TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/6 I403 2142109-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.08.2020
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Entscheidungsdatum

06.08.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2142109-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , staatenlos, vertreten durch die „Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH“ und „Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH“ in 1170 Wien, Wattgasse 48/3. Stock, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.11.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.07.2020 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein staatenloser Palästinenser, reiste gemeinsam mit seinem Bruder XXXX unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 01.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am darauffolgenden Tag gab er im Wesentlichen an, aus Bagdad zu stammen und im Jahr 2006 vom Irak in den Jemen geflüchtet zu sein, da schiitische Milizen die Palästinenser aus dem Irak vertreiben hätten wollen und seinen Vater erschossen hätten, nachdem dieser dies abgelehnt habe. Aus dem Jemen sei er wiederum geflohen, da es „viele Probleme und Unruhen“ gegeben habe.

Am 19.09.2016 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) einvernommen. Hierbei gab er - befragt zu seinen Fluchtgründen – an, er sei gemeinsam mit seinem Bruder XXXX im Jahr 2006 aus dem Irak geflüchtet, nachdem sein Vater im Zuge konfessioneller Spannungen zunächst aufgefordert worden sei, das Wohngebiet zu verlassen und in weiterer Folge vor seiner Haustüre umgebracht worden sei. Die übrige Familie des Beschwerdeführers sei nach der Ermordung des Vaters von vermummten Männern, welche nach dem Wissensstand des Beschwerdeführers Angehörige der schiitischen Mahdi-Armee gewesen seien, aus ihrem Haus vertrieben worden. Von 2006 bis 2015 habe er gemeinsam mit XXXX bei seiner Mutter in Sanaa im Jemen gelebt. Dort sei es zu Auseinandersetzungen zwischen religiösen Gruppierungen und Stämmen und auch zu kriegerischen Handlungen und Bombenangriffen gekommen, sodass das Leben des Beschwerdeführers nicht mehr sicher gewesen sei. Überdies habe er Angst vor den Huthi-Rebellen gehabt, da seine Verlobte sowie sein Stiefvater im Jemen diesen feindlich gesinnten Stämmen angehört hätten. Zwar sei er persönlich niemals von Huthis bedroht worden, jedoch wäre er von diesen gezwungen worden, sich ihnen anzuschließen und für diese zu kämpfen, sofern er in Sanaa geblieben wäre. Auch wäre der Beschwerdeführer sofort von den Huthis getötet worden, hätten diese von der Abstammung seiner Verlobten oder seines Stiefvaters erfahren.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 03.11.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 02.11.2017 erteilt.

Gegen Spruchpunkt I. des gegenständlich angefochtenen Bescheides wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 06.12.2016 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides, mit welchen dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter erteilt wurden, erwuchsen unangefochten in Rechtskraft. Inhaltlich wurde insbesondere ausgeführt, da der Beschwerdeführer zwischen 2006 und 2015 im Jemen gelebt habe, sei der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthalts und sohin sein Herkunftsstaat der Jemen und nicht der Irak. Angesichts des Umstandes, dass der angefochtene Bescheid ausschließlich Länderfeststellungen zum Irak, nicht jedoch zum Jemen enthalte, seien die getroffenen Länderfeststellungen nicht geeignet, das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers auf dessen Asylrelevanz hin zu prüfen.

Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 15.04.2020 wurde der Akt der Gerichtsabteilung I403 der Kammer I neu zugewiesen.

Am 08.07.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle XXXX , eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertretung abgehalten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person und zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos, staatenlos, arabischer Palästinenser und bekennt sich zum sunnitisch-moslemischen Glauben. Seine Identität steht fest.

Er ist gesund und erwerbsfähig.

Er ist in Bagdad im Irak geboren und aufgewachsen und hat dort sechs Jahre die Schule besucht. Im Jahr 2006 zog er gemeinsam mit seinem Bruder XXXX zu seiner Mutter nach Sanaa in den Jemen, wo er sich bis zum Jahr 2015 aufgehalten hat. Er hat seinen Lebensunterhalt im Jemen zuletzt gemeinsam mit XXXX als Betreiber eines Imbisses bestritten.

Die befristete Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers als subsidiär Schutzberechtigter wurde seitens der belangten Behörde zuletzt bis 02.11.2021 verlängert und ihm überdies ein bis zum 22.03.2022 gültiger Fremdenpass ausgestellt.

Sein Bruder XXXX (IFA-Zl. XXXX ), mit welchem der Beschwerdeführer gemeinsam nach Österreich eingereist ist, hält sich ebenfalls auf Grundlage einer befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter im Bundesgebiet auf. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.08.2020, Zl. I403 2142106-1/13E rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aus dem Jemen geflüchtet ist, da er einer konkreten sowie maßgeblichen Gefahr einer Verfolgung oder Zwangsrekrutierung durch Angehörige der Huthi-Bewegung ausgesetzt ist. Der Beschwerdeführer wurde vor seiner Ausreise aus dem Jemen nicht von Huthi-Rebellen bedroht, und es wurde nicht von ihm gefordert, dass er sich ihnen anschließen müsste; sein entsprechendes Vorbringen ist nicht glaubhaft.

1.2. Zu den Feststellungen zur Lage im Jemen:

Zur aktuellen Lage im Jemen werden folgende Feststellungen getroffen, soweit sie für den vorliegenden Beschwerdefall von Relevanz sind:

Politische Lage

Die Republik Jemen bezeichnet sich in ihrer am 15./16. Mai 1991 in einer Volksabstimmung angenommenen Verfassung (geändert am 28. September 1994) als unabhängigen, arabischen, islamischen und republikanischen Staat. Staatsreligion ist der Islam (GIZ 10.2019). Die innere Lage des Landes wird immer noch durch die geteilten historischen Erfahrungen geprägt: einerseits britische Kolonialherrschaft und danach sozialistische Einflüsse im Süden, andererseits konservative muslimische Herrschaft und Stammesgesellschaft im Norden. 1990 vereinigten sich beide Staaten; der Nordjemen war die dominierende Kraft (DW 30.1.2018). Die gravierenden ökonomischen, sozialen und politischen Differenzen zwischen beiden Landesteilen sind jedoch nicht überwunden (GIZ 10.2019).

Die politischen Herausforderungen für Jemen bestanden bereits vor Ausbruch des andauernden bewaffneten Konflikts im Jahr 2014. 2004 begann in der nordjemenitischen Provinz Saada der Huthi-Aufstand, ab 2007 erstarkte die sezessionistische Bewegung im Süden des Landes. Beide Gruppen begehren gegen die Marginalisierung ihrer jeweiligen Region auf. Zusätzlich bereitete sich spätestens seit 2009 das internationale islamistische Terrornetzwerk Al-Qaida im Jemen immer weiter aus. 2011 kam es landesweit zu Massenprotesten, in denen die Demonstranten das Ende des Saleh-Regimes und einen demokratischen Wandel forderten. Gleichzeitig traten jedoch Kämpfe innerhalb der Machtelite zutage (BPB 18.10.2011).

(Ex-)Präsident Ali Abdullah Saleh bekämpfte während seiner Amtszeit den mutmaßlich durch den Iran unterstützten Huthi-Aufstand. 2011 trat er nach langen Verhandlungen und unter Zugeständnissen zu seinen Gunsten wie dem Erlangen von strafrechtlicher Immunität für seine Rolle bei der gewaltsamen Niederschlagung von Protesten gegen die Regierung zugunsten seines damaligen Vizepräsidenten Abd Rabbo Mansur Hadi zurück, der 2012 von den Wählern interimistisch im Amt bestätigt wurde. Ein Konsens für die Neuordnung des politischen Systems wurde zwar begonnen, dann aber vom Huthi-Aufstand und dem bewaffneten Konflikt zum Erliegen gebracht. Hadis Regierung ist zwar international anerkannt, sie kontrolliert jedoch nicht das ganze Territorium und hat kein klares Mandat (FH 4.2.2019; vgl. Der Standard 4.12.2017).

Es gibt im Jemen keine funktionierende Zentralregierung, und staatliche Institutionen, die noch funktionieren, werden durch nicht-gewählte Beamte oder bewaffnete Gruppierungen kontrolliert (FH 4.2.2019). Das gewählte (und somit legitime) Parlament besteht laut derzeitiger Verfassung aus einer Kammer mit 301 Abgeordneten, die für sechs Jahre gewählt werden (GIZ 10.2019). Am 13. April 2019 wurde Sultan al-Barakani zum Parlamentspräsidenten gewählt, nachdem das Parlament erstmals seit Ausbruch des Konflikts 2015 wieder zusammengetreten war. Zahlreiche Abgeordnete halten sich derzeit im Ausland auf (AA 12.8.2019). Parlaments- und Präsidentschaftswahlen sind viele Jahre überfällig, und keiner Seite gelang es während des Krieges, genug Territorium zu kontrollieren, um etwaige Wahlen abzuhalten. Parlamentswahlen wurden zuletzt am 27. April 2003 abgehalten, und hätten eigentlich 2009 wieder durchgeführt werden sollen. Bei der letzten Präsidentschaftswahl 2012 gab es nur einen Kandidaten. Im Kontext des Bürgerkriegs wird die politische Opposition unterdrückt. Normale politische Aktivität wird durch die Präsenz mehrerer bewaffneter Gruppen im Jemen verhindert, darunter Huthi-Rebellen, sunnitische Extremisten, südjemenitische Separatisten, ausländische Truppen der von Saudi-Arabien angeführten Koalition, Truppen der Hadi-Regierung und lokale Milizen (FH 4.2.2019).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (12.8.2019): Jemen: Überblick, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/jemen-node/jemen/202270, Zugriff 14.11.2019

-        Al Jazeera (27.10.2019): Draft Saudi-brokered deal aims to end south Yemen power struggle, https://www.aljazeera.com/news/2019/10/draft-saudi-brokered-deal-aims-south-yemen-power-struggle-191026164026978.html, Zugriff 15.11.2019

-        BPB – Bundeszentrale für Politische Bildung (18.10.2011): Pro-demokratische Proteste im Jemen, https://www.bpb.de/internationales/afrika/arabischer-fruehling/52404/jemen?p=all, Zugriff 15.11.2019

-        CH - Chatham House (9.2019): Between Order and Chaos a New Approach to Stalled State Transformations in Iraq and Yemen, https://www.chathamhouse.org/sites/default/files/2019-09-05-StateTransformationsIraqYemen.pdf, Zugriff 15.11.2019

-        DW – Deutsche Welle (30.1.2018): Separatisten erobern Regierungssitz des Jemen, https://www.dw.com/de/separatisten-erobern-regierungssitz-des-jemen/a-42363242, Zugriff 15.11.2019

-        DW – Deutsche Welle (6.11.2019): Einigung im Südjemen: Auftakt zur Befriedung des ganzen Landes?, https://www.dw.com/de/einigung-im-s%C3%Bcdjemen-auftakt-zur-befriedung-des-ganzen-landes/a-51142448, Zugriff 15.11.2019

-        FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Yemen, 4. Februar 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2016065.html, Zugriff 11.11.2019

-        GIZ – Länderinformationsportal (10.2019): Jemen, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/jemen/geschichte-staat/, Zugriff 15.11.2019

-        The Guardian (5.11.2019): Yemen government signs power-sharing deal with separatists, https://www.theguardian.com/world/2019/nov/05/yemen-government-signs-power-sharing-deal-with-separatists, Zugriff 15.11.2019

-        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Yemen, https://www.hrw.org/world-report/2019/country-chapters/yemen, Zugriff 11.11.2019

-        ICG – International Crisis Group (5.11.2019): The Beginning of the End of Yemen’s Civil War?, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian-peninsula/yemen/beginning-end-yemens-civil-war, Zugriff 15.11.2019

-        Der Standard (23.8.2016): Krieg im Jemen wird zur Sackgasse für die Saudis, https://derstandard.at/2000043199757/Krieg-in-Jemen-wird-zur-Sackgasse-fuer-die-Saudis?ref=rec, Zugriff 28.09.2017

-        Der Standard (4.12.2017): Jemens Expräsident tot: Seitenwechsel wurden Saleh zum Verhängnis, https://www.derstandard.at/story/2000069031715/jemen-ein-seitenwechsel-zu-viel-wurde-expraesident-saleh-zum-verhaengnis, Zugriff 15.11.2019

- Der Standard (25.10.2019): Einigung zwischen Regierung des Jemen und Unabhängigkeitskämpfern, https://www.derstandard.at/story/2000110324214/einigung-zwischen-regierung-des-jemen-und-unabhaengigkeitskaempfern, Zugriff 15.11.2019

-        Der Standard (28.1.2018): Separatisten erobern Sitz der jemenitischen Regierung in Aden, https://www.derstandard.at/story/2000073167701/separatisten-erobern-sitz-der-jemenitischen-regierung-in-aden, Zugriff 15.11.2019.

-        Der Standard (12.11.2019): Warum im Jemen und am Golf nun ein Friedenslüftchen weht, https://www.derstandard.at/story/2000110940654/warum-im-jemen-und-am-golf-friedenslueftchen, Zugriff 15.11.2019

-        USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018- Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004222.html, Zugriff 11.11.2019

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist im ganzen Land ausgesprochen volatil. Die Sicherheit kann durchstaatliche Behörden nicht gewährleistet werden. Der bewaffnete Konflikt zwischen Huthi-Rebellenaus dem Nordwesten des Landes und der Regierung und ihren Unterstützern, darunter die von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition, dauert weiter an (AA 28.8.2019). Daneben ist auch der südjemenitische, von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) unterstützte Southern Transitional Council (STC) ein zentraler bewaffneter Akteur. Sowohl STC als auch die Kräfte, die hinter der Regierung stehen, kämpfen gegen die Huthis. Sie bekämpfen sich jedoch auch untereinander, was die Spannungen zwischen Abu Dhabi und Riyad verdeutlicht (ICG 16.10.2019). Im Chaos des Krieges zwischen Hadi-Regierung und Huthis erstarkten außerdem Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel, der „Islamische Staat“ und andere bewaffnete Gruppierungen (Al Jazeera 2.8.2019; vgl. The Guardian 1.10.2019).

Die fortdauernden Kampfhandlungen stellen für die Zivilbevölkerung weiterhin eine erhebliche Gefährdung dar. Die staatlichen Institutionen sind landesweit nur noch sehr eingeschränkt funktionsfähig. Bereits im September 2014 hatten Huthi-Milizen die Kontrolle über weite Landesteile, darunter auch die Hauptstadt Sanaa, übernommen und auch Teile der Sicherheitskräfte unter ihre Kontrolle gebracht. Die staatlichen Sicherheitsorgane sind nur bedingtfunktionsfähig und können im Einzelfall keinen ausreichenden Schutz garantieren. Die Spannungen zwischen Nord- und Südjemen und die zunehmende Fragmentierung des Landes tragen zur Instabilität des Landes bei (AA 28.8.2019).

ACLED berichtet von mehr als 12,000 zivilen Todesfällen im Konflikt seit 2015. Insgesamt wurden seit 2015 mehr als 100,000 (militärische und zivile) Opfer gezählt. Bis Ende Oktober wurden 2019 circa 1,100getötete Zivilisten verzeichnet. Die Gewalt konzentrierte sich 2019 auf die Gouvernements Taiz, Hodeidah und Al Jawf (ACLED 31.10.2019). Die Luftschläge der saudisch-geführten Koalition und die Angriffe der Huthis unterscheiden nicht zwischen Zivilisten und Militärpersonen. Bei einem saudischen Luftangriff im August 2018 wurde beispielsweise ein Schulbus in Saada getroffen und 40 Kinder getötet (FH 4.2.2019).

Ab Juni 2018 war die Hafenstadt Hodeidah von starken Kämpfen betroffen. Im Dezember 2018vermittelte die UN ein Abkommen („Stockholm-Abkommen“), das die Demilitarisierung Hodeidahs vorsah. Die Umsetzung gestaltete sich jedoch schwierig. So brachen dort z.B. gleich nach Unterzeichnung des Abkommens, so wie auch im Mai 2019 erneut Kämpfe aus. Gleichzeitig intensivierten die Huthis ihre Angriffe auf saudisches Territorium, und auch die saudischen Luftangriffe verstärkten sich in den letzten Monaten [Mai bis Juli 2019] (ICG 18.7.2019; vgl. The Guardian 15.5.2019; vgl. FH 4.2.2019). Anfang August 2019 kam es in der Hafenstadt Aden zu schweren Gefechten zwischen südjemenitischen Separatisten und gegenüber der Hadi-Regierung loyalen Truppen. Weite Teile des Landes sind von täglichen Bombardierungen, Raketenangriffen und Kampfhandlungen am Boden betroffen (AA 28.8.2019). Im August nahmen die Separatisten Aden ein (BBC 11.8.2019). Im September erklärten die Huthis einen unilateralen Waffenstillstand; die saudischen Luftangriffe haben seitdem zumindest abgenommen (Al Jazeera 24.9.2019; vgl. ICG 10.2019). Im Oktober 2019 kam es Berichten zufolge in den Gouvernements Abyan und Shebwa zu sporadischen Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Separatisten des STC. Saudische Kräfte übernahmen schrittweise die Kontrolle über Aden, und die Kräfte der VAE zogen sich zurück (ICG 10.2019; vgl. ACLED 5.11.2019).

Am 5. November 2019 wurde das „Riyad-Abkommen“ unterzeichnet, nachdem die Unterzeichnung wegen Eskalation der Kämpfe in Abyan am 31. Oktober verschoben worden war. Das Abkommen zwischen den Separatisten im Südjemen und der Hadi-Regierung soll eine Machtteilung bringen. Die Kämpfe im Gouvernement Abyan gehen weiter. Luftangriffe der saudisch-geführten Militärkoalition in den Gouvernements Hajjah und Sadah, sowie in geringerem Maße in Sanaa, halten an (ACLED 5.11.2019).

Die politische Instabilität im Jemen führt dazu, dass der Fluss an Waffen und Munition in die Region nicht kontrolliert werden kann (USDOS 1.11.2019). Im ganzen Land leiden Zivilisten an einem Mangel an grundlegenden Dienstleistungen, an der sich verschlimmernden Wirtschaftskrise, sowie am Nicht-Funktionieren der Verwaltung, des Gesundheits-, Bildungs- und Justizsystems (HRW 17.1.2019). In Jemen herrscht laut UN die größte humanitäre Krise weltweit. Sie hat sich seit Beginn des Konflikts im März 2015 immer weiter zugespitzt. Von den 30 Millionen Einwohnern Jemens sind 24 Millionen auf humanitäre Hilfe angewiesen. 20 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung. Viele sind ohne Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen. Die Zahl der Binnenvertriebenen liegt bei über 3 Millionen Menschen (AA 12.8.2019).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (28.8.2019): Jemen: Reisewarnung, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/jemen-node/jemensicherheit/202260, Zugriff 15.11.2019

-        AA – Auswärtiges Amt (12.8.2019): Jemen: Überblick, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/jemen-node/jemen/202270, Zugriff20.11.2019

-        ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (31.10.2019): PRESS RELEASE: Over100,000 Reported Killed in Yemen War, https://www.acleddata.com/2019/10/31/press-release-over-100000-reported-killed-in-yemen-war/, Zugriff 13.11.2019

-        ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (5.11.2019): Regional Overview: Middle East, 27 October – 2 November 2019, https://www.acleddata.com/2019/11/05/regional-overview-middleeast-27-october-2-november-2019/, Zugriff 20.11.2019

-        Al Jazeera (2.8.2019): Al-Qaeda launches deadly attack on army base in southern Yemen, https://www.aljazeera.com/news/2019/08/al-qaeda-launches-deadly-attack-army-base-southern-yemen-190802081549242.html, Zugriff 15.11.2019

-        Al Jazeera (24.9.2019): Seven children among 16 dead in Yemen air strikes, https://www.aljazeera.com/news/2019/09/7-children-16-dead-yemen-air-strikes-190924122950086.html, Zugriff 20.11.2019

-        BBC News (11.8.2019): Yemen conflict: Southern separatists seize control of Aden, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-49308199, Zugriff 20.11.2019

-        FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Yemen, 4. Februar 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2016065.html, Zugriff 11.11.2019

-        The Guardian (15.5.2019): Yemen: ceasefire broken as fresh fighting breaks out in Hodeidah, https://www.theguardian.com/world/2019/may/15/yemen-ceasefire-broken-as-fresh-fighting-breaks-out-in-hodeidah, Zugriff 20.11.2019

-        The Guardian (1.10.2019): Yemen: Aden's changing alliances erupt into four-year conflict's newest front, https://www.theguardian.com/world/2019/oct/01/yemen-adens-changing-alliances-erupt-into-four-year-conflicts-newest-front, Zugriff 20.11.2019

-        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Yemen, https://www.hrw.org/world-report/2019/country-chapters/yemen, Zugriff 11.11.2019

-        ICG – International Crisis Group (18.7.2019): Saving the Stockholm Agreement and Averting a Regional Conflagration in Yemen, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian-peninsula/yemen/203-saving-stockholm-agreement-and-averting-regional-conflagration-yemen, Zugriff 20.11.2019

-        ICG – International Crisis Group (16.10.2019): Yemen’s Multiplying Conflicts, https://www.ecoi.net/en/document/2018614.html, Zugriff 20.11.2019

-        ICG – International Crisis Group (10.2019): Crisis Watch, Tracking Conflict Worldwide, Yemen, https://www.crisisgroup.org/crisiswatch/november-alerts-october-trends-2019#yemen, Zugriff20.11.2019

-        ICG – International Crisis Group (5.11.2019): The Beginning of the End of Yemen’s Civil War?, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian-peninsula/yemen/beginning-end-yemens-civil-war, Zugriff 15.11.2019

-        USDOS – US Department of State (1.11.2019): Country Report on Terrorism 2018 - Chapter 4 -Terrorist Safe Havens - Yemen, https://www.ecoi.net/en/document/2019263.html, Zugriff 20.11.2019

Huthi (Harakat Ansar Allah)

Die Huthis - offiziell bekannt als Harakat Ansar Allah (wörtl. „Bewegung der Helfer Gottes“) – sind eine vom Iran unterstützte, schiitisch-muslimische militärische und politische Bewegung. Ihre Mitglieder, die sich der Minderheit der Zaiditen des schiitischen Islam zugehörig fühlen, setzen sich für die regionale Autonomie der Zaiditen im Nordjemen ein. Die Gruppe hat seit 2004 eine Reihe blutiger Aufstände gegen die jemenitische Regierung ausgeführt, die zu einem Sturz des Regimes Anfang 2015 geführt haben. Die Huthi-Bewegung begann als Versuch, die Autonomie der Stämme im Nordjemen aufrechtzuerhalten und gegen den westlichen Einfluss im Nahen Osten zu protestieren. Heute streben die Huthis eine größere Rolle in der jemenitischen Regierung an und setzen sich weiterhin für die Interessen der zaiditischen Minderheit ein. Die Huthis sind für ihre heftige anti-amerikanische und antisemitische Rhetorik bekannt (CEP 2019). Sie sind außerdem durch die von ihnen so wahrgenommene wirtschaftliche Diskriminierung während der Saleh-Herrschaft motiviert (DW 1.10.2019). Die Ziele der Huthis umfassen auch Entschädigungen für die Schäden während der Saada-Kriege [Anm.: Kriege zwischen Huthis und Regierung im Gouvernement Saada zwischen 2004 und 2010], die Interessensvertretung [der Zaiditen] innerhalb der Zentralregierung, und die Garantie, dass die Gruppe vor zukünftiger politischer und wirtschaftlicher Marginalisierung geschützt wird. Nicht alle Zaiditen im Jemen identifizieren sich mit der Huthi-Bewegung (CT 2019). Die Huthi-Bewegung besteht heute aus verschiedenen militärischen Kräften, darunter auch circa 60 Prozent ehemalige Angehörige der jemenitischen Armee unter Ex-Präsident Saleh. Schätzungen zufolge sollen die Huthis militärisch 180.000 bis 200.000 Mann stark sein und über verschiedene Waffensysteme verfügen (DW 1.10.2019). In den nördlichen Gebieten, die traditionell unter zaiditischer Kontrolle standen, gibt es Berichte über fortgesetzte Bemühungen der Huthis, ihre religiösen Bräuche auch Nicht-Zaiditen aufzuzwingen, unter anderem durch ein Musikverbot und die Forderung, dass Frauen eine Voll-Verschleierung tragen müssen (USDOS 21.6.2019). Bewaffnete Huthi-Kräftenahmen häufig Geiseln und begingen andere ernsthafte Missbräuche an Personen, die sich in ihrem Gewahrsam befinden (HRW 25.9.2018).

Quellen:

-        CEP – Counter Extremism Projekt (2019): Houthis, https://www.counterextremism.com/threat/houthis, 21.11.2019

-        CT – Critical Threats (2019): al Houthi Movement, https://www.criticalthreats.org/organizations/al-houthi-movement, Zugriff 21.11.2019

-        DW – Deutsche Welle (1.10.2019): Yemen's Houthi rebels: Who are they and what do they want?, https://www.dw.com/en/yemens-houthi-rebels-who-are-they-and-what-do-they-want/a-50667558, Zugriff 20.11.2019

-        HRW – Human Rights Watch (25.9.2018): Yemen: Houthi Hostage-Taking, https://www.ecoi.net/en/document/1444267.html, Zugriff 20.11.2019

-        USDOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: Yemen, https://www.ecoi.net/en/document/2011009.html, Zugriff 20.11.2019

Zwangsrekrutierungen durch die Huthi-Bewegung

Die Huthi-Bewegung bedient sich unterschiedlicher Methoden zur Rekrutierung neuer Kämpfer, etwa die Auferlegung von Rekrutierungsquoten für lokale Stammesführer, die Verbreitung von Propaganda und religiöser Indoktrination sowie Rekrutierungen an ihren eingerichteten Kontrollpunkten, wobei hierfür verschiedene Zwangsgrade angewendet werden. Michael Knight, leitender Mitarbeiter des Militär- und Sicherheitsprogramms am Washingtoner Institut für Nahostpolitik, definierte die Taktik der Huthi-Bewegung als eine "Mischung aus Indoktrination, Machismo, materiellem Unterhalt und Drohungen".

Im Februar 2018 wies Abdul Malik al-Houthi, einer der Anführer der Gruppe, seine Miliz an, die Rekrutierungskampagne "freiwillig und mit Nachdruck unter den Stammesangehörigen" zu verstärken, wobei er sich auf die Provinzen Rima, Ibb, Mahweet, Hodeidah und Taiz konzentrierte. Gleichzeitig verkündete er auch, dass seine Nachkommen sowie die Bewohner der Provinzen Saada und Haddscha von der Rekrutierung ausgeschlossen werden sollten und dass Rekrutierungskampagnen "nur auf Stammessöhne abzielen sollten".

Ältere Quellen aus den Jahren 2015 bis 2017 gaben an, dass die Gruppe Kämpfer aus dem ganzen Land und aller Glaubensrichtungen rekrutiert hatte. Im März 2018 erklärte al-Houthi, dass die Gruppe militärische Einrichtungen auf beispiellose Weise aktivieren und mehr Möglichkeiten eröffnen würde, die Kinder und Männer des Volkes für den Kampf zu rekrutieren. Um die Zahl der neuen Rekruten zu erhöhen, argumentieren die Huthis laut Knight mit dem Tod von Huthi-Führern, dem vom Ausland unterstützten Charakter der jemenitischen Regierung und dem Einsatz von Truppen aus dem Süden im Norden Jemens. Die von den Huthi-Vertretern verbreiteten Rekrutierungsbotschaften basieren auf der Loyalität gegenüber der Gemeinschaft und der Notwendigkeit, eine Invasionstruppe aus dem Jemen abzuwehren. Im Jahr 2018 führten die Huthis eine so genannte "nationale freiwillige Rekrutierungskampagne" durch. Eine Quelle bezeichnete den Plan als "großen Misserfolg", da die jemenitischen Bürger nicht bereit waren, sich der Gruppe in dem erwarteten Umfang anzuschließen. Als Reaktion darauf eröffnete die Gruppe mehrere neue Rekrutierungszentren und nutzte ihre Medien, um neue potenzielle Mitglieder zu erreichen, insbesondere in bevölkerungsreichen Provinzen wie al-Mahweet, Amran, Dhamar, Hadscha, Ibb und Rimah.

Die Gruppe hat auch ihre Aktivitäten in öffentlichen Räumen wie Schulen und Moscheen verstärkt, um "Minderjährige, Arbeitslose und Randgruppen" anzuziehen. Neben jungen Männern haben die Huthis versucht, auch Frauen und Gefängnisinsassen zu erreichen. Aufgrund der schwachen Resonanz auf die Kampagne berichteten Bewohner der Distrikte Al-Hima und Bani Matar westlich von Saana, dass die Huthis Stammesführer, welche ihnen gegenüber loyal waren, gezwungen haben, eine bestimmte Anzahl junger Männer aus jedem Dorf davon zu überzeugen, sich ihnen anzuschließen.

Nach Angaben des UN-Expertengremiums für den Jemen wird die Rekrutierungsstrategie der Huthis in erster Linie auf Gemeindeebene durchgeführt. Mushrifeen oder Huthi-Aufseher versuchen, junge Männer - meist zwischen 18 und 22 Jahren, aber auch jünger - davon zu überzeugen, sich den Huthis anzuschließen. Sie konzentrieren sich vor allem auf Männer aus den ärmsten Familien in den ländlichen Gebieten, die ihre Grundschulausbildung nicht abgeschlossen haben und mehrheitlich Analphabeten sind. Junge Männer schließen sich in der Regel als Gruppen von Familien- oder Gemeinschaftsmitgliedern und nicht als Einzelpersonen an. Hunger ist Berichten zufolge ein häufiger Grund für den Beitritt, da bekannt ist, dass die Rekruten Zugang zu Nahrung haben werden. Es wird jedoch berichtet, dass die Huthis im Jahr 2018 möglicherweise nur etwa 30.000 - 40.000 YER [etwa 110-140 EUR] pro Monat zahlen werden, und viele Rekruten aufgrund der Abwertung des jemenitischen Riyal und steigender Lebensmittelpreise gezwungen sein könnten, einen Teil ihrer eigenen Lebensmittel zu kaufen. Zum Vergleich: Es hieß, die Koalitionstruppen böten monatlich 1.000 SAR [etwa 238 EUR] plus einen Bonus für Kämpfe. Einmal rekrutiert, sollen die Rekruten sechs bis acht Monate lang kämpfen, und nach der Rückkehr in ihre Heimat dürfen sie ihre Waffe nicht behalten. Im Todesfall zahlt die Gruppe über die ihr angeschlossene Stiftung "Märtyrer" den gleichen Betrag von 30.000 YER an die Familie des Verstorbenen.

Informationen darüber, was direkt nach der Rekrutierung durch die Huthis geschieht, sind spärlich. Eine Quelle gibt an, dass nach der Ankunft in den Trainingslagern das formelle Training mit dem Abspielen von Videos beginnt, in denen Abdul Malik al-Houthi direkt mit den neuen Rekruten spricht und sie zum Kampf motiviert. Ein in Haddscha ansässiger Einheimischer beschrieb, dass "die Gruppe die Arbeitslosenquote unter den Jugendlichen ausnutzte und sie zunächst dazu drängte, sich für ihre sektiererischen Lehren anzumelden, indem sie sie für Zeiträume von ein bis zwei Wochen an unbekannten Orten versteckte", und fügte hinzu, dass die neuen Rekruten "während des Prozesses einer Gehirnwäsche unterzogen werden". 2018 täuschte die Gruppe junge Hochschulabsolventen in Saana und anderen Provinzen mit der Behauptung, dass sie an den ihrer Gerichtsbarkeit unterstehenden Militär- und Sicherheitsfakultäten eingeschrieben würden. Berichten zufolge wurden sie jedoch nach 3 Monaten auf die Schlachtfelder gedrängt.

Die Huthis gehören dem Zaidismus an, einer schiitischen Islamsekte, die sich vom Zwölferschiismus unterscheidet, der im Iran, Irak und anderen Ländern praktiziert wird. Die Gruppe hat sich selbst als Verteidiger der jemenitischen Nationalrechte gegen ausländische Interventionen unter Führung Saudi-Arabiens dargestellt, das als traditioneller Feind des Jemen angesehen wird. Die Zaidis sehen sich traditionell als Kämpfer gegen Korruption. Die Bewegung ist für ihre antiamerikanische und antisemitische Rhetorik bekannt (ihr Slogan: "Gott ist groß! Tod für Amerika! Tod für Israel! Fluch über die Juden! Sieg dem Islam!").

Der Huthi-TV-Kanal al-Masira wurde zur Verbreitung von Botschaften des Anführers der Gruppe, Abdul Malik al-Houthi, genutzt, in denen Tod und Märtyrertod gepriesen wurden. Die Gruppe nutzte auch Twitter, YouTube-Kanäle und verschiedene Websites, um ihre Botschaften zu verbreiten und Online-Rekrutierungen durchzuführen. Zu den Webseiten, die zuvor von den Huthis genutzt wurden, gehören al-Menpar, New Omma und Sada Online. Aus einer Quelle geht hervor, dass Mahdi al-Mashat, der Präsident des selbsternannten Obersten Politischen Rates der Huthis, den Befehl gegeben hatte, gefälschte Nachrichten über das Ausmaß ihrer Kampfsiege sowie Geschichten über "ehrenrührige Fälle" und "angebliche Vorfälle und Missbräuche" zu verbreiten, in der Hoffnung auf eine vermehrte Jugendrekrutierung. Der Oberste Politische Rat hatte die Medienkampagne mit dem Slogan "Verteidigung von Ehre und Land" gestartet. Im Jahr 2017 veröffentlichte die Huthi-Bewegung Leitfäden, in denen sektiererische Botschaften und Dschihad-Extremismus propagiert wurden, darunter Sätze wie "Verdammt seien die Juden" und "Amerika ist der größte Satan". Am 21. September 2017 wurde anlässlich des Gedenkens an die Huthi-Revolution in Sanaa das göttliche Recht des Huthi-Führers Abdul Malik al-Houthi betont, als Nachfahre des Propheten zu regieren.

Es sei darauf hingewiesen, dass die Gruppe auch minderjährige Männer rekrutiert, wobei einige Quellen behaupten, dass etwa 18.000 Soldaten der Gruppe Kinder sind. Nach Angaben des US-Außenministeriums (USDOS) verstärkten die Huthis im Jahr 2018 ihre Rekrutierungsbemühungen für minderjährige Jungen, einschließlich der Auferlegung von Rekrutierungsquoten für örtliche Vertreter. Die Huthi-Kräfte richteten lokale Zentren ein, in denen Jungen und Männer ermutigt werden sollten, sich ihnen anzuschließen, unter Berufung auf Patriotismus und finanzielle Motivation. Sie rekrutierten auch Kinder gewaltsam in Schulen, Krankenhäusern und zu Hause.

Die Huthis versuchen, das Interesse an ihrer Sache zu steigern, indem sie Festivals, Treffen am Arbeitsplatz, Sommercamps und Indoktrinationssitzungen in Klassenzimmern organisieren. Im Februar 2017 berichtete Amnesty International (AI), dass VertreterInnen der Huthis Jungen und Männer durch Aktivitäten wie "Gebete, Predigten und Vorträge" ermutigen, sich ihnen anzuschließen. Im September 2018, anlässlich des islamischen Neujahrs, intensivierten die Huthis ihre Sektenkampagnen in Sanaa, Hadscha, Dhamar, Raymah, Amran und al-Mahwit. Die Gruppe schickte ihre Kleriker in die Moscheen, um die Menschen zu mobilisieren und sie aufzufordern, sich den Milizen anzuschließen und finanzielle Spenden zu leisten. Allen Moscheen in den von ihnen kontrollierten Regionen wurde befohlen, Predigten zu halten, die darauf abzielten, die Menschen gegen die Regierung aufzubringen, einschließlich der Erteilung einer Fatwa (Anm.: eine von einer muslimischen Autorität auf Anfrage erteilte Rechtsauskunft), wonach es notwendig sei, gegen die Regierung zu kämpfen. Die sektenartigen Kampagnen wurden auch in Schulen unter der Kontrolle der Gruppe angeordnet.

Während des Konflikts im Jemen spielten die Stämme eine bedeutende Rolle bei der Unterstützung oder dem Widerstand gegen die Huthis. Während es den Huthis gelang, mit vielen Stammesorganisationen zusammenzuarbeiten, die mit dem ehemaligen Präsidenten Ali Abdullah Saleh in Verbindung stehen, waren andere Stämme gegen die Huthis, vor allem im Süden und in der Mitte des Landes. AI berichtete bereits im Februar 2017, dass die Gruppe lokalen Vertretern Rekrutierungsquoten auferlegt hatte, die in einigen Fällen mit Drohungen einhergingen. Laut lokalen Stammesquellen, die von Asharq Al-Awsat befragt wurden, boten die Huthi-Milizen Stammesführern Geld und Positionen an, um die Rekrutierung von Kämpfern zu erhöhen. Die Gruppe versuchte, Dutzende von Stammesführern in den Provinzen Sanaa, Amran und Dhamar zu sich zu locken, indem sie ihnen Geld, Waffen und verschiedene Positionen, unter anderem im Shura-Rat und in den Gemeinderäten, anbot. In der Provinz al-Bayda wurden 18 Stammesangehörige zu Gouverneursstellvertretern ernannt. Stämme, die der Gruppe nicht loyal gegenüber stehen, wurden gewarnt, dass sie ihren Einfluss verlieren würden, wenn die Gebiete, in denen sie leben, unter die Kontrolle der von den Saudis geführten Koalition kämen. Im September 2018 traf Mohammed Ali al-Houthi, einer der Spitzenfunktionäre der Milizen, anlässlich des islamischen Neujahrsfestes mit etwa 20 Ältesten und Stammesführern aus dem Distrikt Abs in der Provinz Haddscha zusammen und forderte sie eindringlich auf, ihre Angehörigen zu ermutigen, sich dem Kampf anzuschließen und den Vorstößen der Koalition im Distrikt entgegenzuwirken. Er versprach ihnen Waffen und die Möglichkeit, sich den Milizen anzuschließen, und warnte sie gleichzeitig vor Repressalien der Koalition, falls sie den Distrikt befreien sollten. Im März 2019 wurde berichtet, dass die Huthis in immer mehr Konflikte mit lokalen Stammeskräften in den von der Gruppe kontrollierten Gebieten verwickelt seien. Im Distrikt Al Husha im Gouvernorat Ad Dali zum Beispiel initiierten die Huthi-Kräfte Zusammenstöße mit lokalen Stammesangehörigen, nachdem sie das Haus des Stammesführers Abdul-Jaleel Al Hothaiyfi gesprengt hatten, der der Kollaboration mit der saudischen Koalition beschuldigt wurde. Der Ruf der Gruppe wurde bei den Stämmen durch die Kämpfe gegen die Hadschour-Stämme in der nördlichen Provinz Haddscha nahe der saudischen Grenze Anfang 2019 weiter beschädigt.

Huthi-Milizen betreiben Kontrollpunkte zwischen von den Huthis und den von der Regierung kontrollierten Gebieten und inspizieren alle Passagiere, die versuchen, die Gebiete zu durchqueren. Berichten zufolge sollen die Milizen Hunderte von Menschen zwangsrekrutieren, die in den belagerten Gebieten gefangen sind, und drohen damit, diejenigen zu töten oder zu entführen, die sich weigern, sich ihnen anzuschließen. Im Mai 2018 berichtete Asharq Al-Awsat, dass "jemenitischen Militärquellen“ zufolge die Huthis Kontrollpunkte benutzen, um die Bürger zu terrorisieren und junge Männer mit Waffengewalt zu rekrutieren. Im Sommer 2018 flohen viele Kämpfer von den Huthis und schlossen sich den regierungsfreundlichen Streitkräften an, um gegen die Huthis zu kämpfen.

Aufgrund der geringen Zahl neuer Kämpfer, die sich den Huthis freiwillig anschlossen, soll die Gruppe auch Gefangene rekrutiert haben. Im Februar 2018 berichtete eine Quelle, dass die Huthis Dutzende von Gefangenen, die wegen Mordes und Diebstahls verurteilt worden waren, aus dem zentralen Hodeidah-Gefängnis entlassen hatten, als Gegenleistung für die Aufnahme in ihre Reihen. Im Juni 2018 versuchten die Huthis gewaltsam, Insassen des Zentralgefängnisses Hodeidah zu rekrutieren, in welchem damals mehr als 700 Gefangene untergebracht waren. Nach der Weigerung setzte die Gruppe die Gefängniszellen in Brand und feuerte Kugeln auf die Insassen ab, wobei mindestens drei Gefangene getötet und 20 verletzt wurden. Lokalen Quellen zufolge, die vom Asharq Al-Awsat konsultiert wurden, sahen sich diejenigen, die sich weigerten, der Gruppe beizutreten, "Folter und Nötigung" ausgesetzt, einschließlich der Verweigerung von Familienbesuchen und der Einstellung der Lebensmittel- und Wasserversorgung, bis sie sich der Gruppe anschlossen. Berichten zufolge hatte die Gruppe auch weibliche Gefangene rekrutiert.

Quellen:

-        EASO: COI Query (Anfragebeantwortung zum Herkunftsstaat Jemen), Yemen: Forced recruitment of men by the Houghis, 08.04.2019, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/2019_04_08_Q10_2019_Yemen_Houthi_Recruitment.pdf, Zugriff 03.08.2020

Im Bericht des UNO-Hochkommissars für Menschenrechte an den UNO-Menschenrechtsrat, eine zwischenstaatliche Einrichtung innerhalb der Vereinten Nationen zur Förderung und dem Schutz der Menschenrechte, zur Menschenrechtslage im Jemen vom September 2017, wird erwähnt, dass die Arbeitsgruppe zur Beobachtung des Konflikts 1.702 Fälle der Rekrutierung und des Einsatzes von Kindern im Kampf seit März 2015 dokumentiert habe. 67 Prozent dieser Fälle seien den Huthi-Saleh-Truppen und 20 Prozent den Regierungstruppen zugeordnet worden. Im letzten Jahr sei fast ein Viertel von 488 dokumentierten Fällen Berichten zufolge in der Provinz Taizz lokalisiert worden. Ungefähr 100 dieser 488 Kinder seien Berichten zufolge jünger als 15 Jahre gewesen. Beobachter des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) hätten häufig Kinder ab dem Alter von 10 Jahren beobachtet, die bewaffnet gewesen seien und Kontrollpunkte der Huthi-Saleh-Truppen bewacht hätten.

Sabq, eine saudische Onlinezeitung, die mit offizieller Genehmigung des saudischen Kultur- und Medienministeriums arbeitet, berichtet im Jänner 2015, dass der Leiter der Operationen der Huthis in der Provinz Dhali von unbekannten Bewaffneten erschossen worden sei [Dhali befindet sich zum Teil unter Kontrolle von Huthi-Milizen und zum Teil unter Kontrolle der von Saudi-Arabien geführten Koalition, Anm. ACCORD]. Laut Angaben von Bewohnern von Dhali sei dieser dafür verantwortlich gewesen, die Rekrutierung junger Männer in der Provinz zu organisieren und diese in Ausbildungslager der Huthis zu bringen (Sabq, 18. Jänner 2015).

Al-Sharq al-Awsat, eine in saudischem Besitz befindliche Tageszeitung mit Sitz in London, schreibt im Februar 2016, dass Huthi-Milizen zusammen mit der Republikanischen Garde [kämpfen für Ex-Präsidenten Saleh, Anm. ACCORD] eine verpflichtende Rekrutierung in mehreren Distrikten von Tihamah [Küstenregion am Roten Meer, Anm. ACCORD] durchsetzen würden. Bürger würden dazu gezwungen, ein militärisches Training zu absolvieren in Vorbereitung der Versetzung an die Front. Insbesondere die Distrikte des südlichen Teils der Provinz Al-Hodaida, Durayhimi, Zraniq und Bayt al-Faqih, seien von der Rekrutierungskampagne betroffen. Die Huthis hätten bei der Rekrutierung auch auf Gegenden abgezielt, die sie dominieren würden, und hätten Inhaftierung und Geldstrafen für diejenigen angekündigt, die sich nicht der Rekrutierung beziehungsweise der Kriegspflicht fügen würden.

Die in Privatbesitz befindliche ägyptische Tageszeitung Youm7 schreibt im Jänner 2017, dass laut lokalen jemenitischen Quellen die Huthi-Saleh-Milizen in der Provinz Hodaida Personen entführt hätten, die sich einer Zwangsrekrutierung verweigert hätten. Der Nachrichtensender Sky News habe sich auf diese lokalen Quellen berufen und berichtet, dass es zu Entführungen junger Männer in der Gegend um die Stadt Al-Hodaida sowie in einigen Wohngebieten der Stadt selbst gekommen sei. Einwohner der Stadt hätten die Huthi-Milizen für die Entführungen verantwortlich gemacht (Youm 7, 30. Jänner 2017).

Auf der offiziellen Website der Huthis, Ansarollah, findet sich eine Meldung vom März 2017, in der berichtet wird, dass der Revolutionsführer Abdelmalik Badreddin al-Huthi dazu aufgefordert habe, die Rekrutierung in die Armee auszuweiten, um die Verräter zu ersetzen, die geflohen seien oder sich dem amerikanisch-saudischen Feind angeschlossen hätten. Jungen Männern solle eine Chance gegeben werden, ihr Land zu verteidigen. Die Fähigkeiten des Militärs müssten ebenfalls weiterentwickelt werden (Ansarollah, 28. März 2017).

Die jemenitische Online-Nachrichtenseite Yemen Press mit Sitz in Sanaa schreibt im April 2017, dass laut staatlichen Quellen die Huthis versuchen würden, Druck auf den mit ihnen verbündeten ehemaligen Präsidenten Saleh auszuüben, um ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das den Notstand über die Regionen, die von ihnen kontrolliert würden, verhänge. Zudem solle ein Gesetz erlassen werden, das den Wehrdienst für Schüler, die die Sekundarschule abgeschlossen hätten, einführe. Dies würde den Huthis ermöglichen, tausende junge Männer unter Zwang an die Front zu schicken. Laut der saudischen Zeitung Al-Hayat hätten Saleh und sein politischer Flügel die Forderungen der Huthis abgelehnt und sich geweigert, diese ins Parlament einzubringen, da sie die Dominanz der Huthis festigen würden (Yemen Press, 11. April 2017).

Al-Sharq Al-Awsat meldet im Juni 2017, dass es in der von der Huthi-Miliz gehaltenen Region Al-Mahwit zur Zwangsrekrutierung von Kindern gekommen sei, die dann insbesondere an die volatile Front in der Provinz Taizz geschickt würden. Eine Menschenrechtsorganisation in Al-Mahwit habe von 451 dokumentierten Menschenrechtsverletzungen der Huthi-Saleh-Milizen für den Monat Mai gesprochen, darunter auch die Rekrutierung von Kindern. Die Milizen hätten im Mai 25 Kinder rekrutiert und dazu gezwungen, in Taizz, Midi und Nahm zu kämpfen.

Der in Dubai ansässige Nachrichtensender Al-Arabiya, der im Besitz eines saudischen Medienunternehmens ist, schreibt in einem Artikel vom September 2017, dass Huthi-Milizen in der nördlichen unter ihrer Kontrolle befindlichen Provinz Al-Mahwit eine Zwangsrekrutierungskampagne durchgeführt hätten, die auf Kinder abgezielt habe. Laut örtlichen Quellen habe die Führung der Huthis von mehreren Lokalverwaltungen gefordert, ihre Front mithilfe von verpflichtender Rekrutierung mit 170 Kämpfern zu unterstützen. Kommunale Führungspersönlichkeiten seien von den Huthi-Milizen gezwungen worden, die geforderte Anzahl von Kämpfern gewaltsam aufzustellen. Eine Organisation namens Al-Mahwit Media Center habe berichtet, dass die Milizen eine Versammlung abgehalten hätten, um die Bildung eines Komitees zu bestätigen, das die Rekrutierung von Bürgern durchsetzen solle. Laut dem Center hätten Bewohner des Distrikts Dschabal al-Mahwit erzählt, dass Milizkämpfer im Distrikt eingesetzt worden seien und dort zum Beitritt zur Miliz aufgefordert hätten. Als sich Bewohner geweigert hätten, seien sie bedroht worden. Die Milizen seien an der Front mit einem Mangel an Kämpfern konfrontiert, da viele getötet worden oder geflohen seien, was wiederum die Milizen dazu veranlasse, Zwangsrekrutierungen einzusetzen.

Al-Arabiya meldet im September 2017, dass der Anführer der Huthis, Abdelmalik al-Huthi, den Beschluss seiner Gruppe mitgeteilt habe, die Wehrpflicht wieder im Jemen einzuführen, um die Front mit Kämpfern zu unterstützen. Laut Al-Arabiya habe der Jemen 2001 die Wehrpflicht abgeschafft, die alle männlichen Schüler, die die Sekundarschule beendet hätten, zu einem einjährigen Militärdienst verpflichtet habe. Al-Huthi habe nun auf Al-Masira, dem TV-Sender der Gruppe, verkündet, dass seine Gruppe auf die Wehrpflicht zurückgreifen werde, ohne allerdings zu spezifizieren, wer genau von dieser Wehrpflicht betroffen sei (Al-Arabiya, 15. September 2017).

Al-Arabiya berichtet ebenfalls im September 2017, dass ein Rekrutierungsbeauftragter der Huthis, Mohammed Hussein Karat, von seiner Frau im Ort Mahdar der Provinz Dhammar südlich der Hauptstadt Sanaa mit Messerstichen getötet worden sei. Laut Angaben von Bewohnern des Dorfes sei Karat damit beauftragt gewesen, Kämpfer für die Huthis zu rekrutieren, darunter auch junge Männer und Kinder, und sie an die Front zu bringen. Die Huthis hätten Karat 10.000 Riyal für jeden Kämpfer versprochen, den er rekrutiere und der sich freiwillig oder gezwungenermaßen anschließe (Al-Arabiya, 26. September 2017).

Al-Arabiya berichtet in einem weiteren Artikel vom September 2017, dass laut der jemenitischen Nachrichtenwebseite Mareb Press vier Kämpfer der Huthi-Milizen bei Gefechten mit der jemenitischen Armee in der Provinz Haddscha getötet worden seien. Bei einem der Getöteten handle es sich um einen Rekrutierungsbeauftragten der Huthis, dessen Aufgabe es gewesen sei, Männer in Haddscha zu rekrutieren, die insbesondere an Frontlinien im Distrikt Midi der Provinz Haddscha eingesetzt worden seien (Al-Arabiya, 29. September 2017).

Quellen:

-        ACCORD: Anfragebeantwortung zum Jemen: Zwangsrekrutierungen durch die Huthi-Milizen, Auswahl der Rekruten: Kriterien (Alter, Stamm, Religion, Ausbildung) und Regeln (z.B. Freistellung); Folgen bei Weigerung [a-10337-1], 10.10.2017, https://www.ecoi.net/de/dokument/1411553.html, Zugriff 03.08.2020

Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) und der Islamische Staat im Jemen(IS-Y)

Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (eng. abk.: AQAP) ist ein Zusammenschluss von Al-Qaida-Kämpfern in Saudi-Arabien und der früheren Al-Qaida im Jemen (CISAC 7.2015). AQAP ist im gesamten Jemen vor allem in den südlichen und zentralen Regionen des Landes tätig. In vielen dieser Provinzen regiert AQAP über kleinere Gebiete mit Sharia-Gerichten und einer schwerbewaffneten Miliz. AQAP versucht die jemenitische Bevölkerung anzusprechen, indem sie die Grundbedürfnisse der Bevölkerung befriedigt, sich in die lokale Bevölkerung integriert, auch durch die Anpassung an lokale Regierungsstrukturen. Als formaler Bestandteil der Al-Qaida stehen die Ideologie und Praktiken der AQAP im Einklang mit den weiter gefassten Zielen der Al-Qaida, nämlich auf eine globale islamistische Herrschaft hinzuarbeiten (CEP 4.1.2017; vgl. CH 9.2019). AQAP nutzte die Wirren von 2015, um weite Teile der Provinzen Abyan, Shabwa und Hadramaut einzunehmen und zu kontrollieren. Gemeinsam mit verbündeten Stämmen eroberte sie Anfang April 2015 Mukalla — mit 300.000 Einwohnern die fünftgrößte Stadt des Landes und Hauptstadt der südöstlichen Provinz Hadramaut — und erbeutete große Waffenarsenale und viel Geld. Außerdem übernahm AQAP dort zusammen mit ihren Alliierten die Verwaltung. Truppen der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und deren lokale Verbündete eroberten die Stadt im April2016 zurück (SWP 7.2017; vgl. CH 9.2019). Bis 2016 kontrollierte AQAP größere Gebiete im Jemen, in den beiden darauffolgenden Jahren erlitt AQAP Gebietsverluste (HRW 17.1.2019; vgl. Jamestown 5.4.2019).

Sowohl AQAP als auch der sog. Islamische Staat Yemen (IS-Y) profitieren weiterhin vom Konfliktmit den Huthis, indem sie von anderen Einheiten der Anti-Huthi-Koalition nicht als Feind betrachtet werden und das Sicherheitsvakuum in großen Teilen des Landes ausnutzen (USDOS 1.11.2019). Sowohl AQAP als auch IS-Y bekannten sich im Jahr 2018 zu Selbstmordanschlägen und anderen Angriffen (HRW 17.1.2019). 2018 wurden Operationen zur Terrorismusbekämpfung, vor allem durch von den VAE unterstützten Kräften, gegen AQAP durchgeführt, und zwar in den Gouvernements Abyan, Shabwa und Hadramaut. Der IS-Y ist bezüglich Mitgliederanzahl und Einfluss deutlich kleiner als AQAP. IS-Y ist jedoch weiterhin aktiv und führt Angriffe gegen AQAP, jemenitische Sicherheitskräfte und Huthis durch (USDOS 1.11.2019). Eine der aktivsten Gruppendes IS-Y soll es mit Stand September 2018 in Al-Bayda geben, genauso wie eine der aktivsten Gruppen von AQAP (Jamestown 5.4.2019). Im Juli 2018 kam es zu heftigeren Zusammenstößen zwischen AQAP und IS-Y, was die Rivalität zwischen Al-Qaida und IS allgemein zeigt (Jamestown 21.9.2018). Es wird berichtet, dass AQAP und IS-Y im Sommer 2019 das Machtvakuum im Süden des Landes ausnutzten und Angriffe gegen Truppen der Hadi-Regierung sowie des Southern Transitional Council (STC) in Aden, Abyan und Al-Bayda durchführten (ACAPS 8.2019).

Quellen:

-        ACAPS – Yemen Analysis Hub (8.2019): Crisis in Sight, Yemen Crisis Impact Overview, June –August2019, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/20190925_yemen_crisis_impact_overview_june_august_2019.pdf, Zugriff 14.11.2019

-        CEP – Counter Extremism Projekt (4.1.2017): Al-Qaeda in the Arabian Peninsula (AQAP), https://www.counterextremism.com/threat/al-qaeda-arabian-peninsula-aqap, Zugriff 21.11.2019

-        CH - Chatham House (9.2019): Between Order and Chaos, A New Approach to Stalled State Transformations in Iraq and Yemen, https://www.chathamhouse.org/sites/default/files/2019-09-05-StateTransformationsIraqYemen.pdf, Zugriff 15.11.2019

-        CISAC – Center for International Security and Cooperation (7.2015): Al Qaeda in Yemen, https://cisac.fsi.stanford.edu/mappingmilitants/profiles/al-qaeda-yemen#text_block_17347, Zugriff 20.11.2019

-        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Yemen, https://www.hrw.org/world-report/2019/country-chapters/yemen, Zugriff 11.11.2019

-        Jamestown Foundation (21.9.2018): Clashes Between Islamic State and AQAP Emblematic of Broader Competition; Terrorism Monitor Volume: 16 Issue: 18, https://www.ecoi.net/en/document/1447309.html, Zugriff 20.11.2019

-        Jamestown Foundation (5.4.2019): Continued Fighting between Islamic State and AQAP Complicates Security in al-Bayda - Jamestown, https://www.ecoi.net/en/document/2006052.html, Zugriff 20.11.2019

-        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik. Steinberg, Guido (7.2017): Saudi-Arabiens Krieg im Jemen, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A51_sbg.pdf, Zugriff 21.11.2019

-        USDOS – US Department of State (1.11.2019): Country Report on Terrorism 2018 - Chapter 4 -Terrorist Safe Havens - Yemen, https://www.ecoi.net/en/document/2019263.html, Zugriff 20.11.2019

Wehrdienst und Rekrutierungen

2001 wurde im Jemen die zweijährige Wehrpflicht abgeschafft. Das Mindestalter für einen freiwilligen zweijährigen Wehrdienst beträgt 18 Jahre (CIA 5.11.2019). Viele junge Männer treten aus ökonomischen Gründen und aus Mangel an Alternativen am Arbeitsmarkt in den Militärdienst ein (IRB 8.12.2017). Obwohl Gesetz und Regierungspolitik die Praxis ausdrücklich verbieten, nahmen Kinder unter 18 Jahren direkt an bewaffneten Konflikten für Regierungs-, Huthi-, mit der Regierung verbündete Kräfte, Stammeskräfte und andere bewaffnete Gruppierungen teil, vor allem als Wächter und Kuriere (USDOS 13.3.2019; vgl. Global Security 2.9.2017). Im Jahr 2017überprüften die Vereinten Nationen 842 Fälle von Rekrutierung und Einsatz von Jungen ab 11 Jahren, von denen fast zwei Drittel Huthi-Truppen zuzuschreiben waren (HRW 17.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). 2014 unterzeichnete die jemenitische Regierung einen Aktionsplan der Vereinten Nationen zur Beendigung des Einsatzes von Kindersoldaten. Mangels einer effektiven Regierung wurde der Aktionsplan jedoch noch nicht umgesetzt (HRW 12.1.2017). Fast ein Drittel der Kämpfer im Land waren nach einigen Schätzungen jünger als 18 Jahre. Das Fehlen eines einheitlichen Systems für die Registrierung von Geburten erschwert den Nachweis des Alters, was zuweilen zur Rekrutierung von Minderjährigen beiträgt (USDOS 13.3.2019).

Laut Berichten internationaler NGOs benutzten Stämme, einschließlich einiger bewaffneter und von der Regierung finanzierter Stämme, die neben der regulären Armee kämpften, minderjährige Rekruten in Kampfzonen. Huthi-Rebellen setzten regelmäßig Kinder ein, um Kontrollpunkte zu besetzen, als menschliche Schutzschilder oder Selbstmordattentäter. Berichten zufolge wurden verheiratete Burschen zwischen 12 und 15 Jahren während bewaffneter Konflikte in den nördlichen Stammesgebieten als Kämpfer eingesetzt. Gemäß der Stammestradition werden verheiratete Burschen als Erwachsene betrachtet, die dem Stamm Loyalität schulden. Infolgedessen war laut NGOs die Hälfte der Stammeskämpfer Jugendliche unter 18 Jahren. Anderen Quellen zufolge brachten die Stämme die Burschen selten in Gefahr, und setzten sie eher als Wache und nicht als Kämpfer ein (USDOS 13.3.2019).

Die Huthis rekrutieren neue Kämpfer mit verschiedenen Methoden, unter anderem durch die Einführung von Rekrutierungsquoten für Stammesführer und lokale Vertreter, die Verbreitung von Propaganda und religiöser Indoktrination, die Freilassung von Gefangenen und die Rekrutierung an Kontrollpunkten. Dabei wenden sie jeweils einen unterschiedlichen Grad von Zwang an (EASO 8.4.2019). Im Laufe des Jahres verstärkten die Huthis und andere bewaffnete Gruppen, einschließlich Stammes- und islamistischer Milizen sowie Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel, die Rekrutierung von Kindern als Teilnehmer am Konflikt. Berichten zufolge betreiben Huthi-Vertreterlokale Zentren, in denen Jungen und Männer für den Kampf rekrutiert werden. Laut einer Quelleführten die Huthis Rekrutierungsquoten für lokale Vertreter ein. Laut OHCHR rekrutieren Huthis auch gewaltsam Kinder in Schulen, Krankenhäusern oder indem sie von Haus zu Haus gehen. Es wird auch mit Appellen an den Patriotismus und durch finanzielle Anreize rekrutiert (USDOS 13.2.2019).

Quellen:

-        CIA Factbook (5.11.2019): Middle East, Yemen, Military and Security, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ym.html#People, Zugriff 11.11.2019

-        EASO – European Asylum Support Office (8.4.2019): Query Response, Forced recruitment of men by the Houthis, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/2019_04_08_Q10_2019_Yemen_Houthi_Recruitment.pdf, Zugriff 11.11.2019

-        Global Security (2.9.2017): Yemen Military, https://www.globalsecurity.org/military/world/yemen/military-intro.htm, Zugriff 11.11.2019

-        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Yemen, https://www.hrw.org/world-report/2019/country-chapters/yemen, Zugriff 11.11.2019

-        HRW – Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 – Yemen, https://www.ecoi.net/en/document/1088201.html, Zugriff 21.11.2019

-        IRB – Immigration and Refugee Board of Canada (8.12.2017): Yemen: Military service; reported cases of forced recruitment and conscription by government authorities and armed groups, including by Al-Qaeda, in regions other than those under Houthi control, https://www.ecoi.net/en/document/1447406.html, Zugriff 11.11.2019

-        USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018- Yemen, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004222.html, Zugriff 11.11.2019

Religionsfreiheit

99.1% der Bevölkerung des Jemen sind Mus

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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