Entscheidungsdatum
06.08.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
W117 2229752-3/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Druckenthaner als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl: 1158533903/200276327, über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, in Schubhaft zu Recht:
A)
Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
B)
Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Verfahrensgang:
Mit Bescheid vom 11.03.2020 ordnete das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über die Beschwerdeführerin die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an.
Gegen diesen Bescheid und die daraus erfolgte Anhaltung erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.03.2020, W115 2229752-1/12E, wurde die Beschwerde gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 FPG wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen (Spruchpunkt II.).
Die Entscheidung wurde wie folgt begründet:
„3.2.3. Die Beschwerdeführerin besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, sie ist daher Fremde im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Sie ist volljährig und in Österreich weder Asylberechtigte noch subsidiär Schutzberechtigte, weshalb die Anordnung der Schubhaft über die Beschwerdeführerin grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.
3.2.4. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Mit der Abschiebung der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft war insofern zu rechnen, als hinsichtlich der Beschwerdeführerin ein gültiger algerischer Reisepass vorliegt. Da auch eine rechtskräftige durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht, lagen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Abschiebung der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vor. Da somit die rechtlichen Voraussetzungen für die Abschiebung der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft vorlagen, kam die Verhängung der Schubhaft grundsätzlich in Betracht.
3.2.5. Das Bundesamt führt im angefochtenen Bescheid begründend im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass Fluchtgefahr gegeben sei, da gegen die Beschwerdeführerin eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliege. Sie sei im Besitz eines gültigen Reisedokumentes und wolle Österreich aus eigenem Interesse nicht verlassen. In ihrem bisherigen Verfahren habe sich die Beschwerdeführerin unkooperativ verhalten und habe die Frist zur freiwilligen Ausreise verstreichen lassen. Zudem sei sie illegal nach Deutschland und in die Schweiz weitergereist und habe dort ebenfalls einen Asylantrag gestellt. Weiters verfüge die Beschwerdeführerin nicht über ausreichende Barmittel um ihren Unterhalt zu finanzieren und gehe keiner legalen Beschäftigung nach. Darüber hinaus habe sie in Österreich keinen ordentlichen Wohnsitz und sei für die Behörde nicht greifbar. Auch habe sie keine familiären und sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich. Aufgrund des bisher gezeigten Verhaltens habe sich die Beschwerdeführerin als nicht vertrauenswürdig erwiesen und es sei davon auszugehen, dass bezüglich der Beschwerdeführerin ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben sei. So sei die Beschwerdeführerin auch seit 22.05.2019 in Österreich nicht mehr aufrecht gemeldet gewesen. Mit der Anordnung eines gelinderen Mittels habe somit nicht das Auslangen gefunden werden können. Es liege somit eine Fluchtgefahr vor und habe daher zur Sicherung der Abschiebung als „ultima ratio“-Maßnahme die Schubhaft verhängt werden müssen.
Das Bundesamt geht somit aufgrund der Erfüllung der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1, 3 und 9 FPG vom Vorliegen einer Fluchtgefahr aus.
Im vorliegenden Fall geht das Gericht ebenfalls von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.
Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, ist die Beschwerdeführerin ihrer Meldeverpflichtung in Österreich nur teilweise nachgekommen und hat sich durch dieses Verhalten dem Verfahren vor dem Bundesamt entzogen. Zudem hat die Beschwerdeführerin in ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt am 11.03.2020 dezidiert angegeben, dass sie nicht freiwillig nach Algerien zurückkehren werde. Damit hat sie den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG unzweifelhaft erfüllt.
Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise „Fluchtgefahr“ zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der aufgrund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Da gegen die Beschwerdeführerin eine rechtskräftige durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt und sie zudem den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG erfüllt hat, ist auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt.
Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Wie bereits oben näher dargelegt, besteht in Österreich kein aufrechtes, gefestigtes Familienleben der Beschwerdeführerin; ein nennenswertes soziales Netz liegt ebenfalls nicht vor. Die Beschwerdeführerin geht zudem in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt nicht über ausreichende finanzielle Mittel. Es liegen daher in einer Gesamtbetrachtung keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beschwerdeführerin aufgrund einer familiären, sozialen und beruflichen Verankerung in Österreich einen so verfestigten Aufenthalt hat, um sich ihrer Abschiebung nicht zu entziehen.
Dem Vorliegen der Kriterien der Ziffern 1, 3 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG wurde auch in der Beschwerde nicht entgegengetreten.
Das Bundesamt ist daher zu Recht vom Vorliegen einer Fluchtgefahr ausgegangen.
Aus dem Stande der Schubhaft stellte die Beschwerdeführerin am 11.03.2020 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz (Asylfolgeantrag). Es wurde der Beschwerdeführerin am selben Tag ein Aktenvermerk über die beabsichtigte Aufrechterhaltung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG persönlich ausgefolgt, da die Antragstellung auf die Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme abzielt.
Bei der Prüfung der Frage der Zulässigkeit der Aufrechterhaltung einer Anhaltung in Schubhaft nach Stellung eines weiteren Antrages auf internationalen Schutzes (Asylfolgeantrag) gemäß § 76 Abs. 6 FPG ist eine Vorwegnahme eines inhaltlichen Asylverfahrens nicht Aufgabe des Schubhaftverfahrens. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes hat jedoch im Schubhaftverfahren eine nicht näher definierte Grobprüfung des Antrages dennoch vorgenommen zu werden, als sich daraus Schlüsse auf die Motivation für die Antragstellung ableiten lassen (VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0198).
Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung unter Punkt II.2. ausgeführt, begründete die Beschwerdeführerin ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz mit ihrer Konversion zum Christentum. Dieses Vorbringen wurde im Rahmen des rechtskräftigen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.02.2019 als nicht asylrelevant beurteilt. Davon ausgehend war der nunmehrige zweite Antrag auf internationalen Schutz (abermals im Wesentlichen auf Probleme im Zusammenhang mit der vorgebrachten Konversion zum Christentum gestützt) im Lichte der rechtskräftigen Vorentscheidung einer Grobprüfung zu unterziehen.
Dabei ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht, dass die von Seiten des Bundesamtes gewählte grundsätzliche Ansicht, der nunmehr zweite Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin sei in Absicht auf die Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendeten Maßnahme im Sinne des § 76 Abs. 6 FPG gestellt worden, im Rahmen der vorgenommenen Grobprüfung nicht zu beanstanden ist.
3.2.6. Auch was den Sicherungsbedarf betrifft, ist dem Bundesamt zuzustimmen, dass ein solcher gegeben ist.
Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten der Beschwerdeführerin vor Anordnung der Schubhaft sowie ihre familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen, welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten der Beschwerdeführerin in Österreich, als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall der Beschwerdeführerin ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben war.
Die Beschwerdeführerin verfügt in Österreich nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung, keinen gesicherten Wohnsitz und ist beruflich nicht verankert. Auch familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet liegen nicht vor. Weiters ist die Beschwerdeführerin in Österreich ihrer Meldeverpflichtung nur teilweise nachgekommen. Insbesondere hat sie seit dem 22.05.2019 bis zu ihrer Festnahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.03.2020 über keine Meldeadresse in Österreich verfügt. Vielmehr tauchte die Beschwerdeführerin für einige Monate unter, verließ nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung Österreich unrechtmäßig und stellte in weiterer Folge in der Schweiz bzw. in Deutschland jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz. Auch nach ihrer Wiedereinreise nach Österreich ist die Beschwerdeführerin ihrer Meldeverpflichtung nicht nachgekommen und hat sich vor den Behörden verborgen gehalten.
Es ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin trotz zwischenzeitlicher Stellung eines weiteren Antrages auf internationalen Schutz (Asylfolgeantrag) nach ihrer Freilassung aus der Schubhaft untertauchen wird, um sich ihrer Abschiebung nach Algerien zu entziehen.
Das Bundesamt ist daher im Ergebnis zu Recht vom Bestehen eines Sicherungsbedarfes ausgegangen.
3.2.7. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.
Die Beschwerdeführerin verfügt in Österreich über keine Angehörigen und ist weder sozial noch beruflich verankert. Über eigene Mittel zur Existenzsicherung verfügt sie ebensowenig wie über einen gesicherten Wohnsitz.
Insgesamt kommt den persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung ihrer Aufenthaltsbeendigung. Die Beschwerdeführerin hat bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass sie die sie treffenden Verpflichtungen nicht einhält. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt und auch der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin der Anhaltung in Schubhaft nicht entgegensteht.
Das Bundesamt ist insofern seiner Verpflichtung die Schubhaft so kurz als möglich aufrecht zu erhalten nachgekommen, als zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides am 11.03.2020 aufgrund des Vorliegens eines gültigen algerischen Reisepasses davon ausgegangen werden konnte, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Algerien zeitnah durchgeführt werden kann. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides waren die gegenwärtigen vorherrschenden Mobilitätsbeschränkungen im Zusammenhang mit COVID-19 keinesfalls absehbar, weshalb vom Bundesamt auf diese Problematik im angefochtenen Bescheid auch nicht eingegangen werden konnte. Wie bereits in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2. dargelegt, ist aber davon auszugehen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 aufgrund der damit verbundenen massiven Belastungen für Privatpersonen und Wirtschaft realistischer Weise in absehbarer Zeit - jedenfalls innerhalb der Schubhafthöchstdauer - wieder substantiell gelockert werden und eine Abschiebung der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat spätestens dann erfolgen kann. Selbst wenn es aufgrund des aus dem Stande der Schubhaft gestellten Antrages auf internationalen Schutz zu einer gewissen Verzögerung der Abschiebung kommen sollte, kann diese angesichts des vorhandenen gültigen Reisepasses der Beschwerdeführerin sehr schnell erneut angesetzt werden. Für die Annahme einer (zukünftigen) unverhältnismäßig langen Anhaltung gibt es daher gegenwärtig keinen Anhaltspunkt. Aus heutiger Sicht ist weiter davon auszugehen, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin innerhalb der gesetzlich zulässigen Anhaltedauer erfolgen kann.
Die angeordnete Schubhaft erfüllt daher auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit.
3.2.8. Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam.
Eine Sicherheitsleistung kann aufgrund der fehlenden finanziellen Mittel der Beschwerdeführerin nicht zur Anwendung kommen. Aber auch die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann aufgrund des von der Beschwerdeführerin in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens - nur teilweises Nachkommen ihrer Meldeverpflichtung in Österreich sowie Entziehung des Zugriffes der Behörden durch Aufenthalt im Verborgenen - nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens der Beschwerdeführerin besteht. Dies umso mehr, als bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Entscheidung vorliegt und sich die Beschwerdeführerin aufgrund des von ihr in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens als nicht vertrauenswürdig erweist. Die Beschwerdeführerin ist zudem weder beruflich noch familiär in Österreich verankert und verfügt nicht über einen gesicherten Wohnsitz.
Auch aufgrund der Äußerung der Beschwerdeführerin in der Einvernahme vor dem Bundesamt am 11.03.2020, wonach sie nicht bereit sei, freiwillig nach Algerien zurückzukehren, kann ein gelinderes Mittel nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen. Es ist dem Bundesamt daher zuzustimmen, dass es somit in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erwarten gewesen ist, dass die Beschwerdeführerin bei Entlassung aus der Schubhaft ihren fremdenrechtlichen Verpflichtungen nachkommen wird, sondern Handlungen setzen wird, um ihren Aufenthalt in Österreich fortzusetzen.
3.2.9. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin zu gewährleisten.
Die Beschwerde gegen den gegenständlichen Schubhaftbescheid sowie gegen die Anhaltung in Schubhaft seit 11.03.2020 war daher als unbegründet abzuweisen.“
Mit Bescheid des BFA vom 26.04.2020 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 11.03.2020 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Algerien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.05.2020, I414 205279-2/5E, wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Am 03.07.2020 erfolgte seitens des Bundesamtes die verfahrensgegenständliche Aktenvorlage gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG. Im Rahmen der Aktenvorlage erstattete das BFA eine Stellungnahme. Darin führte das BFA nach Darlegung des bisherigen Sachverhaltes im Wesentlichen aus, dass der Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 26.04.2020 negativ entschieden worden sei. Die Beschwerdeführerin habe dagegen Beschwerde erhoben, welche als unbegründet abgewiesen worden sei. Am 08.05.2020 sei mit der Beschwerdeführerin ein Rückkehrgespräch geführt worden, wobei diese angegeben habe, dass sie nicht rückkehrwillig sei. Am 29.06.2020 sei für die Beschwerdeführerin ein Flug nach Algerien gebucht worden. Durch die Abteilung für Einzelrückführungen sei mitgeteilt worden, dass vorerst keine Flüge nach Algerien stattfänden. Dies würde wahrscheinlich noch den gesamten Juli andauern, im August könne möglicherweise ein Flug nach Algerien gebucht werden. Es ergehe das Ersuchen um Verlängerung der Schubhaft um einen weiteren Monat.
Das Bundesverwaltungsgericht sprach mit Erkenntnis W154 2229752-2/2E vom 08.07.2020 die Verlängerung der Schubhaft aus und schloss sich der soeben zitierten Begründung der Verwaltungsbehörde an, stellte ergänzend fest, dass auf der Tatsachenebene keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend – vorliege.
Die Verwaltungsbehörde legte aktuell neuerlich den Schubhaftakt vor, begehrte die Verlängerung.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.03.2020, W115 2229752-1/12E getroffenen und im Verfahrensgang dargestellten Feststellungen, die schon im aktuellen Vorerkenntnis die Grundlage bildeten, werden zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben.
Ergänzend wird festgestellt:
Auch aktuell liegen keine für die Beschwerdeführerin sprechende Umstände vor. In Bezug auf die Covis-19-Krise ist auf die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes vorherrschende Ansicht des Vorliegens einer vorübergehenden Krise hinzuweisen. Die Beschwerdeführerin gehört offensichtlich keiner Risikogruppe an, welche die Rückführung nach Algerien rechtlich problematisch wenn nicht gar unmöglich erscheinen ließe.
2. Beweiswürdigung:
Hinsichtlich der vom angeführten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.03.2020, W115 2229752-1/12E (inklusive Vorerkenntnis) übernommenen Feststellungen ist auf die eindeutige Aktenlage im Zusammenhang mit den erwägenden Ausführungen der in eben diesem zitierten Erkenntnis zu verweisen.
Da der Sachverhalt als geklärt anzusehen war, war von der Durchführung einer Verhandlung Abstand zu nehmen.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt A. – Fortsetzung der Schubhaft
Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.
Hinsichtlich der Fluchtgefahrtatbestände des §76 Abs. 3 FPG hat sich in Hinblick auf die Vorerkenntnisse zur gegenständlich zu überprüfenden Schubhaft keine Änderung ergeben, sodass aufgrund unveränderter Lage auf die dortigen Ausführungen verwiesen und diese auch zur gegenständlichen rechtlichen Beurteilung erhoben werden.
Die Schubhaft ist also weiterhin jedenfalls wegen erheblicher Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten der Beschwerdeführerin – siehe Darstellung im Rahmen des Verfahrensganges und der Feststellungen – mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass die Beschwerdeführerin ihre Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt, hat sie doch explizit im Rahmen eines Rückkehrgespräches am 08.05.2020 angegeben, nicht rückkehrwillig zu sein (s. dazu bereits die Stellungnahme des BFA vom 03.07.2020) .
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.
Zur Dauer der Schubhaft:
Gemäß § 80 Abs. 4 FPG kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil
1.
die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck
der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.
eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht
vorliegt,
3.
der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13)
widersetzt, oder
4.
die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen
oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint.
Gegenständlich ist jedenfalls der Tatbestand der Z. 4 verwirklicht. Somit erweist sich die bisherige Anhaltung am soeben angeführten Maßstab als verhältnismäßig, da sie sich immer noch im unteren Rahmen des gesetzlich Erlaubten bewegt.
Die Beschwerdeführerin hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund, dass sich die Behörde zügig um die Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin bemüht hat, auch verhältnismäßig.
Das Verhalten der Beschwerdeführerin in der Vergangenheit schließt auch weiterhin die Anordnung gelinderer Mittel aus. Es besteht ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts. In diesem Sinne hat die Behörde sichergestellt, dass das Abschiebeverfahren (immer noch) zeitnah und zweckmäßig durchgeführt wird.
Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihren Zukunftsbezug keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen.
Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.
Zu Spruchpunkt B. - Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Da keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen sind, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen, war die Revision daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Ausreiseverpflichtung Ausreisewilligkeit Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Gesamtverhalten AntragstellerIn Meldeverpflichtung Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Verhalten VerhältnismäßigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W117.2229752.3.00Im RIS seit
20.10.2020Zuletzt aktualisiert am
20.10.2020