TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/27 97/17/0187

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Veröffentlicht am 27.10.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §34 Abs3;
StGB §115;
StGB §5 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des M in S, vertreten durch G & S, Rechtsanwälte KEG in K, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 7. April 1997, Zl. 19/147-2/1996, betreffend Verhängung einer Ordnungsstrafe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol verhängte mit Bescheid vom 7. April 1997 gegen den Beschwerdeführer wegen folgender beleidigender Schreibweise in der Berufung vom 7. Februar 1996 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck gemäß § 34 Abs. 3 AVG eine Ordnungsstrafe in der Höhe von S 500,--:

"Warum es der täglichen Lebenserfahrung widersprechen soll, daß sich eine Studentin der Rechtswissenschaften, die zudem mit ausgezeichnetem Erfolg maturiert hat, an einen einprägsamen, auf seine Art wohl einzigartigen Vorfall, gut erinnert, zumal ein derartig eklatanter Fehltritt eines Hilfsorganes der Straßenaufsicht für einen angehenden Juristen von besonderer Gewichtigkeit, auch keinesfalls alltäglich ist, wird von der bez. Behörde nicht erklärt. Es bleibt somit zu klären, ob dies auf mangelnden Umgang mit zumindest durchschnittlich im Geiste begabten Personen, auf eine prinzipielle Minderschätzung des Erinnerungsvermögens von Bürgern weiblichen Geschlechtes oder aber auf sonstige Voreingenommenheit der bez. Behörde zu gründen ist."

Die Ordnungsstrafe wurde mit der Begründung verhängt, in seiner Berufung vom 7. Juli 1996 habe der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der Erstbehörde bekämpft und im Hinblick auf deren Ergebnis ausgeführt, es bleibe zu klären, ob dies auf mangelnden Umgang mit zumindest durchschnittlich im Geiste begabten Personen zurückzuführen sei. Die vom Beschwerdeführer gewählte Formulierung stelle eine beleidigende Schreibweise im Sinne des § 34 Abs. 3 AVG dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 34 Abs. 3 AVG können von der Behörde Ordnungsstrafen gegen Personen verhängt werden, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen.

Zum Tatbestand der beleidigenden Schreibweise gehört, daß die Ausdrucksweise objektiv beleidigend ist, Beleidigungsabsicht wird nicht gefordert (vgl. hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1974, Zl. 1762 bis 1764/73).

Versucht man dem Inhalt des Begriffes "Beleidigung" näher zu kommen, so müssen mit ihm Ausdrucksweisen verbunden werden, die kränkend, verletzend, demütigend, entwürdigend, erniedrigend, herabsetzend, schimpflich, verunglimpfend, schmähend, verspottend, verhöhnend, der Lächerlichkeit aussetzend wirken sollen, die den Vorwurf eines verächtlichen, schändlichen, schmachvollen, sittlich verwerflichen Handelns zum Ausdruck bringen sollen, kurzum Behauptungen sind, die einer Beweisführung nicht zugänglich sind (vgl. hg. Erkenntnis vom 20. März 1979, Zlen. 727 ua./77) und für die ein Wahrheitsbeweis nicht in Frage kommen kann (vgl. Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 18. November 1961, B 73/61).

Der Verfassungsgerichtshof vertritt die Ansicht, daß Behörden einer demokratischen Gesellschaft Äußerungen der Kritik, des Unmutes und des Vorwurfes ohne übertriebene Empfindlichkeit hinnehmen müssen (vgl. Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 12. März 1992, B 101/91).

Die Kritik an der Behörde und an ihren Entscheidungen hat sich in den Grenzen der Sachlichkeit zu halten und ist in einer den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form vorzubringen (vgl. hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1985, Zl. 84/03/0155).

Der Beschwerdeführer kritisiert in der Berufungsschrift die Beweiswürdigung der Behörde und erachtet es als klärungsbedürftig, ob dies an der Art und der Häufigkeit des Umgangs mit bestimmten - wie der Beschwerdeführer es formuliert "zumindest durchschnittlich im Geiste begabten" - Personen liege. Diese Äußerung läßt durch die emotionale Fassung zwar den Unmut des Beschwerdeführers gegen die Entscheidung der Behörde erkennen, die Formulierung in der Berufungsschrift enthält aber - objektiv betrachtet - keine Beleidigung, es fehlen die dafür typischen Ausdrucksweisen. Der Vorwurf eines mangelnden Umgangs mit einer bestimmten Personengruppe - mag diese vom Beschwerdeführer auch als besonders begabt angesehen werden - erfüllt nämlich keine der oben angeführten Begriffsinhalte der Beleidigung. Die Grenzen des Anstandes sind mit der Berufungsformulierung nicht überschritten worden.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Im Hinblick auf die Entscheidung in der Sache erübrigt sich ein Abspruch des Berichters über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997170187.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

08.06.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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