Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §56Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers MMag. Dr. Gotsbacher, über die Revision der Mag. M S in H, vertreten durch die Urbanek & Rudolph Rechtsanwälte OG in 3100 St. Pölten, Europaplatz 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. März 2020, Zl. W213 2229264-1/2E, betreffend Zurückweisung eines Feststellungsantrages iA Ernennung auf die Planstelle einer Schulleiterin (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin steht als Lehrerin der Verwendungsgruppe L1 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Sie ist in der Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe in P tätig.
2 Aufgrund der am 30. Mai 2017 im Amtsblatt zur Wiener Zeitung erfolgten Ausschreibung der Stelle einer Direktorin/eines Direktors an der Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe in P bewarb sich die Revisionswerberin für die genannte Planstelle.
3 Sie wurde in den am 20. März 2018 beschlossenen und mit Schreiben vom 8. Mai 2018 an das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung übermittelten Dreiervorschlag des Kollegiums des Landesschulrates für Niederösterreich aufgenommen.
4 Mit Schreiben vom 18. März 2019 beantragte die Revisionswerberin die bescheidmäßige Feststellung durch den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, dass sie in dem betreffenden Besetzungsverfahren in ihrem Grundrecht auf eine angemessene Verfahrensdauer verletzt worden sei.
5 Mit Bescheid vom 7. August 2019 sprach die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung aus, dass eine ebenfalls in den Dreiervorschlag aufgenommene Mitbewerberin der Revisionswerberin mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 5. August 2019 mit Wirksamkeit vom 1. September 2019 auf die in Rede stehende Planstelle ernannt worden sei. Dieser Bescheid wurde auch der Revisionswerberin gegenüber erlassen.
6 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. Dezember 2019 zurück.
7 Mit Bescheid vom 13. Jänner 2020 wies der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung den in Rn 4 bezeichneten Feststellungsantrag der Revisionswerberin gemäß § 56 AVG zurück.
8 Begründend führte die Behörde aus, es fehle ein rechtliches Interesse der Revisionswerberin an der beantragten Feststellung und es bestehe auch kein Anspruch der in den Dreiervorschlag aufgenommenen Bewerber auf Ernennung, sondern lediglich ein Anspruch auf abwägende Absprache über die getroffene Entscheidung. Das Besetzungsverfahren sei von der Behörde abgeschlossen und von der Revisionswerberin vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpft worden. Es bestehe kein Raum für die Erlassung des beantragten Feststellungsbescheides. Die Feststellung einer „vermeintlichen Grundrechtsverletzung“ sei einem Feststellungsbescheid nicht zugänglich.
9 Die Revisionswerberin erhob Beschwerde.
10 Mit Erkenntnis vom 26. Februar 2020, E 127/2020, hob der Verfassungsgerichtshof den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Dezember 2019 (mit dem die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den auf Ernennung ihrer Mitbewerberin lautenden Bescheid vom 7. August 2019 zurückgewiesen worden war) auf.
11 Der Verfassungsgerichtshof hielt fest, dass der in den verbindlichen Dreiervorschlag des Kollegiums des Landesschulrates für Niederösterreich vom 20. März 2018 aufgenommenen Revisionswerberin nach der ständigen Rechtsprechung des zuletzt genannten Gerichtshofes im vorliegenden Ernennungsverfahren Parteistellung zukomme. Durch die Zurückweisung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 7. August 2019 habe das Verwaltungsgericht der Revisionswerberin gegenüber zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert.
12 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den (den Feststellungsantrag der Revisionswerberin zurückweisenden) Bescheid des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung vom 13. Jänner 2020 gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
13 Das Bundesverwaltungsgericht begründete seine Entscheidung dahin, dass der vorliegende Feststellungsantrag unzulässig sei. Infolge des aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Februar 2020 sei das Verwaltungsgericht verpflichtet, in der gegenständlichen Rechtssache mit den ihm zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Das Bundesverwaltungsgericht werde daher inhaltlich über den Bescheid vom 7. August 2019 entscheiden müssen. Sollte diese Entscheidung nicht innerhalb der gesetzlichen Entscheidungsfrist erfolgen, stehe der Revisionswerberin die Möglichkeit offen, durch einen Fristsetzungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof eine zeitgerechte Entscheidung zu erwirken. Der gegenständliche Feststellungsantrag stelle daher kein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dar. Zur Abhilfe gegen die von der Revisionswerberin behauptete überlange Verfahrensdauer stünden andere gesetzlich vorgezeichnete Rechtsbehelfe zur Verfügung.
14 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 26. Juni 2020, E 1716/2020-5, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese unter einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
15 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes verbunden mit dem Antrag geltend gemacht, der Verwaltungsgerichtshof möge aus diesem Grund in der Sache selbst entscheiden, hilfsweise das angefochtene Erkenntnis aufheben.
16 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit führt die Revision aus, das Bundesverwaltungsgericht sei insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, als der vorliegende Feststellungsantrag für die Revisionswerberin ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstelle. Da die Revisionswerberin als Partei des Besetzungsverfahrens keinen Einfluss auf die Dauer dieses Verfahrens habe nehmen können, obwohl Art. 6 EMRK auch für dieses Verfahren das Grundrecht auf eine angemessene Verfahrensdauer garantiere, sei ein Rechtsschutzdefizit zu Tage getreten. Die Erlassung des beantragten Feststellungsbescheides wäre die einzige Möglichkeit für die Revisionswerberin gewesen, sich gegen die sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung des Besetzungsverfahrens zur Wehr zu setzen. So habe auch der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27. Jänner 2004, 2000/10/0062, festgehalten, dass aus der Feststellung, dass die Erlassung des beantragten Bescheides weder im Gesetz vorgesehen noch etwa auf Grund der Rechtsprechung zur Zulässigkeit eines Feststellungsbescheides möglich bzw. geboten sei, nicht ergebe, dass keine Säumnis der Behörde vorliegen könne.
17 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
18 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
19 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
20 Ungeachtet der Frage, ob fallbezogen infolge des aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Februar 2020 - entgegen der sonstigen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes - betreffend das in Rede stehende Besetzungsverfahren von dem Vorliegen einer Entscheidung über „civil rights“ sowie der Anwendbarkeit des Art. 6 EMRK auszugehen war und vorliegend auch die Garantien des Art. 13 EMRK zum Tragen kamen (vgl. zu Art. 6 EMRK VwGH 3.10.2018, Ra 2017/12/0073), vermag die Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung schon aus folgenden Überlegungen nicht aufzuzeigen:
21 Im Revisionsfall ist die Verletzung der Revisionswerberin in ihrem Recht auf Sachentscheidung zu prüfen. Die Erlassung des von ihr beantragten Feststellungsbescheides ist indes im Gesetz nicht vorgesehen (siehe zu einem Feststellungsantrag ähnlichen Inhalts VwGH 22.4.2015, Ro 2014/10/0122, unter Hinweis auch auf Art. 41 und 47 GRC). Im Übrigen wäre im Fall der Säumnis des Bundesverwaltungsgerichts im Hinblick auf das aufhebende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Februar 2020 von der Möglichkeit der Erhebung eines Fristsetzungsantrages auszugehen.
22 Die Frage, deren Klärung die Revisionswerberin mithilfe des betreffenden Feststellungsantrages begehrte, nämlich die Beurteilung der Angemessenheit der Dauer des Besetzungsverfahrens und einer allfälligen Verletzung ihrer durch Art. 6 EMRK geschützten Rechte, könnte gegebenenfalls, ohne dass es dafür der Erlassung eines verwaltungsbehördlichen Feststellungsbescheides bedürfte, an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden (siehe zu einer solchen Konstellation z.B. VfGH 6.12.2007, B 1902/06 u.a.).
23 Wie der Verfassungsgerichtshof hingegen in seinem Ablehnungsbeschluss vom 26. Juni 2020, E 1716/2020-5, bezogen auf den gegenständlichen (an die Verwaltungsbehörde gerichteten) Feststellungsantrag festhielt, sind spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen zur Beantwortung der Frage, ob ein Antrag auf Feststellung einer Verletzung des Art. 6 EMRK wegen behaupteter Überschreitung der angemessenen Verfahrensdauer im Verfahren zur Verleihung einer Schulleiterstelle zulässig ist, nicht anzustellen.
24 Vor diesem Hintergrund ist im Lichte der Zulässigkeitsbegründung nicht ersichtlich, weshalb - aus dem Blickwinkel einfachgesetzlicher Rechtsgrundlagen - das Ergehen eines Feststellungsbescheides betreffend die von der Revisionswerberin behauptete Rechtsverletzung als notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu qualifizieren wäre (siehe zu den Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehenen Feststellungsbescheides z.B. VwGH 24.4.2018, Ra 2017/05/0215; 22.11.2017, Ro 2017/03/0012; 17.11.2014, 2012/17/0451; 13.9.2002, 99/12/0149).
25 Sofern sich die Zulässigkeitsbegründung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Jänner 2004, 2000/10/0062, stützt, legt sie nicht dar, in welcher Weise die dort in einem gänzlich anderen Zusammenhang getroffenen Ausführungen den Rechtsstandpunkt der Revisionswerberin zu stützen vermöchten.
26 Aus den dargelegten Gründen liegen somit die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 22. September 2020
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung FeststellungsbescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020120052.L00Im RIS seit
02.11.2020Zuletzt aktualisiert am
02.11.2020