Entscheidungsdatum
14.08.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
I413 2224069-1/13E
Schriftliche Ausfertigung des am 05.08.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Vorsitzender und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Heike MORODER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Mag Stefan GEISLER, Mag Markus GREDLER, Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol vom 20.08.2019, Zl. 30340831500081, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.08.2020 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer war seit 11.12.2017 im Besitz eines Behindertenausweises mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung", welcher bis zum 01.04.2019 gültig war.
2. Der Beschwerdeführer beantragte am 21.06.2019 (Datum des Einlangens bei der belangten Behörde) die Neuausstellung des Behindertenpasses wegen Verlustes, Diebstahls oder Ungültigkeit und - sollte die Aktenlage die Vornahme von Zusatzeintragungen rechtfertigen - die Aufnahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.
3. Die belangte Behörde nahm einen Sachverständigenbeweis durch die amtliche Sachverständige Priv.-Doz. Dr. XXXX (im Folgenden als "Amtssachverständige" bezeichnet) auf, welche im Gutachten vom 19.07.2019 zusammengefasst die Funktionseinschränkungen beim Beschwerdeführer mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. einschätzte und zum Ergebnis gelangte, dass keine der festgestellten Funktionseinschränkungen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zuließen.
4. Mit Bescheid vom 20.08.2019, OB: 30340831500081, wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der beantragten Eintragung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass ab, weil die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen.
5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 22.09.2019.
6. Am 04.10.2019 legte die belangte Behörde den Verwaltungsakt samt Beschwerde vor.
7. Das Bundesverwaltungsgericht zog die Amtssachverständige dem Verfahren bei und ersuchte diese ein Gutachten dazu abzugeben, ob der Beschwerdeführerin aufgrund seiner Funktionseinschränkungen/Leiden zumindest eine kurze Wegstrecke (150-300 m) zurücklegen, in einem öffentlichen Verkehrsmittel sicher transportiert werden kann sowie ob er ein öffentliches Verkehrsmittel aufgrund seiner Funktionseinschränkungen/Leiden sicher be- und entsteigen könne.
4. Am 11.11.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht das Gutachten der Amtssachverständigen vom 07.11.2019 ein, in welchem zusammengefasst diese zum Ergebnis kam, dass eine Gehstrecke in der Ebene von 0,5 bis 1 km angegeben wurden, 2 bis 3 Stufen unter Verwendung eines Handlaufes überwunden werden könnten und eine kurze Wegstrecke zurückgelegt werden könne. Ein sicherer Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel sei möglich, da keine Einschränkungen der oberen Extremitäten bestünden, sodass ein sicheres Festhalten möglich sei. Ein Stehen von 20 Minuten sei möglich. Das Be- und Entsteigen in ein bzw aus einem öffentlichen Verkehrsmittel sei mit Festhalten/Hochziehen am Handlauf möglich.
5. Mit Schreiben vom 13.11.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht das Gutachten den Parteien und räumte diesen eine Frist von drei Wochen zur Stellungnahme ein.
6. Am 09.12.2019 langte die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 09.12.2019 ein, mit welcher die einschreitenden Rechtsanwälte die Erteilung der Vollmacht bekannt gaben, die Befangenheit der Amtssachverständigen einwandten, weil diese im Verwaltungsverfahren bereits ein Gutachten erstellt habe und vor dem beigelegten Gutachten von Priv-Doz Dr XXXX vom 27.11.2018, welches im Verfahren 8 Cg 75/17f des Landesgerichts Innsbruck erstattet worden war, fachliche Einwendungen erhoben wurden.
7. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für 20.03.2020 die mündliche Verhandlung an, welche aufgrund der COVID-19-Pandemie jedoch wieder abberaumt werden musste.
8. Am 05.08.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung durch, in welcher der Befangenheitseinwand erörtert und als unbegründet verworfen wurde, die Amtssachverständige ihr Gutachten im Hinblick auf die Einwendungen ergänzte und der Beschwerdeführer einvernommen wurde. Sofort nach dem Schluss der Verhandlung wurde das Erkenntnis mündlich verkündet.
9. Am 10.08.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht der Antrag auf Übermittlung einer schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Der in Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger und hat seinen Wohnsitz in XXXX .
Beim Beschwerdeführer bestehen folgende voraussichtlich länger als sechs Monate andauernde Funktionseinschränkungen:
(1) Sprunggelenk - Funktionseinschränkungen geringen bis mittleren Grades beidseitig fortgeschrittene posttraumatische USG Arthrosen beidseitig nach Fersenbeinbruch 2016,
(2) Fehlbildung der Niere, des Nierenbeckens und des Harnleiters Nierenagenesie links,
(3) sensible und motorische Ausfälle leichten Grades milde PNP beidseitig,
(4) entferntes Blasenkarzinom, ED 2011, mehrfache Rezidive,
(5) unter Medikation stabile Depression, (6) Teillähmung bis Ausfall des Nervus peronaeus, von Seiten der Pernaeusparese rechts noch minimale Restsymptomatik.
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 v.H.
Der Beschwerdeführer ist in der Lage, ohne Pause eine Strecke von 500 m bis 1 km zurückzulegen.
Es bestehen keine Leiden, Gebrechen oder Funktionseinschränkungen beim Beschwerdeführer, die ihn am Ein- oder Aussteigen in ein bzw aus einem öffentlichen Verkehrsmittel oder am sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel hindern.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung des Verfahrensgangs basiert auf dem Verwaltungsakt und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts und ist unstrittig.
Die Feststellungen zur Person und zum Wohnsitz des Beschwerdeführers ergeben sich aus ihren Angaben im Antrag vom 04.04.2019 (eingelangt am 21.06.2019).
Die Feststellungen zu den Leiden und Funktionseinschränkungen basieren auf dem schlüssigen Gutachten von Priv.-Doz. Dr. XXXX vom 19.07.2019. Die Amtssachverständige, eine Fachärztin für Orthopädie und Allgemeinmedizin ist eine ausgewiesene Vertreterin ihres Faches und erfahrene Sachverständige. Ihre gutachterlichen Feststellungen basieren auf einem präzise aufgenommen, alle vorgelegten Befunde und anderen Unterlagen ausdrücklich aufnehmenden Befund, aus welchem sich die jeweiligen Schlussfolgerungen ableiten lassen. Diese sind auch überzeugend und nachvollziehbar begründet und werden auch in der Beschwerde nicht in Frage gestellt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 05.08.2020 stellte der Beschwerdeführer auch, die festgestellten Funktionseinschränkungen nicht in Abrede. Er ergänzte, dass er im Rahmen der Rehabilitation Probleme mit dem Magen und der Bauchspeicheldrüse hatte und räumte ein, dass dieses gesundheitliche Problem keine Auswirkungen auf das Gehen hat.
Der festgestellte Grad der Behinderung von 50 v.H. ergibt sich zweifelsfrei aus dem Gutachten der amtlichen Sachverständigen vom 19.07.2019. Diese Einschätzung ergibt sich nachvollziehbar und schlüssig aus den gutachterlichen Feststellungen und den jeweiligen Positionsnummern der Anlage zur EVO, wobei die Amtssachverständige die nach den jeweiligen Positionsnummern möglichen Rahmensätze durchwegs im oberen Bereich einschätzte. Dass sich das Hauptleiden am Sprunggelenkt durch die übrigen Leiden, ausgenommen der minimalen Restsymptomatik der Peronaeusparese rechts um eine Stufe erhöht, erscheint nachvollziehbar und entspricht dem vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung erhaltenen persönlichen Eindruck. Diese Einschätzung wird auch vom Beschwerdeführer weder in der Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung in Zweifel gezogen.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer eine Stecke von ca 500 m bis 1 km in einem zurücklegen kann, basiert auf dem Karteiblatt der Abteilung für Orthopädie und Traumatologie des Bezirkskrankenhauses Schwaz, worin im Befund vom 31.01.2019 festgehalten wird: „Derzeit berichtet der Pat. von Gehstrecken maximal zwischen ½ oder 1 km, könne 20 min. lang stehen, …“. Seine Aussage in der mündlichen Verhandlung am 05.08.2020, er könne nur auf Ebenen, wie Asphalt 100-150 m gehen, steht dagegen im Widerspruch zu dem vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck, den der erkennende Senat erhalten hat, als der Beschwerdeführer zur Beurteilung des Gangbildes die Breite des Verhandlungssaales durchmaß. Nachvollziehbar und schlüssig beschreibt die Amtssachverständige in der mündlichen Verhandlung das dabei wahrgenommene Gangbild als minimal asymmetrisch und gering hinkend aufgrund der Abrollschwierigkeiten im rechten Fuß (Protokoll S. 6). Die Amtssachverständige erkannte in der mündlichen Verhandlung eine geringe Verschlechterung (Protokoll S. 6). Diese ist jedoch nicht so ausgeprägt, dass es glaubhaft wäre, dass der Beschwerdeführer lediglich 100 bis 150 m in einem gehen könne. Vielmehr gewann der erkennende Senat vom Beschwerdeführer aufgrund seiner Demonstration des Gangbildes den Eindruck, dass dieses unauffällig ist; Hinken kann kaum wahrgenommen werden. Die Verschlechterung des optimalsten Zustandes des Beschwerdeführers nach seiner Rehabilitation führt augenscheinlich nicht dazu, dass es dem Beschwerdeführer unmöglich wäre, 0.5 m bzw 1 km in einem zu gehen, sondern ist – wie sich aus dem Konnex der Aussagen der Amtssachverständigen erschließen lässt, auf das Tragen einer Paraeusschiene zurückzuführen, die jedoch ist kein Hinken oder schwerfälliges Gehen verursacht, wie sich aus dem im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 05.08.2020 demonstrierten Gangbild ergibt. Das vorgelegte Gutachten des Priv-Doz Dr XXXX datiert vom 27.11.2018 und erweist sich bereits vor diesem Hintergrund als überholt, zumal der zeitlich spätere Rehabilitationsaufenthalt des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt werden konnte und –aufgrund der Karteikarteneinträge des Bezirkskrankenhauses Schwaz nachvollziehbar – eine Verbesserung der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers erzielt worden sind. Zudem ist Zweck des Gutachtens von Priv-Doz Dr XXXX die Ermittlung der bei dem Unfall des Beschwerdeführers erlittenen Schmerzen, sodass dieser Sachverständige keine Feststellungen zu Gehvermögen, Steh- und Steigvermögen des Beschwerdeführers trifft. Im Rahmen der Befundaufnahme wird auf Seite 14 des Gutachtens von Priv-Doz Dr. XXXX das Barfußgangbild beschrieben, jedoch finden sich keine Aussagen dazu, welche Wegstrecken der Beschwerdeführer zurücklegen kann, ob er Stiegen steigen und herabsteigen kann und wie sein Stehvermögen oder seine Kraft, sich zu halten, ausgeprägt ist. Daher vermag dieses Gutachten – ungeachtet auch seiner mangelnden Aktualität – auch nicht die schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen der Amtssachverständigen in ihrem Gutachten vom 07.11.2019 zu relativieren. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 09.12.2019 daher die fachliche Seite des aufgenommenen Gutachtens vom 07.11.2019 in Zweifel zieht, erweist sich das Gutachten des Priv-Doz Dr XXXX ungeeignet, da dieses diesbezüglich keine Aussage trifft. Daher erweisen sich die behaupteten Unschlüssigkeiten bzw Unvollständigkeiten des Gutachtens vom 07.11.2019 einerseits als nicht zutreffend, da der Einwand des Beschwerdeführers gegen die Beurteilung des Gangbildes durch die Amtssachverständige nicht auf demselben fachlichen Niveau erfolgte. Das hierbei herangezogene Gutachten des Priv-Doz Dr XXXX sagt zum Gangbild, wie es sich aktuell präsentiert, nichts aus, zumal es aus dem Jahr 2018 datiert und seitdem Rehabilitationsmaßnahmen ergriffen wurden, die eine Veränderung bewirkt haben, wie aus dem Karteiblatt des Bezirkskrankenhauses Schwaz zu entnehmen ist. Damit stützt sich die Stellungnahme vom 09.12.2019 auf ein überholtes Gutachten; eine aktuelle fachliche Beurteilung seitens des Beschwerdeführers fehlt somit. Damit erweist sich die Stellungnahme vom 09.12.2019 nicht auf demselben fachlichen Niveau, wie das aufgenommene Gutachten vom 07.11.2019 und war bereits deswegen nicht treffend. Aus dem Befund des Gutachtens, dessen Teil auch das Karteiblatt des Bezirkskrankenhauses Schwaz ist (vorgelegte Dokumente Pkt 3), ergibt sich auch die Feststellung der Gehstrecke von ½ bis 1 km, sodass die in diesem Zusammenhang vermeinte Unschlüssigkeit nicht besteht.
Die Stellungnahme vom 09.12.2019 erweist sich daher nicht als auf demselben fachlichen Niveau wie das Gutachten vom 07.11.2019 erstattet, weshalb die diesbezüglichen fachlichen Einwände ins Leere gehen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung erörterte die Amtssachverständige ausführlich ihr Gutachten und legte – für den erkennenden Senat aufgrund des vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung erhaltenen persönlichen Eindrucks schlüssig und nachvollziehbar – das Vermögen des Beschwerdeführers dar, dass der Beschwerdeführer eine kurze Wegstrecke zweifellos zurücklegen kann. Der erkennende Senat gelangte aufgrund des nahezu hinkfreien, flüssigen Gangbildes, das der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 05.08.2020 demonstrierte, keine Zweifel daran, dass der Beschwerdeführer eine Strecke von 0,5 m bis 1 km in einem zurücklegen kann, auch wenn sich sein Optimalzustand nach der Rehabilitation etwas, aber nicht wesentlich, verschlechtert haben mag.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer ein öffentliches Verkehrsmittel be- und entsteigen und sicher in einem solchen transportiert werden kann, ergibt sich aus den schlüssigen Gutachten des Amtssachverständigen vom 07.11.2019 und ihrer ergänzenden Aussagen im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 05.08.2020. Auch der Beschwerdeführer gibt in der mündlichen Verhandlung am 05.08.2020 an, Stiegen steigen zu können, zumal er zu Hause auch eine Treppe überwinden muss (Protokoll S. 9). Dass er beim Abwärtsgehen größere Schwierigkeiten hat, ergibt sich nicht nur aus seiner Aussage am 05.08.2020, sondern auch aus der Aussage der Amtssachverständigen in dieser mündlichen Verhandlung (Protokoll S. 6). Diese Schwierigkeiten sind aber nicht derart gravierend, dass der Beschwerdeführer keine Niveauunterschiede überwinden könnte. Wäre dies der Fall, hätte er seine Wohnsituation bereist verändert, zumal dort eine Treppe zu überwinden ist, die der Beschwerdeführer augenscheinlich meistert. Hierbei ist zu beachten, dass keine Gangstörung und auch keine Gangunsicherheit vorliegen und eine Sturzgefahr nicht gegeben ist (Amtssachverständige, Protokoll S 7). Gerade beim Überwinden von Niveauunterschieden würden sich aber solche Störungen, Unsicherheiten und eine Neigung zur Stürzen manifestieren, was beim Beschwerdeführer jedoch nicht gegeben ist und auch nicht vorgebracht wurde. Dies deckt sich auch mit dem vom Beschwerdeführer gewonnenen persönlichen Eindruck, da dieser keineswegs ein unsicheres, schwankendes oder stolperndes Gangbild demonstrierte, sondern nahezu hinkfrei sicher und ohne zu schwanken gegangen ist. Der Beschwerdeführer kann sich gut und ohne anzuhalten fortbewegen. Es bestehen auch keine Beeinträchtigungen, die ihn an einem Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel hinderten (vgl Gutachten der Amtssachverständigen vom 07.11.2019).
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs 3 und 4 des Bundesbehindertengesetzes (BBG) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes durch Senat zu erfolgen. Bei solchen Senatsentscheidungen hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessensvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder fachkundigen Laienrichter haben für die jeweiligen Agenten die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechtes) aufzuweisen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
3.2 Der Beschwerdeführer vermeint, dass Gründe vorlägen, die geeignet seien, die volle Unbefangenheit der Amtssachverständigen in Zweifel zu ziehen, weil sie bereits im Verwaltungsverfahren ein Gutachten erstattet habe und nunmehr im verwaltungsgerichtlichen Verfahren neuerlich mit einem Gutachten beauftragt habe, in welchen das zuvor erstellte Gutachten lediglich bestätigt werde und dieses Gutachten obendrein nicht schlüssig und unvollständig sei.
Es bestehen nach ständiger Judikatur der Verwaltungsgerichtshofes keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Heranziehung von Amtssachverständigen in einem verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren, und zwar auch dann nicht, wenn ein Bediensteter der belangten Behörde, der bereits im Verfahren vor der Behörde als Sachverständiger tätig geworden ist, auch vom Verwaltungsgericht in derselben Sache als Sachverständiger beigezogen wird (vgl VwGH 02.07.2018, Ra 2017/12/0132; 25.04.2018, Ra 2018/09/0027; 26.07.2016, Ra 2016/05/0062; 28.11.2019, Ra 2019/07/0092), wobei jedoch ein allfälliger Befangenheitsvorwurf gegenüber einem Amtssachverständigen im Einzelfall jeweils gesondert zu prüfen ist (vgl VwGH 25.04.2018, Ra 2018/09/0027; 26.07.2016, Ra 2016/05/0062; 27.07.2016, Ra 2016/06/0074; 28.11.2019, Ra 2019/07/0092).
Der Vorwurf der Befangenheit der Amtssachverständigen bezieht sich va auf den Umstand, dass die Amtssachverständige bereits im Verwaltungsverfahren ein Gutachten erstattet hat. Damit zeigt der Beschwerdeführer aber im Sinne der oben zitierten Judikatur keine Befangenheit auf. Eine solche hat sich auch nicht ergeben. Die Amtssachverständige hat auf die entsprechende Frage des erkennenden Senats hin deutlich das Vorliegen von Gründen des § 7 AVG verneint. Weder aus den erstatteten Gutachten, noch aus der Gutachtenserörterung im Rahmen der mündlichen Verhandlung sind Anzeichen einer Voreingenommenheit der Amtssachverständigen gegenüber dem Beschwerdeführer hervorgekommen oder wurden auch nur von der anwesenden berufsmäßigen Parteienvertreterin behauptet.
Daher lagen keine Gründe vor, im Sinne des gestellten Antrages vom 09.12.2019, einem anderen Amtssachverständigen im vorliegenden Fall beizuziehen.
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.3 Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn (1) ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder (2) sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder (3) sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder (4) für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder (5) sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl Nr 22/1970, angehören.
Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist (§ 42 Abs 2 BBG).
Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 1 Abs 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl III Nr 495/2013, ist auf Antrag eines Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist nach dieser Vorschrift insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs 2 Z 1 lit b oder d vorliegen.
Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021, jeweils mwN).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnorts des Beschwerdeführers vom nächstgelegenen Bahnhof (vgl VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 und 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).
3.4 Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, ergibt sich aus dem nachvollziehbaren und schlüssigen Gutachten der amtlichen Sachverständigen vom 07.11.2019 und ihren ergänzenden gutachterlichen Ausführungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 05.08.2020, dass im Fall des Beschwerdeführers die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen. Es war daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die gegenständliche, einen Einzelfall betreffende Entscheidung ist daher nicht reversibel, weil keine Rechtsfrage von Bedeutung hervorgekommen ist und sich das Erkenntnis auf die nicht als uneinheitlich zu qualifizierende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stützt.
Schlagworte
Amtssachverständiger Befangenheit Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I413.2224069.1.00Im RIS seit
20.10.2020Zuletzt aktualisiert am
20.10.2020