TE Vwgh Beschluss 2020/9/16 Ra 2020/18/0360

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Veröffentlicht am 16.09.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des M K, vertreten durch Dr. Christian Schmaus, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Chwallagasse 4/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Februar 2020, I403 2201393-1/26E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber ist - nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) - ein Staatsangehöriger Malis und der Elfenbeinküste, wo er bei seinem Großvater mütterlicherseits aufwuchs, nachdem er nach dem Tod seines Vaters Mali gemeinsam mit seiner Mutter im Alter von sechs Monaten verlassen hatte.

2        Am 3. September 2016 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz und führte dazu aus, er sei malischer Staatsbürger, aber in der Elfenbeinküste aufgewachsen, die er aufgrund der dortigen Krise verlassen habe. Er sei nach Mali zu seinem Großvater gezogen. Dort hätten islamistische Gruppen versucht ihn zu rekrutieren, weswegen er wieder in die Elfenbeinküste zurückgekehrt sei. Nach seiner Rückkehr sei er gezwungen worden, die Volksgruppe der Ebrié zu unterstützen, weshalb er von seiner eigenen Volksgruppe der Malinké verfolgt werde und das Land habe verlassen müssen.

3        Mit Bescheid vom 17. Juni 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Mali (Spruchpunkt II.) ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Mali zulässig sei (Spruchpunkt V.), und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt VI.).

4        Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass Spruchpunkt II. und V. anstelle von „Mali“ „Mali bzw. Republik Côte d’Ivoire“ zu lauten habe, und erklärte die Revision für nicht zulässig.

5        Begründend führte das BVwG aus, der Revisionswerber habe weder in Bezug auf Mali noch auf die Elfenbeinküste eine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz hielt das BVwG fest, dass für den Revisionswerber weder im Falle seiner Rückkehr nach Mali, konkret nach Bamako, noch in die Elfenbeinküste die reale Gefahr bestehe, in eine existenzbedrohende Lage zu geraten. Der junge und erwerbsfähige Revisionswerber verfüge sowohl in Mali als auch in der Elfenbeinküste über Familie, habe eine Ausbildung zum Bäcker absolviert sowie in der Landwirtschaft und im Handel gearbeitet und werde in der Lage sein, sich eine grundlegende Existenz zu sichern. Im Rahmen der Rückkehrentscheidung führte das BVwG eine näher begründete Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG durch, in die es auch das Familienleben des mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheirateten Revisionswerbers miteinbezog.

6        Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 12. Juni 2020, E 1213/2020-8, ablehnte und sie mit Beschluss vom 14. Juli 2020, E 1213/2020-10, über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

7        Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, das BVwG habe es verabsäumt, das ivorische Staatsbürgerschaftsrecht in einem ordnungsgemäßen und amtswegig durchzuführenden Ermittlungsverfahren ausreichend festzustellen und gegen das Überraschungsverbot verstoßen, indem es dem Revisionswerber die Unterlagen, auf die das BVwG seine Erwägungen zur Doppelstaatsbürgerschaft gestützt habe, weder ausgefolgt noch ihm die Möglichkeit gegeben habe, zu diesen Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen. Überdies rügt die Revision, dass bei Asylwerbern, die keine Herkunftsprovinz hätten, nicht nur eine drohende Verletzung von Art. 2 und/oder 3 EMRK zu prüfen, sondern auch eine Prüfung dahingehend vorzunehmen sei, ob ihnen im Herkunftsstaat eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative offen stehe. Dem Revisionswerber sei eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mali nicht zumutbar.

8        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich in Bezug auf ausländisches Recht um eine Tatsachenfrage, die in einem grundsätzlich amtswegigen Ermittlungsverfahren festzustellen ist (vgl. VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0094; VwGH 28.5.2020, Ra 2020/21/0128, mwN).

13       Soweit der Revisionswerber im Zulässigkeitsvorbringen moniert, aus den Ausführungen des BVwG lasse sich nicht in nachvollziehbarer Weise der Schluss ziehen, dass er Staatsbürger der Elfenbeinküste sei, bekämpft er die dieser Feststellung zugrunde liegenden Tatsachenannahmen des BVwG betreffend das ivorische Staatsbürgerschaftsrecht und damit letztlich die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes.

14       Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung der Verwaltungsgerichte jedoch nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 10.1.2020, Ra 2019/20/0579, mwN).

15       Fallbezogen erwog das BVwG unter Verweis auf näher genannte Länderberichte, dass der Revisionswerber gemäß Art. 7 des Code de la Nationalité als Kind eines ivorischen Elternteils Staatsbürger der Elfenbeinküste sei. Er habe in der mündlichen Verhandlung angegeben, seine Mutter sei Staatsbürgerin der Elfenbeinküste, lebe mit seinen Geschwistern nach wie vor in der Elfenbeinküste und stehe mit ihm weiterhin in Kontakt. Sowohl in der Republik Côte d‘Ivoire als auch in Mali seien Doppelstaatsbürgerschaften zulässig, weshalb - wie das BVwG dem Revisionswerber auch bereits in der mündlichen Verhandlung vorhielt - von einer ivorischen Staatsbürgerschaft auszugehen sei.

16       Dass diese Beweiswürdigung unvertretbar wäre, zeigt die Revision mit ihren allgemein gehaltenen Feststellungsrügen zum ivorischen Staatsbürgerschaftsrecht ebensowenig auf wie eine hinreichende Relevanz des dabei geltend gemachten Verfahrensfehlers.

17       Soweit die Revision schließlich vorbringt, bei der Beurteilung einer Rückkehr nach Mali sei auf die Frage der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht ausreichend Bedacht genommen worden, ist darauf hinzuweisen, dass das BVwG im angefochtenen Erkenntnis nicht nur eine drohende Verletzung von Art. 2 und/oder 3 EMRK geprüft, sondern auch eine Zumutbarkeitsprüfung durchgeführt hat. So hielt es fest, der junge, gesunde und erwerbsfähige Revisionswerber habe eine Ausbildung zum Bäcker absolviert sowie in der Landwirtschaft und im Handel gearbeitet. Er verfüge auch in Mali, wo er bereits ein Jahr seines Lebens verbracht habe, über Verwandte, sodass eine Wiedereingliederung nicht unzumutbar erscheine. Zudem werde nach den Länderfeststellungen des BVwG der malische Staat im Süden des Landes seiner Schutzaufgabe gerecht, und sei die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln in den vom Staat kontrollierten Gebieten gewährleistet. Darüber hinaus sei auch eine finanzielle Unterstützung durch seine österreichische Ehefrau bzw. deren Familie wahrscheinlich. Es sei sohin davon auszugehen, dass er sich eine grundlegende Existenz sichern könne.

18       Dass diese Beurteilung durch das BVwG unvertretbar erfolgt wäre, zeigt die Revision nicht auf (vgl. VwGH 20.11.2018, Ra 2018/20/0528).

19       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 16. September 2020

Schlagworte

Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180360.L00

Im RIS seit

20.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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