TE OGH 2020/9/2 3Ob71/20t

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Veröffentlicht am 02.09.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Adoptionssache der Antragsteller 1. U***** als Wahlelternteil und 2. M***** als Wahlkind, *****, beide vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Adoption eines Erwachsenen, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 27. April 2020, GZ 16 R 100/20z-42, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1]            Der Zweitantragsteller, nach eigenen Angaben ugandischer Staatsangehöriger und 1996 geboren, beantragte gemeinsam mit der Erstantragstellerin die Bewilligung seiner Annahme an Kindesstatt durch diese. Die Vorinstanzen wiesen den Antrag ab.

Rechtliche Beurteilung

[2]            Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller zeigt keine Rechtsfrage von der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität auf und ist deshalb zurückzuweisen. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 71 Abs 3 AußStrG):

[3]            1.1 Gemäß § 26 Abs 1 erster Satz IPRG sind die Voraussetzungen der Annahme an Kindesstatt und der Beendigung der Wahlkindschaft nach dem Personalstatut jedes Annehmenden und dem Personalstatut des Kindes zu beurteilen. Die Personalstatute aller an der Adoption beteiligten Personen gelangen kumulativ zur Anwendung (RIS-Justiz RS0119783 [T5]). Daher ist eine Erwachsenenadoption in Österreich dann nicht zulässig, wenn das anzuwendende fremde Recht eine solche nicht oder nur unter restriktiveren (als den tatsächlich gegebenen) Bedingungen vorsieht (RS0119783).

[4]            1.2 Die Antragsteller argumentieren, dass für den Zweitantragsteller das Recht seines Heimatstaats nicht anwendbar sei, weil er Asylwerber sei und seit Jahren (2015) in Österreich lebe.

[5]            Gemäß § 9 Abs 3 IPRG ist zwar für eine Person, die Flüchtling im Sinn der für Österreich geltenden internationalen Übereinkommen ist oder deren Beziehungen zu ihrem Heimatstaat aus vergleichbar schwerwiegenden Gründen abgebrochen sind, eine Verweisung auf das Recht ihres Heimatstaats (§ 5 IPRG) unbeachtlich. Die Flüchtlingseigenschaft ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vom Gericht jeweils selbständig zu prüfen. Der Feststellung der Flüchtlingseigenschaft im Verwaltungsverfahren kommt zwar stärkste Indizwirkung zu, nimmt dem Gericht aber nicht die Möglichkeit selbständiger Vorfragenprüfung und das Gericht kann auch die Vorfrage „des Abbruchs der Beziehungen zum Heimatstaat aus vergleichbar schwerwiegenden Gründen“ (§ 9 Abs 3 IPRG) selbständig beurteilen (RS0110397 [insb T3]).

[6]            Der Zweitantragsteller hat aber kein konkretes Tatsachenvorbringen zu einem „Abbruch der Beziehungen“ im Sinn des § 9 Abs 3 IPRG in erster Instanz erstattet: Dass seine Flüchtlingseigenschaft im Verwaltungsverfahren festgestellt worden wäre, hat er nicht behauptet (vielmehr ist dem Ersuchen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 10. Oktober 2018, ON 9, zu entnehmen, dass das Asylverfahren des Zweitantragsstellers am 29. Juni 2018 in zweiter Instanz rechtskräftig negativ entschieden wurde); allein aus der Tatsache, dass er in Österreich Asyl beantragt hat, lassen sich die konkreten Gründe für einen Abbruch der Beziehungen zu seinem Heimatstaat „aus schwerwiegenden Gründen“ nicht ableiten.

[7]            1.3 Dem Vorwurf, die Vorinstanzen hätten die Prüfung der Frage unterlassen, ob das ugandische Recht nicht eine Rückverweisungsnorm enthalte, ist das Ergebnis der Erhebung des Bezug habenden Rechts Ugandas entgegenzuhalten: Demnach existiert kein nationales Gesetz, das die Adoption regelt, womit auch die Normierung einer Rückverweisung auszuschließen ist.

[8]       2. Ein Verstoß gegen den ordre public setzt voraus, dass das Ergebnis der Anwendung des fremden Rechts zu einer unerträglichen Verletzung tragender Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung führt und in diesem Sinn als anstößig zu qualifizieren ist (RS0110743).

[9]       In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist – entgegen der Rechtsansicht des Revisionsrekurses – geklärt, dass die Unmöglichkeit der Adoption eines ausländischen Erwachsenen nicht gegen den inländischen ordre public verstößt (9 Ob 70/10z iFamZ 2011/51 [zust Fucik]; 8 Ob 53/15z; RS0110743 [T14]; idS auch Rudolf in Deixler-Hübner Handbuch Familienrecht2 382; Nademleinsky/Neumayr Internationales Familienrecht² Rz 07.18). Die Ausführungen der Antragsteller bieten keinen Anlass, davon abzugehen.

[10]           3. Auch die EMRK räumt kein Recht auf Adoption ein (3 Ob 21/09y mwN; 8 Ob 53/15z).

[11]           4. Ausgehend von dieser Rechtslage hat das Rekursgericht daher zutreffend dem im Rekurs geltend gemachten Mangel die Entscheidungsrelevanz abgesprochen.

Textnummer

E129408

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00071.20T.0902.000

Im RIS seit

21.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.07.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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