TE Vwgh Beschluss 2020/9/23 Ra 2020/01/0146

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Veröffentlicht am 23.09.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §33 Abs1
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über 1. die Revision und 2. den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der F N, vertreten durch Dr. Wolfgang Boesch, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Florianigasse 57, als bestellter Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Mag. Judith Gingerl, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Wickenburggasse 26/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. März 2020, Zl. W184 2176464-2/2E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

1. Die Revision wird zurückgewiesen.

2. Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird eingestellt.

Begründung

1        Mit Erkenntnis vom 9. Mai 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Sache den Antrag der Revisionswerberin, einer somalischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz vollinhaltlich ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung der Revisionswerberin nach Somalia zulässig sei, setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2        Am 7. November 2019 stellte die Revisionswerberin neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz, den sie zusammengefasst damit begründete, dass kein Kontakt zu ihrer Familie bestehe und sich ihr Gesundheitszustand erheblich verschlechtert habe.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG diesen Antrag im Beschwerdeverfahren gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen sie, stellte fest, dass die Abschiebung der Revisionswerberin nach Somalia zulässig sei und legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Zudem erließ das BVwG ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5        Mit Antrag vom 29. Juli 2020 begehrte die Revisionswerberin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Diesen Antrag zog sie mit Schriftsatz vom 17. August 2020 zurück.

6        Zur Revision:

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG war lediglich die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrages durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgte. Das BVwG hatte dementsprechend zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist.

11       Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. etwa VwGH 14.1.2020, Ra 2019/18/0311, mwN). Die Beurteilung, ob die behauptete Sachverhaltsänderung einen solchen „glaubhaften Kern“ aufweist, erfolgt stets im Rahmen der Beweiswürdigung (vgl. VwGH 30.7.2020, Ra 2019/20/0301).

12       Die Revision macht zunächst geltend, der Kontaktabbruch zur Familie der Revisionswerberin stelle einen geänderten Sachverhalt dar. Dieses Vorbringen erachtete das BVwG jedoch als nicht glaubwürdig (vgl. zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung bei Entfernen vom festgestellten Sachverhalt VwGH 24.3.2020, Ra 2019/01/0194, mwN).

13       Soweit sich die Revision gegen die diesbezügliche Beweiswürdigung wendet, ist zunächst auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit derBeweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 20.5.2020, Ra 2020/01/0131, mwN). Eine derartige krasse Fehlbeurteilung zeigt die Revision im Ergebnis nicht auf.

14       Weiters verweist die Revisionswerberin auf ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Dem ist entgegen zu halten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 13.2.2020, Ra 2019/01/0438, mwN und Hinweis auf EGMR 13.12.2016, Paposhvili gegen Belgien, 41738/10).

15       Da die Revision nicht aufzeigt, dass die Erkrankungen der Revisionswerberin diese hohe Schwelle überschreiten würden, ist nicht ersichtlich, dass es sich um eine relevante Sachverhaltsänderung handeln würde. Soweit die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang Verfahrensmängel rügt, legt sie deren Relevanz nicht hinreichend konkret dar (vgl. zur Relevanzdarlegung bei der Behauptung von Verfahrensmängeln etwa VwGH 27.7.2020, Ra 2020/01/0130, mwN).

16       Soweit sich die Revision gegen das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung wendet, zeigt sie nicht auf, dass das BVwG von den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren abgewichen wäre (vgl. zu den Kriterien, wann eine mündliche Verhandlung im Zulassungsverfahren unterbleiben kann, aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 5.8.2020, Ra 2020/14/0103 bis 0106, mwN).

17       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

18       Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

19       Das Verfahren betreffend die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war aufgrund der Zurückziehung dieses Antrags mit Eingabe vom 17. August 2020 gemäß § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

Wien, am 23. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020010146.L00

Im RIS seit

02.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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