TE Vwgh Beschluss 2020/9/28 Ra 2020/14/0428

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.09.2020
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9 Abs2
BFA-VG 2014 §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des A B in X, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Jänner 2020, L502 2204444-1/20E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Libanon, stellte am 19. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005, den er unter anderem mit einer drohenden Zwangsrekrutierung durch die Hisbollah begründete.

2        Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 23. Juli 2018 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Libanon zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung derselben mit Beschluss vom 8. Juni 2020, E 786/2020-7, ablehnte und die Beschwerde über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers mit Beschluss vom 23. Juli 2020, E 786/2020-9, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision vor, das Bundesverwaltungsgericht habe die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation betreffend die Rekrutierung im Libanon durch die Hisbollah vom 5. Juni 2018 und den Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die allgemeine Lage im Libanon vom 13. Februar 2019 nicht wortwörtlich im Erkenntnis wiedergegeben, sondern diese lediglich mit eigenen Worten zusammengefasst. Es müsse für einen objektiven Betrachter aber erkennbar sein, aufgrund welcher Ausführungen in den Länderberichten das Bundesverwaltungsgericht zu seinen Feststellungen komme. Weiters habe das Bundesverwaltungsgericht die zum Entscheidungszeitpunkt aktuelle politische Situation im Herkunftsstaat unberücksichtigt lassen.

9        Werden Verfahrensmängel, wie hier Ermittlungs- und Begründungsmängel, als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben (vgl. VwGH 19.5.2020, Ra 2019/14/0328, mwN).

10       Eine solche Relevanzdarlegung ist der Zulässigkeitsbegründung nicht zu entnehmen. Soweit die Revision einen Begründungsmangel erblickt, ist überdies darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht die Quellen, auf die sie ihre Länderfeststellungen gestützt hat, ausdrücklich angegeben hat. Diese wurden dem Revisionswerber im Gerichtsverfahren vollständig übermittelt. Sein Rechtsvertreter gab im Rahmen der Gewährung des Parteiengehörs am 14. Jänner 2020 auch eine Stellungnahme dazu ab. Sofern eine fehlende Aktualität unter Hinweis auf die gemeinsam mit der Revision vorgelegten Urkunden angesprochen wird, legt die Revision mit dem allgemein gehaltenen Vorbringen, das Bundesverwaltungsgericht wäre „aufgrund der Inhalte in den beigelegten aktuellen Berichten...zu einem inhaltlich anders lautenden Ergebnis gelangt“, ebenfalls nicht konkret dar, welcher für das Verfahrensergebnis relevante Sachverhalt sich aus der Heranziehung aktuellerer Berichte ergeben hätte. Darüber hinaus datieren die mit der Revision vorgelegten Zeitungsartikel nach dem Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses.

11       Der Revisionswerber beanstandet auch die vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorgenommene Interessenabwägung. Dazu ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 1.4.2020, Ra 2020/20/0072, mwN).

12       Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. VwGH 12.8.2020, Ra 2020/14/0322, mwN).

13       Im vorliegenden Fall hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit den für die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG relevanten Umständen auseinandergesetzt und sich auch mit der Beziehung des Revisionswerbers zu einer österreichischen Staatsbürgerin, die er – unbestritten - zum Entscheidungszeitpunkt seit fünf Monaten hatte, befasst. Es kam vertretbar zum Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen (insbesondere angesichts der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung des Revisionswerbers wegen Suchtgifthandels) an einer Aufenthaltsbeendigung überwögen. Dass das Bundesverwaltungsgericht die Interessenabwägung in unvertretbarer Weise vorgenommen hätte, zeigt die Revision nicht auf. Soweit die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts behauptet, entfernt sie sich zudem vom festgestellten Sachverhalt, wonach der Revisionswerber alleine in einer Mietwohnung lebe, weshalb schon aus diesem Grund keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird (vgl. VwGH 13.8.2018, Ra 2018/14/0032 und 0033, mwN).

14       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 28. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140428.L00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten