Index
41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz betreffend einen Staatsangehörigen von Afghanistan; mangelhafte Auseinandersetzung mit der Konversion zum evangelischen Glauben hinsichtlich der inneren ÜberzeugungSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan und stellte nach seiner Einreise in das Bundesgebiet am 19. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der am 17. November 2015 durchgeführten Erstbefragung gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, er sei von einem Kommandanten der Taliban mit dem Tod bedroht worden. Am 27. März 2018 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und führte die Gründe, die ihn zum Verlassen seiner Heimat bewogen hätten, näher aus: Er sei von einem namentlich genannten Kommandanten der Taliban bedroht worden, nachdem er bei einem Einsatz gegen diesen anwesend gewesen sei, bei dem es zu Vergewaltigungen von Frauen gekommen sei. Die Taliban hätten sechs Jahre nach diesem Vorfall den Heimatort des Beschwerdeführers angegriffen und einen seiner Kollegen getötet. In der Folge sei der Beschwerdeführer für die Dauer von zwei Jahren in den Iran gegangen. Nach seiner Rückkehr hätten die Taliban mehrmals nach ihm gesucht. Sie hätten sein Haus verwüstet und die Schafe des Beschwerdeführers erschlagen. Ferner seien ehemalige Arbeitskollegen des Beschwerdeführers entführt worden. Es sei schließlich auch auf den Beschwerdeführer geschossen worden, dieser habe jedoch flüchten können.
2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 28. März 2018 den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan ab, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel nach §57 AsylG 2005, erließ eine Rückkehrentscheidung und erklärte die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan unter Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen für zulässig.
3. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in der er im Wesentlichen vorbrachte, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Regeln der Blutrache verkenne, nach denen eine Feindschaft auch mehrere Jahrzehnte andauern könne, und dass ihm – unabhängig von der Annahme der Glaubhaftigkeit seiner Angaben – auf Grund der schlechten Sicherheits- und Versorgungslage für Rückkehrer in Afghanistan (auch in Kabul) eine innerstaatliche Fluchtalternative weder möglich noch zumutbar sei.
4. Am 17. September 2019 legte der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht einen Taufschein vor, aus dem hervorgeht, dass er am 23. Juni 2019 in der Evangelischen Pfarrgemeinde A.B. Wien-Simmering getauft wurde.
5. Das Bundesverwaltungsgericht hat am 18. September 2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Folgenden werden die Befragungen des Beschwerdeführers und der als Zeugin einvernommenen Pfarrerin der Evangelischen Pfarrgemeinde A.B. Wien-Simmering wörtlich wiedergegeben:
"ER: Ich habe gerade erfahren, dass Sie sich taufen haben lassen, warum haben Sie das Gericht nicht früher informiert?
BF: Ich bin ca. seit drei Monaten jetzt getauft. Entweder hat es sich nicht ergeben oder ich habe daran nicht gedacht dies dem Gericht zu melden.
ER: Haben Sie vor der Taufe eine Art Vorbereitungskurs besucht?
BF: Ja. Ich habe ca. sechs, sieben Monate zuvor Kurse besucht. Jetzt besuche ich auch den Kurs, dieser findet einmal in der Woche statt und nennt sich 'Taufkurs'.
[…]
ER: Aus dem Akt geht in keinster Weise hervor, dass Sie irgendein Interesse am christlichen Glauben haben, d. h., das Ganze ist eher neu. Wie ist denn Ihr neues Interesse […] am christlichen Glauben entstanden?
BF: Am Anfang konnte ich die Sprache nicht und hatte auch kaum Kontakte. Danach habe ich ein bisschen die Sprache gelernt, hatte dann Kontakte und so wurde auch mein Interesse in diese Richtung geweckt. Ich war ehrenamtlich bei der 'Wiener Tafel' und bei der Caritas tätig. Dort wurde auch einiges über diesen Weg gesprochen und so ist immer mehr Interesse entstanden.
ER: Warum haben Sie sich für die Evangelische Kirche entschieden?
BF: Weil es im Evangelismus mehr Freiheiten gibt als im katholischen oder protestantischen Bereich.
ER: Sie sind jetzt Protestant!
BF: Ich meinte nicht Protestant, ich meinte Orthodox, ich gehöre zu den Protestanten.
ER: Welche Freiheiten meinen Sie?
BF: Ich habe diesen Weg gewählt und meine mit der Freiheit, dass im Gegensatz zum Islam, wo es immer um Erlaubtes und Verbotenes geht, 'Ungläubige' und Muslime und viel strenger ist, hier mehr Freiheiten gibt.
ER: Das war nicht meine Frage.
BF: Nachdem ich einiges in Erfahrung gebracht hatte, dass es beispielsweise bei den Katholiken den Pfarrern nicht erlaubt ist zu heiraten. Bei den Katholiken dürfen Frauen auch nicht Pfarrer werden und im Gegensatz dazu ist es im Evangelismus erlaubt und bei den Evangelischen hat man eine direkte Verbindung zu Jesus Christus und nicht wie bei den Katholiken über den Papst oder den Nächsten in der Hierarchie.
ER: Wem haben Sie denn von Ihrer Taufe erzählt?
BF: Meinen Sie wem [ich] erzählt habe, dass ich getauft bin?
ER: Ja.
BF: Was die Kirchengemeinschaft betrifft, waren dort sehr viele Leute anwesend und außerhalb der Kirche habe ich es von meiner Familie meiner Ehefrau gesagt. Ich habe auch einen Sohn eines Onkels, der in Österreich ist, er hat es selbst erfahren und findet das nicht gut, weil er ein sehr strenger Moslem ist. Ich selbst habe es ihm nicht mitgeteilt.
[…]
ER: Was ist denn für Sie der entscheidende Moment gewesen, wo Sie gedacht haben: 'Ich möchte Christ werden.' Hat es so einen Moment gegeben?
BF: Bevor ich zur Kirche ging, habe ich auch schon die Bibel studiert. Ich bin zum Ergebnis gekommen, dass der [e]inzige Weg zu Gott, der Weg über Jesus Christus ist. Gott hat seinen heiligen Sohn, Jesus Christus, auf die Erde herabgesandt um die Sünden aller Menschen zu vergeben. Er hat sich geopfert, er wurde gekreuzigt und ist nach drei Tagen wiederauferstanden.
ER: Sie haben auch Verwandte in Österreich, welche Personen sind das?
BF: In Österreich leben vier meiner Cousins. Zwei von ihnen sind österreichische Staatsbürger, einer hat Asylstatus und der vierte hat den Status des subsidiär Schutzberechtigten.
ER: Wie ist die Beziehung zu Ihren Cousins, ist diese sehr eng, sehen [S]ie sich sehr oft?
BF: Bevor ich zur Kirche ging war unser Verhältnis in Ordnung. Danach nicht mehr.
[…]
ER [nun an die Zeugin]: Welchen Beruf haben Sie?
Z: Pfarrerin in der Evangelischen Kirche in Simmering.
[…]
ER: Seit wann kennen Sie den BF?
Z: Seit Jänner 2019. Er ist […] Anfang Jänner das erste Mal – meines Wissens nach – in die Kirche gekommen.
ER: Wie oft sehen Sie den BF?
Z: Mindestens zwei- bis dreimal in der Woche.
ER: Ich nehme an, da Sie sich bereiterklär[t] haben ihn heute durch Ihre Zeugenaussage zu unterstützen, dass Sie von seinem christlichen Glauben überzeugt sind?
Z: Ja.
ER: Woher haben Sie diese Überzeugung?
Z: Diese Überzeugung begründet sich auf Grund der Vorbereitung zur Taufe, als er das erste Mal zu mir gekommen ist. Ich nehme mir in solchen Fällen immer viel Zeit für ein Gespräch. Ich beobachte auch den potenziellen Täufling im allgemeinen Umgang in der Gemeinde, schaue mir auch seine Integration in der österreichischen Gesellschaft an und mache mir ein Bild von seiner Verlässlichkeit und Nächstenliebe. Formal gibt meine Kirche vor, dass wir mindestens zehn Einheiten Taufkurs abhalten, es gibt auch Taufunterlagen auf Deutsch und Farsi.
ER: Das war jetzt Ihre allgemeine Schilderung, welche Beobachtungen haben Sie beim BF gemacht?
Z: Auch als Theologin kann ich nicht in das Herz eines Menschen schauen. Ich beobachte soweit ich kann. Ich taufe nur, wenn ich vom christlichen Glauben der Person überzeugt bin. Konkret nachgefragt, was mich beim BF zu dieser Überzeugung gebracht hat, gebe ich an, dass es die Gespräche mit ihm waren. Ich habe bemerkt, dass er sehr bewegt ist, z. B. in der Osternacht hat er einen Bibelspruch vorgetragen und musste seine Gründe erklären, warum er sich für unsere Gemeinde entschieden hat, dabei hat mich seine Ernsthaftigkeit überzeugt.
ER: Waren Sie schon öfter im BVwG?
Z: Ja.
ER: Wie viele afghanische Täuflinge haben Sie schon in den letzten Jahren gehabt?
Z: Ja. Nicht so viele, ich glaube vier. Im jetzigen Taufkurs habe ich einige. Wir haben sehr strenge Bedingungen.
ER: Wie sehen diese Bedingungen aus?
Z: Es betrifft auch die ehrenamtliche Arbeit in der Gemeinde. Ich verbinde den Taufunterricht auch mit dem Gottesdienstbesuch. Wer getauft werden möchte, muss sich auch ehrenamtlich engagieren. Ich suche diese Aufgaben nach den sprachlichen Kompetenzen aus. Wer z. B. nicht gut Deutsch kann, macht Gartenarbeit. Es hat sich aber bewährt, Asylwerber zum Altersheim mitzubringen. Dort gibt es einen eigenen Gottesdienst für demente Personen, der sich – meines Erachtens – auch für Personen mit geringen Sprachkenntnissen gut eignet. Hierbei kann man zudem die Nächstenliebe einer Person gut miterleben.
ER: Sie haben gesagt, Sie haben Personen schon abgelehnt zu taufen. Welche Personen waren das?
Z: Wenn z. B. jemand beim Erstgespräch schon mit mir über Termine diskutiert oder unentschuldigt dem Taufkurs fernbleibt. Grundsätzlich verlasse ich mich auch auf mein Bauchgefühl. Ich dokumentiere alles schriftlich, Anwesenheiten, ehrenamtliche Arbeit und ziehe das auch zur Argumentationshilfe heran, wenn es zu Diskussionen mit jemandem kommt.
ER: Wissen Sie, ob es dem BF bewusst ist oder war das schon ein Gesprächsthema zwischen Ihnen, dass er grundsätzlich, wenn er von seinem christlichen Glauben überzeugt, dadurch asylberechtigt wird?
Z: Ein Thema war es nicht, ich vermute aber, dass er das weiß. Grundsätzlich sage ich im Taufkurs immer, dass ich eine solche Motivation verstehe, aber, dass es für mich persönlich als Pfarrerin zu wenig ist.
[…]
BF (auf Deutsch): Ich möchte noch etwas sagen: Für meine Familie ist es in Pakistan sehr schwierig, es ist ein sehr muslimisches Land und ich bin jetzt Christ.
ER: Woher weiß man in Pakistan, dass Sie jetzt Christ sind?
BF (mit Dolmetsch): Ich habe zuvor erwähnt, dass ich Verwandte hier in Österreich habe, diese habe[n] die Information nach Pakistan verteilt. Ich mache mir sehr große Sorgen um meine Kinder, dass sie entweder entführt werden oder getötet werden. In Pakistan sagen die Leute, dass Leute, die vom Islam zum Christentum konvertieren, getötet werden müssen."
6. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 9. Oktober 2019 als unbegründet ab. Begründend wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
6.1. Das Bundesverwaltungsgericht stellt zunächst fest, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Afghanistan sei, der Volksgruppe der Hazara angehöre, und dass seine Muttersprache Dari sei. Er stamme aus der Provinz Ghazni, wo er zunächst fünf Jahre lang die Koranschule besucht und danach als Autolackierer beziehungsweise als Maler gearbeitet habe. Der Beschwerdeführer sei verheiratet und habe drei Kinder, die mit seiner Ehegattin in Pakistan leben würden. In Afghanistan würden der Schwiegervater, die Schwägerin und ein Neffe des Beschwerdeführers leben, zu diesen Verwandten habe er jedoch keinen Kontakt. Die Eltern des Beschwerdeführers seien bereits verstorben. In Australien beziehungsweise in Deutschland würden Brüder des Beschwerdeführers leben, mit denen er auch in Kontakt stehe. Im Bundesgebiet seien vier Cousins des Beschwerdeführers aufhältig, die zum Teil im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft seien. Der Beschwerdeführer lebe mit seinen Cousins nicht im gemeinsamen Haushalt, pflege keinen engen Kontakt zu ihnen und sei weder finanziell oder in einer sonstigen Weise von diesen abhängig.
Der Beschwerdeführer sei strafrechtlich unbescholten und beziehe Leistungen aus der Grundversorgung. Er habe mehrere Deutschkurse sowie einen Werte- und Orientierungskurs absolviert und betätige sich ehrenamtlich.
6.2. Es könne weder festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer an einem amerikanischen Sicherheitsposten gearbeitet habe, noch dass er an einer Aktion gegen die Taliban teilgenommen habe und deswegen verfolgt werde. Das Bundesverwaltungsgericht legt näher begründet dar, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich einer möglichen Verfolgung durch die Taliban auf Grund seiner diesbezüglichen Angaben, die nicht lebensnahe, nicht plausibel, widersprüchlich und teilweise gesteigert gewesen seien, sowie angesichts des persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung nicht glaubhaft sei.
6.3. Im Hinblick auf die Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers stellt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass dieser schiitischer Moslem sei. Es führt aus, dass es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten ankomme, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel etwa das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung – welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiere – sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation beziehungsweise des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel.
Der Beschwerdeführer besuche seit Jänner 2019 einen Taufkurs bei der Pfarrgemeinde A.B. Wien-Simmering, sei am 23. Juni 2019 getauft worden und suche etwa zwei- bis dreimal pro Woche die Pfarrgemeinde auf. Der Besuch des Taufkurses sowie das Engagement des Beschwerdeführers in der Pfarrgemeinde wären zwar grundsätzlich geeignet, als Indiz für eine echte innere Konversion gewertet zu werden, die Ausführungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hätten jedoch gezeigt, dass der christliche Glaube keineswegs bereits "Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers" geworden sei. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer seinem derzeitigen Interesse für den christlichen Glauben im Falle der Rückkehr nach Afghanistan weiter nachkommen würde, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass afghanische Behörden und/oder das persönliche Umfeld des Beschwerdeführers in Afghanistan von seinem Religionswechsel Kenntnis erlangen würden.
Das Bundesverwaltungsgericht führt in seiner Beweiswürdigung dazu wörtlich aus:
"So war es dem BF nicht möglich, darzulegen, was ihn persönlich dazu gebracht hat, nunmehr an die christlichen Lehren zu glauben beziehungsweise wie er zu seiner Pfarrgemeinde gekommen sei. Dazu gab er an, dass er durch sein ehrenamtliches Engagement bei der Caritas und der Wiener Tafel zur evangelischen Kirche gekommen sei (S. 4 VP). Bei der Caritas handelt es sich jedoch um eine Organisation der katholischen Kirche, sodass es wenig glaubhaft erscheint, dass dort für den evangelischen Glauben missioniert worden sei, wie der BF behauptete. Dass sich der BF nicht intensiv mit den verschiedenen christlichen Kirchen auseinandergesetzt hat, wenn er auch gewisse Unterschiede aufzählen kann (S. 4 VP), zeigt auch der Umstand, dass er angab, er habe sich für die evangelische Kirche entschieden, da es dort mehr Freiheiten als im protestantischen Bereich gebe (S. 4 VP). Auch wenn der BF auf Vorhalt angibt, dass er sich dabei geirrt habe, zeigen die weiteren Ausführungen des BF doch, dass es sich dabei um Schutzbehauptungen handelt, und der BF sich nicht mit der evangelischen Kirche und deren Glauben identifiziert.
Dass der BF nicht konvertiert ist, zeigt auch seine Aussage in Zusammenhang mit seiner Taufe. Dazu befragt, warum er diese dem Gericht nicht früher mitgeteilt habe, gab er nur an, dass er vor zirka drei Monaten getauft worden sei und es sich entweder nicht ergeben oder er nicht daran gedacht habe (S. 3 VP). Gerade von einem Konvertiten ist jedoch zu erwarten, dass er das genaue Datum seiner erst kürzlich stattgefundenen Taufe kennt und dieses auch angeben kann und nicht eine ungefähre Schätzung angibt, zumal durch die Taufe die Konversion letztlich offiziell gemacht wird und damit ein Prozess von der Abwendung seines alten Glaubens hin zum neuen Glauben abgeschlossen wird. Diesen Prozess konnte der BF darüber hinaus auch nicht nachvollziehbar schildern. Abgesehen davon, dass es nicht plausibel erscheint, dass der BF über die katholische Caritas zur evangelischen Kirche gefunden habe, konnte er auch nicht beschreiben, was für ihn der entscheidende Schritt gewesen sei, als er gespürt habe, dass er Christ werden wolle (S. 6 VP), wovon bei einem Konvertiten jedoch auszugehen wäre.
Auch die Aussage der Zeugin kann an der Einschätzung, dass der BF nicht konvertiert ist, nichts ändern. So konnte auch sie nicht darlegen, woher sie die Überzeugung nehme, dass der BF tatsächlich vom evangelischen Glauben überzeugt wäre. So gab sie danach befragt zunächst lediglich die allgemeinen Taufvoraussetzungen beziehungsweise die allgemeinen Anhaltspunkte für eine Konversion an, ohne jedoch auf den BF näher einzugehen (S. 8 VP). Die von der Zeugin weiter geschilderten Bedingungen zur Zulassung zur Taufe (S. 8f VP) zeigen, dass es dabei auch nicht um die tatsächlichen Überzeugungen des potentiellen Täuflings geht, sondern im Wesentlichen um eine Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens, wenn sie angibt, dass es dabei um ehrenamtliche Tätigkeiten in der Gemeinde und den Gottesdienstbesuch geht. So gab die Zeugin an, die Taufe zB dann zu verweigern, wenn jemand über Termine diskutiert oder unentschuldigt fernbleibt (S. 9 VP). Aus der Aussage der Zeugin ergibt sich somit, dass neben dem Besuch eines zehnstündigen Taufkurses, womit kaum die gesamten Glaubensinhalte und insbesondere die Unterschiede zum Islam abgehandelt werden können, allein das gesellschaftliche Engagement und nicht die tatsächliche Konversion zur Taufzulassung ausschlaggebend sind. Auch die Aussage des BF zeigt letztlich, dass er nicht aus Glaubensgründen konvertiert ist, sondern aufgrund des gesellschaftlichen Zusammenlebens in der von ihm besuchten Kirche, wenn er beschreibt, dass er diesen Weg gewählt habe, da es hier mehr Freiheiten gebe (S. 4 VP).
Über die angebliche Konversion des BF zum Christentum sind nach den Aussagen des BF die Pfarrgemeinde und seine Ehefrau von ihm informiert worden, während ein Cousin es selbst erfahren habe (S. 5 VP). Soweit der BF zu Ende der Verhandlung noch ausführt, dieser Cousin habe die Konversion des BF in Pakistan bekannt gemacht und es sei deswegen für seine Frau und seine Kinder schwer dort zu leben (S. 9 VP), steigert er diese Angaben und setzt sich zudem zu seinen früheren Angaben in Widerspruch, als er befragt nach seiner Ehefrau nichts von etwaigen Problemen berichtete, sondern vielmehr angab, diese würde ebenso wie der älteste Sohn, der zudem einen Englischkurs besuche, arbeiten (S. 6 VP). Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum der Cousin die Konversion in Pakistan bekannt machen sollte, da der BF nicht angab, dass dort andere Familienangehörige außer seiner Ehefrau und seiner Kinder wohnen würde[n]. Diesen Angaben kann daher nicht gefolgt werden und es ist davon auszugehen, dass außerhalb Österreichs alleine die Ehefrau des BF von seiner Taufe weiß. In Österreich weiß lediglich die Pfarrgemeinde von seiner Taufe und seiner angeblichen Konversion, was ebenfalls zeigt, dass der BF nicht tatsächlich konvertiert ist, sondern seine Taufe vielmehr geheim halten will, obwohl er in Österreich deswegen keiner Gefahr ausgesetzt wäre. Auch sonst zeigt sich beim BF nicht, dass er durch die Konversion beziehungsweise die Taufe sein Leben oder seine Einstellung in irgendeiner Weise geändert hätte.
Es ist davon auszugehen, dass weder von seiner Ehefrau noch von seiner Pfarrgemeinde im Fall einer Rückkehr des BF nach Afghanistan eine Gefahr für ihn ausgeht. Da er über keinen Kontakt nach Afghanistan verfügt (S. 5 VP), ist auch daraus keine Gefahr ableitbar. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der BF in Afghanistan den christlichen Glauben nach außen zur Schau tragen würde, zumal er das bereits in Österreich nicht tut, oder jemand von seinem Engagement in einer christlichen Gemeinschaft bei einer Rückkehr erfahren würde.
Der BF war damit nicht in der Lage substantiiert zu beschreiben, was das Christentum für ihn persönlich ausmacht und was das Besondere am christlichen Glauben für ihn ist, obwohl der BF regelmäßig an Gottesdiensten teilnimmt und nach wie vor einen Taufkurs besucht. Zusammenfassend geht das Bundesverwaltungsgericht daher davon aus, dass der BF lediglich zum Schein konvertiert ist und nicht innerlich von den christlichen Lehren überzeugt ist. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der BF seinem derzeitigen Interesse am christlichen Glauben auch bei einer Rückkehr nach Afghanistan weiter nachkommen würde. Insofern ist daher auch nicht zu befürchten, dass der BF einer Verfolgung unterliegen würde. Vielmehr war festzustellen, dass der BF nach wie vor schiitischer Moslem ist."
6.4. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes könne ferner nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Bamyan oder in die Städte Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif Gefahr laufe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten.
Im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage werde zwar mit Blick auf die (im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebenen) Länderinformationen keineswegs verkannt, dass die Situation (auch) in der Stadt Kabul nach wie vor angespannt sei. Dennoch sei davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in Bamyan, Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif möglich und zumutbar sei. Der Beschwerdeführer könnte durch seine im Ausland lebenden Brüder finanziell unterstützt werden. Soweit der Beschwerdeführer angegeben habe, dass er allgemein Probleme mit den Taliban habe, weil er Hazara sei, sei ihm zunächst zu entgegnen, dass er während des gesamten Verfahrens keine diesbezüglichen Vorfälle vorgebracht habe und in seiner Heimat (unbehelligt) zunächst die Schule besucht und dann gearbeitet habe. Abgesehen davon gebe es in Afghanistan Gebiete, in denen ausschließlich beziehungsweise hauptsächlich Hazara leben würden; auf diese Gebiete hätten die Taliban keinen Zugriff.
Der Beschwerdeführer sei gesund und arbeitsfähig. Er verfüge über Schulbildung und langjährige Berufserfahrung. Es sei ihm möglich und zumutbar, in den großen Städten Afghanistans eine berufliche Tätigkeit zu finden und er sei daher in der Lage, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Der Beschwerdeführer gehöre keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen sei, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstelle als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen könne. Zudem könne auf Grund des traditionell engen Zusammenhalts innerhalb der Familie davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer zumindest anfangs durch seine erwerbstätigen Familienmitglieder in Australien und Deutschland finanziell und/oder organisatorisch unterstützt werde. Im Übrigen werde auf die Möglichkeit verwiesen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.
6.5. Die Verfügung einer Rückkehrentscheidung sei im vorliegenden Fall geboten und auch nicht unverhältnismäßig:
Der Beschwerdeführer befinde sich seit Oktober 2015 im Bundesgebiet. Da er mit seinen in Österreich lebenden Cousins weder im gemeinsamen Haushalt lebe noch von ihnen abhängig sei oder intensiven Kontakt zu ihnen pflege, handle es sich um kein durch Art8 EMRK geschütztes Familienleben, das durch eine Rückkehrentscheidung verletzt werden könnte. Die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet werde dadurch relativiert, dass der Aufenthalt bloß auf Grund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig gewesen sei. Dies habe dem Beschwerdeführer bewusst sein müssen, weshalb in dieser Zeit eingegangene Bindungen im Bundesgebiet nicht schwer wiegen könnten. Der Beschwerdeführer habe abgesehen von dem Besuch von Deutschkursen und der Erbringung gemeinnütziger Leistungen keine weiteren Integrationsschritte in die Gesellschaft gesetzt, was sich auch darin manifestiere, dass der Beschwerdeführer über keinen großen Freundes- und Bekanntenkreis im Bundesgebiet verfüge. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet nicht straffällig geworden sei, bewirke keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit seiner persönlichen Interessen am Aufenthalt in Österreich.
7. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere in den Rechten auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander und auf Religionsfreiheit, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird. Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
7.1. Das angefochtene Erkenntnis sei mit Willkür behaftet, weil das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf den Religionswechsel des Beschwerdeführers vom Islam zum Christentum kein ordentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt habe. Es habe dem Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung keinerlei Fragen zu christlichen Glaubensinhalten gestellt und sei daher nicht zur Beurteilung in der Lage gewesen, wie intensiv sich der Beschwerdeführer mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt habe. Dem Beschwerdeführer sei dadurch verwehrt worden, sein Wissen über christliche Glaubensinhalte unter Beweis zu stellen. Die Beweiswürdigung im angefochtenen Erkenntnis sei spekulativ und teilweise aktenwidrig und lasse keine tatsächliche und ernsthafte Auseinandersetzung mit den konkreten Angaben des Beschwerdeführers auf die ihm durch die erkennende Richterin gestellten Fragen erkennen. Auch habe das Bundesverwaltungsgericht die Aussage der in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugin tendenziös beziehungsweise überhaupt nicht gewürdigt. Vor dem Hintergrund der Aussage der Zeugin – die unter anderem dargelegt habe, dass sie nur Personen taufe, von deren Glauben sie überzeugt sei und dass es auch schon zu Ablehnungen von Taufen gekommen sei, – sei in keiner Weise nachvollziehbar, wie das Bundesverwaltungsgericht zur Auffassung gelangen habe können, dass diese nicht habe darlegen können, woher sie die Überzeugung nehme, dass der Beschwerdeführer tatsächlich einen Religionswechsel vom Islam zum evangelischen Glauben vollzogen habe.
7.2. Auf Grund der aufgezeigten, gravierenden Verfahrensfehler in jenen Punkten, die die spezielle Rückkehrsituation des Beschwerdeführers betreffen, werde der Beschwerdeführer durch das angefochtene Erkenntnis vor dem Hintergrund der tatsächlichen Lage in Afghanistan auch in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art3 EMRK verletzt.
8. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.
II. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
2. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
3. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:
3.1. Maßgeblich für die Gewährung von Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention sind – wie auch in §3 Abs2 AsylG 2005 zum Ausdruck kommt – nicht nur jene Gründe, die den Beschwerdeführer zum Verlassen des Herkunftsstaates bewogen haben, sondern auch jene, die zum Entscheidungszeitpunkt eine asylrelevante Verfolgung begründen können (vgl zB VfGH 27.2.2018, E2958/2017 mwN).
3.2. Im vorliegenden Fall könnte eine Konversion des Beschwerdeführers einen solchen Grund darstellen. Für die Beurteilung, ob es sich bei der Konversion des Beschwerdeführers um eine Scheinkonversion handelt, kommt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wie jener des Verwaltungsgerichtshofes der Frage der inneren (Glaubens-)Überzeugung des Beschwerdeführers maßgebliche Bedeutung zu (vgl VfSlg 19.837/2013; VfGH 12.6.2013, U2087/2012; 22.9.2014, U2193/2013; VwGH 2.9.2015, Ra 2015/19/0091; 23.5.2017, Ra 2017/17/0028). Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist die Glaubwürdigkeit der Konversion anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln (vgl zB VfSlg 19.837/2013). Sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, muss sich auf Grund der Persönlichkeit, aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins Einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen ergeben können, ein detaillierter Eindruck darüber verschafft werden, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht (vgl VfSlg 19.837/2013; VfGH 22.9.2014, U2193/2013; 27.2.2018, E2958/2017; 26.2.2019, E4695/2018).
3.3. Diesen Anforderungen wird das Bundesverwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis nicht gerecht:
Das Bundesverwaltungsgericht führt in seiner rechtlichen Beurteilung zunächst zutreffend aus, dass es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten ankomme, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist. Ferner bezieht es sich auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel etwa das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation für den Glaubenswechsel seien.
Das Bundesverwaltungsgericht stellt im angefochtenen Erkenntnis fest, dass der Besuch des Taufkurses, die Taufe des Beschwerdeführers sowie seine Besuche in der Pfarrgemeinde grundsätzlich geeignet wären, als Indiz für eine echte innere Konversion gewertet zu werden. Es kommt jedoch zu dem Schluss, dass sich aus den Ausführungen des Beschwerdeführers sowie der Befragung seiner Taufspenderin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ergebe, dass das Christentum (noch) nicht "wesentlicher Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers" sei und bei ihm daher nicht von einer tatsächlichen christlichen Überzeugung auszugehen sei, welche er allenfalls verleugnen müsse. Der Beschwerdeführer wäre daher im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit massiven Einschränkungen im persönlichen Bereich auf Grund seiner religiösen Überzeugung und/oder einem erheblichen Verfolgungsrisiko für seine persönliche Sicherheit und physische Integrität ausgesetzt.
Die Argumentation des Bundesverwaltungsgerichtes ist vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht nachvollziehbar.
3.3.1. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass die Glaubwürdigkeit der inneren Überzeugung in einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände zu ermitteln ist. Aus den dem Verfassungsgerichtshof übermittelten Akten ergibt sich, dass es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen hat, sich einen detaillierten Eindruck im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl VfSlg 19.837/2013) darüber zu verschaffen, inwieweit der Religionswechsel des Beschwerdeführers auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht. So hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung keinerlei Fragen zu christlichen Glaubensinhalten gestellt und ihm damit keine Gelegenheit eingeräumt, sein Wissen über den christlichen Glauben darzulegen.
3.3.2. Von ausschlaggebender Bedeutung ist dabei insbesondere, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Überzeugung zum Teil auf Argumente gestützt hat, die zu den dem Verfassungsgerichtshof übermittelten Unterlagen im Widerspruch stehen:
3.3.2.1. Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Annahme einer Scheinkonversion zunächst darauf, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei, darzulegen, wie er zum christlichen Glauben gefunden habe beziehungsweise wie er zu seiner Pfarrgemeinde gekommen sei. Das Argument des Beschwerdeführers, er sei durch sein ehrenamtliches Engagement bei der Caritas und der "Wiener Tafel" zur evangelischen Kirche gekommen, sei im Hinblick darauf, dass es sich bei der Caritas um eine Organisation der katholischen Kirche handle, nicht nachvollziehbar. Es sei insbesondere nicht nachvollziehbar, dass "dort für den evangelischen Glauben missioniert worden sei, wie der BF behauptete". Dergleichen hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht jedoch keineswegs behauptet, sondern lediglich ausgeführt, dass im Rahmen seiner ehrenamtlichen Tätigkeit bei der Caritas und der "Wiener Tafel" über den christlichen Glauben gesprochen und dadurch sein Interesse daran geweckt worden sei (S. 4 der NS).
3.3.2.2. Das Bundesverwaltungsgericht ist ferner der Ansicht, die Aussage des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, er habe sich für die evangelische Kirche entschieden, weil es dort mehr Freiheiten als im protestantischen Bereich gebe, spreche dafür, dass der Beschwerdeführer sich nicht intensiv mit den verschiedenen christlichen Kirchen auseinandergesetzt habe. Dass der Beschwerdeführer über Vorhalt angegeben habe, dass er sich lediglich geirrt habe, sei angesichts der "weiteren Ausführungen" des Beschwerdeführers als bloße Schutzbehauptung zu qualifizieren. Das Bundesverwaltungsgericht unterlässt jedoch in der Folge eine Darlegung, um welche weiteren Ausführungen es sich handelt und begründet letztlich nicht, warum es sich um eine bloße Schutzbehauptung handelt; auch dem Verhandlungsprotokoll lässt sich diesbezüglich nichts entnehmen. Der Beschwerdeführer legte vielmehr in der Folge über entsprechende Nachfrage dar, worin er die größere Freiheit des christlichen Glaubens gegenüber dem Islam, beziehungsweise des evangelischen Glaubens gegenüber dem katholischen Glauben sieht.
3.3.2.3. Auch die Annahme, dass der Beschwerdeführer das konkrete Datum seiner Taufe nicht kenne, was nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes "gerade von einem Konvertiten" zu erwarten sei, findet keine Deckung im Akteninhalt. Der Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung ausschließlich dazu befragt, warum er das Bundesverwaltungsgericht nicht früher über die Tatsache seiner Taufe informiert habe und ob er einen Taufvorbereitungskurs besucht habe, hingegen nicht, ob er das konkrete Datum seiner Taufe nennen könne (S. 3 der NS). Die Annahme des Bundesverwaltungsgerichtes, dass der Beschwerdeführer dieses nicht angeben könne, entbehrt daher jeder Grundlage.
3.3.2.4. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes habe schließlich auch die Aussage der einvernommenen Zeugin nichts an der Einschätzung ändern können, dass der Beschwerdeführer nicht tatsächlich konvertiert sei. Sie habe insbesondere nicht begründen können, woher sie ihre Überzeugung nehme, dass der Beschwerdeführer tatsächlich vom evangelischen Glauben überzeugt wäre, weil sie lediglich allgemeine Taufvoraussetzungen beziehungsweise die allgemeinen Anhaltspunkte für eine Konversion dargelegt habe, ohne jedoch auf den Beschwerdeführer persönlich einzugehen. Die von der Zeugin geschilderten Bedingungen für die Zulassung zur Taufe würden außerdem zeigen, dass es dabei nicht um die tatsächlichen Überzeugungen des Täuflings, sondern im Wesentlichen um eine Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens gehe. Diesen Schluss zieht das Bundesverwaltungsgericht daraus, dass die Zeugin angegeben habe, dass es um ehrenamtliche Tätigkeiten in der Gemeinde und den Gottesdienstbesuch gehe und dass sie die Taufe etwa dann verweigere, wenn jemand über Termine diskutiere oder unentschuldigt (vom Taufkurs) fernbleibe. Das Bundesverwaltungsgericht lässt dabei die Aussage der Zeugin, wonach sie durch Gespräche mit dem Beschwerdeführer von dessen christlichen Glauben überzeugt worden sei und der Beschwerdeführer (in der Osternacht) auch seine Gründe für den Glaubenswechsel habe darlegen müssen (S. 8 der NS), vollkommen außer Acht, ebenso die Ausführungen der Zeugin dahingehend, dass es in ihrer Pfarrgemeinde sehr strenge Bedingungen gebe, um die Taufe zu erhalten. Die Annahme des Bundesverwaltungsgerichtes, dass es bei der Zulassung zur Taufe nicht um die tatsächlichen Überzeugungen des Täuflings, sondern im Wesentlichen um eine Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens gehe, ist vor dem Hintergrund der Zeugenaussage nicht nachvollziehbar.
3.3.2.5. Die für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes tragenden Begründungselemente, nämlich dass der Beschwerdeführer seine Motivation für den Glaubenswechsel nicht habe darlegen können, dass er das konkrete Datum seiner Taufe nicht kenne, und dass auch die einvernommene Zeugin nicht habe begründen können, wie sie zu der Überzeugung gelangt sei, dass der Beschwerdeführer tatsächlich aus innerer Überzeugung zum evangelischen Glauben konvertiert sei, stehen allesamt in Widerspruch zum Akteninhalt. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher trotz des Vorliegens äußerer Tatsachen, die einen Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich erscheinen lassen, in willkürlicher Weise nicht nachvollziehbar davon aus, dass der vom Beschwerdeführer erfolgte Religionswechsel vom Islam zum Christentum von keiner inneren Überzeugung getragen ist.
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.
2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten. Ein Ersatz der Eingabengebühr ist nicht zuzusprechen, weil der Beschwerdeführer Verfahrenshilfe im Umfang des §64 Abs1 Z1 lita ZPO genießt.
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Rückkehrentscheidung, ReligionsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:E4288.2019Zuletzt aktualisiert am
20.10.2020