TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/23 97/07/0107

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Veröffentlicht am 23.10.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AVG §66 Abs4;
AWG 1990 §29 Abs1;
AWG 1990 §29 Abs2;
AWG 1990 §29 Abs8;
GewO 1994 §74 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde der S Gesellschaft mbH in P, vertreten durch Eisenberger-Herzog-Mierhaus-Forcher & Partner, Rechtsanwälte in Graz, Hilmgasse 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie vom 14. Mai 1997, Zl. 31 3546/34-III/1/97-Eb, betreffend Bewilligung einer Klärschlammtrocknungsanlage (mitbeteiligte Parteien: 1. CK, K, K-Weg 29; 2. PK, K, K-Weg 29; 3. OR, K, K-Weg 29, und 4. LM, V, K-Straße 52), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 13.340,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei beantragte beim Landeshauptmann von Kärnten (LH) die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Klärschlammtrocknungsanlage.

Mit Kundmachung vom 16. Juni 1994 machte der LH den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Erteilung der Genehmigung zur Errichtung und Inbetriebnahme einer Klärschlammtrocknungsanlage gemäß § 29 Abs. 4 des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990 (AWG) bekannt. Eine Reihe von Personen, darunter auch die mitbeteiligten Parteien (mP), erhoben Einwendungen.

Sie brachten im wesentlichen vor, von der Klärschlammtrockungsanlage der beschwerdeführenden Partei gingen unzumutbare Belästigungen durch Geruch und gesundheitsgefährdende chemische Stoffe aus.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27. September 1994, bei der die mP ihre Einwendungen vortrugen, erteilte der LH mit Bescheid vom 12. April 1995 der beschwerdeführenden Partei gemäß § 29 Abs. 1 Z. 3, Abs. 2 und Abs. 8 AWG in Verbindung mit den §§ 74 Abs. 2, 77 und 359 Abs. 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) sowie § 78 Abs. 2 der Gewerbeordnung 1973 (GewO 1973) die abfallwirtschaftsrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer Klärschlammtrocknungsanlage nach Maßgabe der Projektsunterlagen und unter Vorschreibung einer Reihe von Nebenbestimmungen. Gleichzeitig wurde ein Probebetrieb in der Dauer von zwei Jahren angeordnet (Spruchabschnitt I).

Die Anträge und Einwendungen der mP wurden teils zurück-, teils abgewiesen (Spruchabschnitt IV).

In der Begründung führte der LH im wesentlichen aus, die durchgeführten Messungen und die darauf aufbauenden Amtssachverständigengutachten aus den Fachbereichen Luftreinhaltung, Lärmtechnik und Humanmedizin hätten ergeben, daß die Anlage genehmigungsfähig sei.

Die mP beriefen.

Die belangte Behörde ließ eine "Geruchsstudie" erstellen.

Während das Berufungsverfahren bei der belangten Behörde anhängig war, führte der LH am 17. September 1996 auf Grund von Anrainerbeschwerden eine Überprüfung der Anlage der beschwerdeführenden Partei durch. Dabei schlug der Amtssachverständige für Luftreinhaltung vor, die beschwerdeführende Partei möge der Behörde ein geeignetes Sanierungskonzept zur Hintanhaltung von Geruchsemissionen vorlegen. Ein solches Konzept wurde von der beschwerdeführenden Partei auch vorgelegt. Es sieht primäre und sekundäre Maßnahmen vor. Primäre Maßnahmen sind:

1. Verbesserter und optmierter Einsatz von Füllkörpern - Ersatz der bestehenden Kunststoffkugeln durch ein Füllkörperbett,

2. Verbesserte Tropfenabscheidung innerhalb des Wäschers zwischen den Stufen:

sauer-alkalisch, alkalisch-neutral und neutral - gegen Umgebung durch den Ersatz der bestehenden Füllkörper durch Gewebepackungen,

3. Exakte automatische pH-Wert-gesteuerte Chemikaliendosierung in den einzelnen Vorlagebehältern für sauer, alkalisch und neutral und Ersatz der neutralen Stufe durch eine leicht saure Wäsche.

Sekundärmaßnahmen sind:

1. Inbetriebnahme einer Enthärtungsanlage für die Waschwässer,

2. pH-Wertmessung des Abluftkondensates als interne Maßnahme im Rahmen der Eigenüberwachung.

Auf dieses von ihr teilweise als Sanierungskonzept, teilweise als Optimierungskonzept bezeichnete Konzept verwies die beschwerdeführende Partei gegenüber der belangten Behörde und behauptete, durch die Verwirklichung dieses Konzeptes komme es nunmehr zu keiner Geruchsemission mehr.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 14. Mai 1997 wurde der Berufung stattgegeben, der Bescheid des LH vom 12. April 1995 behoben und das Ansuchen der beschwerdeführenden Partei um Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Klärschlammtrocknungsanlage gemäß § 29 AWG in Verbindung mit § 77 Abs. 1 erster Satz GewO abgewiesen.

In der Begründung heißt es, von Univ. Prof. P., Univ. Doz. Dr. K. und Mag. P. (Hygieniker des Landes Steiermark) sei in der von der belangten Behörde in Auftrag gegebenen Geruchsstudie ermittelt worden, daß die Zuordnung zu einem einzigen Emittenten sehr schwierig sei. Insgesamt habe jedoch als Hauptverursacher für Geruchswahrnehmungen durch die Anrainer die Deponie H. ermittelt werden können (50 % der Wahrnehmungen), an zweiter Stelle gefolgt von der Klärschlammanlage der beschwerdeführenden Partei (41 % der Wahrnehmungen), sodann die anderen Verursacher (Vulkanisierungsanlage, Aufbereitungsanlage).

Auf Seite 23 der Studie von P.-K.-P. werde ausgeführt:

    Insgesamt seien bei n=Fahrten zu m = 9 Punkten

(= 252 Erhebungen) im Zeitraum von November 1995 bis Juli 1996

von mindestens drei oder vier oder fünf Teilnehmer(innen) 18 Mal (= 7.1.2 %) "firmenspezifische" Gerüche unabhängig zu Protokoll gegeben worden. Kein einziges Mal sei dabei eine Wahrnehmung als "stark wahrnehmbar" eingestuft worden (Tab. 4.1.). In Tabelle 5 seien die Punkte mit den häufigsten "firmenspezifischen" Geruchswahrnehmungen angeführt. Dabei falle auf, daß bei einem von neun Punkten, nämlich bei der Firma M., bei einer Bewertung "mindestens drei von vier/fünf" der Richtwert von X % = 8 % für "wahrnehmbar" überschritten worden sei. Diese Überschreitung sei jedoch sehr klar und hauptsächlich der Klärschlammanlage zuzuordnen. An zwei weiteren Punkten, nämlich L. und R. seien bei den 28 Fahrten vier Male von zwei von vier bzw. fünf Teilnehmern Geruchswahrnehmungen protokolliert worden. Dies liege an der Grenze des Richtwertes von X % = 8 %, wobei hier noch anzumerken sei, daß beim Punkt L. als eindeutiger Hauptverursacher die Deponie (in 85 % aller Angaben) zu sehen sei. Beim Punkt R. verteilten sich die Wahrnehmungen auf die drei Verursacher Vulkanisierung, Deponie und Klärschlammanlage annähernd gleich.

Da im Untersuchungsareal mehrere Verursacher von Gerüchen vorhanden seien, komme der Zuordnung der Wahrnehmungen zum Verursacher eine besondere Bedeutung bei. Die Zuordnung zu einem der möglichen Verursacher sei bei dieser Studie sehr eindeutig und sei für die Interpretation der Studienergebnisse wesentlich. Aus den Tab. 5 sei die recht klare Zuordnung ersichtlich. Als Hauptverursacher sei die Deponie anzusehen; diese habe einen Anteil von ca. 50 % aller "firmenspezifischen" Geruchswahrnehmungen.

Insgesamt sei die Geruchsbelastung als hoch eingeschätzt worden. Auf Seite 25 der Studie von P.-K.-P. werde ausgeführt:

Beim Punkt L. werde als möglicher Verursacher fast nur die Deponie genannt; dies gelte auch für den Punkt D. Beim Punkt M. sei es vor allem die Klärschlammanlage (12/26, 46 %), aber auch die Deponie sei mehrmals genannt (8/26, 31 %) und die Vulkanisierung (6/26, 23 %).

Die Hauptverursacher für firmenspezifische Geruchswahrnehmungen im Erhebungsareal seien bei einer Bewertung von drei von vier/fünf die Deponie, die Klärschlammanlage und in einem geringeren Ausmaß auch die Vulkanisierung (Tab. 5.3.).

    Da die Zuordnung zu diesen Firmen (Deponie,

Klärschlammanlage, Vulkanisierung, Aufbereitungsanlage) jeweils

an Punkten erfolgt sei, bei denen die Richtwerte für

"wahrnehmbar" (X % = 8 %) und teilweise sogar für "stark

wahrnehmbar" (X % = 3 %) überschritten worden seien, seien die

Geruchsemissionen dieser Betriebe als kritisch im Hinblick auf eine Störung des Wohlbefindens anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die beschwerdeführende Partei bringt im wesentlichen vor, Berufungen gegen die Vorschreibung eines Probebetriebes seien nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur zulässig und möglich, wenn sich schon aus dem Gutachten der Sachverständigen in erster Instanz ergebe, daß die Anlage auch bei Einhaltung von Auflagen nicht genehmigungsfähig sein werde (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1989, 87/04/0123). Das erstinstanzliche Verfahren habe nicht ergeben, daß der probeweise Betrieb der Anlage die Nachbarn gefährde oder unzumutbar belästige. Die Berufung der mP hätte daher zurück-, allenfalls abgewiesen werden müssen.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides sei ebenso unzureichend wie das durchgeführte Ermittlungsverfahren. Aus der "Geruchsstudie" von Univ. Prof. Dr. P. - eines Statistikers - könne nicht auf Gefährdungen oder unzumutbare Belästigungen von Nachbarn geschlossen werden. Es hätte der Einschaltung eines Mediziners bedurft. Das Verfahren der belangten Behörde habe nicht ergeben, daß die Anlage nicht genehmigungsfähig sei. Die belangte Behörde sei nicht auf das im Zuge des Berufungsverfahrens erstattete Vorbringen der beschwerdeführenden Partei eingegangen, daß durch Adaptierungen der Anlage nunmehr keine Geruchsbelästigung mehr auftrete und daher eine neue Geruchsstudie erforderlich sei. Die belangte Behörde habe auch nicht die Frage geprüft, ob die Anlage unter Vorschreibung weiterer Auflagen genehmigungsfähig sei.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 29 Abs. 1 Z. 3 AWG bedarf die Errichtung oder wesentliche Änderung sowie die Inbetriebnahme von Anlagen zur thermischen Verwertung oder sonstigen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen oder Altölen, ausgenommen zur stofflichen Verwertung, mit einer Jahreskapazität von mindestens 10.000 t einer Genehmigung des Landeshauptmannes.

Nach § 29 Abs. 2 AWG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 115/1997 hat der Landeshauptmann bei der Erteilung der Genehmigung gemäß Abs. 1 nach Maßgabe der folgenden Absätze alle Bestimmungen anzuwenden, die im Bereich des Gewerbe-, Wasser-, Forst-, Berg-, Luftfahrts-, Schiffahrts-, Luftreinhalte-, Rohrleitungs- sowie des Eisenbahnrechts für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Vorhabens anzuwenden sind. Die Genehmigung ersetzt die nach bundesrechtlichen Vorschriften erforderlichen Bewilligungen, Genehmigungen oder Nicht-Untersagungen.

Nach § 29 Abs. 8 AWG kann für Anlagen gemäß Abs. 1 Z. 1 bis 3 im Genehmigungsbescheid angeordnet werden, daß die Behandlungsanlage erst auf Grund einer Betriebsbewilligung in Betrieb genommen werden darf. Bei Vorschreibung einer Betriebsbewilligung ist ein befristeter Probebetrieb anzuordnen. Für die Festlegung und Durchführung des Probebetriebes gilt § 78 Abs. 2 Gewerbeordnung 1973 i.d.F. BGBl. Nr. 399/1988. Die Befristung des Probebetriebes kann zweimal für jeweils ein Jahr verlängert werden. In diesem Verfahren haben die in Abs. 5 Genannten Parteistellung.

Es trifft nicht zu, daß eine Berufung gegen einen Bescheid, mit dem (auch) ein Probebetrieb vorgeschrieben wurde, unzulässig ist, wenn das erstinstanzliche Verfahren keine Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 und keine Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 ergeben hat. Die gegenteilige Auffassung der beschwerdeführenden Partei findet im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1989, 87/04/0123, keine Deckung.

Nach § 77 Abs. 1 der im Beschwerdefall gemäß § 29 Abs. 2 AWG anzuwendenden GewO 1994 ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 zumutbar sind, ist nach § 77 Abs. 2 GewO 1994 danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.

Die belangte Behörde geht davon aus, daß die von der Klärschlammtrocknungsanlage der beschwerdeführenden Partei ausgehenden Geruchsemissionen zusammen mit Geruchsemissionen anderer, schon bestehender Betriebe als kritisch im Hinblick auf eine Störung des Wohlbefindens anzusehen sind. Die Begründung hiefür ist allerdings nicht ausreichend.

Die belangte Behörde zitiert Auszüge aus einer "Geruchsstudie". Diese Auszüge sind in der in der Begründung des angefochtenen Bescheides verwendeten Form nicht hinreichend klar, um die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung, den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Erteilung der abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung für die Klärschlammtrocknungsanlage abzuweisen, zu decken. In der Begründung des angefochtenen Bescheides fehlt eine verständliche Darstellung der Konzeption der "Geruchsstudie", sodaß nicht beurteilt werden kann, ob diese Studie schlüssig ist. Es ist nicht einmal ersichtlich, was genau mit dieser Studie gemessen werden sollte und welche Methoden verwendet wurden. Es fehlt eine Erklärung, welche Bedeutung die im angefochtenen Bescheid angeführten Zahlen und Werte im Hinblick auf das durch § 77 GewO 1994 vorgegebene Beweisthema der Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung von Nachbarn haben. So ist - um nur ein Beispiel zu nenen - nicht zu ersehen, was aus dem Umstand zu schließen ist, daß "von mindestens drei oder vier oder fünf Teilnehmer(innen) 18 Mal (= 7.1.2 %) firmenspezifische Gerüche unabhängig zu Protokoll gegeben" wurden. Allein schon die Zahl "7.1.2 %" ist unverständlich. Unklar ist ebenso, was der "Richtwert von X % = 8 %" für "wahrnehmbar" bedeuten soll. Ähnliches gilt für die übrigen angeführten Zahlen und Werte. Es fehlt auch an der Herstellung eines verständlichen Zusammenhanges zwischen den angeführten Werten und Zahlen und der Schlußfolgerung, daß die Geruchsemissionen als kritisch im Hinblick auf eine Störung des Wohlbefindens anzusehen seien. Überdies sind die Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides in sich widersprüchlich. So wird einerseits ausgeführt, es sei kein einziges Mal eine Wahrnehmung als "stark wahrnehmbar" eingestuft worden (S. 8). Andererseits heißt es, da die Zuordnung zu den Firmen jeweils an Punkten erfolgt sei, bei

denen die Richtwerte für "wahrnehmbar" (X % = 8 %) und

teilweise sogar für "stark wahrnehmbar" (X % = 3 %)

überschritten worden seien, seien die Geruchsemissionen der Betriebe als kritisch im Hinblick auf eine Störung des Wohlbefindens anzusehen (S. 10).

Der angefochtene Bescheid erweist sich auch noch aus einem anderen Grund als rechtswidrig.

Die beschwerdeführende Partei hat im Zuge des Berufungsverfahrens auch ins Treffen geführt, daß sie - nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides und während des anhängigen Berufungsverfahrens, als die "Geruchsstudie" bereits abgeschlossen war - vom LH aufgefordert worden sei, ein Konzept zur Optimierung der Einstellung der Anlage und zur Änderung der Füllkörper vorzulegen, was sie auch getan habe. Seit der Optimierung der Einstellung gingen von der Klärschlammtrocknungsnlage keinerlei Geruchsbelästigungen mehr aus.

Auf dieses Vorbringen ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht eingegangen, obwohl es für die Entscheidung über die Berufung von Relevanz hätte sein können.

§ 77 Abs. 1 GewO 1994 sieht eine Genehmigung der Betriebsanlage auch unter Auflagen vor. Der Hinweis der beschwerdeführenden Partei auf Maßnahmen zur Optimierung der Anlage mußte die belangte Behörde zur Prüfung veranlassen, ob sich durch diese Maßnahmen - allenfalls durch deren Vorschreibung als Auflage - Gefährdungen und unzumutbare Beeinträchtigungen hintanhalten ließen. Daran änderte auch der Umstand nichts, daß die Vorlage dieses Optimierungskonzeptes vom LH angeregt wurde. Dies hinderte die beschwerdeführende Partei nicht, dieses Optimierungskonzept und seine Wirkungen auch im Verfahren zur Entscheidung über die Berufung ins Spiel zu bringen. Von der Notwendigkeit einer Prüfung dieses Optimierungskonzeptes war die belangte Behörde auch nicht dadurch entbunden, daß es von der beschwerdeführenden Partei teilweise auch als "Sanierungskonzept" nach § 79 Abs. 3 GewO 1994 bezeichnet wurde und Sanierungskonzepte nach dieser Gesetzesstelle Auflagen sind, durch die die Betriebsanlage in ihrem Wesen verändert wird. Abgesehen davon, daß die beschwerdeführende Partei selbst wechselnde Bezeichnungen für die vorgeschlagenen Maßnahmen verwendet hat, berechtigte die Bezeichnung allein die Behörde nicht, von einer Prüfung dieses Konzeptes abzusehen. Der belangten Behörde lag das Optimierungskonzept vor. Daß es sich bei den darin enthaltenen Maßnahmen um solche handelt, die die Klärschlammtrocknungsanlage in ihrem Wesen verändern würden, ist zumindest ohne entsprechende Begründung nicht erkennbar. Handelte es sich aber bei den Maßnahmen dieses Optimierungskonzeptes um solche, die das Wesen der Betriebsanlage nicht veränderten, dann hätten diese Maßnahmen - vorausgesetzt, daß durch sie die von der beschwerdeführenden Partei behaupteten Wirkungen zu erzielen wären - von der Berufungsbehörde als Auflage vorgeschrieben werden können, ohne daß damit die Sache des Berufungsverfahrens überschritten würde.

In der Gegenschrift weist die belangte Behörde darauf hin, daß der Amtssachverständige für Luftreinhaltung in

erster Instanz ausgeführt habe, alle technischen Möglichkeiten zur Verminderung der Emissionen seien ausgeschöpft.

Auch dieser Hinweis mag die unterbliebene Auseinandersetzung mit dem Optimierungskonzept nicht zu rechtfertigen. Zunächst ist festzuhalten, daß die belangte Behörde den Zusammenhang außer acht läßt, in dem die zitierte Aussage des Amtssachverständigen für Luftreinhaltung gemacht wurde. Ergebnis des erstinstanzlichen Verfahrens war nämlich, daß ohnehin keine gefährdenden oder unzumutbar belästigenden Auswirkungen von der Anlage der beschwerdeführenden Partei ausgingen. Es bedurfte daher auch keiner näheren Prüfung, ob wirklich alle technischen Möglichkeiten der Emissionsbegrenzung ausgeschöpft wurden. Vor allem aber war es derselbe Amtssachverständige, welcher in der vom LH nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides und während des anhängigen Berufungsverfahrens am 17. September 1996 durchgeführten Verhandlung die Erstellung des Optmierungskonzeptes durch die beschwerdeführende Partei vorgeschlagen hat. Auch von den Verfassern der "Geruchsstudie" wurde der belangten Behörde gegenüber bestätigt, daß das Optmierungskonzept zu einer Verbesserung in bezug auf die Geruchsimmissionen führen würde (Schreiben vom 2. Februar 1997).

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Eine gesonderte Vergütung der Umsatzsteuer findet im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht statt. An Stempelgebühren waren nur S 720,-- für sechs Ausfertigungen der Beschwerde und S 120,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides erforderlich. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren war daher abzuweisen.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997070107.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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