TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/24 G305 2200288-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.07.2020
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Entscheidungsdatum

24.07.2020

Norm

ASVG §59 Abs1
ASVG §67 Abs10
ASVG §83
B-VG Art133 Abs4

Spruch

G305 2200288-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , XXXX , vertreten durch Mag. Matthias STRAMPFER, Rechtsanwalt, Hauptplatz 15/3, 8010 Graz, gegen den Bescheid der XXXX vom XXXX .01.2018, BZ: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Es wird festgestellt, dass auf dem Beitragskonto-Nr. XXXX EUR 17.718,96 zuzüglich Verzugszinsen in gemäß § 59 Abs. 1 ASVG gültigen Satz aus EUR 13.880,87 offen und unberichtigt aushaften.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom XXXX .01.2018, BZ.: XXXX , sprach die Österreichische Gesundheitskasse (in der Folge: belangte Behörde oder kurz: ÖGK) vormals XXXX aus, dass XXXX , geb. XXXX (in Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF) als Geschäftsführer der XXXX , XXXX (in der Folge: so oder: Primärschuldnerin oder: GmbH) für auf dem Beitragskonto XXXX der GmbH aushaftende Sozialversicherungsbeiträge den Betrag von EUR 17.718,96 zzgl. Verzugszinsen im gemäß § 59 Abs. 1 ASVG gültige Satz von damals 3,38 % p.a. aus EUR 13.880,87 schulde und verpflichtet sei, diese Schuld binnen 15 Tagen nach Zustellung des Bescheides zu zahlen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen kurz zusammengefasst aus, dass ihr die GmbH als Dienstgeberin für zur Sozialversicherung anmeldete Dienstnehmer Sozialversicherungsbeiträge und Nebengebühren für den Zeitraum Februar 2015 bis Juli 2015 in Höhe von insgesamt EUR 17.718,96 einschließlich Verzugszinsen im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß von 3,38 % p.a. (berechnet bis 22.01.2018) schulde. Das ergebe sich aus der Rückstandsaufstellung, die einen integrierenden Bestandteil des Bescheides bilde. Die ausgewiesene Beitragsschuld habe trotz gerichtlicher Betreibung gegen die Gesellschaft als Primärschuldnerin in dem über ihr Vermögen zu GZ XXXX beim Landesgericht XXXX eröffneten Insolvenzverfahren nicht eingebracht werden können. Das Insolvenzverfahren sei am XXXX .08.2017 gem. § 123a IO ohne Quote aufgehoben worden, weshalb die Forderung der ÖGK als uneinbringlich anzusehen sei. Bis zur Insolvenzeröffnung sei der BF selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der GmbH gewesen. In der rechtlichen Beurteilung heißt es, dass die zur Vertretung einer juristischen Person gemäß § 67 Abs. 10 ASVG berufene Person zur Haftung herangezogen werde. Diese Person habe neben der durch sie vertretenen Beitragsschuldnerin für die von dieser zu entrichtenden Beiträge insoweit zu haften, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der ihr auferlegten Pflichten nicht erfüllt wurden. Aus § 58 Abs. 5 ASVG ergebe sich, dass der Vertreter der juristischen Person alle jene Pflichten zu erfüllen hat, die die Vertretene zu erfüllen hat und dass alle der Vertretenen zustehenden Rechte zukommen. Die rechtzeitige Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum Februar 2015 bis Juli 2015 sei ein Bestandteil der dem Beschwerdeführer als Geschäftsführer der GmbH auferlegten Pflichten gewesen, den er nicht erfüllt habe. Gemäß der übereinstimmenden und ständigen Ansicht von Lehre und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs habe derjenige, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt, die Gründe darzutun, aus denen ihm die Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls anzunehmen ist, dass er seiner Pflicht schuldhafter Weise nicht nachgekommen ist. Die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote laste auf dem Geschäftsführer und nicht auf der belangten Behörde. Auch treffe den Haftenden die besondere Informationssicherungspflicht. Der Aufforderung zur Mitwirkung sei der Beschwerdeführer nur insofern nachgekommen, als er die Haftung bestritten habe. Die Pflichtverletzung sei ihm nicht anzulasten, da er seit 2013 nicht in der Lage gewesen sei, seine Pflichten nach dem ASVG wahrzunehmen. Dem entgegnete die belangte Behörde, dass ein schlechter Gesundheitszustand eines Geschäftsführers, der die Leistungsfähigkeit erheblich einschränke, kein Grund sei, eine Pflichtverletzung zu rechtfertigen. Für ihn bestehe die Möglichkeit, sich bei Erfüllung der Aufgaben vertreten und unterstützen zu lassen. Hat sich der Gesundheitszustand bereits seit mehreren Jahren verschlechtert, hätte das Organ vorzusorgen gehabt, dass es in der Lage ist, seinen Verpflichtungen als Vertreter trotzdem weiterhin nachzukommen. Wenn der BF angab, dass sich sein Gesundheitszustand bereits seit dem Jahr 2013 verschlechterte, habe er ausreichend Zeit gehabt, um für die durch seinen verschlechterten Gesundheitszustand gefährdete Wahrnehmung der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten vorzusorgen. Im Übrigen habe er es in Kauf genommen, dass er seine Funktion nicht wahrnehmen konnte und die tatsächliche Geschäftsführung durch XXXX erfolgte.

2. Gegen diesen, dem Beschwerdeführer am 25.01.2018 im Wege der Ersatzzustellung zugestellten Bescheid erhob der BF die zum 15.02.2018 datierte, am selben Tag zur Post gegebene (rechtzeitige) Beschwerde, die er mit den Anträgen verband, 1.) den Bescheid aufzuheben bzw. ersatzlos zu beheben, in eventu 2.) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und der Aufnahme von Erhebungstätigkeiten in der Sache selbst zu entscheiden in eventu 3) das Verfahren zur Verfahrensergänzung an die 1. Instanz zurückzuverweisen. Als Beschwerdegründe machte er „inhaltliche Rechtswidrigkeit“ und „Rechtswidrigkeit aufgrund Verletzung von Verfahrensvorschriften“ geltend. Begründend führte er aus, dass er völlig zu Unrecht als ehemaliger Geschäftsführer der GmbH für aushaftende Sozialversicherungsbeiträge auf dem Beitragskonto Nr. XXXX haftbar gemacht und zur Zahlung herangezogen werde. Das vor dem Landesgericht XXXX zu XXXX anhängig gemachte Strafverfahren habe sich mit den strafrechtlichen Handlungen des XXXX auseinandergesetzt, welcher als Hauptverantwortlicher für diverse Vorgänge bei der GmbH gelte. Es sei letztendlich nur auf das strafrechtlich relevante Verhalten des faktischen Geschäftsführers XXXX zurückzuführen, dass diese Beiträge tatsächlich nicht abgeführt wurden. Die Täuschungshandlungen des XXXX hätten nicht nur die Beitragsstellen umfasst, sondern auch den Beschwerdeführer selbst, welcher auf Grund seiner psychischen und physischen Konstitution ein Opfer des XXXX wurde. Die gegenständliche Haftungsinanspruchnahme würde eine unzulässige Bestrafung des Opfers darstellen. Ein schuldhaftes Verhalten des BF liege nicht vor, da dieser „nachweislich gesundheitlich einen Ausnahmezustand zu bewerkstelligen hatte“. Demnach leide er seit mehreren Jahren an Bandscheibenvorfällen im Bereich der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule. Seit Herbst 2014 liege ein Krankheitsbild, betreffend seine Halswirbelsäule, bei ihm vor, welches zu Taubheitszuständen der Beine, zum vollständigen Kontrollverlust der Koordination und zu massiven Schmerzzuständen geführt hätte. In der Folge seien im ab September 2014 Morphine, Halluzinogene und andere massive Schmerzmittel verabreicht worden und sei vor diesem Hintergrund eine eingeschränkte Realitätswahrnehmung vorgelegen, die ein schuldhaftes Verhalten bzw. eine schuldhafte Verletzung von Pflichtvorschriften nach dem ASVG ausschließen würde. Die Erkrankung des Beschwerdeführers habe dazu geführt, dass dieser nicht in der Lage gewesen sei, seine Verpflichtung für die Beitragsentrichtung zu sorgen, zu erfüllen.

3. In der Folge brachte die belangte Behörde die gegen den Bescheid vom XXXX .01.2018 erhobene Beschwerde samt Vorlagebericht dem Bundesverwaltungsgericht zur Vorlage. Im Bezug habenden Vorlagebericht heißt es im Wesentlichen kurz zusammengefasst, dass die faktische Geschäftsführertätigkeit entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs und der herrschenden Lehre die Haftung des im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführers nicht ausschließt. Ist ein Geschäftsführer durch einen faktischen Geschäftsführer oder einen Gesellschafter an der Ausübung seiner Pflichten gehindert, habe er seine Funktion zurückzulegen oder für Abhilfe zu sorgen. Zum Gesundheitszustand vertrete der VwGH die Auffassung, dass der Geschäftsführer sicherzustellen habe, dass er unterstützt und vertreten wird. Ein schlechter Gesundheitszustand allen könne die Pflichtverletzung nicht rechtfertigen.

4. Am XXXX .10.2018 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt, anlässlich welcher der BF als Partei und XXXX als Zeuge einvernommen wurden.

5. Mit hg. Beschluss vom 25.02.2019, GZ: G305 2200288-1/4Z, wurde XXXX , Facharzt für Orthopädie, mit der Untersuchung und der Erstellung eines fachärztlichen Sachverständigengutachtens beauftragt.

6. Mit Schriftsatz vom 24.05.2019 brachte der Beschwerdeführer einen zum XXXX .01.2018 datierten Haftungsbescheid XXXX , eine zum 23.01.2018 datierte Beschwerde und einen weiteren, zum XXXX .04.2019 datierten Bescheid XXXX , zur Vorlage und erstattete dazu das Vorbringen, dass der BF vom XXXX gem. § 6a KommStG iVm. § 80 ff BAO für die im Zeitraum XXXX .01.2014 bis XXXX .09.2015 entstandenen Kommunalsteuerrückstände in Höhe von EUR 12.192,06 haftbar gemacht und zur Zahlung herangezogen worden sei. Der gegen diesen Haftungsbescheid erhobenen Beschwerde vom 23.01.2018 habe der Gemeinderat XXXX mit Bescheid vom XXXX .04.2019 vollinhaltlich stattgegeben. Der dem Haftungsbescheid zugrundeliegende Sachverhalt sei im Wesentlichen deckungsgleich mit dem des laufenden Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht. Auch sei das Verfahren des Finanzamtes XXXX betreffend die Haftung gemäß § 9 iVm. § 80 BAO wegen rückständiger Umsatzsteuer und Lohnsteuer mit ebenso deckungsgleichem Sachverhalt zur Einstellung gebracht worden. Vor diesem Hintergrund sei auch das laufende Beschwerdeverfahren zu Gunsten des Beschwerdeführers zu entscheiden.

7. Mit hg. Verfahrensanordnung vom 28.05.2019 wurde der Schriftsatz vom 24.05.2019 samt den zur Vorlage gebrachten Urkunden der ÖGK vorgelegt und dieser im Rahmen des Parteiengehörs die Gelegenheit zur Äußerung binnen festgesetzter Frist gegeben.

8. In der Folge erging am 07.06.2019 eine Stellungnahme der belangten Behörde, worin diese ausführte, dass der BF in der gegen den Bescheid der XXXX vom XXXX .01.2018 erhobenen Beschwerde als einzige Verteidigung vorbrachte, dass das Finanzamt und der Gemeinderat XXXX (möglicherweise gem. § 20 BAO, eine Ermessensbestimmung, die dem ASVG fremd sei) keine Haftungen gegen ihn durchgesetzt hätten. Aus den Urkunden ergebe sich weder ein neues Tatsachensubstrat, noch ein Hinweis auf tatbestandsvernichtende Umstände. Die Entscheidung des Gemeinderates habe keine Auswirkung auf die selbständige Haftung gem. § 67 Abs. 10 ASVG. Die Haftungen seien voneinander unabhängig und bestehe keine Bindungswirkung. Aus Medienberichten offenbare sich, dass der BF seit seiner Eintragung ins Firmenbuch im Jahr 2013 durchaus dispositionsfähig gewesen sei und sogar längere Flugreisen und Arbeitstätigkeiten verrichten konnte. Vor diesem Hintergrund sei ein die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit ausschließender Zustand mit der allgemeinen Lebenserfahrung nicht in Einklang zu bringen. Aus den Medienberichten ergebe sich, dass der BF sowohl 2014 als auch noch im Februar 2015 (somit zu Beginn des aushaftenden Beitragsrückstandes) an XXXX mitgewirkt hätte.

Mit ihrer Stellungnahme brachte die belangte Behörde einen Artikel der Kleinen Zeitung vom XXXX .2014 zum Titel „ XXXX “ und einen weiteren, in XXXX erschienenen Artikel zum Titel „ XXXX “ zur Vorlage.

9. In seinem zum XXXX .06.2019 datierten fachärztlichen Sachverständigengutachten hielt der Facharzt für Orthopädie und Traumatologie, XXXX , zusammenfassend fest, dass „mit der in der Medizin möglichen Sicherheit weder das orthopädische Leiden noch die dadurch bedingte Medikamenteneinnahme eine wesentliche Beeinträchtigung der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit im Zeitraum Februar 2015 bis Juli 2015 verursacht haben konnte“.

10. Mit hg. Verfahrensanordnung wurde dem BF das fachärztliche Sachverständigengutachten XXXX vom XXXX .06.2019 zur Kenntnis gebracht und diesem im Rahmen des Parteiengehörs die Gelegenheit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme gegeben.

11. In seiner schriftlichen Stellungnahme vom XXXX .08.2019 begehrte der BF die Beiziehung eines Sachverständigen aus den Fachgebieten Psychologie, Psychiatrie und Neurologie zum Beweis dessen, dass seine Gesamtsituation „psychisch derart schwerwiegend“ für ihn gewesen sei, dass „eine Befassung mit Geschäftsführungstätigkeiten einer GmbH und mit den damit verbundenen Pflichten nicht möglich gewesen“ sei.

12. Mit hg. Verfahrensanordnung vom 02.10.2019 wurde dem BF zur Kenntnis gebracht, dass seitens des Bundesverwaltungsgerichtes die Absicht bestehe, ein Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet für Neurologie und Psychiatrie des nichtamtlichen Sachverständigen, XXXX , einzuholen und ihm die Gelegenheit zur Erhebung von Einwänden binnen festgesetzter Frist gegeben.

13. Nachdem sich der BF zur Bestellung des nichtamtlichen Sachverständigen ausschwieg, wurde XXXX mit hg. Beschluss vom 11.11.2019 zum Sachverständigen aus dem Fachgebiet für Neurologie und Psychiatrie bestellt.

14. In seinem zum XXXX .01.2020 datierten Sachverständigengutachten stellte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, XXXX zusammengefasst fest, dass der BF an folgenden fachrelevanten Diagnosen leide: 1.) Lumboischialgie beidseits, 2.) Cervikale Neuralgien und 3.) depressives Zustandsbild. Das depressive Zustandsbild definierte der ärztliche Sachverständige als derzeit mittelgradig, mit reaktiver Komponente, Dyssomnie und leichter Herabsetzung von Antrieb und Konzentration sowie Somatisierungstendenzen; eine psychiatrische Behandlung bei der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, XXXX , sei nachrichtlich erst seit Mai 2018 erfolgt und hätten davor keine Hinweise auf eine fachärztlich-psychiatrische Behandlung des Beschwerdeführers erhoben werden können.

Zum Gutachtensauftrag des BVwG stellte der ärztliche Sachverständige fest, dass der Kläger nach seinen Angaben seit dem Jahr 2015 durch den Tod des Vaters, eine Trennungssituation und die Schmerzzustände von Seiten der Wirbelsäule traumatisiert gewesen sei. Jedoch hätte im Befund des UKH keine Hinweise auf psychiatrische Diagnosen gefunden werden können. Die damals verordnete psychopharmakologische Behandlung in Form von Cymbalta und Seroquel sei vor allem zur Schmerzrelativierung indiziert gewesen. Insgesamt könne retrospektiv für den Zeitraum Februar 2015 bis Juli 2015 von einer Anpassungsstörung gesprochen werden, die jedoch keinen erhöhten Krankheitswert erreicht habe. Weder diese Diagnose noch die verordnete Medikation sei geeignet, den BF in seiner Dispositions- und Diskretionsfähigkeit als Geschäftsführer der GmbH im Zeitraum Februar 2015 bis Juli 2015 zu beeinträchtigen.

15. Das Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie, XXXX vom XXXX .01.2020 wurde in der Folge den Verfahrensparteien (darunter dem BF) mit hg. Verfahrensanordnung vom 14.05.2020 zur Kenntnis gebracht und ihnen die Gelegenheit zur Stellungnahme binnen festgesetzter Frist gegeben.

16. Während der BF keine Stellungnahme erstattete, hielt die belangte Behörde in ihrer zum 26.06.2020 datierten Stellungnahme fest, dass nunmehr auch durch die eingeholten Sachverständigengutachten feststehe, dass der BF jedenfalls in der Lage gewesen sei, seine Pflichten als Geschäftsführer wahrzunehmen und dass es ihm im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht gelungen sei, Rechtfertigungsgründe für die ursprüngliche Pflichtverletzung aufzuzeigen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der am XXXX (vormals: Jugoslawien; nunmehr: Bosnien und Herzegowina) geborene Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina und hat seit dem XXXX .06.1999 den Hauptwohnsitz im Bundesgebiet (zuletzt: XXXX ).

1.2. Seit dem XXXX .10.2013 bis zu deren, am XXXX .11.2017 erfolgten, amtswegigen Löschung im Firmenbuch des Landesgerichtes XXXX vertrat er die darin zur FN XXXX eingetragen gewesene Firma XXXX mit Sitz in XXXX als (handelsrechtlicher) Geschäftsführer, vorerst bis zum XXXX .11.2013 gemeinsam mit XXXX und ab diesem Zeitpunkt allein.

1.3. Der vom BF mehrfach in der Beschwerdeschrift genannte, am XXXX in XXXX geborene, vormals ebenfalls in Bosnien und Herzegowina gelebt habende und seit einem nicht festgestellten Zeitpunkt die österreichische Staatsangehörige besitzende XXXX ist erst seit dem XXXX .03.2015 als (einfacher) Gesellschafter der Firma XXXX aufgeschienen. Gesellschaftsrechtliche bekleidete er die Funktion des Gesellschafters bis zur amtswegigen Löschung der Firma der Primärschuldnerin am XXXX .11.2017.

XXXX war zu keinem Zeitpunkt als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin im Firmenbuch eingetragen bzw. kam anlassbezogen nicht hervor, dass er vor bzw. während des Beschwerdezeitraumes mit der faktischen Geschäftsführung der Primärschuldnerin betraut gewesen wäre.

1.4. Am XXXX .09.2015 wurde vor dem Landesgericht XXXX , GZ: XXXX , das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Primärschuldnerin eröffnet, das in der Folge am XXXX .08.2017 unter Anwendung der Bestimmung § 123a IO ohne Quote aufgehoben wurde.

1.5. Für den Zeitraum Februar 2015 bis Juli 2015 schuldete die Primärschuldnerin der ÖGK (vormals: XXXX ) für zur Sozialversicherung angemeldete Dienstnehmer Sozialversicherungsbeiträge und Nebengebühren in Höhe von insgesamt EUR 17.718,96 einschließlich Verzugszinsen im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß von 3,38% p.a., die die ÖGK in dem über das Vermögen der GmbH eröffneten Insolvenzverfahren als Forderung anmeldete.

1.6. Die im Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin angemeldeten Beitragsforderungen der ÖGK wurden vom Insolvenzverwalter vollumfänglich anerkannt.

Da das über das Vermögen der Primärschuldnerin eröffnete Insolvenzverfahren am XXXX .08.2017 ohne Quote aufgehoben wurde, sind die in diesem Verfahren angemeldeten Beitragsforderungen zur Gänze als uneinbringlich anzusehen.

1.7. Auch im beschwerdegegenständlichen Zeitraum (Februar 2015 bis Juli 2015) wurde die Primärschuldnerin vom Beschwerdeführer als alleinigem (handelsrechtlichen) Geschäftsführer vertreten und war dieser auf Grund der von ihm eingenommenen Funktion insbesondere für die Abfuhr der geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge verantwortlich.

Er hat weder vor dem Beschwerdezeitraum noch währenddessen um die Enthebung aus seiner Funktion als (handelsrechtlichem) Geschäftsführer der Primärschuldnerin angesucht.

1.8. Dass er, wie in der Beschwerdeschrift behauptet wird, sich bereits unmittelbar nach der Übernahme der Geschäftsführertätigkeit im Allgemeinen bzw. im beschwerdegegenständlichen Zeitraum im Besonderen in einem die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit ausschließenden Zustand befunden hätte, der „ihm überhaupt keine nachvollziehbaren Handlungen ermöglicht“ hätte, widerspricht den Tatsachen. Den Tatsachen widerspricht auch, dass er auf Grund seines Gesundheitszustandes nicht in der Lage gewesen wäre, insbesondere ab Februar 2015 bis Juli 2015 Vertretungsleistungen für die Primärschuldnerin vorzunehmen.

Fest steht vielmehr, dass der Beschwerdeführer weder durch sein orthopädisches Leiden noch durch die dadurch bedingte Medikamenteneinnahme im Zeitraum Februar 2015 bis Juli 2015 in seiner Diskretions- und Dispositionsfähigkeit als (handelsrechtlicher) Geschäftsführer der Primärschuldnerin beeinträchtigt war (Fachärztliches Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Traumatologie, XXXX , vom XXXX .06.2019, S. 13 oben).

Zwar diagnostizierte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, XXXX , beim Beschwerdeführer im Beschwerdezeitraum retrospektiv eine Anpassungsstörung mit Schlafstörung, die jedoch weder für sich, noch im Zusammenhang mit der verordneten Medikation geeignet war, ihn im Zeitraum Februar 2015 bis Juli 2015 in psychiatrisch-neurologischer Hinsicht in seiner Diskretions- und Dispositionsfähigkeit als Geschäftsführer der Primärschuldnerin zu beeinträchtigen (Psychiatrisch-Neurologisches Sachverständigengutachten vom XXXX .01.2020, S. 14 oben).

1.9. Der Beschwerdeführer hat als vormaliger (handelsrechtlicher) Geschäftsführer für den Zeitraum Februar 2015 bis Juli 2015 keine Veranlassung zur Überweisung der für den Beschwerdezeitraum offen und unberichtigt aushaftenden Beitragsforderungen (samt Verzugszinsen in der gesetzlich gebührenden Höhe) an die belangte Behörde getroffen. Auch hat er selbst (trotz Aufforderung) keine Zahlung an die belangte Behörde geleistet.

Den von der belangten Behörde vom Beschwerdeführer eingeforderten rechnerischen Nachweis über die Gleichbehandlung aller Gläubiger(innen) vor Eröffnung des insolvenzrechtlichen Sanierungsverfahrens (trotz Hinweises auf die Rechtsfolgen nach § 67 Abs. 10 ASVG) hat dieser zu keinem Zeitpunkt erbracht.

2. Beweiswürdigung:

Der oben dargestellte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten, den beigeschafften fachärztlichen Sachverständigengutachten XXXX vom XXXX .06.2019 und des XXXX vom XXXX .01.2020, deren nachvollziehbaren, widerspruchsfreien und vollständigen gutachterlichen Schlussfolgerungen in Hinblick auf die vom Beschwerdeführer behauptete Ausschaltung seiner Diskretions- und Dispositionsfähigkeit den in diesem Erkenntnis getroffenen Feststellungen zum angeführten Themenbereich zu Grunde gelegt werden konnten. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer den von den fachärztlichen Sachverständigen aus dem Fach für Orthopädie und Neurologie bzw. aus dem Fach für Neurologie und Psychiatrie zu keinem Zeitpunkt auf der selben fachlichen Ebene entgegen getreten ist, weshalb die ärztlichen Sachverständigengutachten, deren Vollständigkeit, Schlüssigkeit und Widerspruchsfreiheit der Beschwerdeführer ebenfalls nicht qualifiziert in Zweifel zog, schon deshalb den getroffenen Konstatierungen zu Grunde zu legen waren.

Auch hat der Beschwerdeführer die auf dem verfahrensgegenständlichen Beitragskonto offen und unberichtigt aushaftenden Beitragsschulden der Primärschuldnerin weder dem Grunde noch der Höhe nach in Zweifel gezogen, weshalb diesbezüglich von den Feststellungen des in Beschwerde gezogenen Bescheides der belangten Behörde und den Feststellungen des einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bildenden Rückstandsausweises auszugehen war.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die maßgebliche Haftungsgrundlage des handelsrechtlichen Geschäftsführers für uneinbringliche Sozialversicherungsbeiträge ergibt sich aus den Bestimmungen des § 67 Abs. 10 iVm. § 58 Abs. 5 und § 83 ASVG.

Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG in der Fassung nach der Novelle BGBl. I Nr. 62/2010 haben die Vertreterinnen und Vertreter juristischer Personen, die gesetzlichen Vertreterinnen und Vertreter natürlicher Personen und die Vermögensverwalterinnen und Vermögensverwalter (§ 80 BAO) alle Pflichten und Rechte zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind diese auch befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Die Novellierung dieser Gesetzesbestimmung führte zu einer Reaktivierung der Vertreterhaftung des § 67 Abs. 10 AVG unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung.

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der von den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.

Die auf das gegenständliche Verfahren anzuwendende Bestimmung des § 67 Abs. 10 ASVG hat nachstehenden Wortlaut:

„Haftung für Beitragsschuldigkeiten

§ 67.

[…]

(10) Die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haften im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.“

3.2. Die Bestimmung des § 67 Abs. 10 ASVG ist als Ausfallshaftung konzipiert und kann die Haftung des Vertreters erst geltend gemacht werden, wenn die (gänzliche oder teilweise) Uneinbringlichkeit beim Beitragsschuldner, hier: der GmbH, ausreichend feststeht. Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung ist bereits dann anzunehmen, sobald im Lauf des Insolvenzverfahrens bekannt wird, dass die Beiträge nicht bzw. nicht in einem eine bestimmte Quote übersteigenden Teilbetrag befriedigt werden können.

Anlassbezogen wurde das über das Vermögen der Primärschuldnerin vor dem Landesgericht XXXX eröffnete Insolvenzverfahren am XXXX .08.2017 gemäß § 123 IO ohne Festlegung einer Quote aufgehoben. Spätestens mit diesem Zeitpunkt stand fest, dass die (vom Insolvenzverwalter zur Gänze anerkannten) Beitragsforderungen der belangten Behörde, den Zeitraum Februar 2015 bis Juli 2015 betreffend, uneinbringlich waren.

Erst wenn, wie im gegenständlichen Fall, gänzliche oder teilweise Uneinbringlichkeit beim Primärschuldner ausreichend fest steht, ist auf die Prüfung der für eine Haftung nach dieser Bestimmung maßgebenden weiteren, an die Person des allenfalls Haftungspflichtigen geknüpften Voraussetzungen einzugehen. Anderenfalls, d.h. wenn (noch) nicht einmal eine teilweise (ziffernmäßig bestimmbare) Uneinbringlichkeit feststeht, kommt eine Haftung (noch) nicht in Betracht (VwGH vom 29.03.2000, Zl. 95/08/0140).

Anlassbezogen liegt eine wesentliche Voraussetzung für die Haftung des BF als (handelsrechtlicher) Geschäftsführer, nämlich die Uneinbringlichkeit der im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Primärschuldnerin angemeldeten Beitragsforderungen, unstrittig vor.

3.3. Die gegen den Bescheid vom XXXX .01.2018 erhobene Beschwerde gründet einerseits darauf, dass der Beschwerdeführer schon deshalb nicht schuldhaft gehandelt hätte, da er nachweislich einen gesundheitlichen Ausnahmezustand zu bewerkstelligen gehabt hätte. Auf Grund seines orthopädischen Leidens nach mehreren stattgehabten Bandscheibenvorfällen und der damit im Zusammenhang stehenden Medikation habe er nur noch eine eingeschränkte Realitätswahrnehmung gehabt, die ein schuldhaftes Verhalten bzw. eine schuldhafte Verletzung von Pflichtvorschriften nach dem ASVG ausschließen würde. Auch habe seine Erkrankung dazu geführt, dass er nicht in der Lage gewesen sei, seiner Verpflichtung für die Beitragsentrichtung nachzukommen.

Dem Beschwerdeführer ist entgegenzuhalten, dass anhand der im Beschwerdeverfahren vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten aus den Fachgebieten Orthopädie und Traumatologie sowie Psychiatrie und Neurologie unzweifelhaft feststeht, dass er weder durch das bei ihm im Beschwerdezeitraum bestandene orthopädische Leiden und die im Zuge dessen eingenommene Medikamente noch durch seine vom Facharzt für Neurologie und Psychiatrie retrospektiv für den Beschwerdezeitraum festgestellte Anpassungsstörung und Schlafstörung in der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit als (handelsrechtlicher) Geschäftsführer der Primärschuldnerin beeinträchtigt war.

Daraus ergibt sich, dass er ungeachtet der bei ihm diagnostizierten Gesundheitsbeeinträchtigungen in der Lage war, die ihn als handelsrechtlichen Geschäftsführer der Primärschuldnerin treffenden Pflichten, namentlich jene, die die Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge an die belangte Behörde betreffen, zu erkennen und demgemäß zu handeln.

Zumindest im Beschwerdezeitraum lag bei ihm jedenfalls kein Gesundheitszustand vor, der ihn in seiner Leistungsfähigkeit als Geschäftsführer der Primärschuldnerin wesentlich beeinträchtigt hätte bzw. der allenfalls geeignet gewesen wäre, eine Pflichtverletzung zu rechtfertigen. Das Beschwerdevorbringen geht schon in Anbetracht der von den beigezogenen ärztlichen Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen ins Leere.

3.4. Wenn es in der Beschwerde weiter heißt, dass die Primärschuldnerin ausreichend Geldmittel zur Verfügung gehabt hätte, um die in Rede stehenden Beiträge zu bedienen und dass es letztlich nur auf das strafrechtlich relevante Verhalten des „faktischen Geschäftsführers“ XXXX und darauf zurückzuführen sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer nie in Zweifel gezogen, dass er seit dem XXXX .11.2013 zur alleinigen Vertretung der Primärschuldnerin berufen war, dies bis zu deren amtswegigen Löschung am XXXX .11.2017. Er fungierte auch während des beschwerdegegenständlichen Zeitraumes als (handelsrechtlicher) Geschäftsführer der Primärschuldnerin. Er ist auch zu keinem Zeitpunkt an die Primärschuldnerin herangetreten, ihn aus der Funktion des Geschäftsführers zu entlassen.

Der in der Beschwerde angesprochene XXXX war zu keinem Zeitpunkt im Firmenbuch als (handelsrechtlicher) Geschäftsführer der Primärschuldnerin eingetragen.

Er scheint erst seit dem XXXX .03.2015 als Gesellschafter der Gesellschaft der Primärschuldnerin im Firmenbuch auf. Allerdings war XXXX zu keinem Zeitpunkt als (handelsrechtlicher) Geschäftsführer der Primärschuldnerin im Firmenbuch eingetragen bzw. kam anlassbezogen nicht hervor, dass er die Geschäfte der Primärschuldnerin faktisch geführt hätte.

Dass der BF „auf Grund seiner psychischen und physischen Konstitution ein Opfer des XXXX “ geworden sein könnte, lässt sich schon auf Grund der Schlussfolgerungen der dem Beschwerdeverfahren beigezogenen ärztlichen Sachverständigen aus den Fachgebieten für Orthopädie und Traumatologie sowie Neurologie und Psychiatrie, die dem BF ungeachtet der bei ihm retrospektiv festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der damit einhergegangenen Medikation übereinstimmend keine Beeinträchtigung der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit als (handelsrechtlicher) Geschäftsführer der Primärschuldnerin attestierten, nicht argumentieren.

XXXX war ab dem XXXX .11.2012 bis XXXX .02.2015 Angestellter der Primärschuldnerin und bestand seine Aufgabe lediglich darin, gemeinsam mit dem handelsrechtlichen Geschäftsführer der Primärschuldnerin Aufträge zu akquirieren, Material zu besorgen und Regalteile zu kaufen ( XXXX in Verhandlungsniederschrift des LG XXXX vom XXXX , S. 4 oben; siehe dazu die Angaben des XXXX als Zeuge, in Verhandlungsniederschrift vom XXXX .10.2018, S. 10).

XXXX war jedoch nie „faktischer Geschäftsführer“ der Primärschuldnerin ( XXXX in Verhandlungsniederschrift des LG XXXX vom XXXX , S. 5 oben Ende zweiter Absatz).

Dagegen war der BF als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin in Kenntnis, dass es dem Unternehmen der Primärschuldnerin ab dem Jahr 2015 schlechter ging und ein Insolvenzverfahren drohen könnte (Verhandlungsniederschrift vom XXXX .10.2018, S. 13 unten). Er hätte es in der Hand gehabt, Schritte zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens zu setzen bzw. für eine Gleichbehandlung aller Gläubiger der Primärschuldnerin zu sorgen.

Davon abgesehen sind anlassbezogen keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass es dem BF zu irgend einem Zeitpunkt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Primärschuldnerin verwehrt gewesen wäre, seine Tätigkeit als handelsrechtlicher Geschäftsführer in vollem Umfang und uneingeschränkt auszuüben.

Anhaltspunkte dafür, dass er nicht in der Lage gewesen wäre, seine Tätigkeit als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin in vollem Umfang und uneingeschränkt auszuüben, haben sich aus der zeugenschaftlichen Einvernahme des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht nicht ergeben (Mag. Matthias STRAMPFER in Verhandlungsniederschrift vom XXXX .10.2018, S. 8ff).

Der BF vermag sich als handelsrechtlicher Geschäftsführer selbst nicht mit dem Hinweis auf die strafgerichtliche Verurteilung des XXXX vor dem Landesgericht XXXX mit Urteil vom XXXX , zu exkulpieren.

3.5. Dem Beschwerdeführer gereicht zum Vorwurf, dass er der Aufforderung der belangten Behörde, den rechnerischen Entlastungsnachweis hinsichtlich der Gleichbehandlung aller Gläubiger(innen) zu führen, nicht nachgekommen ist.

Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist ein Geschäftsführer im Falle der Unterlassung fälliger Beitragszahlungen nur dann exkulpiert ist, wenn er entweder nachweist, im fraglichen Zeitraum der Fälligkeit der geschuldeten Zuschläge insgesamt über keine Mittel verfügt und daher keine Zahlungen geleistet zu haben, oder zwar über Mittel verfügt zu haben, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern die Zuschläge - ebenso wie die Forderungen aller anderen Gläubiger - nicht oder nur zum Teil entrichtet zu haben (VwGH vom 26.01.2005, Zl. 2002/08/0213 mwH).

Anlassbezogen wurde sogar vorgebracht, dass die Primärschuldnerin über ausreichend finanzielle Mittel verfügt hätte, die jedoch von XXXX veruntreut worden seien. Selbst wenn Letzterer finanzielle Mittel veruntreut haben sollte, vermag dies den BF als Geschäftsführer der Primärschuldnerin nicht zu exkulpieren, weil eine Veruntreuungshandlung für sich keine typische Tätigkeit darstellt, die nur ein Geschäftsführer einer Gesellschaft ausüben kann. Zudem war er in der Wahrnehmung seiner Verpflichtungen als handelsrechtlicher Geschäftsführer entgegen den Angaben in der Beschwerde aus gesundheitlichen Gründen nicht beeinträchtigt.

3.6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Beitragsrückstand Fälligkeit Geschäftsführer Gleichbehandlung Haftung Nachweismangel Pflichtverletzung Uneinbringlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G305.2200288.1.00

Im RIS seit

20.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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