TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/19 I414 2233521-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.08.2020
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Entscheidungsdatum

19.08.2020

Norm

BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I414 2233521-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. SERBIEN, vertreten durch RA Mag. Stefan ERRATH, gegen Spruchpunkt VI. des Bescheides des BFA, Regionaldirektion Wien (BAW) vom 24.06.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Spruchpunkt VI. aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer hielt sich erstmals ab 10.11.2015 unter der Identität XXXX , geb. XXXX , in Österreich auf und kam im April 2016 seinem Ausreiseauftrag nach, was von der österreichischen Botschaft in Belgrad bestätigt wurde.

Nach neuerlicher Einreise im November 2017 verblieb der Beschwerdeführer länger als 90 Tage im Bundesgebiet und wurde nach einer niederschriftlichen Einvernahme vom Bundesamt mit Mandatsbescheid vom 06.08.2019 die Schubhaft verhängt. Mit Bescheid vom selben Tag, Zl. XXXX , wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig ist. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Diese Entscheidungen erwuchsen unbekämpft in Rechtskraft und erfolgte am 15.08.2019 die Abschiebung nach Serbien auf dem Landweg.

Der Beschwerdeführer kehrte unter der Identität XXXX , geb. XXXX , und einem entsprechenden Reisepass am 08.02.2020 nach Österreich zurück und wurde am 04.06.2020 einer fremdenrechtlichen Kontrolle unterzogen. Nach einer Anzeige wegen unrechtmäßigem Aufenthalt nach § 120 Abs 1a FPG wurde ihm vom Bundesamt das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und ihm Gelegenheit geboten, sich zu seinem aktuellen Aufenthalt und den persönlichen Verhältnissen zu äußern.

In seiner Eingabe vom 22.06.2020 führte er aus, bei seiner Lebensgefährtin und deren Mutter in Wien gemeldet zu sein und dass die Schwiegermutter für seinen Unterhalt aufkomme. Er beabsichtige, die Partnerin zu ehelichen und am 27.04.2020 sei das gemeinsame Kind in Wien geboren worden. Aufgrund der coronabedingten Grenzschließung habe er nicht nach Serbien ausreisen können, so aber die Geburt seines Sohnes miterleben können. Die Namensänderung sei auf Wunsch der Lebensgefährtin geschehen und trage er nunmehr den selben Nachnamen wie seine Partnerin und das Kind. Gegen eine Rückkehrentscheidung habe er keine Einwendungen, da er ohnehin Ende Juni selbstständig nach Serbien zurückkehren wolle. Dort habe er ein kleines Haus und dort habe er mit seiner Lebensgefährtin auch Serbien bereits zusammengelebt.

Von der Rechtsberatung wurde am 23.03.2020 ein Antrag auf freiwillige Ausreise übermittelt. Der Beschwerdeführer sei bereit, als Selbstzahler mit einem Reisebus nach Serbien auszureisen.

Mit Bescheid vom 24.06.2020, Zl. XXXX , wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.) und festgestellt, dass die Abschiebung nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.) und eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG erlassen.

Die am 22.07.2020 zur Post gegebene Beschwerde richtet sich ausschließlich gegen Spruchpunkt VI. und wurde dazu ausgeführt, dass die Mittellosigkeit derzeit grundsätzlich vorliege, ein Einreiseverbot aber unverhältnismäßig in sein Familienleben eingreife. Der Beschwerdeführer sei Vater eines am 27.04.2020 geborenen Österreichers und beabsichtige er, seine Lebensgefährtin alsbald zu ehelichen. Eine Hochzeit habe coronabedingt noch nicht stattfinden können. Nach der Heirat werde sich der Beschwerdeführer um die Erteilung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ kümmern und könne dann durch Annahme einer Erwerbstätigkeit seine Familie unterstützen. Dies würde durch die Erlassung eines vierjährigen Einreiseverbotes verunmöglicht und wird daher beantragt, Spruchpunkt VI. zu beheben, in eventu die Dauer herabzusetzen. Zwischenzeitlich ist der Beschwerdeführer am 10.07.2020 freiwillig ausgereist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird der soeben dargestellte Verfahrensgang als Sachverhalt festgestellt. Insbesondere wird auf die bisherigen Aufenthalte im Bundesgebiet und die fremdenbehördlichen Verfahren hingewiesen.

Außerdem wird entscheidungsrelevant festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist serbischer Staatsangehöriger, reiste jeweils legal ins Bundesgebiet ein, hielt sich aber dreimal länger als 90 Tage in Österreich auf. Der letzte Grenzübertritt erfolgte am 08.02.2020 und verließ er Österreich wieder am 10.07.2020.

In Serbien leben die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers und dort bewohnt er ein Haus. Ein Onkel und eine Tante sowie seine Lebensgefährtin, deren Mutter und sein Sohn halten sich in Österreich auf.

Er wohnte bis zur Ausreise im gemeinsamen Haushalt mit der Lebenspartnerin und dem gemeinsamen Kind und der Schwiegermutter, die alle drei österreichische Staatsangehörige sind. Sein Sohn wurde am 27.04.2020 in Wien geboren.

Der Beschwerdeführer führt seit mindestens zweieinhalb Jahren eine Beziehung mit der Kindsmutter, beabsichtigt, diese zu ehelichen und lebte mit ihr auch an einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt in Serbien zusammen. Der Beschwerdeführer ist nach Erfüllung seiner Ausreiseverpflichtung am 10.07.2020 erstmals von seinem am 27.04.2020 geborenen Sohn getrennt.

Noch vor der letzten Einreise im Februar änderte der Beschwerdeführer seinen Nachnamen, ließ sich einen neuen Reisepass in Serbien ausstellen. Es tragen er, seine Verlobte und das gemeinsame Kind nunmehr denselben Familiennamen. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer versuchte zu keinem Zeitpunkt über seine Identität zu täuschen.

Er ging in Österreich bislang keiner der Sozialversicherungspflicht unterliegenden Erwerbstätigkeit nach und finanzierte zuletzt seine Schwiegermutter seinen Aufenthalt in Österreich. In Serbien hat der Beschwerdeführer als Tischler gearbeitet, er ist gesund, arbeitsfähig und -willig.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt und die bisherigen Aufenthalte und Verfahren ergeben sich aus dem Verwaltungsakt des Bundesamtes und sind unstrittig.

Die Feststellungen zu seinem letzten Aufenthalt von 08.02.2020 bis 10.07.2020 ergeben sich aus dem Einreisestempel im Reisepass und der Ausreisebestätigung (AS 163) sowie aus dem Zentralen Fremdenregister.

Aus diesem Register ergibt sich auch der als authentisch klassifizierte serbische Reisepass und steht seine Identität daher fest. Im Reisedokument ist bereits der geänderte Familienname eingetragen und erfolgt eine Namensänderung zu dem Zweck, dass er und seine Familie denselben Nachnamen tragen. Dazu erklärte er sich ausführlich und glaubhaft in seiner Stellungnahme vom 22.06.2020. Da er stets originale Dokumente vorlegte und seine Daten damit übereinstimmend bekannt gab, konnte ein Täuschungsversuch über seine Identität, wie vom Bundesamt angenommen, nicht erkannt werden.

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen und Angehörigen in Serbien und in Österreich ergeben sich aus seinen eigenen Angaben vor der belangten Behörde und gab er bereits in einer früheren Einvernahme vor dem Bundesamt am 06.08.2019 seine Freundin namentlich an und dass er bei ihr wohne. Aus den damaligen Angaben, wonach er seit eineinhalb Jahren mit ihr eine Beziehung führe, lässt sich errechnen, dass nunmehr eine zweieinhalbjährige Beziehung vorliegt. Der gemeinsame Haushalt mit der Verlobten, der Schwiegermutter und dem Sohn ergibt sich aus einer Abfrage des Zentralen Melderegisters, woraus auch ersichtlich ist, dass die drei Genannten österreichische Staatsangehörige sind und der Sohn am 27.04.2020 geboren ist. Auch wenn eine Geburtsurkunde bzw. ein Vaterschaftsnachweis nicht vorgelegt wurde, ist aufgrund der festgestellten Beziehung, dem gemeinsamen Haushalt und den schlüssigen Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Familienleben glaubhaft, dass es sich um seinen leiblichen Sohn handelt und er seit der Geburt des Kindes bis zur Ausreise mit diesem zusammenlebte.

Der Beschwerdeführer konnte auch nachvollziehbar ausführen, dass Zweck der Einreise im Februar die Begleitung seiner Freundin in den letzten Schwangerschaftswochen war, eine Eheschließung coronabedingt noch nicht erfolgte und er künftig nach Erlangung eines Aufenthaltstitels durch Erwerbstätigkeit seine Familie unterstützen möchte. Daraus und den Angaben, in Serbien als Tischler gearbeitet zu haben (AS 115), ergibt sich die Arbeitsfähigkeit und –willigkeit.

Dass er bislang in Österreich nicht erwerbstätig war, ergibt sich aus einer Leermeldung zu seiner Person nach Abfrage des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger. In Zusammenschau mit den Angaben, dass seine Schwiegermutter seinen Aufenthalt finanzierte, war die Mittellosigkeit festzustellen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

3.1. rechtliche Grundlagen:

Der mit „Einreiseverbot“ betitelte § 53 FPG lautet:

„§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

[…]“

3.2. Behebung des Spruchpunkts VI., mit dem eine auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen wurde:

Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose - gleiches gilt auch für ein Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot - ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an. (vgl. VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230)

Solche Gesichtspunkte, wie sie in einem Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu prüfen sind, insbesondere die Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich, können nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden (vgl. VwGH 7.11.2012, 2012/18/0057).

"Ein Fremder hat initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des (nunmehr:) § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 gerechtfertigt ist (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung zu den insoweit gleichgelagerten Vorgängerbestimmungen des FrPolG 2005 etwa VwGH 22.1.2013, 2012/18/0191; 13.9.2012, 2011/23/0156, jeweils mwN; vgl. weiters der Sache nach bei der Beurteilung gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FrPolG 2005 auf diese Judikatur abstellend VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0129, Rn. 11 und 12 sowie VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309)".

Bei der Entscheidung über die Dauer des Einreiseverbotes ist die Dauer der vom Fremden ausgehenden Gefährdung zu prognostizieren; außerdem ist auf seine privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen. (VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109).

Wie sich aus § 53 FPG ergibt, ist bei der Verhängung eines Einreiseverbots das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen in die Betrachtung miteinzubeziehen. Dabei gilt es zu prüfen, inwieweit dieses die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Die belangte Behörde hat das gegenständliche Einreiseverbot auf § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG gestützt und insbesondere mit dem Umstand begründet, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Mittelosigkeit als Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung anzusehen sei. Zudem habe er durch mehrere Abwesenheiten gegen das MeldeG verstoßen, seien seine Einreisen illegal erfolgt und hab er versucht, durch seine Namensänderung die Behörde über seine vorherigen Verfahren im Unklaren zu lassen.

Dazu ist auszuführen, dass weder Verstöße gegen das Meldegesetz, noch die illegalen Einreisen konkretisiert wurden und auch keine Verwaltungsstrafen wegen der genannten Delikte aktenkundig sind. Im Übrigen konnte festgestellt werden, dass die Einreisen legal erfolgten, da sich der Beschwerdeführer als serbischer Staatsangehöriger und somit sichtvermerksbefreite Drittausländer gemäß Art. 20 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen kann, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Datum der ersten Einreise an und soweit sie die nunmehr im Schengener Grenzkodex vorgesehenen Einreisevoraussetzungen erfüllen. Aus dem vorgelegten Reisedokument (AS 101ff) konnten insgesamt 70 Tage Aufenthalt im Schengengebiet errechnet werden und hat er somit bei seiner letzten Einreise die 90 Tage in 180 Tagen noch nicht ausgeschöpft. Entgegen der Feststellung des Bundesamtes war seine Einreise am 08.02.2020 daher rechtmäßig, der Overstay nach Ablauf der verbleibenden 20 Tage ist dem Beschwerdeführer aber vorzuwerfen.

Zur angenommenen Täuschung über Identität bzw. dem Versuch, durch Namensänderung die vorherigen Verfahren zu verschleiern, kann auf die dazu getroffenen Feststellungen samt Beweiswürdigung oben verwiesen werden. Die Namensänderung erfolgte ausschließlich aus familiären Gründen und ist dem Beschwerdeführer in keiner Weise anzulasten.

Somit bleibt zur Erlassung des Einreiseverbotes einzig die Mittellosigkeit übrig und wird diese im Übrigen vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten.

Gemäß § 53 Abs. 2 FPG ist ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat unter anderem nach § 53 Abs. 2 Z 6 FPG zu gelten, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag.

Der Beschwerdeführer vermochte den Nachweis über den Besitz hinreichender finanzieller Mittel zur Bestreitung des bisherigen Aufenthaltes nicht zu erbringen und verwies stets auf Unterstützung durch die Schwiegermutter, auf die er allerdings keinen Rechtsanspruch hat.

Wie oben bereits dargelegt, gilt es eine Zukunftsprognose zu erstellen und kann im Falle des Beschwerdeführers, entgegen der Ansicht des Bundesamtes, nicht von einer negativen ausgegangen werden. Das Bundesamt unterlässt nämlich vollständig, sein unbestritten bestehendes Familienleben in Österreich miteinzubeziehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hält dazu auch in jüngster Rechtsprechung vom 26.02.2020, Ra 2019/18/0299, neuerlich fest: „Ein von Art. 8 Abs. 1 MRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind entsteht nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR mit dem Zeitpunkt der Geburt (vgl. EGMR 21.6.1988, Berrehab, 10730/84; 26.5.1994, Keegan, 16969/90). Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (vgl. EGMR 19.2.1996, Gül, 23218/94). Das Auflösen einer Hausgemeinschaft von Eltern und Kindern alleine führt jedenfalls nicht zur Beendigung des Familienlebens im Sinn des Art. 8 Abs. 1 MRK, solange nicht jegliche Bindung gelöst ist (vgl. EGMR 24.4.1996, Boughanemi, 22070/93; siehe dazu auch VfGH 3.10.2019, E 3456/2019; 24.11.2014, E 35/2014).“ und führt zur Prüfung des Familienlebens bei Erlassung eines Einreiseverbotes außerdem aus: „Bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 MRK ihre Verhältnismäßigkeit am Maßstab des § 9 BFA-VG 2014 zu prüfen. Nach dessen Abs. 1 ist nämlich (ua) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FrPolG 2005, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. E 12. November 2015, Ra 2015/21/0101; E 20. Oktober 2016, Ra 2016/21/0198). Das gilt aber nicht nur für die Rückkehrentscheidung und für das in § 9 Abs. 1 BFA-VG 2014 weiters ausdrücklich genannte Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FrPolG 2005, sondern auch für das - nur bei gleichzeitiger Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässige – Einreiseverbot iSd § 53 FrPolG 2005, in dessen Abs. 2 und 3 in Bezug auf die Bemessung der Dauer auch die Abwägung nach Art. 8 MRK angesprochen wird (vgl. B 3. September 2015, Ra 2015/21/0111; B 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0179).“ (E VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0062).

Der Beschwerdeführer ist Vater eines knapp viermonatigen Säuglings, der genauso wie die Kindsmutter die österreichische Staatsangehörigkeit besitzt, und lebte mit ihnen bis zur Ausreise auch im gemeinsamen Haushalt. Er brachte in der Beschwerde glaubhaft vor, die Kindsmutter und mehrjährige Lebensgefährtin demnächst ehelichen zu wollen und sich auch um einen entsprechenden Aufenthaltstitel in Österreich bemühen zu wollen, damit er künftig durch Erwerbstätigkeit seine Familie unterhalten kann. Aus diesen Angaben lassen sich durchaus positive Zukunftsabsichten herauslesen, jedenfalls ergeben sich für den erkennenden Richter negative Zukunftsprognosen in keiner Hinsicht.

Es ist der Beschwerde beizupflichten, dass die Erlassung eines mehrjährigen Einreiseverbotes diese Zukunftspläne verunmöglichen würde und bliebe die Kindsmutter samt dem Kleinkind ohne Unterstützung durch den Beschwerdeführer und Vater zurück. Auch die Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbotes auf eine kürzere Zeit stünde weiterhin seinem ihm grundsätzlich zukommenden Recht auf persönlichen Kontakt zu seinem Kind entgegen. Dazu führt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung auch aus, dass die Kontaktmöglichkeit mittels E-Mail und Telefon zwischen dem Vater und dem Kleinkind keine in Betracht zu ziehende Kommunikation zur Aufrechterhaltung des Familienlebens ist (vgl. E VwGH 15.12.2011, 2009/21/0303 und auch E VfGH 03.09.2009, U 354/09). Eine Übersiedelung der Lebensgefährtin mit dem Sohn nach Serbien stellt einen unverhältnismäßigen Aufwand dar, zumal ein Umzug mit einem Säugling nicht ohne weiteres zu bewältigen ist und beide österreichische Staatsangehörige sind und sich umgekehrt auch in Serbien erst um ein Aufenthaltsrecht bemühen müssten.

Dem gewichtigen Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung und Fortführung des schützenswerten Familienlebens zu seiner österreichischen Verlobten und dem Sohn steht das öffentliche Interesse gegenüber, dass der Beschwerdeführer mittellos ist. Da er im Sinne des Familienlebens glaubhaft vermitteln konnte, dass er sich um einen dauerhaften Aufenthaltstitel als Familienangehöriger und damit einhergehend um eine Erwerbstätigkeit zur Versorgung der Familie bemühen will, überwiegen nach Ansicht des erkennenden Richters die familiären Interessen des Beschwerdeführers. Die Erlassung eines Einreiseverbots steht dem Schutz des Familienlebens gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK unverhältnismäßig entgegen und geht vom Beschwerdeführer durch derzeitige Mittellosigkeit keine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit aus, zumal er bislang auch keine öffentlichen Mittel bezog und auch nicht einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nachging.

Aufgrund der generellen Aufhebung des Einreiseverbotes war nicht weiter auf die festgesetzte Dauer von vier Jahren einzugehen.

Im Ergebnis war sohin der Beschwerde spruchgemäß stattzugeben.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Der Verwaltungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, 2014/20/0017 und -0018, aus, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Wie oben dargelegt, sind die genannten Kriterien im vorliegenden Fall erfüllt, da der Sachverhalt durch die belangte Behörde vollständig erhoben wurde und nach wie vor die gebotene Aktualität aufweist. Im Ergebnis gelangte das Bundesverwaltungsgericht aufgrund differenzierter Rechtsanschauung bzw. Miteinbeziehung der höchstgerichtlichen Judikatur zum Schluss, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes nicht geboten war.

Damit ist der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen (vgl. § 27 VwGVG), wobei eine mündliche Erörterung auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Ergänzend wird ausgeführt, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zwar beantragt wurde, der Beschwerdeführer aber bereits am 10.07.2020 freiwillig aus dem Bundesgebiet nach Serbien ausgereist ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Gewichtung eines schützenswerten Familienlebens bei Erlassung eines Einreiseverbotes; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Einreiseverbot Einreiseverbot aufgehoben Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Gesamtbetrachtung Gesamtbeurteilung Gesamtverhalten AntragstellerIn Interessenabwägung Mittellosigkeit öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I414.2233521.1.00

Im RIS seit

22.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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