TE Bvwg Beschluss 2020/7/30 W235 2197711-2

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Veröffentlicht am 30.07.2020
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Entscheidungsdatum

30.07.2020

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W235 2197711-2/5E

beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin im Verfahren über die durch mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2020, Zl. 1114069407-200519157, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Erstes Verfahren:

1.1. Der Antragsteller, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in österreichische Bundesgebiet am 07.05.2016 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Im Zuge dieses Verfahrens gab der nunmehrige Antragsteller im Wesentlichen und zusammengefasst an, dass er Tadschike und sunnitischer Moslem sei. Sein Vater habe Afghanistan vor ca. zehn Jahren (sohin ca. im Jahr 2006) wegen einer Feindschaft verlassen. Sie hätten dann illegal im Iran gelebt, wo sie die Feinde jedoch auch verfolgt hätten und sie sohin mehrfach ihren Wohnsitz hätten wechseln müssen. Der Antragsteller habe zudem niemanden mehr in Afghanistan und überdies habe er Angst vor seinen Feinden. Vor ca. zwei Jahren (sohin ca. im Jahr 2014) sei der Antragsteller im Iran von einer unbekannten Person mit dem Messer attackiert worden und habe sein Vater herausgefunden, dass „die Feinde“ dafür verantwortlich gewesen seien. Genau wisse er das aber nicht. Ca. ein Jahr später (sohin ca. im Jahr 2015) habe der Vater des Antragstellers gemeint, dass der Antragsteller nun „groß genug“ sei und, dass „sie“ ihn töten würden. Daher solle er das Land [gemeint: den Iran] verlassen. Diese Feindschaft habe ein gemeinsames Grundstück betroffen. Mehr könne der Antragsteller über Afghanistan nicht erzählen, da er bei der Ausreise noch ein Kind gewesen sei. In Afghanistan habe sein Vater Probleme gehabt, nicht der Antragsteller. Es habe jedoch im Iran Probleme gegeben. Sie seien illegal im Iran gewesen und hätten dort nicht arbeiten dürfen. Auch seien sie im Iran verfolgt worden. Diese Feinde würden im Heimatdorf des Antragstellers leben. Eigentlich habe es sich auch nicht um Grundstücksstreitigkeiten, sondern um Streit ums Wasser gehandelt. Es habe eine Auseinandersetzung gegeben, bei der jemand aus der Familie der Feinde getötet worden sei und daher gehe es jetzt um Rache. Die Feinde hätten den Antragsteller gewählt und [im Iran] mit einem Messer attackiert. Sein Vater habe die Identität der Täter über deren Bekannte und Freunde, die im Iran leben würden, erfahren. Diese hätten jedoch betreffend die Identität der Täter nur geraten bzw. gemeint, es hätten vielleicht „die Feinde“ sein können. Seine Feinde würden den Antragsteller überall finden. Sonst habe er keine Fluchtgründe. Aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe und wegen seiner politischen Gesinnung sei er in Afghanistan nicht verfolgt worden. Staatlich werde der Antragsteller nicht verfolgt. Es seien private Probleme. In Österreich sei er in Grundversorgung und habe keine Angehörigen. Er besuche einen Deutschkurs auf der Niveaustufe B1.

1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2018, Zl. 1114069407-160639855, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Antragstellers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ferner wurde dem Antragsteller unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde unter Spruchpunkt V. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist. Zudem wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise innerhalb von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgesetzt (Spruchpunkt VI.)

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller eine Verfolgung aufgrund des vorgebrachten Grundstücksstreits der Eltern im Herkunftsstaat nicht glaubhaft gemacht habe. Es sei nicht plausibel, dass man ihn gerade im Iran bedrohen bzw. mit einem Messer attackieren solle, während seine Eltern und Geschwister nichts zu befürchten hätten bzw. unbehelligt im Iran leben und ihren beruflichen Tätigkeiten nachgehen könnten. Hinsichtlich der Identitäten der Angreifer, welche sein Vater von anderen Afghanen erfahren haben wolle, habe der Antragsteller selbst eingeräumt, dass es nur geraten gewesen sei und diese selbst gemeint hätten, dass es vielleicht Feinde gewesen seien. Es sei somit durchaus möglich, dass der Antragsteller rein zufällig Opfer einer Attacke geworden sei. Immerhin habe er noch ein Jahr ohne Vorfälle im Iran leben können. Es könne auch keine aktuelle Verfolgungsgefahr festgestellt werden, da es nicht plausibel sei, dass man ausgerechnet den Antragsteller im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan wegen ehemaligen Streitigkeiten um eine Wasserquelle verfolgen solle. Auch könne keine Existenzbedrohung festgestellt werden, da der Antragsteller in Afghanistan noch über Angehörige verfüge, mit denen er Kontakt aufnehmen könne. Ferner sei es ihm als ledigen, jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann durchaus möglich, eine Existenzmöglichkeit bzw. Arbeit auch außerhalb seiner Heimatregion zu finden. In Österreich habe der Antragsteller keine Angehörigen und könne keine Integrationsverfestigung festgestellt werden. Ferner traf das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl umfangreiche Feststellungen zur Lage in Afghanistan.

1.4. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller fristgerecht Beschwerde und führte zusammengefasst aus, dass er nie behauptet habe, dass seine Familienmitglieder im Iran keine Probleme hätten. Die Feinde hätten es zwar primär auf seinen Vater abgesehen, hätten dann jedoch das nächste greifbare männliche Mitglied der Familie zur Rechenschaft gezogen. Er habe bloß Glück gehabt, dass er die Attacke überlebt habe. Blutracheakte würden sich nicht gegen Frauen und Kinder richten, könnten jedoch auch nach Jahrzehnten noch zu Verfolgung führen. Der Antragsteller habe sehr wohl auch Rückkehrbefürchtungen nach Afghanistan und nicht nur in Bezug auf den Iran dargelegt. Außerdem hätten die Verfolger durch die Messerattacke bereits gezeigt, dass die Bedrohung ernst zu nehmen und aktuell sei. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan sei zu befürchten, dass der Antragsteller in einem Blutracheakt zur Verantwortung gezogen werden würde. Wenn die Behörde eine Rückkehr in seine Heimatprovinz als nicht zumutbar erachte, jedoch auf eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat verweise, sei anzuführen, dass sich gerade dort die Sicherheitslage dramatisch verschlechtert habe. Ferner würden sich seine Eltern und Geschwister im Iran aufhalten und bestehe zu seiner in Afghanistan lebenden Schwester kein Kontakt. Auch habe der Antragsteller seine Heimat seit seiner Kindheit nicht gesehen und sei mit dem dortigen Leben nicht vertraut. Bei einer Rückkehr wäre der Antragsteller ohne familiäre und finanzielle Unterstützung völlig auf sich alleine gestellt. Daher würde er in eine ausweglose Lage geraten.

1.5. Am 15.05.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, im Rahmen derer der Antragsteller sein bisheriges Vorbringen im Wesentlichen wiederholte. Ergänzend gab er an, dass sein Cousin väterlicherseits namens XXXX im Dezember 2018 aus dem Iran nach Afghanistan abgeschoben und dort getötet worden sei. Der Antragsteller glaube, dass ihm dasselbe zustoßen könnte.

Nach Durchführung dieser mündlichen Verhandlung wurde die Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.09.2019, Zl. W136 2197711-1/14E, als unbegründet abgewiesen.

Neben umfangreichen Feststellungen zur Lage in Afghanistan traf das Bundesverwaltungsgericht folgende Feststellungen zum Antragsteller (dort: Beschwerdeführer):

„Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Seine Identität steht nicht fest; er trägt den im Spruch genannten Namen. Er stammt aus XXXX , in der Provinzhauptstadt XXXX , der Provinz Laghman. Seine Muttersprache ist Dari und er spricht auch noch Farsi sowie Paschtu.

Er ist ledig, kinderlos sowie arbeitsfähig und leidet an keinen schweren bzw. lebensbedrohlichen Erkrankungen. In seiner Heimat leben zumindest noch seine verheiratete Schwester und zwei Tanten mütterlicherseits mit deren Familien. Auch wenn aktuell kein regelmäßiger Kontakt besteht, ist es nicht völlig auszuschließen, dass er im Rahmen seiner Rückkehr zu seinen Verwandten wieder Kontakt erhalten und schließlich Unterstützung finden wird. Ebenso ist es nicht völlig undenkbar, dass er auch von seinen Angehörigen im Iran unterstützt werden könnte.

Es ist – aufgrund der Erfahrungen aus zahlreichen Einvernahmen von afghanischen Staatsbürgern – eine gerichtsnotorische Tatsache, dass afghanische Familien wegen der schwachen staatlichen Sozialstrukturen in der Regel mehrere Kinder haben und enge Beziehungen zu ihrer erweiterten Großfamilie pflegen auf deren Netzwerk sie auch angewiesen sind.

Der Beschwerdeführer kann auf das soziale Netzwerk seiner Familie vor Ort und auf die Unterstützung der Großfamilie (Onkel/Tanten und deren Nachkommen in der Heimatprovinz) bzw. seiner Freunde zurückgreifen, die ihn aufgrund der modernen Kommunikationsmittel und des Bankwesens finanziell und mit ihren Kontakten auch aus der Ferne unterstützen können.

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine verwandtschaftlichen oder sozialen Anknüpfungspunkte. Er ist nicht berufstätig, lebt von der Grundversorgung und verfügt lediglich über einfache Deutschkenntnisse. Sein Freundeskreis besteht hauptsächlich aus Mitbewohner mit Migrationshintergrund in seiner Unterkunft bzw. erst kurzzeitigen Freundschaften.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan Verfolgung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf Grund seiner ethnischen, religiösen, staatsbürgerlichen oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe bzw. wegen seiner politischen Gesinnung durch den afghanischen Staat bzw. durch den jeweiligen Machthaber oder durch private Personen (insbesondere Blutrache durch Angehörige einer wegen eines Streits um Wasserrechte verfeindeten Familie) im Herkunftsgebiet droht.

Im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat würde er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht in eine existenzbedrohende Notlage geraten.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.“

Beweiswürdigend wurde betreffend die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Antragstellers sowie betreffend die Feststellungen zu seiner persönlichen und familiären Situation auf seine eigenen, diesbezüglich glaubhaften Angaben verwiesen. Zu seinem Fluchtgrund wurde ausgeführt, dass der Antragsteller im Verfahren von keinem einzigen Vorfall in seiner Heimat berichtet habe, welcher seine Befürchtung überzeugend stützen bzw. nahelegen würde, dass sich Bewohner seines ehemaligen Heimatortes tatsächlich für seinen Vater oder dessen Familienmitglieder bzw. deren Aufenthaltsort interessiert hätten. Sein Vater habe das Heimatdorf seinen Erzählungen zufolge vielmehr bloß verlassen, um allfällige Vergeltungsmaßnahmen im Vorhinein zu unterbinden. Dem Vorbringen des Antragstellers hierzu sei kein konkretes Ereignis zu entnehmen gewesen, welches den Umzug der Familie gerechtfertigt hätte. Vielmehr sei lediglich das Ableben des Angehörigen der verfeindeten Familie der ausschlaggebende Grund dafür gewesen. Betreffend den einmaligen Angriff auf den Antragsteller habe er bereits vor dem Bundesamt eingestanden, dass die Bekannten seines Vaters nur geraten bzw. gemeint hätten, dass es vielleicht ihre Feinde gewesen seien. Dies habe er auch in der mündlichen Verhandlung gleichlautend angegeben. Es sei dem Antragsteller auch nicht gelungen, einen Zusammenhang zwischen dem Überfall im Iran und den behaupteten Geschehnissen in Afghanistan herzustellen. Es stehe weder fest, dass es sich bei den Tätern des Übergriffs im Iran tatsächlich um Angehörige der verfeindeten Familie handle noch, ob der Antragsteller ein gewolltes Ziel gewesen sei. Daher sei insgesamt nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller bzw. seine Familienangehörigen tatsächlich im Fokus einer nach Blutrache sinnenden Familie stünden. Dass der Antragsteller bei einer möglichen Rückkehr nach Kabul, Mazar e-Sharif oder Herat nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, ergebe sich aus einer Zusammenschau der Länderberichte und aus den festgestellten persönlichen Umständen des Antragstellers.

Dieses Erkenntnis erwuchs am 25.09.2019 in Rechtskraft.

1.6. Nach Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung am 19.12.2019 wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 30.04.2020, Ra 2019/14/0534-7, die gegen das oben angeführte Erkenntnis vom 03.09.2019 erhobene außerordentliche Revision zurück.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. Am 11.06.2020 wurde der Antragsteller aufgrund einer Einreiseverweigerung der deutschen Bundespolizei durch Österreich rückübernommen und die Schubhaft angeordnet. In der Folge stellte er am 17.06.2020 den nunmehr gegenständlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag).

2.2. Im Rahmen seiner Erstbefragung „Folgeantrag Asyl“ vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag begründete er seinen Folgeantrag dahingehend, dass er seit vier Jahren in Österreich lebe und hier bleiben wolle. Der Antragsteller sei zwar Afghane, jedoch seit 13 Jahren nicht mehr in seiner Heimat gewesen. Afghanistan sei nicht seine Heimat, sondern sei er nur dort geboren. Seine Eltern würden im Iran leben. Er wolle nicht nach Afghanistan zurückkehren. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen befragt, gab der Antragsteller an, dass seine Eltern viele Feinde in Afghanistan hätten und er Angst um sein Leben habe. Er habe immer schon in Österreich bleiben wollen.

2.3. Am 23.06.2020 wurde der Antragsteller einer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unterzogen, in welcher er zunächst angab, dass er seit drei oder vier Tagen an Schlafstörungen leide und Schlaftabletten nehme. Sonst gehe es ihm aber gut. Medizinische Unterlagen habe er diesbezüglich keine. „Irgendwann“ müsse er zum Arzt gehen, da er unter „Stress“ stehe. Der Antragsteller sei afghanischer Staatsangehöriger, Zugehöriger zur Volksgruppe der Tadschiken und sunnitischer Moslem. Er sei ledig und kinderlos. Der Antragsteller habe zwei Schwestern und zwei Brüder, die alle im Iran leben würden. Er sei noch ein Kind gewesen, als seine Familie in den Iran gezogen sei. In Österreich bzw. im Gebiet der Europäischen Union habe er keine Verwandten. Der Antragsteller sei in Österreich in einem Fitnessclub gewesen und habe viele Freunde. Seit dem Abschluss seines Vorverfahrens habe es viele Veränderungen in seinem Leben gegeben. Er habe gelernt, wie man in Europa leben solle und wie man menschlich lebe. Aber geheiratet habe er nicht und er sei auch nicht verlobt. In Afghanistan gebe es noch eine Tante mütterlicherseits, die der Antragsteller jedoch nicht kenne.

Zu den Gründen für die neuerliche Antragstellung gab er an, dass er in Afghanistan niemanden habe. Er könne nicht in Afghanistan leben. Die afghanische Regierung sei unfähig und seien die Leute dort auf sich gestellt. Die Taliban und die IS-Truppen seien aktiv und die Regierung sei dagegen machtlos. Der Antragsteller sei ein junger Mann und wolle dort nicht sterben. Wenn er „dort“ sei, werde er getötet werden. Er habe niemanden in Afghanistan und das heiße, dass er dort nicht unterstützt werde. Ohne Unterstützung der Familie könne er keinen Job finden und nicht überleben. In Österreich wolle er leben, lernen und arbeiten. Da er jedoch „negativ“ habe, dürfe der Antragsteller nicht arbeiten. Vor der ersten Einvernahme beim Bundesamt habe er damals erwähnt, dass sein Cousin (= Sohn seines Onkels väterlicherseits) namens XXXX von den Taliban getötet worden sei. Das sei ca. vier oder fünf Tage vor der Einvernahme passiert. Diese Taliban seien die Feinde. Die Feinde, die seinen Cousin umgebracht hätten, würden auch den Antragsteller in Afghanistan umbringen, wenn er dorthin zurückkehre. Es sei richtig, dass seine jetzigen Fluchtgründe jene seien, die er bereits im Erstverfahren angegeben habe. Neue Fluchtgründe gebe es nicht. Der Antragsteller habe auch keine anderen Fluchtgründe. Er wolle wirklich nicht zurück. Nachdem der Antragsteller auf das Neuerungsverbot aufmerksam gemacht und neuerlich gefragt wurde, ob er etwas Asylrelevantes vorzubringen habe, gab er an, dass er gehört habe, dass seine Mutter an Corona erkrankt sei. Daher würde er sie gerne treffen und ersuche um gültige Papiere in Österreich. Im ersten Asylverfahren habe der Antragsteller seine Fluchtgründe zur Gänze angeführt.

Die Informationen zu Afghanistan brauche der Antragsteller nicht, da er wisse, was darin stehe. Die Lage in Afghanistan werde beschrieben.

Zur beabsichtigen Vorgehensweise des Bundesamtes, seinen Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu erlassen und den faktischen Abschiebeschutz abzuerkennen, gab der Antragsteller an, er sei seit ca. vier Jahren in Österreich. Man solle ihm sagen, was er tun solle, um hier Dokumente zu bekommen und er werde es machen. Jetzt könne er praktisch nichts machen; keine Lehre und nicht arbeiten. Er brauche nur einen Aufenthaltstitel in Österreich. Er bekomme keine Arbeit, weil er keine gültigen Dokumente habe. Der Antragsteller wolle einfach nur ein Blatt Papier, damit er hier eine Lehre machen oder arbeiten gehen könne.

2.4. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 und § 15a AsylG wurde dem Antragsteller gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da die Behörde davon ausgeht, dass entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliegt. Gemäß § 29 Abs. 3 Z 6 AsylG wurde dem Antragsteller weiters mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid aufzuheben (vgl. AS 247). Diese Verfahrensanordnung wurde dem Antragsteller am 23.06.2020 übergeben und hat dieser die Übernahme bestätigt (vgl. AS 249).

2.5. Am 29.06.2020 wurde der Antragsteller nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit einer Rechtsberaterin im Zulassungsverfahren und unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Dari vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Eingangs seiner Befragung gab er an, dass es ihm gut gehe und er die Fragen beantworten könne. Er habe nur Kopfschmerzen. Seine Angaben aus der ersten Niederschrift seien die Wahrheit. Der Antragsteller könne nicht zurück nach Afghanistan. Seine Eltern würden im Iran leben und er sei sehr jung gewesen, als er in den Iran gezogen sei. In Afghanistan sei es wie in einer Diktatur. Medizinische Unterlagen habe der Antragsteller nicht, aber er nehme Medikamente, da er Albträume habe. Sonst gehe es ihm gut und er habe keine Schwierigkeiten. Allerdings könne er nicht nach Afghanistan zurück, da sein Leben dort in Gefahr sei. Er habe niemanden in Afghanistan.

Die während der gesamten Einvernahme anwesende Rechtsberaterin hatte weder ein Vorbringen noch Fragen an den Antragsteller.

3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verkündete gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG und § 62 Abs. 1 AVG mündlich den Bescheid, dass der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben wird.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich weder eine schwere körperliche oder ansteckende Krankheit noch eine schwere psychische Störung ergeben habe, die bei einer Überstellung nach Afghanistan eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Antragstellers bewirken würde. Es hätten unter Berücksichtigung aller bekannter Tatsachen keine Umstände existiert, die einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet entgegenstünden. Der Antragsteller verfüge über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Ferner habe sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert. Im Zuge des gegenständlichen Folgeantrages habe sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben. Der neue Antrag auf internationalen Schutz werde voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein. Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände habe nicht festgestellt werden können, dass die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Antragstellers nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Der Antragsteller habe keine engen Verwandte oder Familienmitglieder in Österreich. Über die Abschiebung nach Afghanistan sei bereits unter Berücksichtigung seiner familiären Situation nach einer Gesamtabwägung der Interessen im Vorverfahren abgesprochen und sei diese für zulässig erklärt worden. Der Antragsteller habe die Frage, ob es seit dem rechtskräftigen Abschluss des Vorverfahrens und dem Zeitpunkt der Einvernahme vom 23.06.2020 eine Änderung in seinem Privat- und Familienleben gegeben habe, verneint. Unter Beachtung sämtlicher bekannter Tatsachen könne kein unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 3 und Art. 8 [EMRK] erkannt werden. Die seine Person treffende allgemeine Lage im Herkunftsstaat habe sich seit Rechtskraft des letzten Asylverfahrens nicht geändert. Dieser Entscheidung wurden aktuelle Länderfeststellungen zu Afghanistan unter Berücksichtigung der Situation aufgrund der COVID-19 Pandemie zugrunde gelegt.

Beweiswürdigend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass bei der obligatorischen ärztlichen Untersuchung im Zuge der nunmehrigen Antragstellung keine lebensbedrohliche Erkrankung festgestellt habe werden können. Der Antragsteller sei ein junger, gesunder Mensch, der nicht in die statistische Personengruppe mit einer erhöhten Gefahr an COVID-19 mit Todesfolge zu erkranken, falle. Auch im Erstverfahren sei festgestellt worden, dass der Antragsteller gesundheitlich in der Lage sei, in den Herkunftsstaat überstellt zu werden. Betreffend die Gründe für die voraussichtliche Entscheidung seien die Vorbringen des Antragstellers im Erst- und im Folgeverfahren zugrunde gelegt worden. Bereits im Erstverfahren habe er vorgebracht, dass er in Afghanistan niemanden habe. Der Antragsteller habe sich im gegenständlichen Asylverfahren auf die bereits im Erstverfahren angegebenen Fluchtgründe bezogen und decke sich das Parteibegehren im zweiten Antrag mit jenem im ersten Antrag. Ferner habe der Antragsteller die Frage, ob die Fluchtgründe für den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz dieselben Gründe seien, die er bereits im Erstverfahren angegeben habe, bejaht und vorgebracht, dass es keine neuen Fluchtgründe gebe. Sohin könne kein neuer Sachverhalt festgestellt werden. Aufgrund der Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Verbindung mit dem Vorbringen des Antragstellers drohe ihm keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG beschrieben. Der Antragsteller habe auch die Frage, ob es eine Änderung in seinem Privat- und Familienleben geben würde, verneint, sodass auch hier keine Änderung zum Vorverfahren erkannt werden könne.

In rechtlicher Hinsicht verwies das Bundesamt zunächst darauf, dass ein Folgeantrag vorliege. Die Rückkehrentscheidung sei aufrecht und verfüge der Antragsteller nicht über ein sonstiges Aufenthaltsrecht. Sein nunmehriger Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen. Die Erlangung der faktischen Notwendigkeiten für eine Abschiebung – insbesondere die Ausstellung eines Heimreisezertifikates – sei bereits gegeben bzw. stünde unmittelbar bevor. Da sich die allgemeine Lage wie auch die persönlichen Verhältnisse und der körperliche Zustand des Antragstellers seit der letzten Entscheidung nicht entscheidungswesentlich geändert hätten, könne davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung zu keiner Bedrohung der Menschenrechte führen werde. Es lägen somit alle Voraussetzungen für eine Aufhebung des Abschiebeschutzes vor.

In der Rechtsmittelbelehrung dieses mündlich verkündeten und im Einvernahmeprotokoll schriftlich festgehaltenen Bescheides wurde darauf hingewiesen, dass diese Beurkundung als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gelte und die Verwaltungsakten unverzüglich von Amts wegen dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung übermittelt würden. Dies gelte als Beschwerde.

4. Am 01.07.2020 wurde der Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung W235 zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Antragsteller ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Zugehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Er stammt ursprünglich aus der afghanischen Provinz Laghman, verließ jedoch ca. im Jahr 2006 im Alter von ca. acht Jahren mit seiner Familie Afghanistan, ist in den Iran gezogen und nicht mehr nach Afghanistan zurückgekehrt. Der Antragsteller ist ledig, kinderlos und ohne Obsorgeverpflichtungen. Er hat keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die einer Rückführung in den Herkunftsstaat entgegenstünden, ist erwerbsfähig, spricht die Sprachen Dari sowie Pashtu und verfügt in Afghanistan zumindest über eine Tante mütterlicherseits, zu der jedoch kein Kontakt besteht.

Der Antragsteller hat den Iran, wo er zum damaligen Zeitpunkt ca. zehn Jahre lang aufhältig war, Ende 2015 verlassen, ist unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am 07.05.2016 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2018 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen wurde. Mit dieser Entscheidung wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und auch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.09.2019, Zl. W136 2197711-1/14E, rechtskräftig am 25.09.2019, abgewiesen. Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision wies der Verwaltungsgerichtshof nach Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung am 19.12.2019 mit Beschluss vom 30.04.2020, Ra 2019/14/0534-7, zurück.

1.2. Am 17.06.2020 stellte der Antragsteller den nunmehr gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, den er zur Gänze mit den Fluchtgründen des Erstverfahrens begründete. Festgestellt wird, dass der Antragsteller keine Fluchtgründe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan vorgebracht hat, über die nicht bereits im Erstverfahren entschieden wurde. Der Folgeantrag wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

1.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr nach Afghanistan ernsthafter Schaden droht. Selbst unter Berücksichtigung der volatilen Sicherheitslage in der Provinz Laghman steht dem Antragsteller eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in Herat oder in Mazar-e Sharif zur Verfügung. Daher kann nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine ausweglose Lage bzw. in eine existenzbedrohende Situation geraten würde. Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Antragstellers sind gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Dem mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist zu entnehmen, dass die Lage im Herkunftsstaat seit der Entscheidung über den letzten Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen unverändert blieb. Der Antragsteller gehört keiner Risikogruppe in Zusammenhang mit COVID-19 an. Die COVID-19 Pandemie stellt für den Antragsteller kein „real risk“ im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat dar.

1.4. Hinsichtlich der privaten und familiären Beziehungen des Antragstellers in Österreich sind gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungswesentlichen Änderungen eingetreten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des Antragstellers (Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, religiöses Bekenntnis), zu seiner Herkunft aus der afghanischen Provinz Laghman, zu seiner Ausreise aus Afghanistan bzw. zur Übersiedlung in den Iran im Alter von ca. acht Jahren, zu seinem Familienstand, zu seinen Sprachkenntnissen und zur in Afghanistan lebenden Tante ergeben sich aus den eigenen, übereinstimmenden Angaben des Antragstellers sowohl im Erst- als auch im gegenständlichen Verfahren. Dass der Antragsteller keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen hat, die einer Rückführung in den Herkunftsstaat entgegenstünden, ergibt sich ebenso aus seinen eigenen Angaben vor dem Bundesamt. Im Rahmen der Einvernahme am 23.06.2020 gab er diesbezüglich an, dass es ihm gut gehe, er lediglich an Schlafstörungen leide und Schlaftabletten nehme sowie, dass er „irgendwann“ zum Arzt gehen müsse, da er unter „Stress“ stehe (vgl. AS 231). Am 29.06.2020 brachte er diesbezüglich vor, dass es ihm gut gehe und er nur Kopfschmerzen habe. Allerdings nehme er Medikamente, da er Albträume habe. Sonst gehe es ihm gut und er habe keine Schwierigkeiten (vgl. AS 269). Aus diesem Vorbringen ist nicht ersichtlich, dass diese – leichten – Beeinträchtigungen einer Rückführung in den Herkunftsstaat entgegenstehen könnten, wobei hinzu kommt, dass der Antragsteller diese Behauptungen nicht durch die Vorlage von medizinischen Unterlagen untermauert hat, sondern vorbrachte, nicht über medizinische Unterlagen zu verfügen. Da keine schwerwiegenden bzw. dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorliegen, war auch die Feststellung zu treffen, dass der Antragsteller erwerbsfähig ist.

Darüber hinaus ergeben sich die Feststellungen zur Ausreise aus dem Iran, zur unrechtmäßigen Einreise in das österreichische Bundesgebiet, zur ersten Antragstellung sowie zum ersten Asylverfahren aus dem unbedenklichen Akteninhalt, insbesondere aus dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2018, Zl. 1114069407-160639855, aus dem am 25.09.2019 rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.09.2019, Zl. W 136 2197711-1/14E, sowie aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.04.2020, Ra 2019/14/0534-7.

2.2. Dass der Antragsteller den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz am 17.06.2020 stellte, gründet auf dem unbedenklichen Akteninhalt.

Die Feststellungen zur Begründung des gegenständlichen Antrags ergeben sich im Wesentlichen aus den eigenen Angaben des Antragstellers in seinen Einvernahmen am 23.06.2020 und am 29.06.2020. Im Einzelnen ist diesbezüglich wie folgt auszuführen:

Wenn sich der Antragsteller auf die Fluchtgründe des Erstverfahrens bezieht, ist ihm entgegenzuhalten, dass diese bereits vom rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.09.2018 mitumfasst und sohin nicht geeignet sind, einen neuen, geänderten Sachverhalt darzulegen. Auch den eigenen Angaben des Beschwerdeführers ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Sowohl in der Erstbefragung als auch in den beiden Einvernahme vor dem Bundesamt bezog er sich ausschließlich auf jene Fluchtgründe, die er bereits im Erstverfahren vorbrachte. Das Vorbringen betreffend den Tod seines Cousins durch die Taliban und die damit zusammenhängenden Rückkehrbefürchtungen des Antragstellers wurde ebenso bereits im Erstverfahren – nämlich in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht – erstattet und ist sohin ebenso wenig geeignet, einen neuen, entscheidungswesentlichen Sachverhalt zu begründen. Der Antragsteller selbst gibt in seiner Einvernahme am 23.06.2020 an, dass es richtig sei, dass seine jetzigen Fluchtgründe jene seien, die er bereits im Erstverfahren angegeben habe. Neue Fluchtgründe gebe es nicht und er habe auch keine anderen Fluchtgründe. Seine Fluchtgründe habe er im Erstverfahren zur Gänze angeführt (vgl. AS 237, AS 239). Daher war die Feststellung zu treffen, dass der Antragsteller keine Fluchtgründe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan vorgebracht hat, über die nicht bereits im Erstverfahren entschieden wurde. Weiters war aufgrund der obigen Erwägungen auch die Feststellung zu treffen, dass der Folgeantrag voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.

2.3. Die (Negativ)feststellung, dass nicht festgestellt werden kann, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr nach Afghanistan ernsthafter Schaden droht, gründet auf den Ausführungen im mündlich verkündeten Bescheid, dass die Lage im Herkunftsstaat seit der Entscheidung über den letzten Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen unverändert blieb. Zum einen ist der Antragsteller den Länderfeststellungen im mündlich verkündeten Bescheid nicht substanziiert entgegengetreten, sondern hat die Möglichkeit, Einsicht in die Quellen der Berichte zu Afghanistan zu nehmen, nicht genützt, sondern lediglich ausgeführt, dass er diese Informationen nicht brauche, da er wisse, was darin stehe und die Lage in Afghanistan beschrieben werde (vgl. AS 237). Auch die während der gesamten Einvernahme vom 29.06.2020 anwesende Rechtsberaterin hat sich zu den Länderberichten nicht geäußert. Zum andern ist darauf zu verweisen, dass die Länderberichte auch unter Berücksichtigung einer eventuellen Verschlechterung der Versorgungs- und Sicherheitslage in Afghanistan keine entscheidungserhebliche Veränderung der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat im Vergleich zur Lage, die bereits im Rahmen des letzten rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens einer Beurteilung unterzogen wurde, zeigen. Wie bereits im rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.09.2019 ausgeführt wurde, steht dem Antragsteller eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in Herat und/oder in Mazar-e Sharif zur Verfügung. Eine reale Gefahr für die Städte Mazar-e Sharif und Herat hat sich aus den Länderberichten aktuell nicht ergeben, sodass nach wie vor von der Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative auszugehen ist.

Weiters ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in seinem Bescheid auch darauf eingegangen, dass derzeit weltweit eine als COVID-19 bezeichnete Pandemie herrscht. Es wird dazu ausgeführt, dass COVID-19 durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursacht wird. In Afghanistan wurden bisher [Anm.: Stand: 29.06.2020] 30.967 Fälle von mit diesem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher 721 diesbezügliche Todesfälle bestätigt und 12.604 Personen als geheilt eingestuft wurden (vgl. AS 295). Wie gefährlich der Erreger (SARS-CoV-2) ist, kann noch nicht genau beurteilt werden. Man geht derzeit von einer Sterblichkeitsrate von bis zu 3 % aus. Somit scheint die Gefährlichkeit des neuen Corona-Virus deutlich niedriger als bei MERS (bis zu 30 % Sterblichkeitsrate) und SARS (ca. 10 %) zu sein. Ähnlich wie bei der saisonalen Grippe durch Influenzaviren (1 % Sterblichkeitsrate) sind vor allem alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen. Sohin gründet die Feststellung, dass der Antragsteller keiner Risikogruppe in Zusammenhang mit COVID-19 angehört, auf dem Umstand, dass es sich bei ihm um einen jungen Mann im Alter von ca. 22 Jahren handelt, der nicht immungeschwächt ist – ein derartiges Vorbringen wurde nicht erstattet bzw. wurden medizinische Unterlagen nicht vorgelegt - und sohin nicht unter die Risikogruppe der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen fällt. Zum Vorbringen, seine Mutter sei an Corona erkrankt, ist der Vollständigkeit halber darauf zu verweisen, dass der Antragsteller nach Afghanistan abgeschoben wird, sich seine Mutter jedoch seinen eigenen Angaben zufolge im Iran aufhält, sodass auch unter diesem Aspekt keine erhöhte Gefährdung einer Ansteckung mit dem Corona-Virus zu erkennen ist.

Dass der Antragsteller bei einer Rückkehr in keine ausweglose Lage bzw. in keine existenzbedrohende Situation geraten würde, gründet auf den Umständen, dass es sich beim Antragsteller um einen erwerbsfähigen jungen Mann ohne Obsorgeverpflichtungen und ohne schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen handelt, der die Sprachen Dari und Pashtu beherrscht und darüber hinaus über zumindest eine Tante mütterlicherseits in Afghanistan verfügt, zu der er Kontakt aufnehmen könnte. Wie bereits im Erkenntnis vom 03.09.2019 festgestellt, ist es nicht völlig undenkbar, dass der Antragsteller auch von seinen Angehörigen im Iran unterstützt werden könnte.

2.4. Die Feststellung, dass hinsichtlich der privaten und familiären Beziehungen des Antragstellers in Österreich seit dem rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren keine entscheidungswesentlichen Änderungen eingetreten sind, gründet auf den eigenen Angaben des Antragstellers vor dem Bundesamt, denen zusammengefasst zu entnehmen ist, dass er in Österreich keine Verwandten habe sowie, hier weder verheiratet noch verlobt sei. Er sei in einem Fitnessclub gewesen und habe viele Freunde. Ferner habe er gelernt, wie man in Europa leben solle. Dieses Vorbringen stellt keine entscheidungswesentliche Änderung seiner privaten und familiären Beziehungen in Österreich dar und ist Gegenteiliges auch dem unbedenklichen Akteninhalt nicht zu entnehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu A)

3.2.1. Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG ist eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

Nach Abs. 2 leg. cit. sind die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 Abs. 3 BFA-VG binnen acht Wochen zu entscheiden.

3.2.2. Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG ergehen Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 BFA-VG mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

3.2.3. Im Verfahren zur Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist ein Ermittlungsverfahren (vgl. § 18 AsylG) durchzuführen, wobei auch der Grundsatz der Einräumung von rechtlichem Gehör (§ 37 und § 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist. Ein solches Ermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Es wurde dem Antragsteller Parteiengehör eingeräumt, er wurde am 17.06.2020 erstbefragt und am 23.06.2020 sowie am 29.06.2020 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausführlich einvernommen. Auch wurde ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zur den maßgeblichen Länderfeststellungen zu seinem Herkunftsstaat eingeräumt. Mit Verfahrensanordnung wurde dem Antragsteller am 23.06.2020 mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache im Sinne des § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufzuheben.

Gemäß § 12a Abs. 2 AsylG kann das Bundesamt, wenn der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt hat und kein Fall des Abs. 1 vorliegt, den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn 1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht, 2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist und 3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Ein Folgeantrag im Sinne von § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG ist jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag.

Die Z 2 des § 12a AsylG verlangt, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhalts eingetreten ist. Aus den erläuternden Bemerkungen zum mit BGBl. 122/2009 eingefügten § 12a AsylG 2005 geht hervor, dass die Z 2 des § 12a eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Folgeantrags verlangt.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (vgl. z.B. VwGH vom 07.06.2000, Zl. 99/01/0321; vom 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; vom 30.05.1995, Zl. 93/08/0207 sowie vom 30.09.1994, Zl. 94/08/0183).

„Entschiedene Sache" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. VwGH vom 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; vom 27.09.2000, Zl. 98/12/0057; vom 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235; vom 17.09.2008, Zl. 2008/23/0684; vom 11.11.2008, Zl. 2008/23/1251; vom 19.02.2009, Zl. 2008/01/0344 und vom 06.11.2009, Zl. 2008/19/0783). Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf verschiedene Folgeanträge VwGH vom 26.07.2005, Zl. 2005/20/0226 mwN). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (vgl. VwGH vom 10.06.1998, Zl. 96/20/0266). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhalts die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung – nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen – berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrags darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH vom 04.11.2004, Zl. 2002/20/0391 mwN).

Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den eine positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. VwGH vom 22.12.2005, Zl. 2005/20/0556 und vom 26.07.2005, Zl. 2005/20/0343 mwN). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der neuerliche Antrag zulässig oder wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen ist, mit der Glaubwürdigkeit des neuen Vorbringens betreffend die Änderung des Sachverhaltes „beweiswürdigend“ auseinanderzusetzen (vgl. VwGH vom 15.03.2006, Zl. 2006/17/0020 und vom 22.12.2005, Zl. 2005/20/0556).

Jedoch berechtigt nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine spätere Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen rechtskräftigen Vorentscheidung zu verhindern. Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet – unter Bedachtnahme auf Art. 41 Abs. 1 lit. b RL 2013/32/EU – etwa auch die mehrfache Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigende Sachverhaltselemente zugrunde liegen. Möglich sind aber auch andere Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Fremde mit seinem Folgeantrag eine bevorstehende Abschiebung verhindern oder verzögern möchte (vgl. VwGH vom 19.12.2017, Ra 2017/18/0451).

3.2.4. Zu prüfen ist sohin, ob die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG im gegenständlichen Fall vorliegen.

3.2.4.1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2018 wurde gegen den nunmehrigen Antragsteller eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG getroffen. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.09.2018 rechtskräftig abgewiesen. Gegen den Antragsteller besteht somit eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 1 AsylG.

3.2.4.2. Eine weitere Voraussetzung für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist. Es ist sohin eine Prognose darüber zu treffen, ob der Antrag voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.

Wie bereits oben dargestellt hat der Antragsteller keine neuen Fluchtgründe vorgebracht, sondern sich zur Gänze auf seine Fluchtgründe aus dem Erstverfahren bezogen bzw. hat diese wiederholt. Aus dem Vorbringen zum Folgeantrag ergibt sich daher– wie auch im gegenständlichen Beschluss festgestellt und im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich begründet – kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt.

Ein auf das Asylgesetz 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise – für den Fall der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten – auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrags nach dem Asylgesetz aus und sind Asylbehörden daher verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Status eines Asylberechtigten, sondern auch auf den Status eines subsidiär Schutzberechtigten hin zu überprüfen (vgl. VfGH vom 29.06.2011, U 1533/10 sowie VwGH vom 19.02.2009, Zl. 2008/01/0344 mwN).

Auch die für den Antragsteller hinsichtlich der Frage der Zuerkennung von Asyl bzw. von subsidiärem Schutz maßgebliche Ländersituation in Afghanistan ist seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.09.2019 im Wesentlichen gleich geblieben und wurde Gegenteiliges auch nicht substanziiert behauptet.

Der vorliegende Folgeantrag wird daher voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

3.2.4.3. Als Voraussetzung für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes normiert § 12a Abs. 2 AsylG in seiner Ziffer 3, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für den Fremden keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen darf.

Im rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.09.2019 wurde ausgesprochen, dass davon auszugehen sei, dass der Antragsteller in den Städten Mazar-e Sharif und Herat nicht real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 oder Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden und ihm eine Ansiedlung dort auch zumutbar wäre (vgl. Seite 39 des Erkenntnisses vom 03.09.2019). Auch im nunmehr zweiten Asylverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sind – im Lichte der in diesem Beschluss getroffenen Erwägungen – keine Risiken für den Antragsteller im Sinne des § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG hervorgekommen oder substanziiert behauptet worden. Es sind auch keine erheblichen in der Person des Antragstellers liegende neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden. Auch seitens des Antragstellers wurde kein entsprechend konkretes Vorbringen hierzu erstattet. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragstellers in seinen Herkunftsstaat stellt für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

Somit sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2020 rechtmäßig ist.

3.2.5. Gemäß § 22 Abs. 1 zweiter Satz BFA-VG war ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Aus-spruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die unter Punkt II.3.2. angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen, die bei den jeweiligen Erwägungen wiedergegeben wurde. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

4. Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung entschiedene Sache faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag Prognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W235.2197711.2.00

Im RIS seit

22.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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