TE Vwgh Beschluss 2020/9/29 Ra 2019/08/0115

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Veröffentlicht am 29.09.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §67 Abs10
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Strohmayer sowie die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der C H in F, vertreten durch die Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG in 6800 Feldkirch, Schloßgraben 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Mai 2019, I412 2114332-1/29E, betreffend Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Gebietskrankenkasse, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 67 Abs. 10 ASVG aus, dass die Revisionswerberin als Geschäftsführerin der H GmbH und damit nach der genannten Bestimmung haftende Vertreterin zur Zahlung näher bezeichneter Beitragsschulden der H GmbH in näher bezeichneter Höhe verpflichtet sei. Weiters sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2        Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die H GmbH habe im Zeitraum von Jänner 2009 bis August 2013 an ihre Dienstnehmer Teile des Entgelts „schwarz“ ausbezahlt. Es seien somit zu niedrige Beitragsgrundlagen gemeldet bzw. zu geringe Sozialversicherungsbeiträge entrichtet worden. Darüber hinaus seien von der H GmbH einzelne der tatsächlich bei ihr beschäftigten und von ihr entlohnten Dienstnehmer bei Scheinfirmen angemeldet worden. Wie von vornherein geplant, seien von diesen Scheinfirmen - nach Eröffnung von Insolvenzverfahren - keine Beiträge geleistet worden. Die Mittel zur Entrichtung der daraus resultierenden rückständigen Sozialversicherungsbeiträge seien im Zeitpunkt der Fälligkeit bei der H GmbH vorhanden gewesen. Im folgenden Insolvenzverfahren der H GmbH habe die Tiroler Gebietskrankenkasse eine Befriedigung ihrer Forderungen nur mehr in Höhe einer Quote von 10,763% erlangt. Die Revisionswerberin habe die Vorgänge bei der H GmbH als (alleinige) Geschäftsführerin dieses Unternehmens zu verantworten, sodass die Voraussetzungen einer Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG für die offenen Sozialversicherungsbeiträge gegeben seien.

3        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6        In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 18.11.2019, Ra 2019/08/0050, mwN).

7        Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis weiche vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 2017, Ra 2015/13/0054, sowie einem mit der Geschäftszahl bezeichneten Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ab. Mit dem Zitat einer vermeintlich mit dem angefochtenen Erkenntnis im Widerspruch stehenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes wird aber noch keine konkrete Rechtsfrage dargestellt, wenn im Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision nicht auch konkret ausgeführt wird, inwiefern das angefochtene Erkenntnis einen dieser Entscheidung widersprechenden Inhalt aufweist (vgl. VwGH 24.07.2018, Ra 2018/08/0184, mwN). Diesen Anforderungen wird die Zulassungsbegründung der Revision, in der nicht einmal ansatzweise dargelegt wird, worin ein Abweichen des Bundesverwaltungsgerichtes vom genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 2017, Ra 2015/13/0054, das im Übrigen nicht die Voraussetzungen der Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG betraf, zu erkennen wäre, nicht gerecht. Auch der Verweis der Revision auf ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes bleibt begründungslos. Dazu ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass allein durch eine abweichende Rechtsprechung eines Verwaltungsgerichtes der Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht als erfüllt angesehen werden könnte (vgl. etwa VwGH 14.11.2019, Ra 2019/22/0201, mwN).

8        Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird in der Revision weiters vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe „grundlegende Verfahrensvorschriften und Parteirechte“ missachtet, indem es „Zeugenaussagen“ bzw. „verfahrensrelevante Buchhaltungsunterlagen“ nicht berücksichtigt, ein „mangelhaftes bzw. einseitiges Ermittlungsverfahren“ durchgeführt, einen „akten- bzw. realitätswidrigen Sachverhalt“ angenommen bzw. eine grob mangelhafte Beweiswürdigung vorgenommen habe. Auch sei die Einräumung einer „angemessenen Frist zur Beschaffung von Unterlagen rechtswidrig verwehrt“ worden.

9        Rechtsfragen des Verfahrensrechts sind nur dann von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall erforderliche Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (VwGH 23.5.2020, Ra 2020/08/0010, mwN). Die Zulässigkeit der Revision aufgrund einer behaupteten Mangelhaftigkeit des Verfahrens setzt - neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel - voraus, dass auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang - im Sinn seiner Eignung, bei einem mängelfreien Verfahren zu einer anderen, für den Revisionswerber günstigeren Sachverhaltsgrundlage zu führen - konkret dargetan wird (vgl. etwa VwGH 1.7.2020, Ra 2020/08/0073). Eine im Rahmen der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe nicht weiter konkretisierte und substanziierte Behauptung eines Verfahrensmangels reicht nicht aus, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (vgl. VwGH 6.8.2019, Ra 2017/22/0020; 28.2.2019, Ra 2016/08/0058).

10       Mit ihren pauschalen, nicht näher konkretisierten Behauptungen vermag die Revision nicht darzutun, dass die Beweiswürdigung an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit litte. Soweit Verfahrensmängel behauptet werden, unterlässt sie es, die Relevanz aufzuzeigen, sodass es ihr schon deshalb nicht gelingt, im Sinn der dargestellten Rechtsprechung eine grundsätzliche Rechtsfrage aufzuwerfen.

11       Soweit in der Zulassungsbegründung schließlich - ohne weitere Ausführungen - vorgebracht wird, das Bundesverwaltungsgericht habe „Ermessensfehler bei der Inanspruchnahme der potenziell haftpflichtigen Personen begangen“, wird erkennbar behauptet, dass die Voraussetzungen der Haftung der Revisionswerberin nach § 67 Abs. 10 ASVG als (alleinige) Geschäftsführerin der H GmBH nicht gegeben gewesen wären. Die Revision legt aber nicht konkret dar, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Bundesverwaltungsgericht insoweit abgewichen wäre bzw. welche hierzu relevante Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hätte.

12       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 29. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019080115.L00

Im RIS seit

09.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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