Entscheidungsdatum
11.08.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
G308 2230166-3/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX (auch: XXXX ), geboren am XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit: Nigeria alias Haiti, zu BFA-Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet stellte der (im Folgenden: betroffener Fremder oder kurz BF), am 24.05.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen der Asylgerichtshof nach mehreren Verfahrensgängen schließlich im Rechtsmittelweg mit Erkenntnis vom 07.01.2013, A13 420.984-4/2012/4E, sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig abwies. Zugleich bestätigte der Asylgerichtshof die mit dem angefochtenen Bescheid vom Bundesasylamt gegen den BF ausgesprochene Ausweisung nach Nigeria. Auf Grundlage mehrerer Gutachten gelangte der Asylgerichtshof in Übereinstimmung mit dem Bundesasylamt zu dem Ergebnis, dass der BF – entgegen seinen Behauptungen – (schon zum Zeitpunkt der Antragstellung) volljährig (gewesen) und Staatsangehöriger von Nigeria sei.
Der BF hielt und hält sich weiterhin im Bundesgebiet auf.
Mit Beschluss vom 15.07.2014, XXXX , wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich das vom BF gegen das von der Bezirkshauptmannschaft XXXX verhängte unbefristete Rückkehrverbot (Bescheid vom 22.11.2010, Zahl XXXX ) erhobene Rechtsmittel rechtskräftig als verspätet zurück.
Österreichische Gerichte verurteilten den BF insgesamt vier Mal wegen Delikten nach dem SMG rechtskräftig zu Freiheitsstrafen. Die erste Verurteilung ist vom XXXX .2010, die letzte vom XXXX .2019. Aus der letzten gerichtlichen Strafhaft wurde der BF am XXXX 2020 bedingt entlassen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: [belangte] Behörde/BFA) führt ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats für den BF. So vernahm sie ihn am 28.11.2018 ein; Gegenstand der Einvernahme war die Ausreiseverpflichtung des BFs. Auf Veranlassung der Behörde fanden am 13.12.2019 und 28.02.2020 Termine u. a. mit dem BF und einer Delegation der nigerianischen Vertretungsbehörde in zum Zweck der Identitätsfeststellung statt.
Mit Schreiben vom 19.03.2020 verständigte die belangte Behörde den BF vom Ergebnis der Beweisaufnahme im Zusammenhang mit der beabsichtigten Verhängung der Schubhaft/des gelinderen Mittels und richtete schriftlich zahlreiche Fragen an ihn. Der BF weigerte sich, die Übernahme des betreffenden Schriftstücks mit seiner Unterschrift zu bestätigen, und erstattete keine Stellungnahme.
Mit Bescheid vom XXXX .2020, Zahl XXXX , verhängte die belangte Behörde über den BF gestützt auf § 76 Abs 2 Z 2 FPG zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung die Schubhaft. Nach seiner Entlassung aus der Strafhaft am XXXX 2020 wurde der BF am selben Tag in Schubhaft genommen. Der BF befindet sich nach wie vor in Schubhaft.
Mit Schriftsatz vom 01.04.2020 erhob der BF eine Schubhaftbeschwerde, die mit Erkenntnis L527 2230166-1/28E vom 09.04.2020 abgewiesen wurde.
Mit Erkenntnis vom 20.07.2020, GZ G301 2230166-2/13E wurde festgestellt, dass die weitere Anhaltung verhätnismäßig ist und die Voraussetzungen weiterhin vorliegen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Festgestellt wird, dass der BF seit XXXX .2020 durchgängig in Schubhaft angehalten wird, dass er haftfähig ist und keine Umstände hervorgekommen sind, die eine Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts indizieren oder Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft erwecken.
1.2. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Im rechtskräftigen Erkenntnis vom 07.01.2013, A13 420.984-4/2012/4E, stellte der Asylgerichtshof die Staatsangehörigkeit des BFs mit Nigeria fest und es ist begründeterweise davon auszugehen, dass der BF Staatsangehöriger der Bundesrepublik Nigeria ist. Der BF behauptet davon abweichend, Staatsangehöriger der Republik Haiti zu sein. Er legte bislang keine (unbedenklichen) von seinem Herkunftsstaat ausgestellten Identitätsdokumente vor. Seine Identität steht nicht fest. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Er ist volljährig und gesund, namentlich auch haftfähig.
Der BF reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte hier am 24.05.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen wies der Asylgerichtshof nach mehreren Verfahrensgängen schließlich mit Erkenntnis vom 07.01.2013, A13 420.984-4/2012/4E, sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig ab. Zugleich bestätigte der Asylgerichtshof die mit dem vor ihm angefochtenen Bescheid vom Bundesasylamt gegen den BF ausgesprochene Ausweisung nach Nigeria.
1.3. Zur über den BF verhängten Schubhaft:
1.3.1.Mit Schreiben vom 19.03.2020, Zahl XXXX , verständigte die belangte Behörde den BF vom Ergebnis der Beweisaufnahme im Zusammenhang mit der beabsichtigten Verhängung der Schubhaft/des gelinderen Mittels und richtete schriftlich zahlreiche Fragen an ihn. Der BF weigerte sich, die Übernahme des betreffenden Schriftstücks mit seiner Unterschrift zu bestätigen, und erstattete keine Stellungnahme und auch keine anderweitige Eingabe.
Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom XXXX .2020, Zahl XXXX , verhängte die belangte Behörde über den BF gestützt auf § 76 Abs 2 Z 2 FPG zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung die Schubhaft. Nach seiner Entlassung aus der Strafhaft am XXXX 2020 wurde der BF am selben Tag in Schubhaft genommen. Der BF befindet sich nach wie vor in Schubhaft.
1.3.2. Der BF leistete der vom Asylgerichthof mit Erkenntnis vom 07.01.2013, A13 420.984-4/2012/4E, ausgesprochenen Ausweisung nach Nigeria nicht Folge und hält sich bis heute unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Der BF ist auch nicht gewillt, der Ausweisung Folge zu leisten. Er hat keine von seinem Herkunftsstaat ausgestellten Identitätsdokumente und auch keine Reisedokumente, sich nicht um solche bemüht und wirkte auch nicht an den von der belangten Behörde gesetzten Schritten zur Erlangung derartiger Dokumente bzw. Feststellung seiner Identität mit. Der BF versuchte wiederholt seine Identität zu verschleiern. Er verhält sich gegenüber Organen der Republik Österreich höchst unkooperativ und ist nicht vertrauenswürdig.
Österreichische Gerichte verurteilten den BF insgesamt vier Mal wegen Delikten nach dem SMG rechtskräftig zu Freiheitsstrafen:
Das Landesgericht XXXX verurteilte den BF mit Urteil vom XXXX .2010, XXXX , rechtskräftig wegen § 27 Abs 1 Z 1 8. Fall und Abs 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren.
Das Landesgericht XXXX verurteilte den BF mit Urteil XXXX .2011, XXXX , unter gleichzeitiger Verlängerung der zuvor ausgesprochenen Probezeit auf fünf Jahre, rechtskräftig wegen §§ 15 StGB in Verbindung mit 27 Abs 1 Z 1 8. Fall und Abs 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten.
Das Landesgericht XXXX verurteilte den BF mit Urteil XXXX .2013, XXXX , unter gleichzeitigem Widerruf der zuvor ausgesprochenen bedingten Strafnachsicht, rechtskräftig wegen § 27 Abs 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs 2 SMG und § 28a Abs 1 5. Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten.
Das Landesgericht XXXX verurteilte den BF mit Urteil vom XXXX .2019, XXXX , rechtskräftig wegen § 28 Abs 1 1. Satz SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr. Aus dieser Strafhaft wurde der BF am XXXX 2020 bedingt, Probezeit drei Jahre, entlassen. Das Landesgericht erkannte den BF für schuldig, von einem noch festzustellenden Zeitpunkt bis zum XXXX 2019 in XXXX vorschriftswidrig näher genanntes Suchtgift in einer die Grenzmenge um das Neunfache übersteigenden Mengen mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde, erworben und besessen zu haben. Das Landesgericht erkannte keine mildernden Strafumstände und wertete die drei einschlägigen Vorstrafen als erschwerend.
1.3.3. Der BF hat keine Verwandten in Österreich und befindet sich hier in keiner Lebensgemeinschaft. Er ging und geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und hat auch kein geregeltes legales Einkommen. Allfällige soziale Anknüpfungspunkte in Form eines Bekannten-/Freundeskreises konnten den BF bislang nicht davon abhalten, wiederholt gerichtlich strafbare Handlungen zu begehen. Der BF verfügt über keinen gesicherten Wohnsitz. Er war während seines bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet ca. viereinhalb Jahre obdachlos gemeldet, darüber hinaus geraume Zeit in Haft (zuletzt von XXXX 2019 bis XXXX 2020 in Untersuchungs-/Strafhaft) und bisweilen auch überhaupt nicht aufrecht gemeldet.
Den mit Erkenntnis des BVwG vom 20.07.2020, G301 2230166-2/13E, getroffenen Entscheidungsgründen betreffend Fortsetzung und Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft kommt zum Zeitpunkt dieser Entscheidung weiterhin unverändert Geltung zu.
Das Verfahren zur Abklärung der Identität und Staatsangehörigkeit des BF und zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) ist im Laufen. Ein Ersuchen bei der Botschaft von Haiti auf Ausstellung eines HRZ für den BF wurde am 08.06.2020 abgelehnt. Noch am selben Tag übermittelte das BFA – neuerlich – an die Botschaft von Nigeria ein Ersuchen um Ausstellung eines HRZ, wobei seitens der belangten Behörde zuletzt am 03.07.2020 eine Urgenz an die Botschaft gestellt wurde, für 13.08.2020 ist eine Vorführung geplant. Laut Auskunft der belangten Behörde liege aber bereits eine mündliche Zusage seitens der Botschaft von Nigeria auf Ausstellung eines HRZ für den Fall vor, dass der BF kein Staatsangehöriger von Haiti sei.
Die belangte Behörde hat sowohl im Zuge der Aktenvorlage als auch durch die in den Verhandlung anwesenden Behördenvertreter glaubhaft dargelegt, dass die Ausstellung eines HRZ durch die Botschaft Nigerias nicht völlig unwahrscheinlich ist und dass im Fall der Zustimmung zur Ausstellung eines HRZ eine Abschiebung des BF auch zeitnah danach durchgeführt werden könnte, sofern bis dahin auch die im Hinblick auf die zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie getroffenen, derzeit noch geltenden Reisebeschränkungen einer tatsächlichen Abschiebung auf dem Luftweg nicht mehr entgegenstehen.
Im Zusammenhang mit den weltweit zur Bekämpfung und Eindämmung der COVID-19-Pandemie ergriffenen Maßnahmen, wie insbesondere Einschränkungen im (Flug-)Reiseverkehr, ist die weitere Entwicklung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit einer weiteren Aufrechterhaltung der Schubhaft zu berücksichtigen, weil die Schubhaft ihren Zweck nur dann erfüllen kann, wenn das zu sichernde Verfahren letztlich auch in eine Abschiebung münden kann (VwGH 01.04.2020, Ra 2020/21/0116). Im vorliegenden Fall hat sich aber jedenfalls nicht ergeben, dass – zumindest in diesem Stadium – einerseits eine Identifizierung und Ausstellung eines Heimreisezertifikates völlig unwahrscheinlich und andererseits auch die Durchführung einer Abschiebung in den Herkunftsstaat tatsächlich unmöglich wäre, etwa weil die derzeitigen Reisebeschränkungen nicht bloß vorübergehender Natur wären, sondern längerfristig in Geltung stehen würden. Aufgrund mittlerweile bereits in zahlreichen Staaten getroffener Erleichterungen im Reiseverkehr und angekündigter weiterer Schritte zur Abschwächung oder Beseitigung der derzeit geltenden Reisebeschränkungen erscheint die Annahme der belangten Behörde durchaus begründet, dass auch zeitnah erfolgende Abschiebungen auf dem Luftweg weiterhin als nicht völlig ausgeschlossen gelten.
2. Beweiswürdigung:
Den Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts.
Aufgrund der eigenen Angaben des BF sowie des Akteninhalts steht fest, dass er nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren möchte und nicht gewillt ist, sich der Rechtsordnung entsprechend zu verhalten.
Die Behörde ist zutreffend von hoher Fluchtgefahr hinsichtlich des BF ausgegangen, was die Verhängung der Schubhaft und das Absehen von einem gelinderen Mittel rechtfertigte. Bei seiner Befragung erklärte er ausdrücklich, nicht in seinen Heimatstaat zurück zu wollen, bzw. gibt den falschen Herkunftstaat an.
Im Hinblick auf das bereits eingeleitete HRZ Verfahren ist begründet zu erwarten, dass die Abschiebung jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Anhaltefrist erfolgen wird. Die belangte Behörde hat das Verfahren zeitgerecht eingeleitet, ist mit dem betreffenden Staat laufend in Kontakt und wird nach einer positiven Identifizierung voraussichtlich zeitnah nach Beendigung der aktuellen Corona-Virus-Situation eine Abschiebung am Flugwege erfolgen können.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt A.
„Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.“
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.
Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
3.2. Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der seit XXXX .2020 andauernden Schubhaft wegen Vorliegens von Fluchtgefahr weiterhin als erforderlich und die Anhaltung in Schubhaft wegen Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig.
Die Behörde hat im Sinne der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen zu Recht die Schubhaft wegen Fluchtgefahr angeordnet, weil aus den Angaben des BF (er will nicht zurück in seinen Heimatstaat) mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass er seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Zudem hat er bereits durch sein Verhalten gezeigt, dass er nicht kooperativ ist. Die Behörde hat im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten und seine unzureichende Verankerung im Bundesgebiet zu Recht eine erhebliche Fluchtgefahr und akuten Sicherungsbedarf angenommen.
Der BF hat im bisherigen Verfahren keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde, die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände auch verhältnismäßig.
Es besteht nicht nur ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts, es besteht auch ein erhebliches öffentliches Interesse, Fremde nach abgeschlossenem negativen Asylverfahren, die sich ohne Rechtsgrundlage in Österreich aufhalten, außer Landes zu bringen.
In diesem Sinne hat die Behörde sichergestellt, dass das Abschiebeverfahren zeitnah und zweckmäßig durchgeführt wird. Das Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates erfolgte zeitnah, die belangte Behörde ist mit dem betreffenden Staat in laufenden Kontakt und ist nach positiver Identifizierung zeitnah mit einer Abschiebung auf dem Flugweg nach Ende der Corona-Virus-Situation zu rechnen.
Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Dass besondere, in der Person des BF gelegene Umstände vorliegen, die der Schubhaft entgegenstehen würden, ist nicht hervorgekommen.
Der BF hat weder familiäre, soziale, berufliche, sprachliche noch sonstige Bindungen ins Bundesgebiet geltend gemacht. Angesichts des Gesamtverhaltens des BF kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass dieser an seiner Abschiebung mitwirken wird und muss jedenfalls von einer erheblichen Ausreiseunwilligkeit und der Bereitschaft unterzutauchen ausgegangen werden, wobei er bereits ausdrücklich erklärte, nicht in seinen Heimatstaat zurück zu wollen und bereits einem angeordneten gelinderen Mittel nicht Folge geleistet hat.
Die Annahme, wonach es sehr wahrscheinlich ist, dass im Fall der Beendigung der Schubhaft und Freilassung letztlich eine Rückführung des weiterhin rückkehrunwilligen BF durch Untertauchen vereitelt oder erschwert werden könnte, erweist sich unter Berücksichtigung des bisherigen Gesamtverhaltens des BF, insbesondere seiner mehrfachen schwerwiegenden Straffälligkeit im Bereich der Suchtgiftkriminalität, der mangelnden Vertrauenswürdigkeit in den bisherigen asyl- und fremdenrechtlichen Verfahrens, der fehlenden Kooperationsbereitschaft bei der Feststellung der Identität bzw. Staatsangehörigkeit, dem Vorliegen eines rechtskräftigen unbefristeten Einreiseverbots gegen den BF sowie einer fehlenden sozialen Verankerung in Österreich nach wie vor als begründet. Daran vermag im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Anhaltung in Schubhaft auch der Umstand nichts zu ändern, dass der BF aufgrund seines derzeitigen akuten psychischen Gesundheitszustandes einer (fach-)ärztlichen Behandlung bedarf, welche im AHZ XXXX derzeit auch sichergestellt wird.
Ein Sicherungsbedarf zur Durchführung einer Rückführung in den Herkunftsstaat ist somit weiterhin gegeben. Ein gelinderes Mittel ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere des Vorliegens von Fluchtgefahr, zur Erreichung des Sicherungszwecks nicht geeignet.
Die Fortsetzung der Schubhaft wegen Fluchtgefahr erweist sich schon vor diesem Hintergrund und der tatsächlichen Möglichkeit der Ausstellung eines Heimreisezertifikats und einer daran zeitnah anschließenden Abschiebung als verhältnismäßig.
Die in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG grundsätzlich vorgesehene Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft im Ausmaß von sechs Monaten wurde zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht überschritten.
Auf Grund des i festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der seit XXXX 2020 andauernden Schubhaft wegen des Vorliegens von Fluchtgefahr (auf Grund des § 76 Abs. 2 Z 2 iVm. Abs. 3 FPG) weiterhin als erforderlich und die Anhaltung in Schubhaft wegen Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig.
4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFAVG iVm 24 Abs. 4 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben. Der BF verhinderte letztendlich auch sein Erscheinen vor dem BVwG anlässlich der letzten Ladung, so dass eine neuerliche Ladung entbehrlich erscheint.
II. Zu Spruchpunkt B.:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.
Schlagworte
Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G308.2230166.3.00Im RIS seit
23.10.2020Zuletzt aktualisiert am
23.10.2020