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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1991 §6 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des S in Wien, vertreten durch Dr. Günther Niebauer, Rechtsanwalt in Wien I, Franz-Josefs-Kai 5/9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. Juni 1995, Zl. SD 699/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 21. Juni 1995 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei am 24. März 1992 mit einem kurz zuvor ausgestellten gültigen Reisepaß mit Hilfe von Schleppern über Ungarn über die "grüne Grenze" nach Österreich gelangt und habe zwei Tage später einen Asylantrag gestellt. Einen Monat später habe er einen Sichtvermerk beantragt, der ihm auch erteilt und nach Vorlage einer Verpflichtungserklärung seines in Österreich lebenden Vaters bis 7. September 1993 verlängert worden sei. Eine Aufenthaltsbewilligung sei dem Beschwerdeführer nicht erteilt worden. Der Asylantrag sei mit rechtskräftigem Bescheid vom 15. Februar 1995 u.a. deshalb abgewiesen worden, weil der Beschwerdeführer vor seiner Einreise nach Österreich sowohl in Rumänien als auch in Ungarn vor Verfolgung sicher gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei daher nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Die Gewährung von aufschiebender Wirkung an die gegen den abweisenden Asylbescheid erhobene Verwaltungsgerichtshofbeschwerde ändere daran nichts, weil dem Beschwerdeführer mangels direkter Einreise schon im Asylverfahren keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zugekommen sei.
Aufgrund der Umstände, daß der Vater des Beschwerdeführers in Österreich lebe - seine Mutter und die beiden Geschwister lebten in der Türkei - und der Beschwerdeführer eine technische Ausbildung absolviert habe, lasse sich nicht ableiten, daß die Ausweisung im Grunde des § 19 FrG unzulässig sei. Der mit der Ausweisung verbundene Eingriff sei nämlich zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, dringend geboten, weil der Beschwerdeführer nicht in der Lage sei, vom Inland aus einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltesbewilligung zu stellen. Eine Abstandnahme von der Ausweisung würde ihm unter Umgehung des Aufenthaltsgesetzes den tatsächlichen, jedoch nicht rechtmäßigen Aufenthalt auf Dauer verschaffen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Der Beschwerdeführer meint, daß er sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, weil ihm eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Asylgesetz 1991 zukomme. Das Asylverfahren sei entgegen der Ansicht der belangten Behörde aufgrund der gegen den Berufungsbescheid erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, welcher aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.
1.2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß er am 24. März 1992 unter Zuhilfenahme eines Schleppers illegal über die "grüne Grenze" nach Österreich eingereist ist.
Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 kommt - unter der Voraussetzung rechtzeitiger Antragstellung - nur jenen Asylwerbern zu, die gemäß § 6 Asylgesetz 1991 eingereist sind. Der Beschwerdeführer fällt nicht unter § 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991, weil er nicht direkt aus der Türkei, das ist der Staat, in dem er behauptet, Verfolgung befürchten zum müssen, gekommen ist. § 6 Abs. 2 Asylgesetz 1991 kommt für den Beschwerdeführer schon deshalb nicht zum Tragen, weil er über die "grüne Grenze" eingereist ist und ihm daher die Einreise nicht formlos gestattet wurde.
Der Beschwerdeführer kann daher die Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes nicht aus dem Asylgesetz 1991 herleiten. Daran hat die vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 20. April 1995, Zl. AW 95/20/0125, erfolgte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an die Beschwerde gegen den seinen Asylantrag abweisenden Bescheid nichts geändert. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit diesem Beschluß dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung lediglich mit der Wirkung stattgegeben, daß dem Antragsteller die Rechtsstellung zukommt, die er als Asylwerber vor Erlassung des angefochtenen Bescheides hatte. Da dem Beschwerdeführer - wie aufgezeigt - während des Asylverfahrens keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 zukam, konnte ihm diese auch nicht durch diesen Beschluß verschafft werden.
Es sei hinzugefügt, daß die Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers an der Rechtskraft des abweisenden Asylbescheides nichts ändern konnte (vgl. etwa Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz. 454).
2.1. Bei der Interessenabwägung gemäß § 19 FrG hat die belangte Behörde die von der Beschwerde ins Treffen geführten Umstände des inländischen Aufenthalts des Vaters des Beschwerdeführers und der vom Beschwerdeführer absolvierten Ausbildung ohnehin berücksichtigt. Die von der belangten Behörde vertretene Ansicht, daß § 19 FrG der Ausweisung nicht entgegenstehe, begegnet jedoch keinen Bedenken. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1997, Zl. 95/18/1367, mwN). Der Beschwerdeführer hat dieses maßgebliche öffentliche Interesse durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt in der Dauer von bereits eindreiviertel Jahren - bei einer gesamten Aufenthaltsdauer von lediglich dreieinviertel Jahren - gravierend beeinträchtigt. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer - von der belangten Behörde richtig erkannt - nicht in der Lage ist, seinen Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren. Dem gegenüber sind die geschilderten privaten Interessen - das Gewicht des inländischen Aufenthaltes des Vaters wird dadurch relativiert, daß der Beschwerdeführer bereits erwachsen ist - von vergleichsweise geringerem Gewicht und vermögen das besagte öffentliche Interesse keinesfalls zu überwiegen.
2.2. Soweit sich der Beschwerdeführer darauf beruft, daß er wegen der in der Türkei zu erwartenden Verfolgung nicht in dieses Land abgeschoben werden dürfe, ist ihm zu entgegnen, daß mit der Ausweisung nicht ausgesprochen wird, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe, oder daß er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1997, mwN).
3. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen ist den Verfahrensrügen, die belangte Behörde habe den Stand des Asylverfahrens nicht berücksichtigt und sich mit der vorgebrachten Verfolgungsgefahr des Beschwerdeführers in seiner Heimat nicht auseinandergesetzt, der Boden entzogen.
4. Da sich die Beschwerde daher als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995181439.X00Im RIS seit
20.11.2000