TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/17 W115 2231214-2

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Veröffentlicht am 17.08.2020
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Entscheidungsdatum

17.08.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch

W115 2231214-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ägypten, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, Staatsangehöriger von Ägypten, gelangte unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet und stellte am XXXX einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.

1.1.    Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen; der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen; ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Ägypten zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

1.2.    Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX als unbegründet abgewiesen. Gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wurde die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Am XXXX wurde vom Verfassungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Am XXXX wurde die außerordentliche Revision durch den Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen. Am XXXX wurde durch den Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

1.3.    In der Folge reiste der Beschwerdeführer trotz Verpflichtung nicht freiwillig aus dem Bundesgebiet aus.

1.4.    Am XXXX leitete das Bundesamt bei der ägyptischen Vertretungsbehörde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer ein.

1.5.    Am XXXX stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz (Asylfolgeantrag).

1.6.    Aufgrund seiner Angaben zu seinem Gesundheitszustand wurde der Beschwerdeführer einer PSY III Untersuchung zugeführt und am XXXX untersucht. Aus dem daraus resultierenden Gutachten ergibt sich, dass er unter einer psychischen Verhaltensstörung durch Cannabinoide mit psychotischen Symptomen (ICD 10 F 12.52) leidet.

1.7.    Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom XXXX sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.); ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt II.). Weiters wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt III.) und wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 aufgetragen, ab XXXX in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt V.).

1.8.    Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX als unbegründet abgewiesen. Gegen diese Entscheidung wurde kein Rechtsmittel erhoben und erwuchs diese in weiterer Folge in Rechtskraft.

1.9.    Der Beschwerdeführer tauchte in der Folge unter, indem er seine Unterkunft verließ und sich ab diesem Zeitpunkt unbekannten Ortes aufhielt.

1.10.   Am XXXX wurde der Beschwerdeführer aufgrund der vorliegenden Zuständigkeit Österreichs für die Bearbeitung des Asylverfahrens gemäß der Dublin-III Verordnung aus Belgien nach Österreich rücküberstellt.

1.11.   Am XXXX stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Asylfolgeantrag.

1.12.   Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom XXXX sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen; ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Ägypten zulässig ist. Weiters wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht und wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Darüber hinaus wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 aufgetragen, von XXXX bis XXXX in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen.

Gegen diese Entscheidung wurde kein Rechtsmittel erhoben und erwuchs diese in weiterer Folge in Rechtskraft.

1.13.   Am XXXX wurde der Beschwerdeführer aufgrund einer Zufallskontrolle angehalten. Dabei wies er sich mit einer ungültigen Verfahrenskarte aus und wurde daraufhin aufgrund eines vom Bundesamt erlassenen Festnahmeauftrages festgenommen.

1.14.   Mit Bescheid vom XXXX ordnete das Bundesamt gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an.

1.15.   Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Gegen diese Entscheidung wurde kein Rechtsmittel erhoben und erwuchs diese in weiterer Folge in Rechtskraft.

1.16.   Der Beschwerdeführer befand sich von XXXX bis XXXX in Hungerstreik, um seine Freilassung aus der Schubhaft zu erzwingen.

1.17.   Das Bundesamt führte am XXXX , am XXXX und am XXXX Schubhaftprüfungen gemäß § 80 Abs. 6 FPG durch.

1.18.   Am XXXX wurde der Beschwerdeführer einer ägyptischen Delegation vorgeführt und wurde dieser durch die ägyptische Botschaft als ägyptischer Staatsangehöriger identifiziert.

2.       Am XXXX legte das Bundesamt den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Im Zuge der Vorlage wurde vom Bundesamt nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten sei. Es bestehe weiterhin aktuell Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf. Die Identifizierung des Beschwerdeführers durch die ägyptische Botschaft habe am XXXX stattgefunden. Nach einer positiven Rückmeldung aus XXXX (Dauer ca. ein bis zwei Monate) könne sofort ein Flug gebucht werden. Nach Übermittlung der Flugdaten sei innerhalb von ca. vier Wochen mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu rechnen. Damit sei eine zeitnahe Außerlandesbringung des Beschwerdeführers gewährleistet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zum Verfahrensgang:

Der unter Punkt I. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

1.2.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist volljährig und verfügt über keine Dokumente, die seine Identität bescheinigen. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Der Beschwerdeführer gibt an ein Staatsangehöriger Ägyptens zu sein. Es liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten vor. Der Beschwerdeführer wurde bereits einer ägyptischen Delegation vorgeführt und seine Staatsangehörigkeit wurde von der ägyptischen Botschaft bestätigt.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer wird seit XXXX in Schubhaft angehalten.

Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließende gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vor. Der Beschwerdeführer leidet unter einer psychischen Verhaltensstörung durch Cannabinoide mit psychotischen Symptomen (ICD 10 F 12.52). Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Eine signifikant erhöhte Gefahr einer Infektion mit COVID-19 besteht im Polizeianhaltezentrum, wo der Beschwerdeführer in Schubhaft angehalten wird, nicht.

1.3.    Zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft:

Der Beschwerdeführer stellte am XXXX seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen; der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen; ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Ägypten zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX als unbegründet abgewiesen. Gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wurde die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Am XXXX wurde vom Verfassungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Am XXXX wurde die außerordentliche Revision durch den Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen. Am XXXX wurde durch den Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

In der Folge reiste der Beschwerdeführer trotz Verpflichtung nicht freiwillig aus dem Bundesgebiet aus.

Am XXXX stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz (Asylfolgeantrag).

Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom XXXX sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.); ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt II.). Weiters wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt III.) und wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 aufgetragen, ab XXXX in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt V.).

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX als unbegründet abgewiesen. Gegen diese Entscheidung wurde kein Rechtsmittel erhoben und erwuchs diese in weiterer Folge in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer tauchte in der Folge unter, indem er seine Unterkunft verließ und sich ab diesem Zeitpunkt unbekannten Ortes aufhielt.

In weiterer Folge verließ der Beschwerdeführer Österreich unrechtmäßig und reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Deutschland bzw. nach Belgien ein und stellte dort am XXXX (Deutschland) bzw. am XXXX (Belgien) jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz. Weiters wurde er in beiden Ländern erkennungsdienstlich behandelt.

Am XXXX wurde der Beschwerdeführer aufgrund der vorliegenden Zuständigkeit Österreichs für die Bearbeitung des Asylverfahrens gemäß der Dublin-III Verordnung aus Belgien nach Österreich rücküberstellt.

Am XXXX stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Asylfolgeantrag.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom XXXX sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen; ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Ägypten zulässig ist. Weiters wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht und wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Darüber hinaus wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 aufgetragen, von XXXX bis XXXX in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen.

Gegen diese Entscheidung wurde kein Rechtsmittel erhoben und erwuchs diese in weiterer Folge in Rechtskraft. Es besteht somit eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen den Beschwerdeführer.

Der Beschwerdeführer will weiterhin nicht freiwillig in seinen Herkunftsstaat zurückkehren oder am Verfahren zu seiner Außerlandesbringung mitwirken. Er ist nicht ausreisewillig.

Der Beschwerdeführer ist im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten nicht vertrauenswürdig. Der Beschwerdeführer hat in der Vergangenheit seine Ausreiseverpflichtung missachtet, seine Abschiebung durch Untertauchen und Aufenthalt im Verborgenen verhindert sowie mehrere unbegründete Anträge auf internationalen Schutz gestellt und wurde über ihn (mehrfach) eine Rückkehrentscheidung und auch ein Einreiseverbot verhängt. Er hat sohin gegen verwaltungsrechtliche Normen verstoßen bzw. Handlungen gesetzt, um sich weiter illegal in Österreich aufzuhalten. Weiters hat er sich unrechtmäßig nach Deutschland bzw. Belgien abgesetzt und dort ebenfalls jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, um so einer Beendigung seines Aufenthaltes in Österreich zuvorzukommen. Zudem befand sich der Beschwerdeführer von XXXX bis XXXX in Hungerstreik, um seine Freilassung aus der Schubhaft zu erzwingen.

Aufgrund dieses Verhaltens bestehen aktuell Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten, um sich einer Abschiebung zu entziehen.

Mit der Anordnung eines gelinderen Mittels kann wegen der Vertrauensunwürdigkeit des Beschwerdeführers nicht das Auslangen gefunden werden.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären Kontakte in Österreich. Zudem verfügt der Beschwerdeführer über keine substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Er ging in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach. Der Beschwerdeführer ist mittellos und verfügt über keine gesicherte Unterkunft.

Das Bundesamt ist seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nachgekommen; es hat rechtzeitig und zielführend ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer eingeleitet. Das Verfahren wird vom Bundesamt fortwährend mit geeigneten Maßnahmen und der gebotenen Sorgfalt verfolgt und bewegt sich im üblichen Zeitrahmen hinsichtlich des hier relevanten Herkunftsstaates. Der Beschwerdeführer wurde am XXXX einer ägyptischen Delegation vorgeführt und wurde dieser durch die ägyptische Botschaft als ägyptischer Staatsangehöriger identifiziert. Die Erlangung eines Heimreisezertifikates und die Abschiebung innerhalb der Schubhafthöchstdauer ist nach wie vor möglich. Da der Beschwerdeführer nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren will und am Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates nicht ausreichend mitwirkt, dauert das Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates weiterhin an. Im Hinblick auf sein Verhalten ist der Beschwerdeführer selbst ursächlich für die Dauer der Schubhaft verantwortlich.

Es ist auch damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 zumindest innerhalb der Schubhafthöchstdauer soweit gelockert sind, dass Abschiebungen innerhalb dieses Zeitraumes durchführbar sind.

Eine (relevante) Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes bzw. der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft hat sich seit dem mündlich verkündeten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX nicht ergeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weiterführung der Schubhaft sind zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nach wie vor gegeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes, den gegenständlichen Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes die vorangegangenen Asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren des Beschwerdeführers betreffend (Geschäftszahlen XXXX und XXXX ), in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend das bisherige Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers (Geschäftszahl XXXX ), in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

2.1.    Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus den unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalten der vorgelegten Verwaltungsakte und der vorliegenden Gerichtsakte des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die bisherigen Asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren des Beschwerdeführers betreffend ergibt sich, dass der Beschwerdeführer keine Dokumente vorgelegt hat, die seine Identität bescheinigen. Der Beschwerdeführer hat in seinen bisherigen Asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren jedoch übereinstimmend angegeben, Staatsangehöriger Ägyptens zu sein. Gegenteiliges ist in den bisherigen Verfahren auch nicht hervorgekommen und wurde seine Staatsangehörigkeit auch von der ägyptischen Vertretungsbehörde bestätigt.

Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder in Österreich Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist, finden sich weder im Akt des Bundesamtes noch in den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes.

Aus der Einsichtnahme in das Strafregister ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in Österreich strafrechtlich unbescholten ist.

Dass der Beschwerdeführer seit XXXX in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer haftfähig ist und keine die Haftfähigkeit ausschließende gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vorliegen, ergibt sich zum einen aus einer Einsichtnahme in die Akten seiner Asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren und zum anderen aus einer Einsichtnahme in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres, wo sich ebenfalls keine Einträge finden, die auf maßgebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen hindeuten. Aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zur Geschäftszahl XXXX geht zwar hervor, dass der Beschwerdeführer unter einer psychischen Verhaltensstörung durch Cannabinoide mit psychotischen Symptomen (ICD 10 F 12.52) leidet, diese Erkrankung erreicht jedoch nicht die Schwere, dass daraus eine Haftunfähigkeit resultiert. Zudem hat der Beschwerdeführer in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Der von XXXX bis XXXX dauernde Hungerstreik wurde vom Beschwerdeführer freiwillig wieder beendet. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass auch weiterhin keine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers vorliegt. Hinweise, dass der Beschwerdeführer einer signifikant erhöhten Gefahr einer Infektion mit COVID-19 im Polizeianhaltezentrum, wo er in Schubhaft angehalten wird, ausgesetzt ist, haben sich im gegenständlichen Verfahren nicht ergeben.

2.3.    Zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft:

Das Bestehen einer rechtskräftigen und durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen den Beschwerdeführer ergibt sich unzweifelhaft aus den vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung im Jahr XXXX untergetaucht ist und in weiterer Folge Österreich unrechtmäßig verlassen hat und unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Deutschland bzw. nach Belgien eingereist ist und dort am XXXX (Deutschland) bzw. am XXXX (Belgien) jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und erkennungsdienstlich behandelt worden ist, ergibt sich unzweifelhaft aus den vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten, insb. aus den im Zentralen Fremdenregister protokollierten EURODAC-Treffern.

Die Feststellung zum Hungerstreik durch den Beschwerdeführer beruht auf der diesbezüglichen Eintragung in der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Dass der Beschwerdeführer nicht vertrauenswürdig ist, ergibt sich aus dem festgestellten und aktenkundigen bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers, insbesondere der Missachtung der Ausreiseverpflichtung, der Verhinderung der Abschiebung durch Untertauchen und Aufenthalt im Verborgenen, seiner unrechtmäßigen Ausreise aus Österreich im Jahr XXXX und Stellung von Anträgen auf internationalen Schutz in Deutschland und Belgien, der Stellung von mehreren unbegründeten Asylfolgeanträgen in Österreich sowie dem Verhalten während der Schubhaft (Hungerstreik, um die Freilassung aus der Schubhaft zu erzwingen).

Dass der Beschwerdeführer nicht bereit ist, freiwillig in den Herkunftsstaat zurückzukehren oder am Verfahren zu seiner Außerlandesbringung ausreichend mitzuwirken, geht unzweifelhaft aus den vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten hervor. So hat der Beschwerdeführer wiederholt angegeben, nicht freiwillig nach Ägypten zurückkehren zu wollen.

Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer sein bisher gezeigtes Verhalten ändern wird. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher zusammenfassend weiter davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten wird. In einer Gesamtschau ergibt sich daher, dass der Beschwerdeführer nach wie vor nicht vertrauenswürdig ist und aktuell Fluchtgefahr sowie Sicherungsbedarf bestehen. Im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen liegen auch die Voraussetzungen für die Anordnung eines gelinderen Mittels aktuell nicht vor.

Die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer über keine familiären, beruflichen oder sonstigen sozialen Kontakte in Österreich verfügt und in keiner Weise selbsterhaltungsfähig ist, ergeben sich aus der Aktenlage und den bisherigen Ausführungen des Beschwerdeführers in seinen Asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren.

Aus der Aktenlage ergibt sich, dass das Bundesamt um die rasche Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer bemüht ist. Hinweise, dass die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für Ägypten aussichtslos erscheinen würde, liegen nicht vor. Solche Zertifikate werden regelmäßig ausgestellt und die Zusammenarbeit mit der ägyptischen Vertretungsbehörde funktioniert. Insbesondere ist aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ersichtlich, dass das Bundesamt regelmäßig im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer bei der Vertretungsbehörde Ägyptens urgiert. So wurde der Beschwerdeführer am XXXX einer ägyptischen Delegation vorgeführt und wurde dieser durch die ägyptische Botschaft als ägyptischer Staatsangehöriger identifiziert. Das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates ist derzeit im Laufen und kann voraussichtlich in wenigen Monaten abgeschlossen werden. Im Verfahren sind keinerlei Hinweise dafür aufgetreten, dass es im vorliegenden Fall zu einer durch das Bundesamt zu vertretenden Verzögerung bei der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer gekommen ist bzw. kommen könnte. Da auch keine Umstände hervorgekommen sind, wonach die Ausstellung eines Heimreisezertifikates innerhalb des gesetzlichen Rahmens nicht möglich ist, konnte die entsprechende Feststellung getroffen werden. Dass sich die Erlangung dieses Dokumentes verzögert, ist dem Verhalten des Beschwerdeführers zuzurechnen, da er insbesondere am entsprechenden Verfahren nicht mitwirkt und keine Identitätsdokumente vorgelegt hat.

Dass es aufgrund der zum Entscheidungszeitpunkt aktuell vorherrschenden COVID-19 Pandemie zu Verzögerungen hinsichtlich der Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat wegen der vorherrschenden Mobilitätsbeschränkungen kommt, steht für das Bundesverwaltungsgericht außer Streit. Es ist aber davon auszugehen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 aufgrund der damit verbundenen massiven Belastungen für Privatpersonen und Wirtschaft realistischer Weise in absehbarer Zeit - jedenfalls innerhalb der Schubhafthöchstdauer - wieder substantiell gelockert werden und eine Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat spätestens dann erfolgen kann. Abschiebungen nach Ägypten auf dem Luftweg sind bereits vor Ausbruch der COVID-19 Pandemie regelmäßig durchgeführt worden. Eine bereits jetzt bestehende faktische Unmöglichkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers ist aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes nicht ersichtlich.

Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit dem mündlich verkündeten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen. Die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers ist weiterhin gegeben - es gibt auch in dieser Hinsicht keinerlei Hinweis für diesbezügliche Änderungen. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt. Dies auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Behörde auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zu Spruchteil A) - Fortsetzung der Schubhaft:

3.1.1.  Gesetzliche Grundlagen:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 FPG lautet:

„§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
3.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Der mit „Dauer der Schubhaft“ betitelte § 80 FPG lautet:

„§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.“

3.1.2.  Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, 2008/21/0647; 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, 2005/21/0301; 23.09.2010, 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114, vgl. auch VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, 2007/21/0512 und 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

3.1.3.  Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat das Bundesamt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung vorzulegen. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Bundesverwaltungsgericht ergeben, dass die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Gemessen also an § 76 Abs. 3 FPG, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 2 - immer noch - vor, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt die Schubhaft anordnete (insb. Ziffern 1, 3 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG), haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Schubhaftbescheid erhobene Beschwerde wurde auch mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann, wie bereits ausgeführt, weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin. Für Gegenteiliges gab es im Verfahren keinerlei Anhaltspunkte. Für eine substanzielle Verschlechterung seines Gesundheitszustandes in jüngster Zeit (insbesondere seit der letzten gerichtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung) gibt es keinen Hinweis.

Die mit der Erlangung eines Heimreisezertifikates verbundene Dauer der Anhaltung in Schubhaft hat der Beschwerdeführer durch sein Verhalten (siehe diesbezüglich die Ausführungen unter den Punkten II.1.3. und II.2.3.) maßgeblich selbst zu verantworten. Verzögerungen, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen. Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, hat das Bundesamt vielmehr rechtzeitig und zielführend ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer eingeleitet und fortgeführt. Diesbezüglich wird ein Verfahren mit der Vertretungsbehörde Ägyptens geführt. Der Beschwerdeführer wurde bereits der ägyptischen Vertretungsbehörde vorgeführt und seine ägyptische Staatsangehörigkeit von dieser bestätigt. Das Verfahren wird vom Bundesamt fortwährend mit geeigneten Maßnahmen und der gebotenen Sorgfalt verfolgt.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären Kontakte in Österreich. Zudem verfügt der Beschwerdeführer über keine substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Er ging in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach, ist mittellos und verfügt über keine gesicherte Unterkunft.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände bleibt im Zuge der durchzuführenden Abwägung festzuhalten, dass aufgrund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens (Missachtung der Ausreiseverpflichtung, Verhinderung der Abschiebung durch Untertauchen und Aufenthalt im Verborgenen, unrechtmäßige Ausreise aus Österreich im Jahr XXXX und Stellung von Anträgen auf internationalen Schutz in Deutschland und Belgien, Stellung von mehreren unbegründeten Asylfolgeanträgen in Österreich sowie Hungerstreik, um die Freilassung aus der Schubhaft zu erzwingen), das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung und eines geordneten Fremdenwesens den Schutz der persönlichen Freiheit des Beschwerdeführers weiterhin überwiegt und auch der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers der weiteren Anhaltung in Schubhaft nicht entgegensteht.

Die bisherige Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft währt seit rund fünf Monaten. Bei einer gemäß § 80 Abs. 4 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten bewegt sich die seit XXXX aufrechte Schubhaft damit im unteren Bereich des gesetzlich Möglichen und erscheint auch in dieser Hinsicht als verhältnismäßig.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt. Dies auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Behörde auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken. Selbst wenn es aufgrund der gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 noch immer zu Verzögerungen der Abschiebung aufgrund der auch weiterhin bestehenden Einschränkungen im internationalen Flugverkehr kommt, besteht jedoch die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) aus aktueller Sicht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand - kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt - mit wenigen Monaten einzustufen. Eine Abschiebung im Laufe des Herbst 2020 ist aus derzeitiger Sicht jedenfalls realistisch. Es ist damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 wieder substantiell gelockert werden und dann eine Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat durchführbar sein wird. Eine bereits jetzt bestehende faktische Unmöglichkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers ist - wie bereits in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.3. dargelegt - aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes nicht ersichtlich.

Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist es trotz der Einschränkungen im Flugverkehr fallbezogen noch vertretbar die Schubhaft in Erwartung einer Lockerung der Reisebeschränkungen vorerst aufrecht zu erhalten (VwGH vom 12.05.2020, Ra 2020/21/0094).

Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ist zudem jedenfalls gewährleistet, dass eine allfällige weitere wesentliche Verlängerung der Schubhaft einer neuerlichen gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen sein wird. Dabei wird abermals eine Prognoseentscheidung hinsichtlich einer zeitnahen Effektuierung der Außerlandesbringung des Beschwerdeführers durchzuführen sein.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen.

3.1.4.  Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

3.2.    Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige - in der Begründung zitierte - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist sie nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.

Schlagworte

Ausreisewilligkeit Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Gesundheitszustand Haftfähigkeit Heimreisezertifikat Mittellosigkeit öffentliche Interessen psychische Erkrankung Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf unbekannter Aufenthalt Untertauchen Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W115.2231214.2.00
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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