Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr.Bott als Einzelrichter (§ 8a JN) in der Rechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch die Tautschnig Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei *****, Klagenfurt, Arnulfplatz 2, vertreten durch die Kaan Cronenberg & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Graz, wegen EUR 31.434,50 sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 23.Juli 2020, 26 Cg 86/16t-45, beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird als nichtig aufgehoben.
Dem Erstgericht wird aufgetragen, nach Ergänzung des Verfahrens über die noch offenen Gebührenanträge des Sachverständigen ***** zu entscheiden.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Ein Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof ist jedenfalls unzulässig.
Text
begründung:
Zum Verfahrensgang wird auf den Inhalt des Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 27.Juni 2018, zu 6 R 6/18a (ON 43) verwiesen.
Mit diesem Beschluss wurde einem Rekurs der klagenden Partei gegen den Gebührenbestimmungsbeschluss des Erstgerichts vom 15.Februar 2018 (ON 39) teilweise Folge gegeben und ausgesprochen, dass der angefochtene Beschluss, der hinsichtlich der Bestimmung einer Gebühr in Höhe von EUR 1.537,00 netto (EUR 1.844,40 brutto) als unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist, im Umfang der Bestimmung mit weiteren EUR 597,68 netto (EUR 717,22 brutto) bestätigt und im restlichen Umfang von EUR 4.531,99 netto sowie hinsichtlich der Auszahlungsanordnung aufgehoben und dem Erstgericht insoweit die Fällung einer neuerlichen Entscheidung aufgetragen wird.
Dieser Beschluss langte beim Erstgericht am 2.Juli 2018 ein, wobei vom Erstrichter offensichtlich nur die Wiedervorlage 10/8 verfügt wurde (AS 473 verso).
Mit Beschluss vom 11.August 2018 (ON 44), abgefertigt am 28.Juli 2020, verfügte das Erstgericht die Zustellung der genannten Entscheidung des OLG Graz, ON 43, und ordnete die Auszahlung des rechtskräftig bestimmten Gebührenbetrags in Höhe von insgesamt EUR 2.562,00 je zur Hälfte aus den erlegten Kostenvorschüssen an.
Den im Aufhebungsbeschluss vom Rekursgericht erteilten Aufträgen wurde nach dem Akteninhalt offensichtlich nicht entsprochen.
Mit dem nun angefochtenen Beschluss stellt das Erstgericht zu 1. den Gegenstand des Auftrags und den Inhalt eines Telefonats zwischen dem Erstrichter und dem Sachverständigen dar, führt aus, dass der Sachverständige innerhalb des Auftrags gehandelt habe und die zusätzlichen 38 Stunden (gemeint: an Mühewaltung) angemessen seien. Zu 2. trifft es eine weitere Auszahlungsanordnung über den Betrag von EUR 5.428,00 (strittig ist nach seinen eigenen Ausführungen jedoch noch ein Betrag von EUR 5.438,00). Eine Bestimmung der Gebühren findet sich in der angefochtenen Entscheidung nicht.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den Beschluss dahingehend abzuändern, dass die zusätzlichen Sachverständigengebühren mit maximal EUR 771,40 brutto bestimmt würden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
Der Rekurs ist schon deshalb berechtigt, da der angefochtene Beschluss an einer auch von Amts wegen aufzugreifenden Nichtigkeit leidet.
Rechtliche Beurteilung
Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass die strengere Gliederung des Urteils, wie sie etwa § 417 ZPO vorschreibt, für Beschlüsse nicht erforderlich ist, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass ein Beschluss, mit welchem über widerstreitende Anträge entschieden wird, nicht nur eine Begründung zu enthalten hat, sondern auch einen Spruch, aus welchem der Entscheidungswille des Gerichts eindeutig hervorgeht (vgl §§ 428, 429 ZPO). Auch § 114 Abs 2 GeO normiert, dass sowohl in Urteilen als auch in Beschlüssen der Spruch von der Begründung – von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen – zu sondern ist. Die hier in Betracht kommende Bestimmung des § 39 Abs 1 GebAG legt fest, dass die Gebühr (des Sachverständigen) von dem Gericht zu bestimmen ist, vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat. Nach der zu § 477 Abs 1 Z 9 ZPO (für Beschlüsse § 514 Abs 2 ZPO) ergangenen Judikatur wird die Nichtigkeit einer Entscheidung dann bejaht, wenn diese gar nicht oder so unzureichend begründet ist, dass sie sich nicht überprüfen lässt, oder aber ein Widerspruch im Spruch selbst vorliegt (RIS-Justiz RS0042133 uva). Umso mehr muss dies wohl dann gelten, wenn ein Spruch – wie hier – überhaupt fehlt.
Schon dieser Umstand muss zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen.
Völlig zutreffend zeigt die Rekurswerberin in ihrem Rechtsmittel aber auch auf, dass das Erstgericht einerseits davon ausgeht, dass von den angesprochenen Gebühren noch ein Betrag von EUR 5.438,00 (gemeint brutto) strittig sei, jedoch die Auszahlung eines Betrags von EUR 5.428,00 (dabei dürfte es sich um einen Tippfehler handeln) anordnet.
Sie bemängelt auch zu Recht, dass das vom Erstgericht den vom Rekursgericht mit Beschluss vom 27.Juni 2018 (ON 43) erteilten Aufträgen ganz offensichtlich nicht nachgekommen ist.
Die Aufhebung betrifft einen verbleibenden Betrag von EUR 5.840,24 netto, resultierend aus den Reisekosten zum Ortsaugenschein vom 8.September 2017 von EUR 42,84 netto und den Gebühren für Mühewaltung im verbleibenden Betrag von EUR 5.797,40 netto (= verzeichneter Betrag von EUR 7.110,00 abzüglich der bereits zugestandenen EUR 1.312,60), welcher sich im Hinblick auf die vom Sachverständigen unbeanstandet gebliebene Kürzung wegen Verletzung der Warnpflicht nach § 25 Abs 1a GebAG auf EUR 4.531,99 netto (EUR 5.438,38 brutto) reduziert.
Diesbezüglich wurden dem Erstgericht im ersten Rechtsgang in Seite 11 des Beschlusses detaillierte Aufträge erteilt, welchen im fortgesetzten Verfahren nachzukommen sein wird. Das Erstgericht hat nach Rücklangen der aufhebenden Entscheidung des Rekursgerichts (ON 43) im Juli 2018 bis zur Auszahlungsanordnung ON 44 (Abfertigungsvermerk vom 28.Juli 2020) offensichtlich keine weiteren Aktivitäten entfaltet – Gegenteiliges ist nicht aktenkundig – und die Rekursentscheidung offenbar gemeinsam mit dem nun angefochtenen Beschluss auch erst am 29.Juli 2020 zugestellt.
Tragender Grundsatz der Anspruchsvoraussetzungen nach dem GebAG ist, dass der Anspruch auf die Gebühr sich nach dem dem Sachverständigen erteilten gerichtlichen Auftrag richtet (§ 25 Abs 1 GebAG). Um die Berechtigung der noch strittigen Gebührenpositionen beurteilen zu können, wird das Erstgericht in Entsprechung der schon mit Beschluss ON 43 erteilten Aufträge Aktenvermerke verfassen müssen, deren Inhalt den Parteien und dem Sachverständigen zur Kenntnis zu bringen sein wird. Gleiches gilt für die schon aufgetragene Aufforderung an den Sachverständigen, genau aufzuschlüsseln, für welche Tätigkeiten er die Gebühren für Mühewaltung anspricht und jeder Tätigkeit auch die konkrete Stundenanzahl zuzuordnen (vgl Krammer/Schmidt/Guggenbichler, GebAG4 E 32ff, insbesondere E 53 zu § 39, hg 2 R 184/16w ua). Die im angefochtenen Beschluss enthaltene Begründung, der Sachverständige habe innerhalb seines Auftrags gehandelt, womit die zusätzlichen 38 Stunden angemessen erscheinen, ist diesbezüglich nicht tragfähig.
Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren den (auch schon im Beschluss ON 43) erteilten Vorgaben entsprechend über die noch ausstehenden Gebühren nach Schaffung einer entsprechenden Beweisgrundlage neuerlich zu entscheiden haben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 3 letzter Satz GebAG.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 5 ZPO.
Oberlandesgericht Graz, Abteilung 6
Textnummer
EG00180European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0639:2020:00600R00021.20K.1001.000Im RIS seit
20.10.2020Zuletzt aktualisiert am
20.10.2020