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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §17 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des S in Wien, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in Wien III, Landstraßer Hauptstraße 58/14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. August 1997, Zl. SD 284/97, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 14. August 1997 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Förderation, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei seit 1. Oktober 1990 im Bundesgebiet gemeldet und habe zunächst Sichtvermerke (analog seiner Gattin Dragana St.) erhalten. Anschließend daran sei ihm eine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden. Um Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen, habe er sich eine gefälschte jugoslawische Heiratsurkunde besorgen lassen, aus der hervorgegangen sei, daß er mit einer österreichischen Staatsbürgerin (Sonja P.) verheiratet sei; weiters habe er sich eine beglaubigte Übersetzung dieses Dokumentes, den Staatsbürgerschaftsnachweis und den Meldezettel der Sonja P. in Kopie beschaffen lassen. Mit der gefälschten Heiratsurkunde sei es dem Beschwerdeführer gelungen, eine Anstellung zu finden. Am 30. August 1995 habe er einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt. Aus der seinem Antrag beigegebenen Heiratsurkunde sei ersichtlich, daß er am 10. April 1995 Sonja P. geehelicht habe. Diese habe anläßlich ihrer Einvernahme am 9. Oktober 1995 angegeben, den Beschwerdeführer nie gesehen und ihre Dokumente einem Dritten übergeben zu haben, der sie ohne ihr Wissen mißbraucht hätte. Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des Bundesministers für Inneres sei der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen worden.
Da der Beschwerdeführer seinem Aufenthaltsbewilligungsantrag die gefälschte Heiratsurkunde beigelegt habe, könne kein Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG bestehen, habe doch der Beschwerdeführer gegenüber einer österreichischen Behörde bzw. ihren Organen unrichtige Angaben über seine persönlichen Verhältnisse gemacht, um sich die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 und Abs. 3 FrG zu verschaffen. Entgegen seiner Behauptung sei der Beschwerdeführer mit Urteil vom 13. März 1997 wegen Urkundenfälschung (§ 223 Abs. 2 StGB) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat rechtskräftig verurteilt worden.
Das aufgezeigte Fehlverhalten des Beschwerdeführers und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung rechtfertigten (auch) die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme. Diese werde noch dadurch verstärkt, daß sich der Beschwerdeführer seit Ablauf seiner Aufenthaltsbewilligung illegal im Bundesgebiet aufhalte und deshalb von der Erstbehörde bestraft worden sei.
Aufgrund des langjährigen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und im Hinblick auf seine familiären Bindungen (Gattin und Eltern) sei ein Eingriff in sein Privat- und Familienleben anzunehmen gewesen. Dessen ungeachtet sei aber die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (hier: zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zur Aufrechterhaltung der Ordnung) dringen geboten und daher zulässig (§ 19 FrG). Wer, wie der Beschwerdeführer, grob rechtsmißbräuchlich zu dem Zweck vorgehe, sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens) notwendig erscheinen ließen.
Im Rahmen der nach § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei auf den etwa siebenjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich Bedacht zu nehmen gewesen. Es sei aber gleichzeitig zu berücksichtigen gewesen, daß seine Beschäftigung und zum Teil sein Aufenthalt hinsichtlich deren jeweiliger Berechtigung letztlich auf der Vorlage einer gefälschten Heiratsurkunde basierten. Da es dem Beschwerdeführer nur durch sein rechtsmißbräuchliches Verhalten möglich gewesen sei, sich auf dem österreichischen Arbeitsmarkt zu integrieren, falle die aus seinem Aufenthalt ableitbare Integration nicht entscheidend zu seinen Gunsten ins Gewicht. Die Bindung zu seinen Eltern erfahre insofern eine Relativierung, als der Beschwerdeführer erwachsen sei. Einer allfälligen Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Gattin könne der Beschwerdeführer auch aus dem Ausland nachkommen. Diesen - solcherart geminderten - privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers sei das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenüberzustellen gewesen. Daher sei die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes weitaus schwerer wögen als die damit verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe durch sein als erwiesen angenommenes Fehlverhalten den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG verwirklicht, unbekämpft. Der Gerichtshof hegt gegen diese Beurteilung keine Bedenken.
2.1. Die Beschwerde hält indes die Annahme nach § 18 Abs. 1 FrG für nicht gerechtfertigt. Das den Beschwerdeführer zur Last liegende Delikt sei im Hinblick auf die verhängte Strafe von einem Monat, bedingt auf drei Jahre, nicht so gewichtig. § 18 Abs. 2 FrG würde sinnlos und überflüssig, wenn sämtliche Delikte unter § 18 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. subsumiert würden. Ohne das Delikt bagatellisieren zu wollen, müsse doch im Auge behalten werden, daß das Motiv zu arbeiten, ausschließe, daß die "öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet" würde.
2.2. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) der Einhaltung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. Oktober 1996, Zl. 96/18/0435, mwN). Diese Regelungen hat der Beschwerdeführer durch sein (strafrechtlich geahndetes) Fehlverhalten grob mißachtet. Dazu kommt, daß er sich (ungeachtet deswegen erfolgter Bestrafung) bereits geraume Zeit unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Von daher ist die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme jedenfalls gerechtfertigt.
3.1. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, daß er gegen den seinen (rechtzeitig erhobenen) Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung abweisenden Bescheid des Bundesministers für Inneres (vom 8. Februar 1996) Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde erhoben und der Gerichtshof dieser Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter Bedachtnahme auf § 17 Abs. 4 FrG zuerkannt habe (Beschluß vom 23. April 1996, AW 96/19/0371). Es stelle eine Mangelhaftigkeit des der vorliegenden Beschwerde zugrunde liegenden Verfahrens dar, daß der erwähnte Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes "durch ein Verfahren unterlaufen wird, das auf Verhängung eines Aufenthaltsverbotes und letztlich die Ausweisung hinausläuft". Die Behörde hätte das Verfahren zumindest bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes aussetzen müssen. § 17 Abs. 4 FrG sei "ebenfalls in diesem Sinne zu interpretieren".
3.2. Mit diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, daß § 17 Abs. 4 FrG, auf welche Bestimmung der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung - so die Beschwerde - ausdrücklich Bezug genommen hat, auf die Maßnahme der Ausweisung beschränkt, also im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht anwendbar ist. Die in der Beschwerde zum Ausdruck kommende Gleichhaltung von Aufenthaltsverbot und Ausweisung setzt sich darüber hinweg, daß das Fremdengesetz zwischen diesen beiden Maßnahmen sowohl von den Voraussetzungen her als auch hinsichtlich der Rechtsfolgen klar unterscheidet. Dafür, daß die Fremdenbehörde das von ihr geführte Aufenthaltsverbotsverfahren erst nach rechtskräftiger Erledigung des einen Verlängerungsantrag nach dem Aufenthaltsgesetz betreffenden Verwaltungsverfahrens bzw. im Fall der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an eine gegen den den Verlängerungsantrag abweisenden Bescheid erhobene Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde erst nach Beendigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens abschließen dürfe, findet sich keine gesetzliche Grundlage; insbesondere verbietet sich infolge des eindeutigen, insoweit entgegenstehenden Wortlautes eine Interpretation des § 17 Abs. 4 FrG "in diesem Sinne".
4.1. Unter Hinweis auf die starke familiäre Bindung des Beschwerdeführers in Österreich aufgrund seines relativ langen Aufenthaltes und des Umstandes, daß seine Gattin und seine Eltern hier leben, hält die Beschwerde das Aufenthaltsverbot auch aus dem Blickwinkel des § 19 und des § 20 Abs. 1 FrG für rechtswidrig.
4.2. Auch in dieser Hinsicht ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Wenn die belangte Behörde die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 MRK für dringend geboten erachtet hat, so kann diese Beurteilung auch unter Bedachtnahme auf den mit dieser Maßnahme verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angesichts der durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers - bewußte Irreführung österreichischer Behörden über persönliche Verhältnisse zwecks Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung und bereits etwa eindreivierteljähriger unrechtmäßiger Aufenthalt - herbeigeführten erheblichen Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen nicht als rechtsirrig erkannt werden.
Was schließlich die Abwägung nach § 20 Abs. 1 FrG anlangt, so pflichtet der Gerichtshof dem von der belangten Behörde vertretenen Ergebnis, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie aus den im angefochtenen Bescheid dargelegten Gründen - in denen alle in der Beschwerde geltend gemachten privaten und familiären Gesichtspunkte berücksichtigt wurden - bei.
5. Da schon der Beschwerdeinhalt erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997180511.X00Im RIS seit
20.11.2000