TE Vwgh Beschluss 2020/9/30 Ra 2020/20/0277

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Veröffentlicht am 30.09.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, in der Rechtssache der Revision der M K, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bartensteingasse 16/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Februar 2020, L519 2219151-4/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin, eine georgische Staatsangehörige, stellte am 9. April 2019 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005. Bei der Revisionswerberin sei - so das dazu erstattete Vorbringen - im November 2017 Brustkrebs diagnostiziert worden. Sie sei in der Türkei behandelt worden. In Georgien habe sie keine finanzielle Unterstützung erhalten, weshalb sie gezwungen gewesen sei, wegen der medizinischen Versorgung nach Österreich zu reisen.

2        Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies diesen Antrag mit rechtskräftigem Erkenntnis vom 25. Juni 2019 im Beschwerdeverfahren ab, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Georgien zulässig sei, erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab, gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise, erteilte den Auftrag, in einem näher genannten Quartier Unterkunft zu nehmen und erließ ein auf Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot.

3        Am 11. November 2019 stellte die Revisionswerberin den vorliegenden zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Sie sei erneut eingereist, um hier ihre Behandlung fortzusetzen. Ihre alten Fluchtgründe seien aufrecht.

4        Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 5. Februar 2020 wurde dieser Antrag der Revisionswerberin gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Das BFA erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Georgien zulässig sei. Das BFA erteilte keine Frist für die freiwillige Ausreise.

5        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6        Begründend führte das BVwG aus, im Erstverfahren sei davon ausgegangen worden, dass die Revisionswerberin an Brustkrebs erkrankt sei, dafür einer Behandlung - etwa in Form einer Chemotherapie und Operation - bedürfe, und dass die entsprechende medizinische Versorgung in Georgien gewährleistet sei.

7        Aus den im Folgeantragsverfahren vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass die Revisionswerberin am 9. August 2019 in Georgien im Krankenhaus vorgesprochen habe. Als weitere Behandlungen seien u.a. eine Chemotherapie in Kombination mit personalisierter zielgerichteter Krebstherapie und in weiterer Folge eine Operation vorgeschlagen worden. Am 10. November 2019 sei die Revisionswerberin erneut in Österreich eingereist und habe sich wiederum in ärztliche Behandlung begeben. Laut vorgelegten Unterlagen habe sich eine Teilrückbildung des Tumors nach der Chemotherapie mit deutlicher Größen- und Dichteabnahme des histologisch festgestellten Karzinoms ergeben. Aufgrund dessen sei am 9. Jänner 2020 eine Operation sowie eine Entfernung der befallenen Lymphknoten durchgeführt worden. Am 16. Jänner 2020 sei die Revisionswerberin in gutem Allgemeinzustand aus dem Krankenhaus entlassen worden. Am 23. Jänner 2020 seien eine Wundkontrolle und eine Besprechung des histologischen Befundes erfolgt. Demnach seien die entnommenen Lymphknoten tumorfrei gewesen. Hinweise darauf, dass die Revisionswerberin aktuell einer neuerlichen Chemotherapie bedürfe, hätten sich aus den vorgelegten Unterlagen nicht ergeben. Laut einem mit der Beschwerde vorgelegten Schreiben befinde sich die Revisionswerberin in einer postoperativen Antikörperbehandlung. Auch Hinweise, dass sich die Revisionswerberin einer Strahlentherapie unterziehen müsse, könnten den vorgelegten Unterlagen nicht entnommen werden, sodass sogar von einer eindeutigen Verbesserung des Gesundheitszustandes gegenüber der Erstentscheidung ausgegangen werden könne. Es werde auf die Feststellungen zur Situation im Heimatland verwiesen, wonach eine Nachbehandlung von Krebserkrankungen in Georgien gewährleistet sei. Da die Revisionswerberin aus Tiflis stamme, stehe ihr dort ein entsprechendes Krebszentrum zur Verfügung. Die staatliche Krankenversicherung decke in der Regel auch 80% der Kosten. Erforderliche Medikamente könnten problemlos importiert werden, soweit sie in Georgien nicht erhältlich sein sollten. Insofern sich die Revisionswerberin darauf berufe, sich die Nachbehandlung nicht leisten zu können, schenke das Gericht diesen Angaben keinen Glauben, weil sich die Revisionswerberin erneut den Flug nach Ungarn und die Weiterreise nach Österreich und für das Verfahren einen Rechtsanwalt habe leisten können, sodass durchaus vom Vorhandensein finanzieller Mittel ausgegangen werden könne.

8        Rechtlich folgerte das BVwG daraus, dass sich weder aus dem Vorbringen der Revisionswerberin noch aus dem sonstigen Ermittlungsergebnis (sowohl hinsichtlich des Gesundheitszustandes als auch der allgemeine Lage in Georgien) Hinweise darauf ergeben hätten, dass (neue) Gründe für die Gewährung von subsidiärem Schutz vorlägen.

9        Die Revisionswerberin erhob gegen das Erkenntnis Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung derselben mit Beschluss vom 9. Juni 2020, E 728/2020-7, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

10       Die Revisionswerberin beantragte daraufhin beim Verwaltungsgerichtshof die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen das genannte Erkenntnis. Dieser Antrag wurde mit Beschluss vom 6. August 2020, Ra 2020/20/0277-4, abgewiesen.

11       In der Folge wurde die vorliegende Revision eingebracht.

12       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, zur Beurteilung der Frage, wann entschiedene Sache iSd. § 68 Abs. 1 AVG vorliege, gebe es noch keine gefestigte und einheitliche Rechtsprechung. Beim vorliegenden Sachverhalt hätten sich seit der letzten Entscheidung wesentliche Sachverhaltselemente geändert, die das BVwG genau hätte herausarbeiten müssen. Der gesundheitliche Zustand und die finanzielle Situation der Revisionswerberin hätten sich massiv verschlechtert und ihre finanzielle Situation ermögliche ihr weder in Georgien noch in der Türkei weitere Behandlungen, weshalb eine Änderung des Sachverhalts vorliege.

16       Dem ist zu erwidern, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen ist, ohne die sachliche Richtigkeit derselben nochmals zu überprüfen. Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. VwGH 3.7.2020, Ra 2020/14/0255, mwN).

17       In jenem Fall, in dem das BFA den verfahrenseinleitenden Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat, ist insoweit „Sache des Beschwerdeverfahrens“ vor dem BVwG die Frage, ob diese Zurückweisung zu Recht erfolgt ist. Das BVwG hat diesfalls zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen früheren Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist. Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts hat - von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen - im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen (vgl. VwGH 6.8.2020, Ra 2020/20/0266, mwN).

18       Weiters hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 26.6.2019, Ra 2019/20/0050 bis 0053, mwN).

19       Das BVwG ging davon aus, dass die Revisionswerberin keinen Sachverhalt vorgebracht habe, welcher die Führung eines neuerlichen Asylverfahrens erforderlich mache. Unter Berücksichtigung der vorgelegten medizinischen Unterlagen sei sogar von einer eindeutigen Verbesserung des Gesundheitszustandes der Revisionswerberin gegenüber der ersten Entscheidung auszugehen. Der Revision, die lediglich pauschal eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes geltend macht, ohne diese näher darzulegen, gelingt es nicht, diese Einschätzung zu entkräften.

20       Ausgehend von den im Verfahren vorgelegten Unterlagen, die zum Teil nach Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses datieren und aus denen sich eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Revisionswerberin und der bereits im ersten Verfahren festgestellten Krankheiten nicht ableiten lässt, kann die Einschätzung des BVwG, wonach von der Revisionswerberin keine wesentliche Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes dargelegt worden sei, fallbezogen nicht als fehlerhaft erkannt werden.

21       Entgegen dem Revisionsvorbringen setzte sich das BVwG auch mit der Leistbarkeit der notwendigen Behandlung auseinander und kam, unter Berücksichtigung der Feststellungen, nach denen im Herkunftsstaat die staatliche Krankenversicherung in der Regel 80% der Kosten decke, zu dem Ergebnis, dass sich die Revisionswerberin die erforderliche Nachbehandlung leisten könne. Dem vermag die Revision nichts Stichhaltiges entgegenzuhalten, wenn sie eine fehlende Auseinandersetzung mit dem Einzelfall geltend zu machen versucht.

22       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 30. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200277.L00

Im RIS seit

02.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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