TE OGH 2020/9/1 10Ob31/20m

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Veröffentlicht am 01.09.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. J***** und 2. H*****, beide vertreten durch Hübel & Payer, Rechtsanwälte in Salzburg gegen die beklagten Parteien 1. DI Dr. J*****, 2. C*****, 3. Mag. C*****, und 4. Dr. S*****, alle vertreten durch Dr. Elizabeth Pira-Stemberger, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen Feststellung und Unterlassung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 1. April 2020, GZ 22 R 363/19i-41, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Neumarkt bei Salzburg vom 14. Oktober 2019, GZ 10 C 617/18t-36, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit 751,32 EUR (darin enthalten 125,22 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]       Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer eines Grundstücks, das an einen See angrenzt. Zu Gunsten des Grundstücks der Erst- und Zweitbeklagten sowie der Grundstücke der Drittbeklagten und des Viertbeklagten ist jeweils eine Servitut des Gehrechts und der Nutzung zum Baden im Grundbuch eingetragen. Diese Servitut besteht auch zu Gunsten weiterer Grundstücke. Strittig ist, in welchem Umfang das dienende Grundstück zum Baden benutzt werden darf: Einmal täglich kurz von den Eigentümern der herrschenden Grundstücke (so die Kläger) oder mehrmals täglich von den Eigentümern und deren Familienmitgliedern auch zum zweistündigen Verweilen vor und nach dem Baden (so das Berufungsgericht).

[2]       Das Berufungsgericht bewertete die einzelnen Feststellungs- und Unterlassungsbegehren mit jeweils 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision zur Klärung der Frage zu, was unter dem Begriff „zum Baden“ im Servitutsbestellungsvertrag zu verstehen sei.

Rechtliche Beurteilung

[3]       Die – beantwortete – Revision der Kläger ist entgegen diesem nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[4]       1. Wird im Servitutsbestellungsvertrag Ausmaß und Umfang des eingeräumten Rechts nicht näher festgelegt, so liegt eine ungemessene Servitut vor (RS0011752 [T2]). Deren Umfang richtet sich, ebenso wie die Art der Ausübung nach dem Inhalt des Titels, bei dessen

Auslegung insbesondere der Zweck der Dienstbarkeit zu beachten ist (RS0011720). Maßgebend ist dabei das jeweilige Bedürfnis des herrschenden Guts unter Berücksichtigung der ursprünglichen Bewirtschaftungsart sowie der vorhersehbaren Art der Ausübung (RS0016368; RS0097856).

[5]       2. Die Art der Ausübung findet ihre Grenzen in einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Eigentümers des dienenden Guts (RS0097856 [T2]). Dem Berechtigten soll der angestrebte Vorteil ermöglicht, dem Belasteten aber so wenig wie möglich geschadet werden. Eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit liegt nur vor, wenn das dienende Gut dadurch erheblich schwerer belastet wird (RS0097856 [T12]).

[6]       3. Die Auslegung eines Dienstbarkeits-bestellungsvertrags ist stets eine Frage des Einzelfalls (RS0011720 [T7]) ebenso wie die nach § 484 ABGB vorzunehmende Interessenabwägung (RS0011720 [T17]).

[7]       4. Das Berufungsgericht nahm eine ungemessene Servitut an, weil Art und Ausmaß der Dienstbarkeit „zum Baden“ im Titel nicht eindeutig begrenzt wurden. Seine Beurteilung, die Servitut berechtige nicht nur zum Schwimmen (gemeint im Sinne einer Fortbewegung in einem Gewässer), sondern beinhalte jeweils eine zweistündige Verweildauer „am Stück“ vor und nach dem Baden auch zu Gunsten von Familienmitgliedern (Kinder und Enkel) der Eigentümer der herrschenden Grundstücke ist nicht zu korrigieren.

[8]       5. Im Servitutsbestellungsvertrag wurde neben dem räumlich beschriebenen Gehrecht das Recht eingeräumt, den nordwestlichen Uferstreifen einer Wiese zum Baden zu benützen. Die von den Klägern gewünschte Beschränkung des Nutzungsrechts auf das einmal tägliche Betreten, Auskleiden, Schwimmen, Ankleiden und anschließende Verlassen des Grundstücks nur durch den/die Eigentümer des herrschenden Grundstücks wird dem Erholungs- und Freizeitzweck eines derartigen Baderechts nicht gerecht. Der Kreis der Berechtigten kann im Rahmen der bei Abschluss der Servitutsvereinbarung vorstellbaren Benützung auch größer werden. Die Steigerung der Zahl der Benützenden bedeutet im Allgemeinen für sich alleine noch keine unzulässige Erweiterung der Servitut (RS0011748 [T3]). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat sich die Nutzung (Personenkreis, Verweildauer) im Vergleich zu früheren Zeiten sogar reduziert.

[9]       6. Gegenstand des Klagsvorbringens und des erstinstanzlichen Verfahrens waren ausschließlich die Verweildauer und der Kreis der Nutzungsberechtigten. Eine Nutzung außerhalb des im Servitutsbestellungsvertrags genannten nordwestlichen Uferstreifens haben die Kläger nicht als unzulässige Erweiterung der Servitut und Eingriff in ihr Eigentumsrecht geltend gemacht. Die Rechtsmittelausführungen der Kläger in diesem Zusammenhang sind als unzulässige Neuerungen unbeachtlich.

[10]     7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO. Die Beklagten haben in ihrer Revisionsbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.

Textnummer

E129398

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0100OB00031.20M.0901.000

Im RIS seit

21.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.12.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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