und eine gegen BF3 gerichtete Drohung ausgesprochen. Sie habe keine Verletzungen erlitten und seien es wahrscheinlich Leute aus der Westukraine gewesen, weil sie einen Akzent gehabt hätten. Der Vorfall habe sich auf der Straße ereignet. BF2 gab auch nachgefragt an, dass sie aufgrund ihres Schockzustandes nicht zur Polizei gegangen sei, dafür aber BF1, als man ihn damals bedroht habe. Jedoch habe die Polizei nichts unternommen. Als BF1 das Land verlassen habe, sei sie ein Monat lang zuhause geblieben. Auf die Frage, welche Verletzungen BF1 erlitten habe gab BF2 einen Nasenbeinbruch und die Krümmung der Nasenwand an. Sein Gesicht sei voll Blut gewesen, aber sei er nicht ins Krankenhaus gegangen.

Zur Frage der innerstaatlichen Fluchtalternative gab BF2 an, dass sie niemanden habe und wisse sie nicht, was sie im Falle einer Rückkehr erwarte. Das ausschlaggebende Ereignis für ihre Flucht sei die gegen BF3 gerichtete Drohung gewesen. Sie sei damals nicht mit BF1 geflüchtet, weil BF3 noch klein gewesen sei und sich die Situation vielleicht hätte beruhigen können.

In Österreich lebe sie von der Grundversorgung und habe sie abgesehen von BF1 und BF3 keine sonstigen Verwandten. Sie habe sich hier eingelebt, besuche Deutschkurse und beschäftige sich mit BF3, welche gesund sei und die Volksschule besuche. In der Ukraine sei BF3 in den Kindergarten gegangen.

4. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.10.2014 und vom 05.04.2017 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 diese Anträge bezüglich der Zuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigter in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen (Spruchpunkt II.). Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57, 55 AsylG wurden nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen, ferner die Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG für zulässig erklärt (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Mit Verfahrensanordnung vom 05.11.2014 und vom 06.04.2017 wurde den Beschwerdeführern von Amts wegen eine Rechtsberatungsorganisation für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

Die Identität der Beschwerdeführer stehe aufgrund der vorgelegten Unterlagen fest. Den Bescheiden wurden Feststellungen zur allgemeinen Lage in der Ukraine zugrunde gelegt. Die ukrainische Staatsangehörigkeit wurde ebenso festgestellt wie der Umstand, dass die Beschwerdeführer der armenischen Volksgruppe sowie dem christlich-apostolischen Glauben angehörig seien. Festgestellt wurde die Geburt von BF1 und BF2 in Armenien sowie deren Aufenthalt in der Ukraine seit dem Jahr 1989 bzw. 1996. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand von BF1 ergeben sich aus der niederschriftlichen Einvernahme vom 28.08.2014 und den vorgelegten Arztbriefen.

Den Beschwerdeführern sei es nicht gelungen die Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates glaubhaft darzulegen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführer in der Ukraine verfolgt worden seien und selbst bei Wahrheitsunterstellung handle es sich um Verfolgung durch Dritte. In diesem Zusammenhang sei aber nicht von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates auszugehen. Ferner gebe es keine stichhaltigen Gründe, die gegen eine Rückkehr in die Ukraine sprechen würden. Die Beschwerdeführer würden auch an keinerlei schwerwiegenden physischen oder psychischen Beeinträchtigungen leiden, seien somit gesund und erwerbsfähig.

Der Behörde erscheine es insbesondere nicht glaubwürdig, dass BF1 seine Familie zurückließ und BF2 sogar ihren Salon betrieben haben soll, obwohl dieser wahrscheinlich Ziel eines Anschlags gewesen sei. Auch habe BF1 nicht angeben können, ob die Russen oder die Männer des rechten Sektors ihn nach seiner Flucht mehrmals bei BF2 gesucht hätten, obwohl er erstere – laut eigenen Angaben als Kunden seiner Frau – kenne und somit wissen müsse, ob es sich um diese Männer gehandelt habe. Auch aufgrund der widersprüchlichen Aussagen in Bezug auf die Anzahl der Männer, die ihn bedroht hätten, komme die Behörde insgesamt zu dem Schluss, dass sich BF1 in Österreich nur habe behandeln lassen wollen. In der Befragung von BF2 hätten sich auch widersprüchliche Aussagen ergeben, insbesondere im Vergleich zu jenen von BF1. So würden die Daten und Anzahl der Vorfälle nicht übereinstimmen, auch stimme der angegebene Aufenthaltsort von BF2 und BF3 nach der Flucht von BF1 nicht überein. Ferner gab BF2 Verletzungen des BF1 an, die er selber im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme zu keinem Zeitpunkt erwähnt habe. Somit entstehe der Anschein, dass BF1 und BF2 sich einer konstruierten Geschichte bedienen würden, andernfalls hätten sie gleichlautende Angaben tätigen können. Ein weiteres Indiz für die Unglaubwürdigkeit der Aussagen von BF2 sei die Tatsache, dass sie ihre Unterlagen bereits im Oktober 2015 ins Deutsche habe übersetzen lassen, wobei sich das Fluchtauslösende Ereignis ihrem Vorbringen nach erst Ende Dezember 2015 ereignet habe.

Rechtlich wurde zu Spruchpunkt I. insbesondere ausgeführt, dass die Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen seien, eine Bedrohungssituation im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft darzulegen.

In Spruchpunkt II. wurde darauf verwiesen, dass sie keine Fluchtgründe haben glaubhaft machen können, weshalb auch aus diesem angegebenen Grund nicht von einer Gefährdungslage ausgegangen werden könne und die Beschwerdeführer für den Fall einer Rückkehr auch nicht in eine ausweglose Lage geraten würden. Vielmehr könne aus den Feststellungen zu den persönlichen Eigenschaften und Lebensumständen abgeleitet werden, dass ihre Lebenssituation nicht schlechter sei als der Durchschnitt der Mitbürger und gehören sie nicht zu den sozialen Risikogruppen ihrer Heimat an.

Zu Spruchpunkt III. wurde dargelegt, dass im Falle der Beschwerdeführer keine familiären Anknüpfungspunkte vorliegen und könne im Hinblick auf die Aufenthaltsdauer nicht von einer Bindung zu Österreich oder einer fortgeschrittenen Integration, die über einem geordneten Fremdenwesen stehen würde, ausgegangen werden und sei eine Rückkehrentscheidung somit zulässig. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

5. Mit Schriftsatz vom 02.12.2014 und vom 21.04.2017 wurde gegen die im Spruch genannten Bescheide fristgerecht Beschwerde erhoben und ihrem gesamten Inhalt nach angefochten.

Zunächst könne BF1 nicht vorgeworfen werden, dass er die genaue Anzahl der Russen im Kaffeehaus nicht habe nennen können, weil er in dieser Situation sehr nervös gewesen sei und die Männer auf zwei Tischen aufgeteilt gewesen seien. Außerdem habe er sie nicht gut gekannt, sondern nur ein paar Mal im Friseursalon von BF2 gesichtet. Gleichzeitig werfe man ihm aber vor, die Männer des rechten Sektors zu genau beobachtet zu haben. Außerdem habe BF1 die Polizei nicht aufgesucht, weil derartige Vorfälle ständig passieren würden und sie mit dem rechten Sektor sympathisieren würde. BF2 arbeite bewusst auf eigene Gefahr in ihrem Friseursalon, denn sie müsse den Lebensunterhalt bestreiten und habe keine Wahl.

Im Schriftsatz vom 21.04.2017 wurde auch das gesamte Ermittlungsverfahren bemängelt und vorgebracht, dass die Länderfeststellungen zur Ukraine unvollständig und viel zu allgemein gehalten worden seien. Auch habe BF2 die Ereignisse sehr detailliert und lebensnah geschildert, ferner ergäben sich in ihren Angaben keine Widersprüche, bzw. seien diese leicht aufzulösen. So habe BF2 Verletzungen des BF1 angegeben, die erst nach der niederschriftlichen Einvernahme vom 28.08.2014 festgestellt worden seien und er davon somit erst im Nachhinein erfahren habe. Da der ukrainische Staat nicht willens und in der Lage sei, die Beschwerdeführer vor Verfolgung zu schützen, ferner, keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe, sei den Beschwerdeführern der Status von Asylberechtigten zu gewähren. Auch bestehe im Falle einer Rückkehr die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Die Beschwerdeführer hätten sich in Österreich integriert und würde die Rückkehrentscheidung ihre in Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte verletzen.

Beantragt wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung; der Beschwerde Folge zu geben und den Beschwerdeführern den Status der Asylberechtigten, in eventu jenen der subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren; in eventu humanitäre Aufenthaltstitel zuzuerkennen; in eventu die Bescheide aufzuheben und die Rechtssache an die Behörde zurückzuverweisen.

Die Beschwerdevorlagen langten am 10.12.2014 bzw. am 28.04.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurden gemäß der geltenden Geschäftsverteilung der zur Entscheidung berufenen Gerichtsabteilung zugewiesen. Im Verfahren vorgelegt wurden:

* Ukrainischer Pensionsausweis von BF1 (in Original);

* Geburtsurkunden von BF2 und BF3 (in Original);

* Heiratsurkunde (in Original);

* Arztbriefe des Landeklinikums Baden – Mödling, Unfallabteilung (in Original);

* Ambulanzkarte des Landesklinikums Gmünd, Orthopädische Ambulanz (in Original);

* Stellungnahme zu BF3 von der Volksschule Heidenreichstein;

* diverse Empfehlungsschreiben;

*Bestätigung über die ehrenamtliche Tätigkeit von BF1 im SOMA Sozialmarkt Waldviertel Mobil.

Am 05.07.2017 veranlasste das Bundesverwaltungsgericht die Übersetzung der im Akt einliegenden Kopien der Geburtsurkunden der BF2 und BF3, sowie der Heiratsurkunde mit Ausstellungsdatum 23.03.2012.

6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.09.2017 wurden die Bescheide gemäß §§ 31, 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I. Nr. 33/2013 (VwGVG) behoben und die Angelegenheiten zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Begründend wurde darin im Wesentlichen ausgeführt, dass keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der BF1 die Staatsangehörigkeit der Ukraine erhalten habe. Schließlich sei der BF1 in Armenien geboren, dort zur Schule gegangen, trage einen armenischen Namen und habe in Armenien beim Fernsehen gearbeitet. Auch aus der übersetzten Heiratsurkunde aus dem Jahr 2012 ergebe sich, dass der BF1 zum Zeitpunkt der Verehelichung jedenfalls „Staatsbürger der Republik Armenien“ gewesen sei. Der BF1 habe lediglich einen ukrainischen Pensionsausweis vorgelegt, aus dem sich keineswegs seine Staatsangehörigkeit ergebe. Im Laufe des Verfahrens habe er zu keinem Zeitpunkt einen Grund genannt, weshalb es ihm nicht möglich wäre, derartige Dokumente, die seine Staatsangehörigkeit beweisen, zu beschaffen und der Behörde vorzulegen. Im Übrigen sei aus den Bescheiden ferner nicht ersichtlich, dass sich die belangte Behörde hinreichend mit dem entscheidungswesentlichen Vorbringen der Beschwerdeführer auseinandergesetzt habe. So fehle im angefochtenen Bescheid die konkrete Auseinandersetzung mit dem Kernvorbringen und fallspezifischen Länderfeststellungen zum rechten Sektor, es finde sich in den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid unter dem Punkt „Ostukraine“ lediglich der Hinweis, dass die Bürger dort weitestgehend ihren Alltagsgeschäften nachgehen würden, die „Unruheherde“ parallel zum normalen Umfeld existieren würden und die Bewegungsfreiheit durch Kontrollposten und Besetzungen eingeschränkt sein könne. Darüber hinaus würden sich in den Länderfeststellungen keine Ausführungen finden, in wie weit es in der Ukraine zu Bedrohungssituationen durch ukrainische Rechtsextremisten, Entführungen oder gar Zwangsrekrutierungen komme und wie sich die Weigerung zu kooperieren oder sich anzuschließen auf die Betroffenen konkret auswirke, ferner, ob – wie im Beschwerdeschriftsatz moniert – die Polizei tatsächlich mit dieser Gruppierung sympathisiere und etwaigen Anzeigen nicht nachgehe. Auch habe die belangte Behörde unterlassen zu überprüfen, ob gegebenenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben wäre.

7. Das BFA stellte daraufhin Anfragen an die Staatendokumentation betreffend nationalistischer Aktivistenbewegungen in der Ukraine, zum rechten Sektor sowie der Situation von IDPs in der Westukraine und wurde der BF1 erneut mit Schreiben vom 29.01.2018 aufgefordert einen Inlands- oder Auslandsreisepass vorzulegen.

Der BF1 legte dazu einen ukrainischer Aufenthaltstitel im Original vor.

8.1. Am 15.03.2018 wurde der BF1 erneut niederschriftlich vor dem BFA einvernommen, wobei er zusammenfassend angab, dass er ukrainischer Staatsangehöriger sei und die Bestätigung über die Verleihung erst nach seiner Ausreise gekommen sei. Seine Gattin habe die Bestätigung nicht nach Österreich mitgebracht, weil ihr bei der Behörde gesagt worden sei, dass er die Bestätigung nur persönlich abholen könne.

Befragt zu den Vorfällen mit dem rechten Sektor, schilderte der BF1, dass er ursprünglich ein Treffen mit den Russen gehabt habe. Zwei oder drei Tage danach sei er auf dem Weg nach Hause gewesen, als neben ihm ein Fahrzeug stehen geblieben sei. Vier Personen seien ausgestiegen, drei davon seien maskiert gewesen, einer nicht und er sei grob angesprochen worden. Einer der Maskierten hätte ihn geschlagen, er hätte gesagt, sie sollen aufhören, weil er seit seiner Kindheit krank sei. Ihm sei gesagt worden, dass er da nichts zu suchen hätte und er aus dem Land verschwinden solle, dass die Ukraine ihnen gehöre. Einer habe einen Schlagstock aus dem Auto geholt und ihm damit Schläge verpasst. Der unmaskierte Mann habe ihm das Nasenbein gebrochen. Sie hätten ihn geschlagen und die ganze Zeit gefragt, was für Gespräche er mit Russen geführt hätte. Ihn habe überrascht, dass sie davon gewusst hätten. Sie hätten gesagt, dass sie alles wüssten, worauf er gesagt habe, er sei weit weg von Politik und wolle nur ruhig leben. Der rechte Sektor und die Nationalisten hätten jetzt in der Ukraine sehr viel Macht. Früher hätte es Gesetze gegeben, jetzt Willkür. Das wisse er, weil er lese und es auf Youtube sehe, darüber gäbe es sehr viele Informationen. Er hätte blaue Flecken an mehreren Stellen gehabt, in der Lebergegend und auch auf sein rechtes Bein sei geschlagen worden. Er habe einen Nasenbeinbruch durch einen Faustschlag erlitten. Er sei mit dem Schlagstock, mit Fäusten und durch Fußtritte geschlagen worden und denke schon, dass die Verletzungen sichtbar gewesen seien. Die von den Schlagstöcken seien sofort sichtbar gewesen und er habe sich das angesehen, als er sich ausgezogen habe.

Befragt, was er nach dem Vorfall gemacht habe, gab der BF1 an, nach Hause gegangen zu sein und unter Schock gestanden zu haben. Er habe sich gewaschen, weil sein Gesicht voller Blut gewesen sei und habe kalte Umschläge auf seine Nase gegeben. Er sei ins Krankenhaus gefahren, wobei sie ihm gesagt hätten, er könne alles zu Hause behandeln. Davon habe er jedoch keine Unterlagen. Angesprochen darauf, dass er bei seiner Einvernahme am 28.08.2014 angegeben habe, er wäre nicht im Krankenhaus gewesen, antwortete der BF1, dass er vom Dolmetscher vielleicht falsch verstanden worden sei.

Er habe seine Frau und sein Kind in das Sommerhaus seines Vaters nach XXXX gebracht. Seine Familie sei etwa 2 Monate dort gewesen, er hielt sich dort bis zu seiner Ausreise, etwa 12-13 Tage, auf. Seine Frau sei ein paar Tage später einkaufen gewesen und habe ihm dann erzählt, dass die Fensterscheibe ihres Friseursalons eingeschlagen worden sei. Danach habe er beschlossen das Land zu verlassen, jedoch keine Anzeige erstattet. Bekannte hätten gemeint, dass sich keiner dieser Sache annehmen würde, wenn der Prawy-Sektor involviert sei.

Seine Frau habe ihm nach seiner Ausreise telefonisch erzählt, dass drei Personen zu ihr gekommen seien und ihr Angst gemacht hätten. Sie hätten nach ihm gefragt. Danach habe er zu ihr gesagt, sie solle unverzüglich von dort mit dem gemeinsamen Kind weggehen. Er habe sich Sorgen um seine Familie gemacht. Ein paar Monate später, er wisse es nicht genau, seine Frau habe ihm gesagt, 2 Monate später, habe sie wieder gearbeitet.

8.2. Am 15.03.2018 wurde auch die BF2 erneut vor dem BFA niederschriftlich einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, dass ihr Ehemann ukrainischer Staatsangehöriger sei. Nach seiner Ausreise sei ein Schreiben gekommen, dass er ukrainischer Staatsangehöriger sei, den Staatsbürgerschaftsnachweis, solle er sich jedoch selber abholen. Dieses Schreiben habe sie jedoch nicht mitgenommen und glaube auch nicht, dass sie es sich schicken lassen könne.

Nach dem Zusammenstoß ihres Mannes mit dem rechten Sektor, sei er in besorgniserregendem Zustand nach Hause. Er habe ihr gesagt, dass die Leute geglaubt hätten, dass sie für die Russen stimmen würden. Er sei angegriffen und gefragt worden, was er mit den Russen besprochen habe. Sie habe ihm erste Hilfe geleistet, als er nach Hause gekommen sei. Zuerst habe sie ihn abgewaschen, seine Nase habe geblutet, und ihm Umschläge gemacht. Er habe sich umgezogen und sei zum Arzt gegangen, sie sei jedoch nicht dabei gewesen. Er habe Kratzer, einen blauen Fleck und angeschwollene Stellen im Gesicht gehabt. Es habe zweimal solche Vorfälle gegeben. Die zerbrochenen Fenster ihres Friseurladens habe sie bemerkt, als sie gerade am Weg in die Stadt gewesen sei, um Lebensmittel einzukaufen. Sie habe davon ihrem Mann erzählt, als sie nach Hause gekommen sei. Er habe dann gesagt, dass er sie nicht in Gefahr bringen wolle und für einige Zeit die Stadt verlassen wolle, er habe jedoch nicht gesagt wohin. Er habe sich nicht an die Polizei gewandt, Bekannte hätten ihm gesagt, dass es keinen Sinn habe, weil sie sich nicht sonderlich um Fälle gekümmert hätten, in denen der Prawy-Sektor involviert gewesen sei. Ihr Friseursalon sei zu gewesen als sie nicht gearbeitet habe. Bis Ende Mai sei sie im Sommerhaus gewesen, dann sei sie wieder arbeiten gegangen. Das Sommerhaus sei in XXXX , ihr Mann habe sie Ende Februar dorthin gebracht und im März sei er weggefahren. Es habe noch einen Vorfall am 26.12.2015 gegeben, wobei sie bedroht worden sei. Ihr sei gesagt worden, dass sie wüßten dass sie ein kleines Kind habe. Ihr Gatte habe daraufhin gesagt, sie solle mit dem Kind das Land verlassen.

9. Mit Schreiben vom 02.04.2019 des BFA wurde der BF1 erneut aufgefordert Dokumente, die seine Staatsangehörigkeit belegen (allenfalls bei der Botschaft einen Staatsbürgerschaftsnachweis zu besorgen) und alle neuen Unterlagen zur Integration vorzulegen.

10. Mit Stellungnahme des rechtsfreundlichen Vertreters der BF1-BF3 vom 15.04.2019 wurde vorgebracht, dass sich der BF1 in einem offenen Asylverfahren befinde und es ihm daher nicht zumutbar sei, sich in die Botschaft des Landes zu begeben, von dem die asylrelevante Verfolgung ausgehe, um eine solche Bestätigung zu erlangen. Darüber hinaus wurde vorgebracht, dass der BF1 am 21.09.2018 eine HNO-OP gehabt habe und in ständiger medizinischer Kontrolle aufgrund einer Hüftverletzung sei. Er selbst arbeitete im SOMA Sozialmarkt, seine Tochter besuche die 3. Klasse Volksschule und fühle sich ihren österreichischen Freunden sehr verbunden. Sie sei eine ausgezeichnete Schülerin und sei gewillt ihre Ausbildung zu beenden und Berufserfahrung zu sammeln. Sie habe sich sozial sehr gut integriert und spreche sehr gut Deutsch.

11. Am 29.05.2019 wurde der BF1 neuerlich vor dem BFA niederschriftlich einvernommen, wobei er im Wesentlichen angab, dass er sich nicht an die Botschaft wenden könne, weil er mit dem Prawy-Sektor Probleme habe. Nach der Geburt seines Kindes, habe er einen ukrainischen Aufenthaltstitel erhalten. Mit diesem und der Heiratsurkunde, seiner Geburtsurkunde, der seines Kindes und seinem Pensionsdokument, habe er 2012 einen Antrag auf Staatsbürgerschaft gestellt. Er hatte keinen Grund von Armenien in die Ukraine zu reisen, er hatte dort einen Freund, dann habe er seine Frau kennengelernt und sei geblieben. Die armenische Staatsbürgerschaft wäre automatisch mit dem Antrag auf Verleihung der ukrainischen Staatsbürgerschaft zurückgelegt.

Auf Frage, dass der BF1 angegeben habe, er sei einerseits von prorussischen Akteuren zur Abstimmung für Russland und andererseits auf dem Markt von Personen des Prawy-Sektor gegen eine Abstimmung zum Anschluss an Russland unter Druck gesetzt worden, um welche Abstimmung es sich da gehandelt habe, gab der BF1 an, dass es die Abstimmung gewesen sei, bei der die Leute abstimmen sollten, ob sie zu Russland, oder bei der Ukraine bleiben wollen.

Auf Frage, warum sich prorussische Akteure, als auch rechte Akteure der Ukraine ausgerechnet an ihn wenden sollten, weil er zu diesem Zeitpunkt, wie in der letzten Einvernahme behauptet, noch armenischer Staatsangehöriger gewesen sei und laut dem Ukrainischen Ausländergesetz Art. 23 weder wählen, noch an einem Referendum hätte teilnehmen dürfen, antwortete der BF1, dass er dort schon gelebt habe und bei der Abstimmung jeder hätte abstimmen können.

12. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.10.2019 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 diese Anträge bezüglich der Zuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigter in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen (Spruchpunkt II.). Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57, 55 AsylG wurden nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen, ferner die Abschiebung der BF2 und BF3 in die Ukraine gemäß § 46 FPG für zulässig erklärt (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Die Identität des BF1 stehe nur teilweise fest, seine Staatsangehörigkeit sei ungeklärt. Die Identität der BF2 und BF3 stehe aufgrund der vorgelegten Unterlagen fest. Den Bescheiden wurden Feststellungen zur allgemeinen Lage in der Ukraine zugrunde gelegt. Die ukrainische Staatsangehörigkeit der BF2 und des BF3 wurde ebenso festgestellt wie der Umstand, dass die Beschwerdeführer der armenischen Volksgruppe sowie dem christlich-apostolischen Glauben angehörig seien. Festgestellt wurde die Geburt von BF1 und BF2 in Armenien sowie deren Aufenthalt in der Ukraine seit dem Jahr 1989 (BF2) bzw. 1996 (BF1). Die Feststellungen zum Gesundheitszustand von BF1 ergeben sich aus der niederschriftlichen Einvernahme vom 28.08.2014 und den vorgelegten Arztbriefen.

Der BF1 habe die Staatsangehörigkeit der Ukraine nicht belegen können. Weder habe er eine Bestätigung über die Erlangung der ukrainischen Staatsangehörigkeit vorgelegt, noch einen Nachweis für die Zurücklegung der armenischen Staatsangehörigkeit erbracht. Ihm sei in Zusammenhang damit auch die persönliche Glaubwürdigkeit aufgrund der zahlreichen Widersprüche zu versagen gewesen. Gehe man von der ukrainischen Staatsangehörigkeit des BF1 aus, könne keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung entnommen werden. Ferner gebe es keine stichhaltigen Gründe, die gegen eine Rückkehr in die Ukraine sprechen würden. Die Beschwerdeführer würden auch an keinerlei schwerwiegenden physischen oder psychischen Beeinträchtigungen leiden.

Der Behörde erscheine es insbesondere nicht glaubwürdig, dass BF1 und BF2 so widersprüchliche Angaben zu den erlittenen Verletzungen des BF1 tätigten. Auch hätte der BF1 zunächst angegeben nicht zum Arzt gegangen zu sein, wobei die BF2 sehr wohl behauptet habe, BF1 sei beim Arzt gewesen, woraufhin BF1 bei seiner nächsten Einvernahme angab, im Krankenhaus gewesen zu sein. Auch aufgrund der widersprüchlichen Aussagen in Bezug auf den Aufenthalt von BF1-BF3 in XXXX und Fassung des Ausreiseentschlusses, komme die Behörde insgesamt zu dem Schluss, dass die Fluchtgeschichte nicht glaubhaft sei. Selbst bei Wahrannahme, seien vorgebrachte Vorfälle als Verhalten Dritter einzustufen, das von den Behörden keinesfalls geduldet werde und dem Herkunftsstaat daher nicht zurechenbar sei. Im Übrigen gehöre der Oblast Mykolaiv vollständig zu ukrainischen Staatsgebiet, in dem Konflikte mit prorussischen Separatisten nicht mehr zu erwarten seien. Die ukrainischen Behörden seien schutzwillig und schutzfähig, was Übergriffe seitens prorussischer Aktivisten und Mitgliedern des rechten Sektors betreffe.

Rechtlich wurde zu Spruchpunkt I. insbesondere ausgeführt, dass die Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen seien, eine Bedrohungssituation im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft darzulegen.

In Spruchpunkt II. wurde darauf verwiesen, dass sie keine Fluchtgründe haben glaubhaft machen können, weshalb auch aus diesem angegebenen Grund nicht von einer Gefährdungslage ausgegangen werden könne und BF2 und BF3 für den Fall einer Rückkehr auch nicht in eine ausweglose Lage geraten würden. Vielmehr könne aus den Feststellungen zu den persönlichen Eigenschaften und Lebensumständen abgeleitet werden, dass ihre Lebenssituation nicht schlechter sei als der Durchschnitt der Mitbürger und gehören sie nicht den sozialen Risikogruppen ihrer Heimat an. Betreffend den BF1 wurde festgehalten, dass der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ohne weitere Prüfung abzuweisen sei, wenn der Herkunftsstaat nicht feststellbar sei.

Zu Spruchpunkt III. wurde dargelegt, dass im Falle der Beschwerdeführer keine familiären Anknüpfungspunkte vorliegen und könne im Hinblick auf die Aufenthaltsdauer nicht von einer Bindung zu Österreich oder einer fortgeschrittenen Integration, die über einem geordneten Fremdenwesen stehen würde, ausgegangen werden und sei eine Rückkehrentscheidung somit zulässig. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Ukraine betreffend BF2 und BF3 gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

13. Mit Schriftsatz vom 18.11.2019 erhoben die BF durch ihren rechtlichen Vertreter binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass der BF1 bei seiner Einvernahme am 28.08.2014 verwirrt gewesen sei, weshalb er keine genauen Angaben habe machen können. Tatsächlich habe er den Ausreiseentschluss nach dem Vorfall mit dem rechten Sektor gefasst. Erneut wurde vorgebracht, dass Ende Februar 7 oder 8 russische Männer den BF1 zur Unterstützung prorussischer Kräfte aufgefordert hätten. Er habe sich geweigert, weshalb das Gespräch aggressiver geworden und er bedroht worden sei. 2-3 Tage später, sei ein Wagen neben ihm stehen geblieben, 4 Personen seien ausgestiegen, wobei 3 maskiert gewesen seien. Sie hätten sich als ukrainische Rechtsradikale vorgestellt und den BF1 auf sein Gespräch mit den Russen angesprochen. Der BF1 sei geschlagen und bedroht worden. Anschließend habe er seine Familie nach XXXX gebracht und entschieden das Land zu verlassen. Nachdem der BF1 das Heimatland schon verlassen hatte, sei die BF2 ebenfalls bedroht und aufgefordert worden, mitzuteilen, wo sich ihr Ehemann befinde. Es handle sich um einen Fall nichtstaatlicher Verfolgung, wobei es entscheidend sei, ob der betreffenden Person die Möglichkeit offenstehe Schutz im Herkunftsstaat in Anspruch zu nehmen. Die Behörde habe hinsichtlich der Schutzfähigkeit des ukrainischen Staates gegenüber ukrainischen Rechtsradikalen unvollständige Länderfeststellungen verwendet, weshalb das Ermittlungsverfahren mangelhaft geführt worden sei.

14. Aufgrund einer Anfrage der erkennenden Richterin bei der armenischen Botschaft, wurde mit Schreiben vom 20.12.2019 mitgeteilt, dass XXXX , geb. XXXX , Staatsangehöriger der Republik Armenien ist und ihm am 06.05.2019, Passnummer XXXX , ein neuer Reisepass ausgestellt worden ist und eine Passkopie mitgesandt (OZ5).

15. Am 03.07.2020 fand unter Beiziehung eines den Beschwerdeführern einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache RUSSISCH eine öffentlich mündliche Verhandlung statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person der BF1:

Die Identität des BF1 steht fest.

Er ist armenischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Armenier sowie dem christlich-apostolischen Glauben an. Der BF1 hat während des Verfahrens seine Mitwirkungspflichten verletzt. Er ist volljährig und im erwerbsfähigen Alter. Er spricht Armenisch, Russisch und ein wenig Ukrainisch. Er hat 10 Jahre die Schule in Armenien besucht, ebendort eine Ausbildung zum Tontechniker gemacht und jahrelang als Tontechniker beim armenischen Fernsehen gearbeitet.

Der BF1 ist in Armenien geboren sowie aufgewachsen und hat seit 2009, bis zuletzt, in der Ukraine in XXXX , dem Elternhaus seiner Ehefrau, mit deren Familie, gelebt. Die Mutter des BF1 ist verstorben, sein Vater lebt in Armenien, zu ihm hat er jedoch keinen Kontakt. Seine Schwester lebt in Los Angeles und hat ihn in seiner Anfangszeit in der Ukraine finanziell unterstützt. Der BF1 verfügt über eine ukrainische Aufenthaltsberechtigung und bezieht eine Alterspension von 100 USD/Monat.

Der BF1 ist illegal aus der Ukraine ausgereist und spätestens am 10.03.2014 schlepperunterstützt in das Bundesgebiet eingereist und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF1 ist mit XXXX , der BF2, verheiratet und hat mit ihr eine gemeinsame Tochter, XXXX , die BF3. Er leidet an Morbus Perthes (Knochennekrose), weshalb er im Mai 2014 eine Hüftprothese rechts bekam und nimmt bei starken Schmerzen das Medikament Tramal. Von 17.06.2020 bis zur mündlichen Verhandlung am 03.07.2020 befand sich der BF1 in orthopädischer Rehabilitation im Moorheilbad Harbach. Dort war er auch bereits im November 2014 auf Kur. Am 21.09.2018 wurde eine Septorhinoplastik (Korrektur der äußeren und inneren Nase) aufgrund einer knöchernen knorpeligen Schiefnase beim BF1 durchgeführt. Eine Arbeitsunfähigkeit ergibt sich daraus nicht. Der BF1 ist arbeitsfähig.

1.2. Zur Person der BF2:

Die Identität der BF2 steht fest.

Sie ist ukrainische Staatsangehörige und gehört der Volksgruppe der Armenier sowie dem christlich-apostolischen Glauben an. Sie ist volljährig und im erwerbsfähigen Alter. Sie spricht Russisch, gut Armenisch und versteht gut Ukrainisch. Sie hat 10 Jahre die Schule in Aserbaidschan besucht und eine Ausbildung zur Friseurin abgeschlossen. 1989 ist sie in die Ukraine gezogen und hat dort als Friseurin gearbeitet. Zuletzt hat sie seit 2010 bis zu ihrer Ausreise einen eigenen Friseursalon betrieben.

Die BF2 ist in Aserbaidschan geboren sowie aufgewachsen und hat seit 1989 bis zuletzt in der Ukraine in XXXX , gelebt. Dabei handelt es sich um ihr Elternhaus, indem sie mit dem BF1 und der BF3 sowie ihrer Familie gelebt hat. Die Mutter der BF2 ist verstorben, ihr Vater lebt noch in XXXX , ebenso wie ihre Schwester, zu ihnen hat die BF2 einmal im Monat Kontakt. Ein weiterer Bruder und eine Schwester leben in der Russischen Föderation. Zu ihnen hat die BF2 keinen Kontakt.

Die BF2 ist spätestens am 13.01.2016 zusammen mit der mj. Tochter, der BF3, in das Bundesgebiet eingereist und stellte am selben Tag für sich und ihre Tochter als gesetzliche Vertreterin, Anträge auf internationalen Schutz.

Die BF2 ist mit XXXX , dem BF1, verheiratet und hat mit ihm eine gemeinsame Tochter, XXXX , die BF3. Die BF2 ist gesund und arbeitsfähig.

1.3. Zur Person der BF3:

Die BF3 ist die mj. Tochter des BF1 und der BF2. Sie ist ukrainische Staatsangehörige und gehört dem christlich-apostolischen Glauben an. Sie spricht Russisch und Deutsch. Sie ist zusammen mit der BF2 spätestens am 13.01.2016 eingereist und ist gesund.

1.4. Zum Fluchtvorbringen der BF

Die Beschwerdeführer sind keiner konkreten, asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung in ihrem Herkunftsstaat ausgesetzt. Es besteht staatlicher Schutz.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Armenien und der Ukraine

1.5.1. Die maßgeblichen Länderberichte zur Lage in Armenien im aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 08.05.2019, letzte KI eingefügt am 25.06.2020 (in der Folge: LIB 2029) wurden aufgrund der bis dato unwahren Angaben des BF zu seiner Staatsangehörigkeit in der mündlichen Verhandlung vom 03.07.2020 in das Verfahren eingeführt. Daraus ergibt sich Folgendes:

Politische Lage

Letzte Änderung: 26.6.2020

Armenien (arm.: Hayastan) umfasst knapp 29.800 km² und hatte im ersten Quartal 2019 eine Einwohnerzahl von 2,96 Millionen, was einen Rückgang von 0,3% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres ausmachte (ArmStat 7.5.2019). Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier. Den Rest bilden kleinere Ethnien wie Jesiden und Russen (CIA 14.2.2019).

Seit der Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 findet in Armenien ein umfangreicher Reformprozess auf politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene hin zu einem demokratisch und marktwirtschaftlich strukturierten Staat statt. Die vorgezogenen Parlamentswahlen am 9.12.2018 konnten nach übereinstimmender Meinung aller Wahlbeobachter als frei und fair bezeichnet werden. Die im Dezember 2015 per Referendum gebilligte Verfassungsreform zielt auf den Umbau von einer semi-präsidialen in eine parlamentarische Demokratie ab. Die Änderungen betreffen u.a. eine Ausweitung des Grundrechtekatalogs sowie die weitere Stärkung des Parlaments (auch der Opposition). Das Amt des Staatspräsidenten wurde im Wesentlichen auf repräsentative Aufgaben reduziert, gleichzeitig die Rolle des Premierministers und des Parlaments gestärkt (AA 27.4.2020). Der Premierminister und der Präsident werden vom Parlament gewählt. Der Premierminister ist der Regierungsvorsitzende, während der Präsident vorwiegend zeremonielle Funktionen ausübt (USDOS 11.3.2020).

Oppositionsführer Nikol Paschinjan wurde im Mai 2018 vom Parlament zum Premierminister gewählt, nachdem er wochenlange Massenproteste gegen die Regierungspartei angeführt und damit die politische Landschaft des Landes verändert hatte. Er hatte Druck auf die regierende Republikanische Partei durch eine beispiellose Kampagne des zivilen Ungehorsams ausgeübt, was zum schockartigen Rücktritt Serzh Sargsyans führte, der kurz zuvor das verfassungsmäßig gestärkte Amt des Premierministers übernommen hatte, nachdem er zehn Jahre lang als Präsident gedient hatte (BBC 20.12.2018; vgl. AA 27.4.2020). Bei den als „Samtene Revolution“ bezeichneten Demonstrationen im April/Mai 2018 verhielten sich die Sicherheitskräfte zurückhaltend. Auch die Demonstranten waren bedacht, keinerlei Anlass zum Eingreifen der Sicherheitskräfte zu bieten (AA 27.4.2020).

Am 9.12.2018 fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt, welche unter Achtung der Grundfreiheiten ein breites öffentliches Vertrauen genossen. Die offene politische Debatte, auch in den Medien, trug zu einem lebhaften Wahlkampf bei. Das generelle Fehlen von Verstößen gegen die Wahlordnung, einschließlich des Kaufs von Stimmen und des Drucks auf die Wähler, ermöglichte einen unverfälschten Wettbewerb (OSCE/ODIHR 10.12.2018). Die Allianz des amtierenden Premierministers Nikol Paschinjan unter dem Namen „Mein Schritt“ erzielte einen Erdrutschsieg und erreichte 70,4% der Stimmen. Die ehemalige mit absoluter Mehrheit regierende Republikanische Partei (HHK) erreichte nur 4,7% und verpasste die 5-Prozent-Marke, um in die 101-Sitze umfassende Nationalversammlung einzuziehen. Die Partei „Blühendes Armenien“ (BHK) des Geschäftsmannes Gagik Tsarukyan gewann 8,3%. An dritter Stelle lag die liberale, pro-westliche Partei „Leuchtendes Armenien“ unter Führung Edmon Maruyian, des einstigen Verbündeten von Paschinjan, mit 6,4% (RFE/RL 10.12.2018; vgl. ARMENPRESS 10.12.2018).

Zu den primären Zielen der Regierung unter Premierminister Paschinjan gehören die Bekämpfung der Korruption und Wirtschaftsreformen (RFL/RL 14.1.2019; vgl. FH 4.3.2020) sowie die Schaffung einer unabhängigen Justiz (168hours 20.7.2018; vgl. FH 4.3.2020). Seit Paschinjans Machtübernahme hat sich das innenpolitische Klima deutlich verbessert und dessen Regierung geht bestehende Menschenrechts-Defizite weitaus engagierter als die Vorgängerregierungen an, auch wenn immer noch Defizite bei der konsequenten Umsetzung der Gesetze bestehen (AA 27.4.2020).

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_%28Stand_Februar_2020%29%2C_27.04.2020.pdf, Zugriff 23.6.2020

•        ARMENPRESS – Armenian News Agency (10.12.2018): My Step – 70.44%, Prosperous Armenia – 8.27%, Bright Armenia – 6.37%: CEC approves protocol of preliminary results of snap elections, https://armenpress.am/eng/news/957626.html, Zugriff 21.3.2019

•        ArmStat - Statistical Committee of the Repbulic of Armenia (7.5.2019): Economic and Financial Data for the Republic of Armenia, https://armstat.am/nsdp/, Zugriff 8.5.2019

•        BBC News (20.12.2018):Armenia country profile, https://www.bbc.com/news/world-europe-17398605, Zugriff 21.3.2019

•        CIA - Central Intelligence Agency (30.4.2.2019): The World Factbook, Armenia; https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html, Zugriff 7.5.2019

•        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Armenia, https://freedomhouse.org/country/armenia/freedom-world/2020, Zugriff 24.4.2020

•        OSCE/ODIHR – Organization for Security and Cooperation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights et alia (10.12.2018): Armenia, Parliamentary Elections, 2 April 2017: Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/armenia/405890?download=true, Zugriff 21.3.2019

•        RFE/RL – Radio Free Europe/ Radio Liberty (10.12.2018): Monitors Hail Armenian Vote, Call For Further Electoral Reforms, https://www.rferl.org/a/monitors-hail-armenia-s-snap-polls-call-for-further-electoral-reforms/29647816.html, 21.3.2019

•        RFE/RL – Radio Free Europe/ Radio Liberty (14.1.2019): Pashinian Reappointed Armenian PM After Securing Parliament Majority, https://www.rferl.org/a/pashinian-reappointed-armenian-pm-after-securing-parliament-majority/29708811.html, Zugriff 21.3.2019

•        USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/ARMENIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 13.3.2020

•        168hours (20.7.2018): Fight against corruption and creation of independent judiciary main pillars of government’s economic policy – PM Paschinjan, https://en.168.am/2018/07/20/26637.html, Zugriff 21.3.2019

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 26.6.2020

Hinsichtlich Bergkarabach - das sowohl von Armenien als auch von Aserbaidschan beansprucht wird - besteht die Gefahr erneuter Feindseligkeiten aufgrund des Scheiterns der Vermittlungsbemühungen, der zunehmenden Militarisierung und häufiger Verletzungen des Waffenstillstands. Im Oktober 2017 trafen sich die Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans unter der Schirmherrschaft der Minsk-Gruppe, einer von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geleiteten Vermittlungsgruppe, in Genf und begannen eine Reihe von Gesprächen über eine mögliche Lösung des Konflikts. In den letzten Jahren haben Artilleriebeschüsse und kleinere Gefechte zwischen aserbaidschanischen und armenischen Truppen Hunderte von Toten gefordert. Anfang April 2016 gab es die heftigsten Kämpfe seit 1994. (CFR 18.10.2019). Die Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan ist geschlossen. Es gibt häufige Verletzungen des Waffenstillstands von 1994 und militärische Stellungen entlang der Grenze. Es gibt immer wieder Zeiten erhöhter Spannungen, die die Sicherheitslage in den Grenzregionen unberechenbar machen können (FCO 15.6.2020, vgl. EDA 18.3.2020).

Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev und der armenische Premierminister Nikol Paschinjan vereinbarten bei ihrem ersten Treffen am Rande des Gipfels der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, der am 27. und 28. September 2018 in Du

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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