TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/23 96/18/0414

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Veröffentlicht am 23.10.1997
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §38;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs4;
FrG 1993 §19;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des M in Wien, vertreten durch Dr. Anton Gruber und Dr. Alexander Gruber, Rechtsanwälte in Wien I, Wipplingerstraße 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 11. Juli 1996, Zl. SD 349/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 11. Juli 1996 wurde der Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei mit einem von der österreichischen Botschaft in Bukarest am 25. Februar 1992 ausgestellten und bis 30. Juni 1992 gültigen Sichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist. In der Folge seien ihm aufgrund von Verpflichtungserklärungen Sichtvermerke und anschließend eine bis 6. Juni 1994 gültig gewesene Aufenthaltsbewilligung erteilt worden. Ein rechtzeitig gestellter Verlängerungsantrag sei im Instanzenzug vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 1. Juni 1995 abgewiesen worden. Einer dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof habe dieser mit Beschluß vom 3. August 1995 (Zl. AW 95/19/0237) die aufschiebende Wirkung versagt. Die Einbringung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde gegen den eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung versagenden Bescheid vom 1. Juni 1995 vermöge an dessen Rechtskraft nichts zu ändern, sodaß jedenfalls gemäß § 6 Abs. 3 AufG (idF BGBl. Nr. 351/1995) der Beschwerdeführer nicht länger als bis zum Zeitpunkt der Erlassung des im Verfahren nach dem Aufenthaltsgesetz ergangenen erstinstanzlichen Bescheides vom 25. Juli 1994 zum Aufenthalt berechtigt gewesen sei. Die Auffassung des Beschwerdeführers, eine Ausweisung wäre vor Beendigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unzulässig, sei verfehlt, zumal der Gerichtshof die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt habe.

Bezug nehmend auf § 19 FrG vertrat die belangte Behörde die Ansicht, daß der erlaubte Aufenthalt des Beschwerdeführers - der in Österreich keine Angehörigen habe - vom Jahr 1992 bis zur Erlassung des erwähnten Bescheides vom 25. Juli 1994 auch keinen Eingriff in dessen Privatleben durch die Ausweisung begründe. Abgesehen davon sei ein Eingriff im Grunde des § 19 leg. cit. zulässig, weil im Hinblick auf die Ziele des Art. 8 Abs. 2 MRK dringend geboten. Letzteres vor allem auch deswegen, weil der Beschwerdeführer trotz der wegen seines illegalen Aufenthaltes erfolgten Bestrafung nach dem Fremdengesetz nicht bereit sei, freiwillig aus Österreich auszureisen und er sich bereits mehr als zwei Jahre unrechtmäßig hier aufhalte.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Was zunächst die Beschwerdebehauptung anlangt, die "Ausfertigung des erstinstanzlichen Bescheides" entspreche aus

-

im einzelnen angeführten Gründen - nicht der Vorschrift des § 18 Abs. 4 erster Satz AVG, so hat es der Beschwerdeführer

-

ungeachtet eines diesbezüglichen Hinweises in der Gegenschrift der belangten Behörde - unterlassen, die besagte (ihm, z.H. seiner Rechtsvertreter, zugegangene) Bescheidausfertigung vorzulegen. Es handelt sich demnach um eine bloße (nicht entsprechend belegte) Behauptung, die zu überprüfen der Gerichtshof nicht in der Lage ist. Von daher gesehen besteht für ihn keine Veranlassung, nicht vom Vorliegen eines rechtswirksam erlassenen erstinstanzlichen Bescheides (der Bundespolizeidirektion Wien vom 20. Jänner 1996) auszugehen, weshalb auch dem Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde hätte mangels Vorliegens eines Bescheides die Berufung infolge insoweit gegebener Unzuständigkeit nicht in sachliche Behandlung nehmen dürfen, der Boden entzogen ist.

1.2. Die Verfahrensrüge, dem Beschwerdeführer sei "zu keiner Zeit" Gelegenheit gegeben worden, "vom Akteninhalt Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung zu nehmen", ist insofern aktenwidrig, als der Beschwerdeführer von der Erstbehörde mit Schreiben vom 6. September 1995 vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt wurde und er hiezu mit Schriftsatz vom 26. September 1995 Stellung nahm. Gewährung von Parteiengehör durch die belangte Behörde erübrigte sich im Hinblick darauf, daß diese keine (ergänzenden) Ermittlungen durchführte, deren Ergebnis dem Beschwerdeführer hätte vorgehalten werden können.

2.1. Unter dem Titel inhaltlicher Rechtswidrigkeit vertritt die Beschwerde die Auffassung, daß die Frage, ob sich der Beschwerdeführer rechtmäßig im Inland aufhalte, eine Vorfrage i. S. des § 38 AVG sei, zu deren Klärung ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (in Angelegenheit Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung) anhängig sei. Da die belangte Behörde diese von einem unabhängigen Gericht zu entscheidende Frage selbst beurteilt habe, habe sie ihre Kompetenz überschritten. Abgesehen davon sei § 17 Abs. 1 FrG aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich, weil er die Ausweisung ohne Rücksicht darauf anordne, ob das Verfahren über die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung in allen Instanzen erledigt sei.

2.2. Dazu, daß der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren betreffend die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung nicht über eine Vorfrage i.S. einer notwendigen (unabdingbaren) Grundlage für die Entscheidung im Ausweisungsverfahren abspricht, genügt im Grunde des § 43 Abs. 2 VwGG der Hinweis auf die diesbezügliche hg. Rechtsprechung (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 19. September 1996, Zl. 96/18/0416, und vom 2. Oktober 1997, Zl. 95/18/1297).

Mit seinen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 17 Abs. 1 FrG übersieht der Beschwerdeführer die Vorschrift des § 17 Abs. 4 leg. cit. idF BGBl. Nr. 110/1994, derzufolge dann, wenn der Fremdenbehörde im Ausweisungsverfahren auf ihr Befragen bekannt wird, daß der Fremde - was nach den Feststellungen der belangten Behörde für den vorliegenden Fall zutrifft - rechtzeitig einen Verlängerungsantrag nach dem Aufenthaltsgesetz gestellt hat, über den noch nicht (rechtskräftig) entschieden wurde, über die Ausweisung erst nach Erledigung dieses Antrages zu entscheiden ist.

3.1. Eine weitere inhaltliche Rechtswidrigkeit erblickt die Beschwerde darin, daß die belangte Behörde gegen § 19 FrG verstoßen habe. Sie habe ausgeführt, daß einziger Zweck der Ausweisung wäre, den Beschwerdeführer zu verhalten, den illegalen Zustand durch seine Ausreise zu beenden. Die Veranlassung von Fremden zur Ausreise sei jedoch kein im Art. 8 Abs. 2 MRK erwähntes Ziel. Die Beeinträchtigung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit werde nicht einmal von der belangten Behörde behauptet. Außerdem würde durch die Ausweisung der Studienerfolg des Beschwerdeführers bedroht und somit gravierend in sein Privatleben eingegriffen.

3.2. Auch dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Entgegen der Beschwerdemeinung nahm die belangte Behörde das Dringend-geboten-sein der Ausweisung im Hinblick auf das im Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebene Ziel des Schutzes der öffentlichen Ordnung (konkret: eines geordneten Fremdenwesens) an. Diese Ansicht steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach der Einhaltung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. September 1997, Zl. 97/18/0373, mwN). Angesichts dessen, daß der Beschwerdeführer durch sein Fehlverhalten - bereits mehr als zweijähriger unrechtmäßiger Aufenthalt in Österreich, Fortsetzung des unerlaubten Aufenthaltes trotz einer deswegen erfolgten Bestrafung - das besagte maßgebliche öffentliche Interesse in gravierender Weise beeinträchtigte, kann die von der belangten Behörde vorgenommene Abwägung mit dem Ergebnis, daß die Ausweisung des Beschwerdeführers im öffentlichen Interesse notwendig sei, nicht als rechtsirrig angesehen werden. Dies auch unter gebotener Bedachtnahme auf das private Interesse des Beschwerdeführers - das Vorliegen familiärer Interessen wurde von ihm nie geltend gemacht - an einem Verbleib im Bundesgebiet, ist doch zu bedenken, daß das insoweit von ihm ins Treffen geführte Interesse an der Beendigung seines Doktoratsstudiums im Rahmen der hier in Rede stehenden Abwägung dadurch deutlich an Gewicht verliert, daß er - infolge Fehlens einer Aufenthaltsbewilligung, überdies auch im Hinblick auf die Bestrafung wegen seines nicht rechtmäßigen Aufenthaltes - seit geraumer Zeit rechtens nicht mehr mit einem weiteren Aufenthalt in Österreich rechnen konnte.

4. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als zur Gänze unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996180414.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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