Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen ***** C***** und andere wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 202 St 126/18g der Staatsanwaltschaft Wien (AZ 43 Hv 15/20d [davor AZ 352 HR 514/18z] des Landesgerichts für Strafsachen Wien), über den Antrag der Genannten auf Erneuerung des Verfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019) den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Wien führte zu AZ 202 St 126/18g ein Ermittlungsverfahren gegen (neben anderen) ***** C***** wegen des Verdachts des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen zum Nachteil des D***** sowie gegen den Genannten unter anderem wegen des Verdachts des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB zum Nachteil der ***** C*****.
In diesem Verfahren erhob ***** C***** Einspruch wegen Rechtsverletzung gegen eine von der Kriminalpolizei von sich aus vorgenommene Sicherstellung und Auswertung jener Mobiltelefone, die dieser von ihr und ihrem Ehemann zur Widerlegung eines von dritter Seite erhobenen Vorwurfs der gefährlichen Drohung mittels SMS übergeben worden waren. Sie behauptete eine Verletzung subjektiver Rechte (§ 5 Abs 1 StPO, § 110 StPO und § 110 Abs 3 Z 1 lit d StPO) sowie ihrer Rechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach § 5 Abs 2 StPO und Art 8 EMRK sowie auf ein faires Verfahren nach §§ 50 ff StPO und Art 6 EMRK, weil von ihr gelöscht geglaubte Rohdaten von Audio- und Videoaufzeichnungen, die intimste Vorgänge aus ihrem Privatleben wiedergeben würden, nach Entkräftung des Verdachts der gefährlichen Drohung durch die Kriminalpolizei ausgewertet und zum Akt genommen worden waren (ON 64 der Hv-Akten). Sie begehrte (soweit hier relevant) die Feststellung der entsprechenden Rechtsverletzung und die Löschung der Audio- und Videodateien (§ 106 Abs 3 zweiter Satz StPO).
Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. Juni 2019, AZ 352 HR 514/18z (ON 81), wurde unter anderem diesem Einspruch dahin Folge gegeben, als eine Verletzung subjektiver Rechte durch die Auswertung von Kopien der auf den sichergestellten Mobiltelefonen befindlichen Daten durch die Kriminalpolizei ohne staatsanwaltschaftliche Anordnung („§§ 110 Abs 2, 102 Abs 1, 111 Abs 2 iVm § 106 Abs 1 Z 2 StPO“ – Punkt II) und durch die Auswertung und „Zum-Akt-Nahme“ von im Beschluss bezeichneten Lichtbildern („§§ 5 Abs 1 und 2, 6 Abs 1 zweiter Satz StPO“ – Punkt III) festgestellt und die umgehende Vernichtung der Video- und Sprachdateien – mit Ausnahme der als verfahrensrelevant eingestuften Transkripte dieser Audio- und Videodateien (ON 41 und 42) – sowie der Lichtbilder und die Löschung der allenfalls bei der Kriminalpolizei noch vorhandenen Daten angeordnet wurde (Punkt I, III und V iVm S 20 f der ON 81 der Hv-Akten).
Der dagegen gerichteten Beschwerde der ***** C***** (ON 88 der Hv-Akten) gab das Oberlandesgericht Wien als Beschwerdegericht mit Beschluss vom 26. November 2019, AZ 21 Bs 222/19d (ON 115 der Hv-Akten), nicht Folge.
Es führte aus, dass der Einspruch zurückzuweisen gewesen wäre, weil dessen Gegenstand eine von der Kriminalpolizei ohne staatsanwaltschaftliche Anordnung oder gerichtliche Genehmigung von sich aus vorgenommene Ermittlungshandlung war, die seit Aufhebung der Wortfolge „Kriminalpolizei oder“ in § 106 Abs 1 StPO idF BGBl I Nr 195/2013 nicht mehr der Kognitionsbefugnis der ordentlichen Gerichtsbarkeit unterliege.
Dessen ungeachtet pflichtete es inhaltlich dem sich auf Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 7.1057 und Pilnacek/Stricker, WK-StPO § 106 Rz 14 berufenden Erstgericht bei („Wie das Erstgericht zutreffend ausführt ...“), dass Einspruch wegen Rechtsverletzung nach §§ 106 f StPO nur Schutz gegen etwaige Verletzung von nach der StPO zustehenden subjektiven Rechten biete, wohingegen Verletzungen der durch die EMRK gewährten Grundrechte kein Bezugspunkt dafür seien.
Weiters führte das Beschwerdegericht unter Bezugnahme auf RIS-Justiz RS0124162 zusammengefasst aus, dass das Gesetz eine Verwendungsverbotskonsequenz – wie ein Umkehrschluss aus §§ 89 Abs 4, 159 Abs 3 letzter Satz StPO zeige – nur in Ausnahmefällen verlange und es sich in anderen Fällen verbiete, dem erkennenden Gericht in nicht wiedergutzumachender Weise durch ein vorzeitiges Beweisverbot (ohne ausdrückliche gesetzliche Basis) vorzugreifen.
Gegen diese Entscheidung des Oberlandesgerichts als Beschwerdegericht richtet sich der – nicht auf ein Urteil des EGMR gestützte – Antrag der ***** C***** auf Erneuerung des Verfahrens.
Durch die rechtsirrige Verneinung der Beschwerdelegitimation und eines justiziablen Beschwerdegegenstands zufolge der verfehlten Rechtsansicht, „wonach das LG Wien den [gemeint:] Einspruch zurückzuweisen gehabt hätte“, sei sie in ihrem subjektiven „Recht auf Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs“ (Art 8 MRK) und auf ein faires Verfahren (Art 6 MRK) verletzt, weil sich „der Einspruch und die Beschwerde“ auch „gegen die 'Zum-Akt-Nahme' der Transkripte und der die Aufnahmen enthaltenden DVD und gegen deren Verwendung im Verfahren“ gerichtet hätten. Insoweit bestehe ein Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot. Die Behauptung einer Verletzung von Grundrechten nach der MRK sei sehr wohl Gegenstand des Einspruchsverfahrens.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
Für einen Erneuerungsantrag, der sich nicht auf ein Urteil des EGMR stützt (RIS-Justiz RS0122228), gelten die gegenüber diesem normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen (Art 34 und 35 MRK) sinngemäß (RIS-Justiz RS0122737, RS0128394). Demnach kann der Oberste Gerichtshof erst nach Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs angerufen werden (Art 35 Abs 1 MRK). Diesem Erfordernis wird entsprochen, wenn nicht nur von allen zugänglichen (effektiven) Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht wurde (vertikale Erschöpfung), sondern darüber hinaus die geltend gemachte Konventionsverletzung zumindest der Sache nach und in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften im Instanzenzug vorgebracht wurde (horizontale Erschöpfung; vgl RIS-Justiz RS0122737 [T13]), um dem Staat auch materiell Gelegenheit zu geben, die behauptete Rechtsverletzung zu verhindern oder zu beseitigen (Grabenwarter/Pabel, EMRK6 § 13 Rz 28 ff, 36 ff; Reindl-Krauskopf, WK-StPO § 363a Rz 31 ff).
Nach § 5 Abs 1 StPO („Ausübung von Befugnissen und Aufnahme von Beweisen“ – vgl EBRV 25 BlgNR 22. GP 29 ff) dürfen Kriminalpolizei (diese in Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Dienste der Strafrechtspflege – § 18 Abs 1 StPO), Staatsanwaltschaft und Gericht nur soweit in Rechte von Personen eingreifen, als dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen und zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist.
Im Rahmen ihrer Aufgaben sind Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft verpflichtet, jeden ihnen zur Kenntnis gelangten Anfangsverdacht einer Straftat, die nicht bloß auf Verlangen einer hiezu berechtigten Person zu verfolgen ist (§ 71 Abs 1 erster Satz StPO), in einem Ermittlungsverfahren von Amts wegen aufzuklären (§ 2 Abs 1 StPO). Die Staatsanwaltschaft hat zudem das Ermittlungsverfahren zu leiten (§ 101 Abs 1 erster Satz StPO) und für die zur Entscheidung über das Einbringen der Anklage notwendigen Ermittlungen zu sorgen (§ 4 Abs 1 zweiter Satz StPO).
In diesem Sinn notwendig sind Ermittlungen zu erheblichen Tatsachen (vgl dazu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 29, 340, 409; RIS-Justiz RS0118319 [T3], RS0118316 [T7], RS0116877) – soweit hier relevant – zur Klärung, ob das Verhalten einer bestimmten Person eine rechtliche Kategorie des Kriminalstrafrechts begründet. Beigebrachte (angezeigte) Tatsachen oder Beweismittel müssen ebenso im dargestellten Sinn erheblich sein (vgl dazu sowie zu weiteren auf das Ermittlungsverfahren bezogenen erheblichen Tatsachen Ratz, Führung von Ermittlungsverfahren und Ermittlungsakt, ÖJZ 2020/103, 865 [869]).
Informationen, deren Erheblichkeit für das angesprochene Thema auch als Kontrollbeweis (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350) nicht erkennbar ist, sind vom Verfahrensgegenstand nicht umfasst. Sie dürfen weder ermittelt noch zu den Akten genommen oder dort belassen werden, was schon die ausdrücklichen Vernichtungsanordnungen in der Strafprozessordnung (siehe unten) zeigen. Die Ermittlungsakten sind nicht faktisch sondern rechtlich determiniert (Ratz, ÖJZ 2020/103, 865 [868 f]). Ebenso wenig dürfen Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht im Rahmen ihrer Aufgaben nicht erforderliche personenbezogene Daten verarbeiten (§ 74 Abs 1 erster Satz StPO).
Andererseits sind für den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens erhebliche Tatsachen – selbst wenn sie rechtswidrig ermittelt wurden – aktenmäßig festzuhalten, sofern das Gesetz nicht eine auf diese Rechtswidrigkeit bezogene besondere Anordnung zur Vernichtung (§ 89 Abs 4, § 123 Abs 3, § 124 Abs 4, § 139 Abs 4, § 142 Abs 5, § 143 Abs 1, § 159 Abs 3 StPO) oder zur getrennten Aufbewahrung oder Ausfolgung (§ 112 Abs 1, Abs 2 StPO) trifft. Aus der Verletzung eines Beweiserhebungsverbots im Ermittlungsverfahren folgt keineswegs zwingend ein Beweisverwertungsverbot (vgl Ratz, WK-StPO Vor §§ 280-296a Rz 8/7, 9, § 281 Rz 65 ff, 337 f [368]; Pilnacek/Stricker, WK-StPO § 107 Rz 27 f; RIS-Justiz RS0124162). Mit anderen Worten bedeutet das Verbot der Gewinnung einer erheblichen Tatsache für sich allein noch kein Verbot ihrer Verwendung oder Verwertung, sie also zu den Akten zu nehmen (Ratz, ÖJZ 2020/103, 865 [870]).
Vielmehr verpflichtet § 100 Abs 1 erster Satz StPO die Kriminalpolizei (iSv § 18 Abs 1 StPO) Ermittlungen (nach dem Gesagten: die im Rahmen ihrer Aufgaben zur Aufklärung von Straftaten erlangten erheblichen Tatsachen, in welchem Umfang umfassende Dokumentationspflicht besteht – Vogl, WK-StPO § 100 Rz 4; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 7.68) aktenmäßig festzuhalten, sodass Anlass, Durchführung und Ergebnis dieser Ermittlungen nachvollzogen werden können. Adressatin der darauf bezogenen Berichte ist die Staatsanwaltschaft (§ 100 Abs 2 StPO), die als Leiterin des Ermittlungsverfahrens letztlich zur Entscheidung und gegebenenfalls Anordnung gegenüber der Kriminalpolizei befugt ist, welche konkreten (auch schützenswerte Persönlichkeitsrechte betreffenden) Inhalte unter den angesprochenen Kriterien von Anlass, Durchführung und Ergebnis aktenmäßig festzuhalten sind (vgl § 100 Abs 3a StPO, wonach die Kriminalpolizei bei rechtlichen Zweifeln die Staatsanwaltschaft zu befassen hat – siehe auch EBRV 181 BlgNR 25. GP 2; Ratz, ÖJZ 2020/103, 865 [870]).
Rechtsschutz gegen derartige Entscheidungen oder Anordnungen der Staatsanwaltschaft bietet den in ihren Persönlichkeitsrechten Betroffenen Einspruch an das Gericht nach § 106 Abs 1 StPO mit – unter anderem (§ 106 Abs 3 zweiter Satz StPO) – der schlüssigen Behauptung einer Verletzung eines von § 5 Abs 1 erster Satz StPO iVm Art 8 MRK bzw § 1 DSG, allenfalls § 74 Abs 1 StPO (dazu Kudrna/Stücklberger, Datenschutz im Strafverfahren, JSt 2020, 307) geschützten subjektiven Rechts (vgl RIS-Justiz RS0130853; Pilnacek/Stricker, WK-StPO § 106 Rz 24) durch Verweigerung dessen Ausübung (Z 1), wobei – entgegen der wiedergegebenen Ansicht der Gerichte – die Garantien der MRK über die einfachgesetzliche Regelung des § 5 Abs 1 StPO sehr wohl in die Bestimmung des § 106 Abs 1 StPO einfließen (jüngst 11 Os 51/20i; Wiederin, WK-StPO § 5 Rz 39 f; ohne Einschränkung schon E. Fuchs, Rechtsschutz im Ermittlungsverfahren, ÖJZ 2007/77, 895 [896 f]; vgl auch Pilnacek/Stricker, WK-StPO § 106 Rz 11).
Prozessgegenstand eines solchen Einspruchs an das Gericht ist bei Verletzung eines subjektiven Rechts durch Verweigerung dessen Ausübung (Z 1; anders als im Bereich der Z 2 – vgl RIS-Justiz RS0128498) stets die unmittelbar rechtsverletzende abschlägige Entscheidung der Staatsanwaltschaft über ein entsprechendes Begehren (Z 1). In diesem Sinn ermöglicht § 106 Abs 4 StPO der Staatsanwaltschaft einer mittels Einspruch zur Kenntnis gelangten Rechtsverletzung „abzuhelfen“ (vgl Pilnacek/Stricker, WK-StPO § 106 Rz 26) und verpflichtet § 86 Abs 1 dritter Satz StPO das Gericht, über einen Einspruch unter anderem auszusprechen, in welchem Umfang dem Begehren stattgegeben wird.
Nun mag die Staatsanwaltschaft vorliegend ihre Verpflichtung zum Schutz von Persönlichkeitsrechten der Erneuerungswerberin (§ 1 Abs 1 DSG – soweit im Verfahren über einen Antrag auf Erneuerung überhaupt beachtlich: Art 8 MRK [RIS-Justiz RS0132365] – vgl Grabenwarter/Pabel, EMRK6 § 22 Rz 27, 39, 45; Grabenwarter/Frank, BV-G § 1 DSG Rz 2, 7) vernachlässigt haben: Sie nahm nämlich in einem Bericht der Kriminalpolizei (§ 100 StPO) enthaltene, auf einem dieser zuvor freiwillig übergebenen und sodann aus eigenem sichergestellten Datenträger gespeicherte, für das Strafverfahren jedoch unerhebliche, von § 1 Abs 1 DSG geschützte Information zu den von ihr geführten Ermittlungsakten und traf keine Anordnung gegenüber der Kriminalpolizei, diese (für das Strafverfahren unerhebliche) Information aus den von der Kriminalpolizei geführten Ermittlungsakten (wohin sie dem Bericht zufolge gelangt war) zu entfernen. Nicht im Dienste der Strafrechtspflege erfolgende Archivierung von Information durch Strafverfolgungsorgane geschieht ohne gesetzliche Deckung (Art 18 Abs 1 B-VG) und verletzt § 5 Abs 1 StPO, mithin ein Recht nach diesem Gesetz im Sinn der Z 1 des § 106 Abs 1 StPO.
Gegenstand von Erneuerung des Strafverfahrens kann diese Rechtsverletzung fallbezogen allerdings nicht sein, weil der beim Landesgericht eingebrachte Rechtsbehelf der Erneuerungswerberin sich ausschließlich gegen eigenmächtige (daher nicht der Kognition der ordentlichen Gerichte unterliegende) Tätigkeit der Kriminalpolizei richtete und keine Behauptung enthielt, dass die Staatsanwaltschaft einem auf Aufgabenerfüllung gerichteten Begehren der Erneuerungswerberin nicht entsprochen, mit anderen Worten ihr die Ausübung eines Rechts nach diesem Gesetz verweigert hätte (§ 106 Abs 1 Z 1 StPO).
In Betreff der weiters als verletzt reklamierten Rechte auf Zugang zu einem Gericht und rechtliches Gehör (Art 6 Abs 1 „und Abs 3 lit c“ – vgl zu Art 6 Abs 1 MRK Grabenwarter/Pabel, EMRK6 § 24 Rz 51 ff und 72 ff, zu Art 6 Abs 3 lit c MRK hingegen Grabenwarter/Pabel, EMRK6 § 24 Rz 119 ff) bleibt unklar, inwiefern durch die bloße Bezugnahme des Oberlandesgerichts auf die (wenngleich irrige) Rechtsansicht des Erstgerichts zur fehlenden Zulässigkeit einer Berufung auf die MRK im Einspruchsverfahren Art 6 MRK verletzt sein sollte. War doch Gegenstand der (letztinstanzlichen) Rechtsmittelentscheidung nicht der Gegenstand einer strafrechtlichen Anklage selbst – nämlich über Schuld oder Nichtschuld – (vgl Grabenwarter/Pabel, EMRK6 § 24 Rz 28), sondern vielmehr die im Einspruch an das Gericht herangetragene Rechtsverweigerung.
Schon deshalb ist auch die Reklamation von Beweiserhebungsverbot und Beweisverwertungsverbot hier nicht Gegenstand zulässiger Erneuerung (ganz abgesehen davon, dass solcherart im Ermittlungsverfahren [vermeintlich] verweigerte Beschuldigtenrechte in einem späteren Hauptverfahren [durch entsprechende Antragstellung in der Hauptverhandlung und Urteilsanfechtung – §§ 238, 281 Abs 4 StPO] wirksam im Sinn des Art 13 MRK durchgesetzt werden könnten – RIS-Justiz RS0126370; zu den unterschiedlichen Inhalten des Begriffs „Subsidiarität“ vgl ÖJZ-LS 2019/7 [Ratz]; grundlegend Ratz, Überprüfung von Entscheidungen durch den OGH in Strafsachen, ÖJZ 2010, 983 [984]).
Zurückweisung des Antrags nach § 363b Abs 2 Z 3 StPO ist die Folge.
Textnummer
E129386European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0110OS00056.20Z.1013.000Im RIS seit
20.10.2020Zuletzt aktualisiert am
20.01.2022