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L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan TirolNorm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Senatspräsidentin Dr. Bayjones und Hofrätin Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der Gemeinde Ampass, vertreten durch Dr. Michael Hohenauer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Burggraben 4/2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 27. November 2017, LVwG-2017/43/1801-4, betreffend Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung der Änderung eines Flächenwidmungsplanes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (LVwG) wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 9. Juni 2017, mit dem dem Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde A (im Folgenden: Gemeinderat) vom 9. Juni 2016 betreffend die Änderung eines näher bezeichneten Flächenwidmungsplanes die aufsichtsbehördliche Genehmigung versagt worden war, als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
5 Begründend führte das LVwG - soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung - aus, aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Hinweis auf VfGH 13.6.1995, V 120/94; 28.6.1978, V 9/78; 13.3.1978, VfSlg 8280) zur Gesetzmäßigkeit eines Bebauungsplanes ergebe sich der Auftrag des Gesetzgebers, vor Erstellung eines Flächenwidmungsplanes ausreichende Entscheidungsgrundlagen zu schaffen. Der Verfassungsgerichtshof erachte eine Verordnung dann als gesetzwidrig, wenn die Entscheidungsgrundlagen so mangelhaft seien, dass eine Aussage darüber, ob die Verordnung den vom Gesetz vorgesehenen Zielen entspreche, nicht möglich erscheine. Maßgeblich sei, dass die hinreichende Entscheidungsgrundlage dem Gemeinderat bereits bei Erlassung der jeweiligen Verordnung zur Verfügung stehe.
6 Mit der gegenständlich vorliegenden Änderung des Flächenwidmungsplanes sei im Wesentlichen eine vormals im Freiland gelegene Grundfläche in eine Sonderfläche „Sonstiges land- und forstwirtschaftliches Gebäude 4 ... Stallgebäude mit Nebengebäuden und Nebenanlagen“ gemäß § 47 TROG 2011 umgewandelt worden. In einer Entfernung von lediglich 10 m zu dieser Grundfläche befänden sich als Wohngebiet gewidmete Grundstücke. Es handle sich demnach unübersehbar um ein „Zusammentreffen verschiedener Widmungen“ im Sinne des § 27 Abs. 2 lit. c TROG 2011. Um dem gesetzlichen Auftrag dieser Bestimmung gerecht zu werden, nämlich Nutzungskonflikte und wechselseitige Beeinträchtigungen weitest möglich zu vermeiden, bedürfe es umfassender Entscheidungsgrundlagen, welche sich mit den möglichen, von den jeweiligen Widmungsflächen zulässiger Weise ausgehenden Beeinträchtigungen befassten. In der vorliegenden Fallkonstellation liege es auf der Hand, dass insbesondere Lärm- und Geruchsemissionen, welche naturgemäß mit der fraglichen Widmung einhergehen könnten, einer genauen Betrachtung zu unterziehen seien.
7 Nach Auseinandersetzung mit dem dem Gemeinderat bei Beschlussfassung vorliegenden raumplanerischen Gutachten der P GmbH vom 21. März 2016, aktualisiert am 7. April 2016, sowie der Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Tirol vom 30. Mai 2016 führte das LVwG mit näherer Begründung aus, diese entsprächen nicht den Anforderungen an eine tragfähige Entscheidungsgrundlage in Angelegenheiten der örtlichen Raumordnung. Die Frage allfälliger Nutzungskonflikte aufgrund des Zusammentreffens verschiedener Widmungen wäre umfassend zu behandeln gewesen, doch würden in den Stellungnahmen weder die derzeitigen Zustände empirisch erfasst noch eine fundierte Prognose zur maßgeblichen Frage der Auswirkungen einer künftigen gesetzmäßigen Nutzung der betroffenen Fläche gestellt. Selbst die im Gutachten der P GmbH enthaltenen allgemeinen Feststellungen seien im Hinblick auf die tatsächlichen Gegebenheiten zu hinterfragen (wird näher ausgeführt). Auch der Stellungnahme der Landwirtschaftskammer ließen sich die gegenständlich relevanten Kriterien nicht entnehmen (wird näher ausgeführt). Aus der Diskussion des Gemeinderates vor Erlassung der gegenständlichen Änderung des Flächenwidmungsplanes sei gleichfalls deutlich erkennbar, dass eine Entscheidungsgrundlage zur wesentlichen Frage des § 27 Abs. 2 lit. c TROG 2011 über punktuelle Informationen zu den möglichen Bauplänen des Widmungswerbers und persönliche Eindrücke über herrschende oder auch vergangene Zustände hinaus nicht vorhanden gewesen seien. Dem Beschluss des Gemeinderates lägen demnach ausreichende Entscheidungsgrundlagen zur relevanten Frage einer allfälligen Geruchs- bzw. Lärmbelästigung nicht bzw. nicht erkennbar zu Grunde. Eine Aussage, ob die Verordnung den vom Gesetz vorgegebenen Zielen entspreche, könne daher nicht getroffen werden (Hinweis auf VfGH 13.3.1978, VfSlg 8280). Derartige Mängel könnten im aufsichtsbehördlichen Verfahren nicht behoben werden. Die nach Erlassung der Verordnung eingeholten Gutachten und Stellungnahmen seien daher nicht relevant. Der als gesetzwidrig zu qualifizierenden Verordnung sei daher die aufsichtsbehördliche Genehmigung zu versagen und die Beschwerde der Gemeinde A gegen den Versagungsbescheid abzuweisen gewesen.
8 In der Zulässigkeitsbegründung wird geltend gemacht, die Rechtsansicht des LVwG, die Entscheidungsgrundlagen des Gemeinderatsbeschlusses vom 9. Juni 2016 seien so mangelhaft gewesen, dass die Änderung des Flächenwidmungsplanes als gesetzwidrig zu qualifizieren wäre, sei unvertretbar „im Sinne eines groben Auslegungsfehlers“. Überdies habe das LVwG gegen tragende Grundsätze des Beweisverfahrens, das Parteiengehör und das Überraschungsverbot verstoßen. Eine mündliche Verhandlung vor dem LVwG sei ausdrücklich beantragt, jedoch nicht durchgeführt worden. Das LVwG habe das Gutachten der P GmbH ohne weitere Beweiserhebung in Frage gestellt, ohne der Revisionswerberin Parteiengehör mit der Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Diesfalls hätte die Revisionswerberin die schriftliche Ergänzung und/oder mündliche Erörterung des Gutachtens sowie die Einholung eines weiteren Gutachtens beantragt. Dazu wäre das LVwG schon auf Grund des Grundsatzes der Amtswegigkeit verpflichtet gewesen.
Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen dargetan, denen grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukäme.
9 Das LVwG hat sich für seine Auffassung, bereits bei Erlassung der Verordnung müssten dem Verordnungsgeber ausreichende Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung stehen, um eine Aussage treffen zu können, ob die Verordnung den vom Gesetz geforderten Zielen entspricht, demnach nicht als gesetzwidrig zu qualifizieren wäre, auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes berufen (insbesondere VfGH 28.6.1978, V 9/78; 13.3.1978, VfSlg 8280). In den Revisionszulässigkeitsgründen fehlt jegliche Auseinandersetzung mit dieser vom LVwG ins Treffen geführten Judikatur. Es wird insbesondere nicht dargelegt, weshalb diese im vorliegenden Fall nicht heranziehbar sein sollte.
10 Die Frage, ob die bei Erlassung der Verordnung vorliegenden Gutachten zur Beurteilung der entscheidungswesentlichen Fragen ausreichend sind, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 30.1.2019, Ra 2018/06/0258, mwN).
11 Mit der lapidaren Behauptung, die P GmbH habe sich eingehend mit der Frage von Nutzungskonflikten nach § 27 Abs. 2 lit. c TROG 2016 auseinandergesetzt und festgestellt, dass das Entstehen von Nutzungskonflikten nicht zu erwarten sei, wird die Unvertretbarkeit der Beurteilung des LVwG der nicht näher begründeten diesbezüglichen vierzeiligen Feststellung im Gutachten der P GmbH nicht aufgezeigt. Dies insbesondere auch im Hinblick darauf, dass das LVwG sich hinsichtlich seiner Beurteilung auf im aufsichtsbehördlichen Verfahren eingeholte Gutachten zu den durch die Geruchsbelästigung zu erwartenden Auswirkungen für die betroffenen Wohngebiete gestützt hat.
12 Soweit in den Revisionszulässigkeitsgründen Verfahrensmängel geltend gemacht werden, ist festzuhalten, dass Rechtsfragen des Verfahrensrechts nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/05/0002, mwN). Derartiges zeigen die Revisionszulässigkeitsgründe nicht auf.
13 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 25. September 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018060010.L00Im RIS seit
09.11.2020Zuletzt aktualisiert am
09.11.2020