TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/27 96/17/0462

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Veröffentlicht am 27.10.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
55 Wirtschaftslenkung;

Norm

BAO §161 Abs2;
BAO §161;
BAO §166;
BAO §167 Abs2;
BAO §183 Abs3;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs3 lita;
MOG 1985 §73d Abs4 idF 1994/664;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des J, vertreten durch Dr. M und Dr. R, Rechtsanwälte in K, gegen die Spruchpunkte 1 und 3 des Bescheides des Vorstandes für den Geschäftsbereich III der Agrarmarkt Austria vom 12. März 1996, Zl. GB I/Ref.1/Ko/R-4120-76E, betreffend Feststellung und Übertragung einer Einzelrichtmenge sowie Abweisung des Antrages auf Einvernahme von Personen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Vorstand für den Geschäftsbereich III der Agrarmarkt Austria (AMA) erließ an den Beschwerdeführer folgenden - auszugsweise wiedergegebenen - Bescheid vom 12. März 1996:

"1.

Über die von der Bäuerlichen Milchunion Kärnten GesmbH ... mit ihrem Schreiben vom 28. September 1994 ... der Marktordnungsstelle "Agrarmarkt Austria" (AMA) vorgelegte und (vom Beschwerdeführer) und ... unterfertigte Meldung der vorübergehenden Überlassung einer Einzelrichtmenge (ERM) gemäß § 73d Marktordnungsgesetz (MOG), BGBl. Nr. 210/1985 i.d.F. BGBl. Nr. 373/1992 wird gemäß § 73d Abs 4 leg. cit. wie folgt entschieden:

Die in der Meldung des (Beschwerdeführers), die am 5. Dezember 1994 vom Gemeindeamt ... bestätigt wurde, angeführte ERM von 4.800 kg Milch ist per 1. Juli 1991 erloschen.

Die per 1. Juli 1994 angezeigte Übertragung der ERM im Ausmaß von 4.800 kg Milch wurde nicht wirksam.

...

3.

Dem Antrag des (Beschwerdeführers) auf seine Einvernahme und Einvernahme einer weiteren Person, gestellt in seiner Eingabe vom 29. Februar 1996 ... wird keine Folge gegeben."

In der Begründung dieses Bescheides werden ein Bericht der AMA über die Revision bei einer näher bezeichneten Molkerei, Niederschriften, Stellungnahmen, Mitteilungen der Bezirkshauptmannschaft, eine Probenwertübersicht und eine Beurteilung dieser Probenwertübersicht auszugsweise wortwörtlich wiedergegeben. In diesen Beweismitteln wird unter anderem folgendes festgehalten:

"Der Mitteilung der BH Völkermarkt vom 23. Jänner 1996 ... an die AMA ist u.a. zu entnehmen, daß "ha. über den Rinderbestand des (Beschwerdeführers) keine Untersuchungslisten existieren.""

In der Beurteilung der Probenwertübersicht heißt es:

"Unter diesen Kriterien können die abweichenden Fettwerte so erklärt werden, daß hier Fremdmilcheinschüttung mit zumindest zeitweiser Entrahmung eines Teils der Anlieferungsmilch vorliegt, unter gleichzeitiger Zugabe des Rahms zum anderen Teil.

Diese Annahme wird durch den weitgehend parallelen Verlauf der Eiweiß- und Laktosewerte bestätigt. ..., der Verdacht auf Fremdmilcheinschüttung wird damit für den gesamten Anlieferungszeitraum erhärtet."

Der Beschwerdeführer gab folgende Stellungnahme ab:

    "Der Hof ... hatte eine Einzelrichtmenge von 4.800 kg

    Milch. Der Hof wurde von meiner ... Mutter bewirtschaftet,

    wobei meine Mutter im April 1989 verstorben ist. Ich selbst

    habe mich damals nicht mehr in ... aufgehalten, sondern

    habe bereits in der Bundesrepublik Deutschland gearbeitet.

    Ich habe daher meine Tante gebeten, den Hof ... weiter zu

betreuen, damit wenigstens geringe Milchmengen geliefert werden. Es hat eine Kuh daher meine Tante nach dem Tod meiner Mutter übernommen, eine weitere Kuh wurde der Schlachtung zugeführt.

Kurze Zeit darauf ist jedoch Herr X zu mir gekommen und hat mich gefragt, ob die Milchlieferungen noch weiter so funktionieren werden wie vorher, als meine Mutter den Hof bewirtschaftet hat. Mir war davon nichts bekannt und teilte mir Herr X mit, es sei vereinbart gewesen, daß vom Hof vlg X die Einzelrichtmenge am Hof (des Beschwerdeführers) zeitweise mitbeliefert wird.

Ich habe Herrn X erklärt, daß ich schon bei der Molkerei war und mir auch gesagt wurde, daß ich entweder selbst eine geringe Milchmenge liefern muß oder einen anderen Landwirt finden muß, der meine Einzelrichtmenge ausnützt. In der Folge hat dann einerseits der Hof vlg X die Milchlieferungen durchgeführt, es hat aber noch meine Tante die Milch von der verbliebenen Kuh geliefert. Später wurde auch diese Kuh verkauft, wobei ich allerdings nicht mehr weiß, wann dies genau der Fall war."

Nach Wiedergabe der Rechtsgrundlagen führte die belangte Behörde im Abschnitt "Würdigung des Sachverhaltes" aus, die Einvernahmen von Personen im Zusammenhang mit dem Fettgehalt der Milch und den oben angeführten Probewerten, mit der oben angeführten Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt, wonach über den Rinderbestand des Beschwerdeführers keine Untersuchungslisten existierten, und mit den vom Beschwerdeführer grundsätzlich bestätigten Fremdmilcheinschüttungen würden als unerheblich erachtet, weil die vom Beschwerdeführer vorgebrachten höheren Fettwerte der angeblichen Milchlieferungen nicht mit den Darlegungen der oben angeführten gutächtlichen Stellungnahme, wonach unter anderem 87,9 % der Eiweißwerte und 81,9 % der Laktosewerte im Bereich der zweifachen Streuung von 0,04 % lägen, zu vereinbaren seien. Noch dazu erschiene es unwahrscheinlich, daß in den Zeitpunkten, in denen vom Betrieb des Beschwerdeführers angeblich fettere Milch geliefert worden sei, der Fettgehalt dieser Milch im selben Ausmaß höher gewesen wäre als der Fettgehalt der Milch, die von X auf die Lieferantennummer des landwirtschaftlichen Betriebes des Beschwerdeführers fremdeingeschüttet worden sei, niedriger gewesen wäre. Gerade diese spiegelgleiche Milchablieferung bestätige den Verdacht auf Fremdmilcheinschüttung durch X auf die Lieferantennummer des Beschwerdeführers.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides enthält weiters Ausführungen zur Zulässigkeit der Erlassung des Feststellungsbescheides sowie die Feststellung, daß die ERM des Beschwerdeführers mit 1. Juli 1991 erloschen sei und diese daher an keine weitere Person zur Nutzung überlassen werden konnte.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluß vom 24. September 1996, B 1147/96-3, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch die Spruchpunkte 1 und 3 in seinem subjektiv-öffentlichen Recht auf richtige Festsetzung der ihm zustehenden Milch-Einzelrichtmenge und in seinem subjektiv öffentlichen Recht auf Bestätigung der vorübergehenden Übertragung dieser Milch-Einzelrichtmenge verletzt. Außerdem behauptet der Beschwerdeführer auch in seinem subjektiv-öffentlichen Recht auf Einhaltung von Verfahrensvorschriften verletzt zu sein, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, da vom Beschwerdeführer angebotene Beweise nicht aufgenommen worden seien. In der Beschwerde wird sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer vertritt in der Beschwerde die Ansicht, zufolge des § 76 Abs. 2 MOG i.d.F. BGBl. Nr. 330/1988 könne die Einzelrichtmenge nicht mehr berichtigt werden, weil seit dem Zeitpunkt des angeblichen Erlöschens der ERM am 1. Juli 1991 bereits mehr als drei Jahre vergangen seien. Da das Erlöschen der ERM nicht mehr ausgesprochen werden könne, könne auch die nachfolgende Übertragung der ERM an den Betrieb der weiteren Person nicht für unwirksam erklärt werden.

Zu diesem Vorbringen wird der Beschwerdeführer auf das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1997, Zl. 96/17/0481, verwiesen. In diesem Erkenntnis wurde ausgeführt, § 76 Abs. 2 MOG in der genannten Fassung könne nicht dahingehend verstanden werden, daß Sachverhalte, die länger als drei Jahre zurücklägen, bei der Mitteilung der ERM nach dem MOG nicht berücksichtigt werden dürften. § 76 Abs. 2 MOG regle nur, wie weit zurück die Änderung gegenüber den Mitteilungen des Be- und Verarbeitungsbetriebes ausgesprochen werden könnten, besage jedoch nicht, daß der Sachverhalt, auf Grund dessen die Behörde zu ihrer neuen Beurteilung komme, nicht mehr als drei Jahre zurückliegen dürfe. Die belangte Behörde konnte daher ohne den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit zu belasten, entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch vor dem Jahre 1991 liegende Sachverhalte die - nach Annahme der Behörde - zum Erlöschen der ERM geführt haben, berücksichtigen.

Die Beschwerde erweist sich jedoch aus folgendem Grund berechtigt:

Die Begründung eines Bescheides (§ 93 Abs. 3 lit. a BAO) muß erkennen lassen, welchen Sachverhalt die Behörde ihrer Entscheidung zugrundegelegt hat und aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangt ist, daß dieser Sachverhalt (und gerade dieser) vorliegt und dieser dem Tatbestand der in Betracht kommenden Norm entspricht oder nicht entspricht (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 966).

In der Begründung des angefochtenen Bescheides werden widersprechende Ermittlungsergebnisse - wörtlich zitiert - ohne klare Feststellung aneinandergereiht. Die belangte Behörde bringt nicht zum Ausdruck, welchen Sachverhalt sie ihrer Entscheidung zugrundegelegt hat und aus welchen Erwägungen sie bei den widersprechenden Beweisergebnissen zu diesem Sachverhalt gelangt ist. Der angefochtene Bescheid ist schon aus diesen Gründen mit einem Begründungsmangel behaftet. Im Beschwerdefall blieb weiters auch nach der Aussage des Beschwerdeführers, nicht mehr zu wissen, wann auch die letzte Kuh verkauft worden sei, die Frage offen, ob im Betrieb des Beschwerdeführers im maßgebenden Wahrungszeitraum tatsächlich noch eine Kuh gehalten und von dieser Milch abgeliefert wurde. Wenn auch Fremdmilcheinschüttungen vom Beschwerdeführer zugestanden wurden, ist entscheidungserheblich, in welchem Ausmaß und in welchem Zeitraum diese erfolgten und ob und in welcher Menge Milch tatsächlich auch vom Betrieb des Beschwerdeführers geliefert wurde.

Gemäß § 183 Abs. 3 BAO sind von den Parteien beantragte Beweise aufzunehmen, soweit nicht eine Beweiserhebung gemäß § 167 Abs. 1 BAO zu entfallen hat. Von der Aufnahme beantragter Beweise ist abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt werden oder unerheblich sind, wenn die Beweisaufnahme mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand verbunden wäre, es sei denn, daß die Partei sich zur Tragung der Kosten bereit erklärt und für diese Sicherheit leistet, oder wenn aus den Umständen erhellt, daß die Beweise in der offenbaren Absicht, das Verfahren zu verschleppen, angeboten worden sind. Gegen die Ablehnung der von den Parteien angebotenen Beweise ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

Die Aufnahme von Beweisen kann demnach entfallen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen unerheblich sind. Der Umfang der Ablieferung von Milch vom Hof des Beschwerdeführers und der Fremdmilcheinschüttungen waren im verwaltungsbehördlichen Verfahren zentrale Fragen, sodaß es der Behörde oblegen wäre, zur Lösung alle objektiv tauglichen und zulässigen Beweismittel heranzuziehen und vollständig auszuschöpfen. Die Abgabenbehörde durfte dabei die Aufnahme objektiv tauglicher Beweise keinesfalls mit Gründen ablehnen, die die Aussagekraft (Beweiskraft) und die Beurteilung des inneren Gehaltes vorwegnehmen (vgl. Stoll, aaO., 1766).

Werden bestimmte Beweise erst gar nicht aufgenommen, weil die Behörde dem Beweisergebnis im konkreten Verfahren von vornherein keinen Beweiswert beimißt, liegt eine unzulässige antizipative (vorgreifende) und somit rechtswidrige Beweiswürdigung vor.

Die belangte Behörde erachtete bestimmte Beweisaufnahmen als unerheblich, weil die zu erwartenden Beweisergebnisse mit anderen Beweisergebnissen nicht vereinbar seien. Damit hat die belangte Behörde die Aufnahme von Beweisen deswegen abgelehnt, weil sie Beweise vorgreifend würdigte. Daraus ergibt sich hinsichtlich des Spruchpunktes 1 der Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides.

Mit dem im Hinblick auf die durch Spruchpunkt 1 getroffene Sachentscheidung entbehrlichen Spruchpunkt 3 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf seine Einvernahme und Einvernahme einer weiteren Person keine Folge gegeben. Wie bereits dargestellt, hätte die belangte Behörde den Beweisanträgen jedoch nicht von vornherein Unerheblichkeit unterstellen dürfen. Dem Beweisantrag wurde mit einem gesonderten Abspruch keine Folge gegeben, so daß sich auch Spruchpunkt 3 des angefochtenen Bescheides aus dem dargestellten Grund als rechtswidrig erweist.

Der angefochtene Bescheid war daher in den Spruchpunkten 1 und 3 gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Beschwerdeführer hat nämlich für den Ergänzungsschriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof nur Schriftsatzaufwand, nicht jedoch auch Stempelgebührenaufwand verzeichnet. Für die in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof verzeichneten Kosten einschließlich Stempelgebühr steht dem Beschwerdeführer Aufwandersatz vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht zu.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996170462.X00

Im RIS seit

27.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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