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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §11Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, in der Rechtssache der Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juli 2020, W187 2189532-1/7E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und nach dem FPG (Mitbeteiligter: H S, W), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 16. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 14. Februar 2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem Mitbeteiligten keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung, an der kein Vertreter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl teilgenommen hatte, mit dem Erkenntnis vom 21. Juli 2020 insofern als unbegründet ab, als sich die Beschwerde gegen die Versagung des Status des Asylberechtigten gerichtet hatte [Spruchpunkt A) I.]. Allerdings erkannte das Bundesverwaltungsgericht mit diesem Erkenntnis dem Mitbeteiligten den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung mit Gültigkeit bis zum 21. Juli 2021 [Spruchpunkte A) II. und A) III.] Die übrigen im in Beschwerde gezogenen Bescheid enthaltenen Aussprüche wurden ersatzlos behoben [Spruchpunkt A) IV.]. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erhobene Revision richtet sich ausdrücklich nur gegen die Spruchpunkte A) II. bis A) IV. des Erkenntnisses vom 21. Juli 2020.
8 Die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, der Mitbeteiligte sei aufgrund seiner Erkrankungen im Heimatland zur Sicherung seiner existenziellen Bedürfnisse auf ein soziales Netzwerk angewiesen, stellt die revisionswerbende Behörde nicht in Frage. Es wird zur Zulässigkeit der Revision aber vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe nicht festgestellt, wo sich die Angehörigen des Mitbeteiligten aufhielten. Weiters sei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Mitbeteiligte keinen Kontakt zu seinem Cousin habe. Es hätten dazu dem Mitbeteiligten in der Verhandlung ergänzende Fragen gestellt werden müssen. Das Bundesverwaltungsgericht hätte sich nicht mit den vom Mitbeteiligten bisher dazu getätigten Äußerungen begnügen dürfen. Weiters hätte das Bundesverwaltungsgericht den in Österreich als Asylberechtigten lebenden Bruder des Mitbeteiligten vernehmen müssen, weil dieser während seines Aufenthalts in Österreich über Facebook Kontakt zum im Heimatland lebenden Cousin habe herstellen können. Da das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung tragend darauf gegründet habe, dass der Mitbeteiligte im Heimatland kein soziales Netzwerk habe, sei die Relevanz des Verfahrensmangels, wonach nicht ausreichend eruiert worden sei, ob der Cousin „unterstützungsfähig“ sei, gegeben.
9 Der Sache nach wendet sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegen die Feststellungen des Bundesverwaltungsgericht mit dem Ansinnen, das Verwaltungsgericht hätte von Amts wegen weitergehende Ermittlungen - durch umfangreichere Fragestellung an den Mitbeteiligten und Befragung seines Bruders - durchführen müssen.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt es der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 23.6.2020, Ra 2020/20/0189 bis 0191, mwN). Dass dies hier der Fall wäre, wird aber in der Revision nicht aufgezeigt.
11 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde ordnungsgemäß zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen. Dass die revisionswerbende Behörde dort von ihrem Recht, Anträge und Fragen zu stellen (sh. § 21 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz, womit dieses dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Partei des Beschwerdeverfahrens zustehende Recht auch ausdrücklich gesetzlich festgelegt wurde), keinen Gebrauch gemacht hat, hat seine Ursache darin, dass kein Vertreter der Behörde an der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht teilgenommen hat.
12 Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungs- und Feststellungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss zudem auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 7.7.2020, Ra 2020/14/0147, mwN). Dieser Anforderung wird die Revision mit dem bloß allgemeinen gehaltenen Vorbringen, das Bundesverwaltungsgericht hätte erheben müssen, ob der Cousin „unterstützungsfähig“ sei, nicht gerecht. Was der Bruder des Mitbeteiligten im Fall seiner Vernehmung oder der Mitbeteiligte im Fall der ergänzenden Befragung vor dem Bundesverwaltungsgericht hätte aussagen können, wird in der Revision gleichfalls nicht dargestellt.
13 Die Revision, die sich letztlich lediglich gegen die im Einzelfall vorgenommene - nicht auf einer als unvertretbar einzustufenden Beweiswürdigung beruhende - Sachverhaltsfeststellung wendet, ohne Rechtsfragen aufzuwerfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war sohin gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 24. September 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200330.L00Im RIS seit
06.11.2020Zuletzt aktualisiert am
06.11.2020