Index
41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz betreffend einen Staatsangehörigen von Afghanistan; mangelhafte Auseinandersetzung mit der Konversion zum evangelischen Glauben hinsichtlich der inneren ÜberzeugungRechtssatz
Das (BVwG) stützt seine Annahme einer Scheinkonversion zunächst darauf, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei, darzulegen, wie er zum christlichen Glauben gefunden habe beziehungsweise wie er zu seiner Pfarrgemeinde gekommen sei. Das Argument des Beschwerdeführers, er sei durch sein ehrenamtliches Engagement bei der Caritas und der "Wiener Tafel" zur evangelischen Kirche gekommen, sei im Hinblick darauf, dass es sich bei der Caritas um eine Organisation der katholischen Kirche handle, nicht nachvollziehbar. Es sei insbesondere nicht nachvollziehbar, dass "dort für den evangelischen Glauben missioniert worden sei, wie der BF behauptete". Dergleichen hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG jedoch keineswegs behauptet, sondern lediglich ausgeführt, dass im Rahmen seiner ehrenamtlichen Tätigkeit bei der Caritas und der "Wiener Tafel" über den christlichen Glauben gesprochen und dadurch sein Interesse daran geweckt worden sei.
Das BVwG ist ferner der Ansicht, die Aussage des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, er habe sich für die evangelische Kirche entschieden, weil es dort mehr Freiheiten als im protestantischen Bereich gebe, spreche dafür, dass der Beschwerdeführer sich nicht intensiv mit den verschiedenen christlichen Kirchen auseinandergesetzt habe. Dass der Beschwerdeführer über Vorhalt angegeben habe, dass er sich lediglich geirrt habe, sei angesichts der "weiteren Ausführungen" des Beschwerdeführers als bloße Schutzbehauptung zu qualifizieren. Das BVwG unterlässt jedoch in der Folge eine Darlegung, um welche weiteren Ausführungen es sich handelt und begründet letztlich nicht, warum es sich um eine bloße Schutzbehauptung handelt; auch dem Verhandlungsprotokoll lässt sich diesbezüglich nichts entnehmen. Der Beschwerdeführer legte vielmehr in der Folge über entsprechende Nachfrage dar, worin er die größere Freiheit des christlichen Glaubens gegenüber dem Islam, beziehungsweise des evangelischen Glaubens gegenüber dem katholischen Glauben sieht.
Auch die Annahme, dass der Beschwerdeführer das konkrete Datum seiner Taufe nicht kenne, was nach Ansicht des BVwG "gerade von einem Konvertiten" zu erwarten sei, findet keine Deckung im Akteninhalt. Der Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung ausschließlich dazu befragt, warum er das BVwG nicht früher über die Tatsache seiner Taufe informiert habe und ob er einen Taufvorbereitungskurs besucht habe, hingegen nicht, ob er das konkrete Datum seiner Taufe nennen könne. Die Annahme des BVwG, dass der Beschwerdeführer dieses nicht angeben könne, entbehrt daher jeder Grundlage.
Nach Ansicht des BVwG habe schließlich auch die Aussage der einvernommenen Zeugin nichts an der Einschätzung ändern können, dass der Beschwerdeführer nicht tatsächlich konvertiert sei. Sie habe insbesondere nicht begründen können, woher sie ihre Überzeugung nehme, dass der Beschwerdeführer tatsächlich vom evangelischen Glauben überzeugt wäre, weil sie lediglich allgemeine Taufvoraussetzungen beziehungsweise die allgemeinen Anhaltspunkte für eine Konversion dargelegt habe, ohne jedoch auf den Beschwerdeführer persönlich einzugehen. Die von der Zeugin geschilderten Bedingungen für die Zulassung zur Taufe würden außerdem zeigen, dass es dabei nicht um die tatsächlichen Überzeugungen des Täuflings, sondern im Wesentlichen um eine Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens gehe. Diesen Schluss zieht das BVwG daraus, dass die Zeugin angegeben habe, dass es um ehrenamtliche Tätigkeiten in der Gemeinde und den Gottesdienstbesuch gehe und dass sie die Taufe etwa dann verweigere, wenn jemand über Termine diskutiere oder unentschuldigt (vom Taufkurs) fernbleibe. Das BVwG lässt dabei die Aussage der Zeugin, wonach sie durch Gespräche mit dem Beschwerdeführer von dessen christlichen Glauben überzeugt worden sei und der Beschwerdeführer (in der Osternacht) auch seine Gründe für den Glaubenswechsel habe darlegen müssen, vollkommen außer Acht, ebenso die Ausführungen der Zeugin dahingehend, dass es in ihrer Pfarrgemeinde sehr strenge Bedingungen gebe, um die Taufe zu erhalten. Die Annahme des BVwG, dass es bei der Zulassung zur Taufe nicht um die tatsächlichen Überzeugungen des Täuflings, sondern im Wesentlichen um eine Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens gehe, ist vor dem Hintergrund der Zeugenaussage nicht nachvollziehbar.
Die für die Entscheidung des BVwG tragenden Begründungselemente stehen allesamt in Widerspruch zum Akteninhalt.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Rückkehrentscheidung, ReligionsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:E4288.2019Zuletzt aktualisiert am
20.10.2020