TE Vwgh Beschluss 2020/9/14 Ra 2020/18/0357

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Veröffentlicht am 14.09.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision der N F, vertreten durch Dr. Anton Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. März 2020, W274 2189617-1/9E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin, eine iranische Staatsangehörige, stellte am 23. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den sie im Wesentlichen mit ihrer Konversion zum Christentum begründete.

2        Mit Bescheid vom 2. Februar 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Iran zulässig sei, und legte eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Das BVwG erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4        Begründend führte das BVwG - soweit für das Revisionsverfahren relevant - aus, es sei aus näher dargestellten Gründen nicht glaubhaft, dass die Revisionswerberin den christlichen Glauben innerlich angenommen habe und im Falle einer Rückkehr das Bedürfnis hätte, diesen innerlich oder äußerlich zu leben. Zur Rückkehrentscheidung hielt es fest, die Revisionswerberin befinde sich seit Ende 2015 in Österreich, ihre Familienangehörigen würden sich im Iran aufhalten. Sie gehe in Österreich keiner Arbeit nach und es seien im Verfahren keine intensiven Bindungen zu Freunden und keine umfassende Teilnahme am sozialen Leben hervorgekommen, die über Besuche von Glaubenskursen, Kirchenbesuche und Hilfsdienste hinausgehen würden. Eine außergewöhnliche Integration liege aufgrund dessen aber nicht vor, weshalb die öffentlichen Interessen die - durch den unsicheren Aufenthaltsstatus der Revisionswerberin relativierten - privaten Interessen der Revisionswerberin am Verbleib im Bundesgebiet überwiegen würden.

5        Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 9. Juni 2020, E 1367/2020-6, ablehnte und sie mit Beschluss vom 15. Juli 2020, E 1367/2020-8, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6        In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht, das BVwG sei von näher bezeichneter Judikatur zur Beurteilung der Asylrelevanz einer Konversion und zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der inneren Überzeugung abgewichen. Das BVwG habe die beantragten Zeugen nicht ausführlich genug befragt und die Angaben des Bruders der Revisionswerberin aus seiner Einvernahme verlesen und verwertet, ohne ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Zudem habe das BVwG näher bezeichnete Integrationsbemühungen der Revisionswerberin nicht erwähnt und in der Interessenabwägung gänzlich außer Acht gelassen.

Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

9        Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen.

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11       Soweit sich die Revision gegen die asylrechtliche Beurteilung der behaupteten Konversion der Revisionswerberin wendet, ist ihr entgegenzuhalten, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung der eine Konversion behauptenden Person ankommt, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers oder der Asylwerberin zu seinen oder ihren religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist. Wesentlich ist dabei, ob der oder die Fremde bei weiterer Ausübung seines oder ihres (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner oder ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. etwa VwGH 7.5.2020, Ra 2020/18/0125, mwN).

12       Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten oder der Konvertitin sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (VwGH 18.9.2019, Ra 2019/18/0239, mwN).

13       Im vorliegenden Fall führte das BVwG eine mündliche Verhandlung durch, während derer - entgegen dem Revisionsvorbringen - auch die beantragten Zeugen hinreichend genau zu den religiösen Tätigkeiten der Revisionswerberin einvernommen wurden; die (Rechtsvertretung der) Revisionswerberin machte von der Möglichkeit, weitere Fragen an die Zeugen zu stellen, keinen Gebrauch. Das BVwG kam unter Einbeziehung der Zeugenaussagen sowie weiterer Beweismittel (etwa der während der mündlichen Verhandlung verlesenen Aussage des Bruders der Revisionswerberin in einem anderen Verfahren) in einer nicht als unvertretbar zu wertenden Beweiswürdigung (zum diesbezüglichen Maßstab für das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vgl. VwGH 29.1.2020, Ra 2019/18/0258, mwN) zu dem Ergebnis, dass sich die Revisionswerberin weder im Iran mit dem Christentum beschäftigt habe, noch eine innere Konversion in Österreich erfolgt sei und damit kein nach außen hin erkennbarer „Glaubensabfall“ vorliege, weshalb unter Zugrundelegung der Länderinformationen kein asylrelevanter Flucht- oder Nachfluchtgrund festgestellt habe werden können. Dabei argumentierte das BVwG insbesondere mit Widersprüchen in den Aussagen der Revisionswerberin einerseits und ihres Bruders andererseits betreffend die Umstände, wie die Revisionswerberin das Christentum kennengelernt habe, sowie mit dem Umstand, dass die Revisionswerberin, die über keine Taufbestätigung einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft verfüge, sondern immer wieder wechselnde andere christliche Gemeinschaften aufgesucht habe, keine nachvollziehbaren Motive für ihr Interesse am Christentum und die Wahl ihrer Gemeinde nennen habe können.

14       Dem Vorwurf der Revision, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verlesung von Zeugenaussagen iSd § 46 Abs. 3 VwGVG abgewichen, ist zu entgegnen, dass es sich bei § 46 VwGVG um eine besondere Bestimmung über das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen handelt (vgl. den 2. Abschnitt des 3. Hauptstückes des VwGVG, §§ 37-52), die im vorliegenden Fall nicht anwendbar war. Auch die in der Revision zitierte Entscheidung (VwGH 6.7.2015, Ra 2014/02/0152), von der mit dem angefochtenen Erkenntnis abgewichen worden sei, ist zum Verwaltungsstrafverfahren ergangen.

15       Soweit sich die Revision gegen die Rückkehrentscheidung richtet, ist ihr entgegenzuhalten, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 3.12.2019, Ra 2019/18/0471, mwN). Liegt - wie im vorliegenden Fall - eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des oder der Betroffenen in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig vorausgesetzt, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären (vgl. etwa VwGH 18.9.2019, Ra 2019/18/0246, mwN).

16       Vor diesem Hintergrund ist dem Vorbringen, das BVwG habe die absolvierten Sprachprüfungen und die bestandene Integrationsprüfung auf dem Niveau B1, den Pflichtschulabschluss sowie den Erste-Hilfe-Kurs nicht beachtet und bei der Interessenabwägung nicht berücksichtigt, zu entgegnen, dass das BVwG die genannten Integrationsschritte der Revisionswerberin sehr wohl festgestellt, aber auch darin in vertretbarer (und somit nicht revisibler, vgl. VwGH 5.6.2019, Ra 2019/18/0192, mwN) Weise keine außergewöhnliche Integration gesehen hat.

17       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 14. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180357.L00

Im RIS seit

20.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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