TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/27 I415 2234259-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.08.2020
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Entscheidungsdatum

27.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs1
AsylG 2005 §13 Abs2 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1a
StGB §127
StGB §129
StGB §130 ersterFall
StGB §229
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I415 2234259-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Algerien alias Libyan Arab Jamahiriya, vertreten durch: Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.07.2020, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt IX. zu lauten hat wie folgt:

„IX. Gemäß § 13 Abs. 2 Ziffer 3 Asylgesetz haben Sie Ihr Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 12.12.2019 verloren."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.        Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 13.10.2019 unter der Identität XXXX, geb. am XXXX in Libyen, Staatsangehöriger Libyens, einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Zuge der am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung begründete er seinen Asylantrag zusammengefasst damit, dass er aus Angst vor dem Krieg in seinem Heimatland und wegen seiner Armut und Arbeitslosigkeit geflohen sei.

2.       Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA; belangte Behörde) vom 18.12.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 AsylG der Verlust seines Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet wegen Verhängung der Untersuchungshaft (§§ 173 ff StPO) mitgeteilt.

3.       Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 10.01.2020, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 Abs. 1 erster Fall StGB zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

4.       Am 06.03.2020 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch das BFA statt. Er machte neuerlich geltend, libyscher Staatsangehöriger zu sein und seine Heimat wegen des Krieges verlassen zu haben. Dabei kamen Zweifel an der behaupteten Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers auf.

5.       Am 30.06.2020 wurde eine forensisch-afrikanistische Befunderhebung zu den Sprachkompetenzen und den Landeskenntnissen des Beschwerdeführers durch den Gutachter XXXX durchgeführt. In seinen gutachterlichen Feststellungen vom 10.07.2020 kam dieser zu dem Schluss, dass eine Hauptsozialisierung des Probanden in Libyen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei. Der Beschwerdeführer sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Algerien hauptsozialisiert worden. Es gebe keine tragfähigen Hinweise auf eine Hauptsozialisierung des Beschwerdeführers in einem anderen Land als Algerien.

6.       Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 10.06.2020, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Abs. 1 Z 1 StGB sowie des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach §§ 15, 229 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt.

7.       Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.07.2020, Zl. XXXX, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 13.10.2019 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Algerien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gleichzeitig wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde weiters festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Es besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Gegen den Beschwerdeführer wurde ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.) Zuletzt wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 11.12.2019 verloren habe (Spruchpunkt IX.).

8.       Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 28.07.2020 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

9.       Gegen den im Spruch genannten Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Der Beschwerdeführer sei entgegen der Ansicht der belangten Behörde Staatsangehöriger Libyens. Dem Gutachten sei entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer angegeben habe, über einen längeren Zeitraum in Algerien und Marokko gelebt zu haben. Folglich sei ihm aufgrund wohlbegründeter Probleme der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Es werde daher beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen, dem Antrag des Beschwerdeführers Folge geben und ihm den Status eines Asylberechtigten, in eventu den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen, in eventu dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilen; in eventu die angeordnete Rückkehrentscheidung aufheben und feststellen, dass die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig sei; das siebenjährige Einreiseverbot aufheben, in eventu verkürzen; in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen.

10.      Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 21.08.2020 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1      Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Algerien. Seine Identität steht in Ermangelung entsprechender Dokumente nicht fest.

Der volljährige Beschwerdeführer ist geschieden und Vater von zwei Kindern. Er gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben.

Er hält sich seit zumindest 13.10.2019 in Österreich auf.

Der Beschwerdeführer ist jung, gesund und arbeitsfähig.

Er hat in Algerien eine neunjährige Schulbildung sowie eine Ausbildung als XXXX absolviert und anschließend gelegentlich als XXXX gearbeitet. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung in Algerien hat er eine Chance, auch hinkünftig im algerischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.

Der Beschwerdeführer weist – schon aufgrund seiner kurzen Aufenthaltsdauer – in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sozialer, sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf. So hat er keine Deutschkurse oder Deutschprüfungen absolviert, gehört keinem Verein und einer sonstigen integrationsbegründenden Organisation an und ging keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach. Er steht in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu irgendwelchen Personen und hat keine engen Bezüge zu ÖsterreicherInnen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Am 12.12.2019 wurde der Beschwerdeführer in Untersuchungshaft genommen.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 10.01.2020, Zl. XXXX wurde er wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 Abs. 1 erster Fall StGB zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 10.06.2020, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Abs. 1 Z 1 StGB sowie des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach §§ 15, 229 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt.

1.2      Zu den Fluchtmotiven und der individuellen Rückkehrsituation des Beschwerdeführers:

Entgegen seinem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aus Libyen stammt und sein Land aufgrund des Krieges verlassen hat.

Der Beschwerdeführer hat bezüglich seines Herkunftsstaates Algerien keinerlei Verfolgungsgründe vorgebracht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat Algerien aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung Verfolgung droht, oder dass er in Algerien einer konkret gegen seine Person gerichteten Verfolgung ausgesetzt war.

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

1.3 Zu den Feststellungen zur Lage in Algerien:

Algerien ist ein sicherer Herkunftsstaat und sowohl fähig als auch willig, seinen Bürgern Schutz zu gewähren. Algerien weist eine funktionierende, unabhängige Justiz sowie einen funktionierenden Sicherheitsapparat auf. Behördliche Korruption steht unter Strafe, mit Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren. Dieses Gesetz wird nicht effektiv durchgesetzt, wenn es auch ein eigenes Zentralbüro zur Bekämpfung der Korruption gibt. Daneben sorgt die Nationale Organisation zur Verhinderung und Bekämpfung von Korruption für eine beratende Funktion. Das algerische Strafrecht sieht explizit keine Strafverfolgung aus politischen Gründen vor. Folter ist gesetzlich verboten. Unmenschliche oder erniedrigende Strafen werden gesetzlich nicht angedroht. Die Verfassung verbietet Folter und unmenschliche Behandlung. Das traditionelle islamische Strafrecht (Scharia) wird in Algerien nicht angewendet. Im algerischen Strafgesetz ist Folter seit 2004 ein Verbrechen. Die Todesstrafe ist für zahlreiche Delikte vorgesehen und wird auch verhängt, doch gibt es in der Praxis ein Moratorium und seit 1993 werden offiziell keine Exekutionen mehr durchgeführt. Die Sicherheitslage in gewissen Teilen Algeriens ist angespannt. Demonstrationen fanden von Mitte Februar 2019 bis Ende März 2020 fast täglich in allen größeren Städten statt, die größten Protestmärsche nach den Freitagsgebeten. Auch wenn diese bisher weitgehend friedlich verliefen, konnten gewaltsame Auseinandersetzungen nicht ausgeschlossen werden. Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurden die Hirak-Märsche ab Ende März 2020 ausgesetzt, der Aktivismus wurde ins Internet verlagert. Es gibt immer noch terroristische Strukturen, wenn auch reduziert. Da jedoch Algerien in den 1990er Jahren ein Jahrzehnt des Terrorismus erlebt hat, bevorzugt die große Mehrheit der Algerier Frieden und lehnt Instabilität ab. Vor Reisen in die Grenzgebiete zu Libyen, Niger, Mali, Mauretanien, Tunesien und Marokko sowie in die sonstigen Saharagebiete, in ländliche Gebiete, Bergregionen (insbesondere Kabylei) und Gebirgsausläufer (Nord-Westen von Algier und Wilaya de Batna) wird gewarnt. Ausgenommen davon sind nur die Städte Algier, Annaba, Constantine, Tlemcen und Oran. Algerien ist allen wesentlichen internationalen Menschenrechtsabkommen beigetreten. Die Menschenrechtssituation in Algerien hat sich seit den 1990-er Jahren sukzessive verbessert. Die Verfassung gewährleistet Glaubensfreiheit. Gesetzliche Bestimmungen gestatten allen Individuen die Freiheit, ihre Religion auszuüben, solange die öffentliche Ordnung und gesetzliche Bestimmungen gewahrt bleiben. Die Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion, verbietet aber Diskriminierung aus religiösen Gründen. Auch in der Praxis ist die Religionsfreiheit gut etabliert. Christen können ihren Glauben an designierten Örtlichkeiten frei ausüben. Die Verfassung garantiert Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung, diese Rechte werden jedoch von der Regierung in der Praxis eingeschränkt. Die Regierung hält aus Gründen der Sicherheit Reiserestriktionen in die südlichen Bezirke El-Oued und Illizi, in der Nähe von Einrichtungen der Kohlenwasserstoffindustrie sowie der libyschen Grenze, aufrecht. Überlandreisen sind aufgrund von Terrorgefahr zwischen den südlichen Städten Tamanrasset, Djanet und Illizi eingeschränkt.

Algerien leistet sich aus Gründen der sozialen und politischen Stabilität ein für die Möglichkeiten des Landes aufwendiges Sozialsystem, das aus den Öl- und Gasexporten finanziert wird. Algerien ist eines der wenigen Länder, die in den letzten 20 Jahren eine Reduktion der Armutsquote von 25% auf 5% erreicht hat. Schulbesuch und Gesundheitsfürsorge sind kostenlos. Die medizinische Versorgung ist allgemein zugänglich und kostenfrei. In jeder größeren Stadt existieren Krankenhäuser. Die Versorgung mit Standard-Medikamenten (Schmerzmittel, Antibiotika, Herz-Kreislauf-Mittel) zumindest in den Städten ist durch die Apotheken gewährleistet. Die COVID-19-Pandemie traf Algerien hart, das öffentliche Gesundheitswesen im Land war nicht annähernd auf eine Krise solchen Ausmaßes vorbereitet. Die Regierung hat eilig Maßnahmen gesetzt, um mehr Intensivbetten anzubieten. Mitte Mai war die Zahl der Erkrankten für die Krankenhäuser bewältigbar. Grundnahrungsmittel, Energie und Wasser werden stark subventioniert. Für Grundnahrungsmittel wie Weizenmehl, Zucker und Speise-Öl gelten im Januar 2011 eingeführte Preisdeckelungen und Steuersenkungen. Ein Menschenrecht auf Wohnraum wird anerkannt. Für Bedürftige wird Wohnraum kostenlos zur Verfügung gestellt. Nach offiziellen Angaben wird mittlerweile zum ersten Mal von einer Arbeitslosenquote von unter 10% ausgegangen, davon sind 70% jünger als 30 Jahre alt. Diese jungen Leute machen wiederum rund 70% der Bevölkerung aus. Die Arbeitslosigkeit ist die Folge des Niedergangs des verarbeitenden Gewerbes und der Landwirtschaft, die in der Ära Boumedienne viele Arbeitsplätze geschaffen haben. Allerdings beträgt die Arbeitslosigkeit in der Altersgruppe von 16-24 Jahren über 20%. Gegenwärtig werden die betroffenen Jugendlichen ermuntert, eine freiberufliche Perspektive aufzubauen, dazu werden Kredite und steuerliche Anreize geboten. Das staatliche Arbeitsamt Agence national d'emploi / ANEM bietet Dienste an, es existieren auch 10 private Jobvermittlungsagenturen. Seit Februar 2011 stehen jungen Menschen Starthilfekredite offen, wobei keine Daten darüber vorliegen, ob diese Mittel ausgeschöpft wurden. Die Regierung anerkennt die Problematik der hohen Akademikerarbeitslosigkeit. Grundsätzlich ist anzumerken, dass allen staatlichen Genehmigungen/Unterstützungen eine (nicht immer deklarierte) sicherheitspolitische Überprüfung vorausgeht, und dass Arbeitsplätze oft aufgrund von Interventionen besetzt werden. Der offiziell erfasste Wirtschaftssektor ist von staatlichen Betrieben dominiert.

Illegal Ausreisenden droht im Falle der Rückkehr eine Geld- und/oder Freiheitsstrafe, wobei in der Praxis lediglich Bewährungsstrafen verhängt werden. Eine behördliche Rückkehrhilfe existiert nicht.

Eine nach Algerien zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt. Dem Beschwerdeführer droht somit im Falle seiner Rückkehr keine Gefährdung in seinem Herkunftsstaat. Ihm droht auch keine Strafe nach seiner Rückkehr nach Algerien wegen illegaler Ausreise.

Zusammengefasst konnte somit nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Algerien einer realen Gefahr der Todesstrafe, der Folter unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre oder sein Leben oder seine Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ernsthaft bedroht wäre.

Es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass der volljährige, gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Algerien in eine aussichtslose oder existenzbedrohende Situation geraten könnte. Er hat dort den Großteil seines Lebens verbracht, verfügt über eine neunjährige Schulbildung und eine Ausbildung als XXXX und könnte seinen Lebensunterhalt in Algerien aus eigener Kraft - wenn auch anfangs allenfalls mit Gelegenheitsjobs - bestreiten.

Es wurden zwischenzeitlich auch keine Anhaltspunkte dafür bekannt, wonach die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 50 FPG idgF in seinen Heimatstaat Algerien unzulässig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid, den Beschwerdeschriftsatz, in das zentrale Melderegister, das Betreuungsinformationssystem des Bundes, das zentrale Fremdenregister und das Strafregister der Republik Österreich, sowie in das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Algerien und in die forensisch-afrikanische Befunderhebung des Gutachters XXXX hinsichtlich der Sprachkompetenzen und Landeskenntnisse des Beschwerdeführers vom 10.07.2020.

Die belangte Behörde hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.

Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, die geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung in Frage zu stellen. Der Beschwerdeführer hat den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert bestritten, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der vorgenommenen und nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Da der Beschwerdeführer entweder nicht im Stande oder nicht Willens war, den österreichischen Behörden identitätsbezeugende Dokumente vorzulegen, steht seine Identität nicht fest.

Die Feststellungen zu seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die im Akt enthaltene forensisch-afrikanistische Befundaufnahme des Sachverständigen XXXX . Der Beschwerdeführer behauptete bis zuletzt, aus Libyen zu stammen, verstrickte sich aber in eklatante Widersprüche.

Die vom Sachverständigen erstellte Befundaufnahme zur Sprachkompetenz und den Landeskenntnissen des Beschwerdeführers lässt in ihren Ausführungen keinen anderen Schluss zu, als dass der Beschwerdeführer in Algerien hauptsozialisiert wurde. Aufgrund der vom Beschwerdeführer abgegebenen arabischen Sprachprobe und aufgrund der von ihm demonstrierten Landeskenntnisse zu Libyen sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass er, so wie von ihm behauptet, in Libyen hauptsozialisiert worden sei. Der Beschwerdeführer spreche eindeutig kein libysches Arabisch, sondern algerisches Arabisch. Er sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Algerien hauptsozialisiert worden. Tragfähige Hinweise, die auf eine Hauptsozialisierung des Beschwerdeführers in einem anderen Land als Algerien schließen ließen, gebe es keine. Er demonstriere darüber hinaus keine Landeskenntnisse zu Libyen, die davon ausgehen ließen, dass er dort bis zu seinem 33. Lebensjahr gelebt haben oder sich überhaupt für längere Zeit dort aufgehalten habe können.

Ein substantiiertes Vorbringen, das seine Aussagen hinsichtlich der vom Beschwerdeführer behaupteten libyschen Staatsangehörigkeit belegen konnte, wurde auch in der Beschwerde nicht erstattet. Die Erklärung, wonach der Beschwerdeführer über einen längeren Zeitraum in Algerien und Marokko gelebt habe, ist nicht geeignet, das Gutachten in Zweifel zu ziehen, zumal sich laut Gutachten keinerlei Hinweise auf eine Hauptsozialisierung des Beschwerdeführers in einem anderen Land als Algerien ergeben haben. Es erfolgte zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens bezüglich des genannten Gutachtens eine Auseinandersetzung auf gleicher fachlicher Ebene, weshalb die darin gemachten Feststellungen als schlüssig und nachvollziehbar anzusehen sind und die Feststellung, dass der Beschwerdeführer entgegen seinen Angaben aus Algerien stammt, der Entscheidung zu Recht zugrunde gelegt wurde.

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Zivilstand, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit, seiner Schulbildung, seiner Arbeitserfahrung und seinem Gesundheitszustand gründen sich auf die Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde (Protokoll vom 06.03.2020). Nachdem der Beschwerdeführer diese Feststellungen auch in seinem Beschwerdevorbringen nicht beanstandet hat, konnten sie der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden.

Die Feststellung zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet seit zumindest 13.10.2019 ergibt sich aus dem Datum seiner Asylantragsstellung in Zusammenschau mit einer eingeholten ZMR-Auskunft.

Dass der Beschwerdeführer über kein soziales Umfeld im Bundesgebiet verfügt und keine familiären Anknüpfungspunkte oder relevante private Beziehungen hat, ergibt sich aus seinen Angaben und dem Verwaltungsakt und dem Umstand seines erst kurzen Aufenthaltes in Österreich.

Der Beschwerdeführer machte keine konkreten Angaben, die die Annahme einer umfassenden Integration in Österreich in sprachlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht rechtfertigen würden. Auch in seiner Beschwerde hat der Beschwerdeführer keine neuen Sachverhalte oder Nachweise einer integrativen Verfestigung geltend gemacht.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers leiten sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 24.08.2020 und den im Akt enthaltenen Strafurteilen ab.

Die Feststellung zur verhängten Untersuchungshaft ergibt sich aus der dem Akt inneliegenden Verständigung des Landesgerichtes XXXX vom 13.12.2019, Zl. XXXX (AS 115).

Die belangte Behörde hat diese Feststellungen korrekt und nachvollziehbar gewürdigt. Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufgekommen.

2.3. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Richtigkeit der Angaben des Asylwerbers über seine Identität und seine Herkunft grundsätzlich maßgebliche Bedeutung für die Frage zu, ob die von ihm angegebenen - aus seiner behaupteten Abstammung resultierenden - Verfolgungsgründe überhaupt zutreffen können. Entsprächen - auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens - die Angaben des Asylwerbers über eine Bedrohungssituation in dem von ihm als seinen Herkunftsstaat bezeichneten Staat offensichtlich nicht den Tatsachen, weil seinem Vorbringen insbesondere wegen eines Täuschungsversuches über seine wahre Identität keinerlei Glaubwürdigkeit zukommt, so läge in Ermangelung eines "sonstigen Hinweises" auf eine asylrelevante Verfolgung ein offensichtlich unbegründeter Asylantrag im Sinne des § 6 Z 3 AsylG 1997 vor (Hinweis E vom 30.11.2000, 99/20/0590, und vom 30.01.2001, 2000/01/0106 sowie 27.09.2001, 2001/20/0393).

Das bedeutet, dass neben der Person des Asylwerbers auch dem Herkunftsstaat im Asylverfahren eine zentrale Bedeutung zukommt: Der Asylwerber determiniert mit der Bekanntgabe seines Herkunftsstaates in seinem Antrag auf internationalen Schutz - im Zusammenhalt mit dem geltend gemachten, individuellen Fluchtgrund - den Verfahrensgegenstand des Asylverfahrens, wobei es sich bei der Gewährung von Asyl bzw. von subsidiärem Schutz nicht um einen amtswegig zu erlassenden, sondern um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt handelt (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.03.2006, Zl. 2003/20/0345). Sowohl der Herkunftsstaat als auch der persönliche Fluchtgrund müssen also vom Asylwerber in seinem Antrag auf internationalen Schutz behauptet und überdies zumindest glaubhaft gemacht werden.

Die hohe Relevanz des behaupteten Herkunftsstaates, den ein Asylwerber im Asylverfahren angibt, erschließt sich auch daraus, dass das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative einen Abweisungsgrund für einen Antrag auf internationalen Schutz darstellt (vgl. §§ 3 Abs. 3 Z 1 sowie § 8 Abs. 3 und 6 Asylgesetz 2005). So ordnet die Gesetzesbestimmung des § 11 Abs. 2 Asylgesetz 2005 unmissverständlich an, dass bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, "auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber" abzustellen ist. Tritt ein Asylwerber unter einer Aliasidentität auf oder macht er falsche Angaben zu seinem Herkunftsstaat, läuft diese Prüfung zwangsläufig ins Leere.

Zunächst ist hervorzuheben, dass - wie die belangte Behörde richtig feststellte - der Beschwerdeführer bereits bei der Stellung seines Antrags auf internationalen Schutz seine wahre Identität und seinen Herkunftsstaat zu verschleiern versuchte und bei der Bekanntgabe der persönlichen Daten - nämlich seinem Herkunftsstaat - unrichtige Angaben machte. Stellt aber ein Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz unter Verwendung eines falschen Herkunftsstaates, bedeutet das, dass er, gerade unter dem Gesichtspunkt der geltend gemachten Fluchtgründe, versucht sich unzulässiger Weise einen asylrelevanten, bzw. subsidiären Schutz betreffenden Vorteil zu verschaffen, den er bei richtiger Angabe seines Herkunftsstaates nicht hätte. Folglich leidet darunter die gesamte Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers, da wohl in der Regel nur ein Asylwerber, der bewusst einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz stellt, sich veranlasst sehen wird, die belangte Behörde durch die Angabe eines falschen Herkunftsstaates in die Irre zu leiten. Infolgedessen kann - wie die belangte Behörde ebenfalls folgerichtig ausführte - den vorgebrachten Fluchtgründen des Beschwerdeführers kein Glauben geschenkt werden.

Der Beschwerdeführer hat behauptet, ausschließlich in Libyen verfolgt zu werden. Daraus folgt, dass der Beschwerdeführer in Bezug auf den festgestellten Herkunftsstaat Algerien keinerlei Fluchtgründe geltend gemacht hat und es ihm daher nicht gelungen ist, eine aktuelle Verfolgungsgefahr in Algerien glaubhaft zu machen.

Damit sind die Beurteilung der Fluchtgründe und die diesbezügliche Beweiswürdigung durch die belangte Behörde nicht zu beanstanden, sodass sich das Bundesverwaltungsgericht dieser anschließt.

Auch aus der vom Beschwerdeführer in der Beschwerde bis zuletzt aufrecht gehaltenen Behauptung, aus Libyen zu stammen und seiner unsubstantiierten Begründung ergeben sich keine Zweifel am Zutreffen der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen und ihrer Beweiswürdigung.

Des Weiteren kann nicht davon ausgegangen werden, dass der gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer, der über eine mehrjährige Schulbildung und eine Ausbildung und Arbeitserfahrung als XXXX verfügt, bei einer Rückkehr ins Herkunftsland in Bezug auf existentielle Grundbedürfnisse in eine ausweglose Situation geraten würde.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Algerien ist gemäß § 1 Z 10 Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 idF BGBl. II Nr. 145/2019 ein sicherer Herkunftsstaat.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Algerien samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

- AA - Auswärtiges Amt (20.6.2019): Algerien - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/algerien-node/-/222160, Zugriff 17.6.2020

- AA - Auswärtiges Amt (29.5.2019): Algerien: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/algerien-node/algeriensicherheit/ 219044#content_0, Zugriff 29.5.2019

- AA - Auswärtiges Amt (4.4.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432978/4598_1526980677_auswaertiges-amt-bericht-asylund-abschiebungsrelevante-lage-in-der-demokratischen-volksrepublik-algerien-stand-februar2018-04-04-2018.pdf, Zugriff 29.5.2019

- AI - Amnesty International (18.2.2020): Algeria 2019, https://www.amnesty.org/en/countries/middle-east-and-north-africa/algeria/report-algeria/, Zugriff 26.2.2020

- ARI - Arab Reform Initiative (7.4.2020): The Future of the Algerian Hirak Following the COVID-19 Pandemic, https://www.arab-reform.net/publication/the-future-of-the-algerian-hirak-following-thecovid-19-pandemic/, Zugriff 27.4.2020

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (3.6.2019): Briefing Notes 3 Juni 2019, Zugriff 4.6.2019

- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (8.5.2020): Reiseinformationen Algerien, Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/ algerien/, Zugriff 17.6.2020

- BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Algeria, https://www.btiproject.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_DZA.pdf, Zugriff 23.6.2020

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Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht entgegen, weshalb die obgenannten Länderfeststellungen der gegenständlichen Entscheidung bedenkenlos zugrunde gelegt werden konnten.

Aus diesen Länderfeststellungen ergibt sich insgesamt, dass in Algerien für die Masse der Bevölkerung nicht im gesamten Staatsgebiet jene gemäß der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegt, welche die Rückkehr eines Fremden automatisch im Widerspruch zu Art. 2 oder Art. 3 EMRK erscheinen lässt (vgl. dazu VwGH vom 21. August 2001, 2000/01/0043). Wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt, wird eine nach Algerien abgeschobene Person, bei welcher keine besonders berücksichtigungswürdigen Umstände vorliegen, durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine "unmenschliche Lage" versetzt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A) Abweisung der Beschwerde

3.1.    Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abs. A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht.

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Aus den Gesamtangaben des Beschwerdeführers ist nicht ableitbar, dass dieser im Herkunftsstaat Algerien konkrete Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten hätte. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers war nicht glaubhaft und dem Beschwerdeführer als Person die Glaubwürdigkeit abzusprechen, wie den umfassenden Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.3. zu entnehmen ist.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl nicht gegeben sind, war die Beschwerde gemäß Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.2.    Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).

Wie bereits im Zuge der Prüfung des Status des Asylberechtigten festgestellt wurde, machte der Beschwerdeführer im Hinblick auf seinen festgestellten Herkunftsstaat Algerien keinerlei gegen seine Person gerichteten Bedrohungs- oder Verfolgungshandlungen geltend.

Außerdem besteht ganz allgemein in Algerien derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Artikel 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Artikel 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR obliegt es – abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde – grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (Beschluss des VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden Nr. 61204/09; sowie Erkenntnis des VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/19/0036 sowie vom 13.09.2016, Ra 2016/01/0096-3). Derartige Beweise wurden nicht vorgelegt, der Beschwerdeführer machte Rückkehrbefürchtungen ausschließlich in Bezug auf Libyen geltend.

Dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Algerien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikel 3 EMRK überschritten wäre (zur „Schwelle“ des Artikel 3 EMRK vergleiche VwGH vom 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059), gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Der Beschwerdeführer ist volljährig, jung, gesund und arbeitsfähig und hat laut eigenen Angaben eine mehrjährige Schulbildung sowie eine Ausbildung als XXXX genossen und anschließend auch in diesem Beruf gearbeitet. Es ist daher kein Grund ersichtlich, weshalb er seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht durch die Aufnahme einer Tätigkeit bestreiten können sollte. Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Algerien bessergestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde in Algerien keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Aufgrund der o.a. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage geraten würde.

Es ist dem Beschwerdeführer darüber hinaus auch unbenommen, gegebenenfalls Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Im Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides sprach die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer ein „Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (gemeint war wohl eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz") gemäß § 57 Asylgesetz 2005 nicht erteilt werde.

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet:

Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.4. Zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Da das Asylverfahren negativ abgeschlossen wurde, hat sich die belangte Behörde zutreffend auf § 52 Abs. 2 Ziffer 2 FPG 2005 gestützt.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung dieser Maßnahme gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und VfGH auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (vgl. VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074; VwGH 7.9.2016, Ra 2016/19/0168; VwGH 22.2.2017, Ra 2017/19/0043). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541).

Hinsichtlich eines in Österreich im Sinne des Art. 8 EMRK geschützten Familienlebens ist auszuführen, dass das Bestehen eines Familienlebens vom Beschwerdeführer nicht behauptet wurde. Da vom Beschwerdeführer weder ein Zusammenleben noch sonstige außergewöhnliche Aspekte (wie Heirat oder Vaterschaft) in Österreich behauptet wurden, liegt kein hinreichend intensives Familienleben im Sinne der EMRK vor und stellt somit die Rückkehrentscheidung schon aus dieser Erwägung keine Verletzung des Art. 8 EMRK dar (AsylGH 03.12.2009, A2 253.985-0/200853).

Zu prüfen wäre daher ein etwaiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554).

Das vorliegende Asylverfahren erreichte, gerechnet von der Antragstellung am 13.10.2019 bis zum Datum der vorliegenden Entscheidung eine Dauer von rund zehn Monaten.

Unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479 zu einem dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder auch Erkenntnis vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 zu einem zweijährigem Aufenthalt in Verbindung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war), des Verfassungsgerichtshofes (29.11.2007, B 1958/07-9, wonach im Fall eines sich seit zwei Jahren im Bundesgebiet aufhältigen Berufungswerbers die Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Art. 8 EMRK abgelehnt wurde; ebenso 26.04.2010, U 493/10-5 im Falle eines fünfjährigen Aufenthaltes) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (siehe etwa EGMR, 08.04.2008, Nnyanzi v. UK, 21878/06) muss angesichts der kurzen Dauer des Inlandsaufenthaltes von unter einem Jahr davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers das Interesse an der Achtung seines Privatlebens überwiegt.

Auch war der Beschwerdeführer nicht imstande, auch nur ansatzweise seine allfällige soziale bzw. integrative Verfestigung in Österreich darzulegen oder formell nachzuweisen. Der Beschwerdeführer hat keine Deutschkurse besucht oder Nachweise über abgelegte Deutschprüfungen vorgelegt, hat in Österreich an keinen Aus- oder Weiterbildungen teilgenommen, hat keine nachgewiesene legale Erwerbstätigkeit ausgeübt und hat keine engen Bezüge zu ÖsterreicherInnen. Er hat weder gemeinnützige Tätigkeiten ausgeübt, noch konnte er andere außergewöhnliche Umstände ins Treffen führen. Unterlagen, die für eine Integration sprechen würden, wurden nicht vorgelegt.

Die verfügte Rückkehrentscheidung stellt insofern keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers dar.

Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK - aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. dazu VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt aber nicht vor; beim Beschwerdeführer sind keine besonderen Vulnerabilitäten gegeben, zumal er jung, gesund und erwerbsfähig ist. Im Falle einer Rückkehr sollte er durch die Aufnahme einer entsprechenden Beschäftigung zum Verdienst seines Lebensunterhaltes und dem Aufbau einer Lebensgrundlage in Algerien imstande sein.

Es kann auch nach wie vor von einem Bestehen von Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Heimatstaat Algerien ausgegangen werden, zumal er dort den überwiegenden Großteil seines Lebens verbracht hat und dort sozialisiert wurde, er nach wie vor die dortige Sprache spricht und durchaus mit den regionalen Sitten und Gebräuchen vertraut ist – und kann im gegenständlichen Fall, unter Berücksichtigung des zuvor erwähnten, nicht von einer Entwurzelung des Beschwerdeführers gesprochen werden.

Zu Lasten des Beschwerdeführers ist auch sein strafgesetzwidriges Fehlverhalten zu berücksichtigen. So wurde der Beschwerdeführer bereits kurze Zeit nach seiner Einreise im Jänner 2020 wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Im Juni 2020 erfolgte eine weitere Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten 18-monatigen Freiheitsstrafe wegen des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch, des Vergehens des Diebstahls und des Vergehens der Urkundenunterdrückung.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich steht somit insbesondere das öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer strafrechtlich relevanter Delikte gegenüber (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.01.2005, Zl. 2004/18/0365, vom 03.05.2005, Zl. 2005/18/0076, vom 09.09.2014, Zl. 2013/22/0246 und vom 22.2.2017, Ra 2017/19/0043).

Ebenso steht dem persönlichen Interesse das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber; diesem gewichtigen öffentlichen Interesse kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 12.03.2002, Zl. 98/18/0260; 18.01.2005, Zl. 2004/18/0365).

Unter Zugrundelegung des oben gesagten und nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen ist ein schützenswertes Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 zu verneinen (siehe auch VfGH 02.05.2011, U2123/10-13). Die im vorliegenden Beschwerdefall vorzunehmende Interessenabwägung schlägt somit zuungunsten des Beschwerdeführers und zugunsten des öffentlichen Interesses an seiner Außerlandesschaffung aus.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):

Zur Feststellung, dass eine Abschiebung gemäß § 46 Fremdenpolizeigesetz 2005 nach Algerien zulässig ist (§ 52 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005), ist wie folgt auszuführen:

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse VwGH 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 – 0062).

Wie bereits bei der Prüfung des subsidiären Schutzes festgestellt wurde, ergibt sich insgesamt kein reales Risiko, dass es durch die Rückführung des Beschwerdeführers nach Algerien zu einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

3.6.    Zum Nicht-Bestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides):

Dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht, wenn eine Entscheidung aufgrund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird, ergibt sich schon unmittelbar aus § 55 Abs. 1a FPG 2005, sodass der Beschwerdeführer auch nicht in seinen Rechten verletzt sein kann.

Aus dem Gesagten war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.7. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides):

Mit Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt, weil „der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt“ (Z 1), „schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt“ (Z 2) und „der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat " (Z 3).

Der belangten Behörde ist beizupflichten, dass all diese Voraussetzungen erfüllt sind:

Algerien ist gemäß § 1 Z 10 Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 idF BGBl. II Nr. 145/2019 ein sicherer Herkunftsstaat, aufgrund der beiden strafgeric

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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