TE Vwgh Erkenntnis 2020/9/22 Ra 2019/05/0312

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Veröffentlicht am 22.09.2020
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Niederösterreich
L82000 Bauordnung
L82003 Bauordnung Niederösterreich
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §8
BauO NÖ 1996 §14
BauO NÖ 1996 §14 Z8
BauO NÖ 1996 §15
BauO NÖ 1996 §51 Abs4
BauO NÖ 1996 §52 Abs1 Z7
BauO NÖ 1996 §52 Abs3 Z2
BauO NÖ 1996 §53
BauO NÖ 1996 §53 Abs2
BauO NÖ 1996 §54
BauO NÖ 1996 §54 Abs3
BauO NÖ 1996 §54 Abs4
BauO NÖ 1996 §54 idF 8200-19
BauO NÖ 1996 §6 Abs2
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z3
BauO NÖ 2014 §14
BauO NÖ 2014 §15
BauO NÖ 2014 §4 Z11a
BauO NÖ 2014 §4 Z3
BauO NÖ 2014 §6 Abs2 Z3
BauRallg
BauTV NÖ 1997 §39 Abs3
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2019/05/0313
Ra 2019/05/0314

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak, Dr. Leonhartsberger und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision 1. der M H, 2. des Ing. J H und 3. der Dr. Y H, alle in R, alle vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 16. September 2019, LVwG-AV-546/003-2015, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Gemeinde R; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. O H und 2. B H, beide in R), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Gemeinde R hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Vorliegend geht es um das Bauansuchen der mitbeteiligten Parteien betreffend einen Zubau zu dem bestehenden Wohnhaus, einen (weiteren) Zubau einer Garage sowie die Errichtung eines neuen Dachgeschosses beim Wohnhaus auf dem Grundstück D-Straße 62. Östlich an das Baugrundstück grenzt das Grundstück D-Straße 62a der Revisionswerber.

2        Zur Vorgeschichte ist zunächst auf das erste Vorerkenntnis VwGH 15.5.2012, 2010/05/0095, 0096, zu verweisen. Mit diesem Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof die dort angefochtenen aufsichtsbehördlichen Bescheide der Niederösterreichischen Landesregierung mit der Begründung auf, dass sich der Ausdruck „zulässige Gebäude“ in § 54 Niederösterreichische Bauordnung (NÖ BO) 1996 nicht nur auf die Hauptfenster bestehender Gebäude auf den Nachbargrundstücken, sondern auch auf zukünftig bewilligungsfähige Gebäude bezieht. Es wäre daher zu prüfen gewesen, welche Bebauung auf der Liegenschaft der (nunmehrigen) Revisionswerber zulässig ist. Hauptfenster, die danach derzeit zulässig wären, dürften durch das Bauvorhaben in ihrem Lichteinfallswinkel von 45 Grad nicht beeinträchtigt werden. Die belangte Behörde habe verkannt, dass eine Auseinandersetzung mit dem Lichteinfall auf zulässige Hauptfenster der Nachbarliegenschaft erforderlich ist.

3        Hinsichtlich des weiteren Verfahrensgeschehens ist auf das zweite Vorerkenntnis VwGH 16.2.2017, Ra 2016/05/0038, zu verweisen. Mit diesem Erkenntnis wurde das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 1. März 2016 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil die gebotene mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht durchgeführt worden war.

4        Für das weitere Verfahren führte der Verwaltungsgerichtshof in diesem zweiten Vorerkenntnis darüber hinaus aus, bei der Prüfung der Gewährleistung des gesetzlichen Lichteinfalls sei die Höhe der tiefstgelegenen Hauptfenster bewilligter und zukünftig bewilligungsfähiger Gebäude des Nachbarn festzustellen, wobei das geplante Bauvorhaben dabei nicht zu berücksichtigen sei. In Bezug auf zukünftig bewilligungsfähige Gebäude des Nachbarn sei zu klären, welche Hauptfenster auf dem Nachbargrundstück zulässig seien. Dabei komme es im Hinblick auf die Gebäudehöhe auch auf den konkreten, rechtmäßigen Geländeverlauf an. In einem weiteren Schritt sei zu prüfen, ob das gegenständliche Bauvorhaben den gesetzlichen Lichteinfall auf diese (fiktiven) Hauptfenster des Nachbarn beeinträchtige. Dies alles sei von einem Sachverständigen nachvollziehbar begründet darzustellen.

5        In der Folge holte das Verwaltungsgericht das bautechnische Gutachten des Amtssachverständigen Dipl. Ing. L vom 10. Mai 2019 ein. Darin wurde unter anderem ausgeführt, auf dem Grundstück der Revisionswerber stehe ein Einfamilienhaus, das mit Bescheid vom 26. September 1980 bewilligt worden sei. Im Bewilligungsverfahren zu diesem Einfamilienhaus sei in einer Umgebung von bis zu ca. 4 m um das Gebäude ein an das Bauvorhaben etwas angepasstes Gelände im Plan eingezeichnet. Im Auflagenpunkt 16 des Baubewilligungsbescheides sei jedoch explizit darauf hingewiesen worden, dass die Geländeveränderung im Bereich von Nachbargrundstücken einer gesonderten Bewilligung bedürfe. Eine solche gesonderte Bewilligung befinde sich nicht im Bauakt. Daher sei davon auszugehen, dass im Bereich der Grundstücksgrenze aus rechtlicher Sicht keine Geländeveränderung erfolgt sei.

6        Beim Lokalaugenschein sei festgestellt worden, dass zwischen dem Einfamilienhaus der Revisionswerber und der Grundstücksgrenze eine gepflasterte Abfahrt hergestellt und das Gelände dadurch in einem Abstand von ca. 1 m bis ca. 5,5 m von der Grundstücksgrenze abgesenkt worden sei. Für diese Geländeabsenkung und für die Herstellung der befestigten Fläche gebe es im Bauakt betreffend das Grundstück der Revisionswerber keine Unterlagen.

7        Für das Gebiet, in dem beide Grundstücke lägen, gebe es keinen Bebauungsplan. Gemäß Gutachtensauftrag sei für die Feststellung der Lage der zulässigen Hauptfenster die aktuell gültige Rechtslage (NÖ BO 2014 idF LGBl. Nr. 53/2018) heranzuziehen.

8        Zulässige Hauptfenster auf dem Grundstück der Revisionswerber dürften in einem Abstand von 3 m und mehr von der Grundstücksgrenze errichtet werden (wurde näher dargelegt). Die Ermittlung des zulässigen Hauptfensters auf dem Grundstück der Revisionswerber (teilweise mit Verschwenkung des Lichteinfalls) werde rechnerisch mithilfe eines elektronischen Tabellenkalkulationsprogrammes durchgeführt.

9        Hauptfenster müssten so angeordnet werden, dass ein freier Lichteinfall unter 45 Grad, bei einer Verschwenkung - im Grundriss gesehen - von bis zu 30 Grad, gewährleistet sei. Gemäß § 49 Abs. 3a NÖ BO 2014 dürften nur jene Bereiche der Nachbargrundstücke für die ausreichende Belichtung herangezogen werden, die nach den Bestimmungen der NÖ BO 2014 nicht bebaut werden dürften. Ansonsten sei der freie Lichteinfall auf Hauptfenster über Eigengrund sicherzustellen. Durch die zulässige Verschwenkung der Lichtstrahlen um bis zu 30 Grad erhöhe sich der Abstand zwischen dem Hindernis und dem zulässigen Hauptfenster und der Lichteintrittspunkt verschiebe sich parallel zur Grundstücksgrenze. Die Stelle, an der der Lichtstrahl durch die seitliche Verschwenkung auf ein zulässiges Hauptfenster auf dem Grundstück der Revisionswerber auftrete, sei gegenüber dem Punkt, an dem der Lichtstrahl die zulässige Gebäudeoberkante eines Gebäudes der Mitbeteiligten berühre, um 4,04 m versetzt. Die Versetzung hangaufwärts sei immer die maßgebliche, daher werde in weiterer Folge immer die maximale Verschwenkung hangaufwärts (Richtung Norden) herangezogen.

10       Die zulässigen Hauptfenster auf dem Grundstück der Revisionswerber müssten gemäß § 4 Z 3 und 21 NÖ BO 2014 auch über dem Bezugsniveau liegen. Für das Grundstück der Revisionswerber sei das Bezugsniveau durch die bisher unveränderte Höhenlage des Geländes zu bilden (§ 4 Z 11a 1. Fall NÖ BO 2014). Da jedoch zur Herstellung der gepflasterten Abfahrt offensichtlich eine Geländeveränderung durchgeführt worden sei (Abgrabung), sei das Bezugsniveau vor Ort nicht mehr vorhanden und müsse auf Grund von historischen Unterlagen und auf Grund der Umgebung rekonstruiert werden (wurde näher dargelegt).

11       Vorbauten gemäß § 52 NÖ BO 2014 dürften im Bauwich jedenfalls errichtet werden. Diese seien gemäß § 53 Abs. 5 NÖ BO 2014 bei der Ermittlung der Gebäudehöhe und somit auch bei der Prüfung der ausreichenden Belichtung nicht zu berücksichtigen. Als zulässige Vorbauten zählten gegenständlich die Dachvorsprünge. Die Größe des Dachvorsprunges der ostseitigen Gebäudefront betrage 1 m. Der Dachvorsprung könne daher als Vorbau angesehen werden und sei für die Belichtung nicht relevant. Relevant sei dennoch die obere Begrenzung der Gebäudefront. An diese Oberkante der Gebäudefront müssten Linien im Lichteinfallswinkel von 45 Grad zur Horizontalen angelegt werden. Diese Lichtstrahlen müssten - im Grundriss gesehen - rechtwinkelig auf zulässige Hauptfenster am Grundstück der Revisionswerber sein oder dürften auch um 30 Grad zu dieser Normalen in beide Richtungen verschwenkt werden.

12       Nach weiteren Darlegungen dazu kam der Gutachter zum Schluss, dass die ausreichende Belichtung der zulässigen Hauptfenster auf dem Grundstück der Revisionswerber unter Berücksichtigung einer Verschwenkung des Lichteinfallswinkels um 30 Grad durch das gegenständliche Bauprojekt nicht beeinträchtigt werde.

13       In einer Stellungnahme vom 6. Juni 2019 führten die Revisionswerber im Wesentlichen aus, dass hinsichtlich der Nachbarrechte und der Prüfung des zu gewährleistenden Lichteinfalls auf die Bestimmungen der NÖ BO 1996 und nicht auf jene der NÖ BO 2014 abzustellen sei. Für die Geländeabsenkung und Herstellung einer befestigten Fläche für die Garagenzufahrt auf dem Grundstück der Revisionswerber gebe es einen Auswechslungsplan, für den die Revisionswerber mit Bescheid vom 26. September 1980 die baubehördliche Bewilligung erhalten hätten. Dort seien die Garage, die Zufahrt zu dieser und die Geländeveränderung für die Zufahrt deutlich dargestellt und daher bewilligt. Der Dachvorsprung betrage laut Lageplan im nördlichen Bereich 1,06 m. Der Bauwerber müsse im Übrigen sein Bauvorhaben so ausgestalten, dass der geforderte freie Lichteinfall bei einer seitlichen Abweichung (Verschwenkung) von höchstens 30 Grad in beide seitlichen Richtungen bei jedem zulässigen Hauptfenster gegeben sei. Es sei nicht nachvollziehbar, warum im Gutachten nur die Verschwenkung hangaufwärts geprüft worden sei. Bei der Prüfung der zulässigen Gebäude auf dem Grundstück der Revisionswerber sei grundsätzlich von der bewilligten Höhenlage auszugehen, zusätzlich wäre noch zu berücksichtigen, dass Geländeveränderungen im Bauland dann bewilligungsfrei seien, wenn dadurch die Belichtung der Hauptfenster des Nachbarn nicht beeinträchtigt werde. Der gegenständliche Dachvorsprung betrage im nördlichen Bereich 1,06 m und sei daher für die Belichtung relevant.

14       Am 7. Juni 2019 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht statt. Diese wurde vertagt, weil festgestellt wurde, dass der Dachvorsprung 1,06 m betrage.

15       In der Folge erstattete der Amtssachverständige Dipl. Ing. L ein ergänzendes Gutachten vom 26. Juni 2019. Darin führte er im Wesentlichen aus, dadurch, dass der Dachvorsprung im nördlichen Bereich der östlichen Gebäudefront nunmehr 1,06 m anstatt der ursprünglich für das Gutachten gemessenen 1 m betrage, könnte nur 1 m des Dachvorsprunges als Vorbau im Sinne des § 52 NÖ BO 2014 angenommen werden. Die restlichen 6 cm des Dachvorsprunges seien im Westen und im Süden durch Wände begrenzt und zählten somit als Teil des Gebäudes. Die Gebäudefront verschiebe sich damit im nördlichen Bereich um 6 cm Richtung Grundstücksgrenze der Revisionswerber. Auf die Ermittlung der zulässigen Hauptfenster auf dem Grundstück der Revisionswerber habe diese Änderung keinen Einfluss. Das Bezugsniveau bleibe ebenfalls unverändert. Der Sachverständige kam zu dem Schluss, eine Beeinträchtigung der ausreichenden Belichtung der zulässigen Hauptfenster auf dem Grundstück der Revisionswerber unter Berücksichtigung einer Verschwenkung des Lichteinfallswinkels um bis zu 30 Grad durch das Bauvorhaben sei nach wie vor nicht gegeben. Die ausreichende Belichtung der zulässigen Hauptfenster auf dem Grundstück der Revisionswerber werde unter Berücksichtigung einer Verschwenkung des Lichteinfallswinkels um 30 Grad und unter voller Berücksichtigung der Dachvorsprünge durch das Bauvorhaben nicht beeinträchtigt.

16       Die Revisionswerber äußerten sich in einer Stellungnahme vom 9. Juli 2019 ablehnend.

17       Bei der fortgesetzten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 10. Juli 2019 wurde vom Vorsitzenden unter anderem festgehalten, dass das um 6 cm überlange Vordach des Projektes im ergänzenden Gutachten berücksichtigt worden sei. Das Gutachten komme zum Ergebnis, dass selbst unter Berücksichtigung aller Messtoleranzen zugunsten der Revisionswerber noch immer ein Sicherheitsabstand von 7 cm zur Unterkante eines zukünftig zulässigen Hauptfensters bleibe.

18       Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde der Revisionswerber gegen den Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde R vom 15. April 2015 (erneut) als unbegründet abgewiesen. Eine ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

19       Begründend wurde neben der Wiedergabe des Verfahrensgeschehens und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, der Abstand des Gebäudes zur Grundstücksgrenze werde nach Aufbringung eines Vollwärmeschutzes auf 2,77 m im Süden und 2,73 m im Norden verringert. Der nördliche Zubau des Gebäudes werde etwas zurückversetzt und einen Abstand von 3 m von der Grundstücksgrenze haben. Auf dem Nachbargrundstück der Revisionswerber stehe ein Einfamilienhaus, das mit Bescheid vom 26. September 1980 bewilligt worden sei. Im „Einreichverfahren“ zu diesem Einfamilienhaus sei in einer Umgebung von bis zu ca. 4 m um das Gebäude ein an das Bauvorhaben etwas angepasstes Gelände im Plan eingezeichnet. Im Auflagenpunkt 16 des Baubewilligungsbescheides sei explizit darauf hingewiesen worden, dass die Geländeveränderung im Bereich von Nachbargrundstücken einer gesonderten Bewilligung bedürfe. Eine solche gesonderte Bewilligung finde sich nicht im Bauakt, daher könne davon ausgegangen werden, dass im Bereich der Grundstücksgrenze aus rechtlicher Sicht keine Geländeveränderung erfolgt sei. Beim Lokalaugenschein sei festgestellt worden, dass zwischen dem Einfamilienhaus der Revisionswerber und der Grundstücksgrenze zum Baugrundstück eine gepflasterte Abfahrt hergestellt und das Gelände dadurch in einem Abstand von ca. 1 m bis ca. 5,5 m von der Grundstücksgrenze abgesenkt worden sei. Für diese Geländeabsenkung und für die Herstellung der befestigten Fläche gebe es im Bauakt der Revisionswerber keine Unterlagen.

20       Während auf das Bauvorhaben auf Grund der Übergangsbestimmung des § 70 NÖ BO 2014 die NÖ BO 1996 zur Anwendung komme, sei für die zu Beginn der gemäß § 6 Abs. 2 Z 3 NÖ BO 1996 gebotenen Belichtungsprüfung notwendige Feststellung, welche Hauptfenster auf dem Grundstück der Revisionswerber zukünftig zulässig seien, die zum Entscheidungszeitpunkt des erkennenden Gerichtes geltende Rechtslage maßgebend. Daraus folge im Wesentlichen, dass einerseits eine Unterschreitung des Bauwichs von 3 m auf dem Grundstück der Revisionswerber zukünftig gesetzlich ausgeschlossen sei und andererseits für das Geländeniveau die Bestimmungen des Bezugsniveaus heranzuziehen seien.

21       Aus dem Bauakt zum Grundstück der Revisionswerber gehe hervor, dass die gegenüber der Baubewilligung abweichende Absenkung des Geländes bis zum an das Baugrundstück angrenzenden Bauwich konsenslos erfolgt sei. Daher habe der Amtssachverständige die tiefste Lage eines zukünftig bewilligungsfähigen Hauptfensters am Bauwich nicht am bestehenden Geländeniveau, sondern am Bezugsniveau bemessen müssen. Soweit die Revisionswerber die Vermessung und Heranziehung des bestehenden Geländes begehrten, würden sie die Folgen dessen konsensloser Absenkung verkennen, die vom Amtssachverständigen unberücksichtigt habe bleiben müssen.

22       Der dem Grundstück der Revisionswerber zugewandte Dachvorsprung übersteige die zulässige Länge von 1 m um 6 cm. Das Gutachten des Amtssachverständigen sei davon ausgegangen, dass bei der Belichtungsprüfung die gemäß § 52 Abs. 1 Z 7 NÖ BO 1996 zulässige Länge des Dachvorsprungs von 1 m unberücksichtigt zu bleiben habe, sodass lediglich die Überlänge von 6 cm berücksichtigt werde. Diese Vorgehensweise sei von der Wortfolge „mit denselben Beschränkungen“ des § 52 Abs. 3 Z 2 NÖ BO 1996 getragen. Die von den Revisionswerbern vertretene Rechtsansicht, nach der die Überlänge des Dachvorsprungs die Mitberücksichtigung der gesamten Länge von 106 cm zur Folge haben müsse, sei hingegen nicht vom Wortlaut des Gesetzes getragen.

23       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, es wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

24       Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

25       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

26       Die Revision ist in Anbetracht der Frage der Bemessung der Gebäudehöhe im Hinblick auf den dem Nachbarn gewährten Lichteinfall zulässig.

27       In der Revision wird im Wesentlichen ausgeführt, der Verwaltungsgerichtshof habe in keinem der beiden Vorerkenntnisse die NÖ BO 2014 angewendet, obwohl diese bei Erlassung des zweiten Vorerkenntnisses bereits in Kraft gewesen sei. Er habe vielmehr festgehalten, dass die NÖ BO 1996 ausdrücklich auch hinsichtlich der Nachbarrechte der Revisionswerber und der Prüfung des zu gewährleistenden Lichteinfalls auf deren Grundstück maßgebend sei, und nur auf die Bestimmungen der NÖ BO 1996 und nicht auf jene der NÖ BO 2014 Bezug genommen. Die beiden Bauordnungen wichen in maßgeblichen Punkten voneinander ab. Bei ausschließlicher Anwendung der NÖ BO 1996 wäre ein anderes Ergebnis der Belichtungsprüfung erzielt worden.

28       Die Belichtungsprüfung sei mit einem nur 6 cm von der aufgehenden Gebäudefassade in den Bauwich ragenden Dachvorsprung durchgeführt worden, nicht jedoch unter Berücksichtigung des nach dem Bauplan 106 cm in den Bauwich ragenden Daches. Ein Dachvorsprung sei nur zulässig, wenn er bis höchstens 1 m in den Bauwich rage. Vordächer dürften nicht generell in den Bauwich ragen, sondern es sei - jedenfalls im ungeregelten Baulandbereich, in dem der Bauwich nicht durch einen Bebauungsplan vorgegeben sei - immer zu prüfen, ob eine ausreichende Belichtung zulässiger Hauptfenster auf dem Nachbargrundstück durch Vorbauten nicht beeinträchtigt werde. Eine bezüglich der Abstands- und Belichtungsprüfung allenfalls gegebene „Privilegierung für Dachvorsprünge“ könne nur dann zu Lasten der Revisionswerber gehen, wenn nach den Bauvorschriften zulässige Bauteile im Bauwich errichtet würden. Das unzulässig weite Hineinbauen des Dachvorsprungs im aufgestockten Bereich müsse daher dazu führen, dass der Dachvorsprung mit seiner gesamten Länge bei der Prüfung des Lichteinfalls berücksichtigt werde. Der Dachvorsprung hindere den freien Lichteinfall und sei daher zwingend zu berücksichtigen. Die vom Amtssachverständigen durchgeführte Berechnung sei mit einem fiktiven Dachvorsprung von nur 0,06 m durchgeführt worden und komme daher zu einem falschen Ergebnis. Wäre der Dachvorsprung mit 106 cm zur Gänze berücksichtigt worden, hätte das Bauvorhaben nicht bewilligt werden können. Abgesehen davon hätte ein Dachvorsprung von 106 cm wegen Überlänge jedenfalls nicht genehmigt werden dürfen, zumal es dadurch zu einer unzulässigen Beeinträchtigung des Lichteinfalls auf zulässige Hauptfenster der Revisionswerber komme.

29       In § 54 Abs. 4 NÖ BO 1996 sei nicht von der ausreichenden Belichtung die Rede, sondern es sei demgemäß der Lichteinfall unter 45 Grad zu gewährleisten. Eine Berücksichtigung einer Verschwenkung, wie sie nun § 4 Z 3 NÖ BO 2014 vorsehe, sei nicht erwähnt. Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes, die sich mit der Berücksichtigung der Verschwenkung des freien Lichteinfalls von 30 Grad befassten, seien zu § 51 Abs. 4 bzw. § 53 Abs. 2 NÖ BO 1996 ergangen, nicht jedoch zu § 54 NÖ BO 1996. Außerdem müsse demnach der Bauwerber sein Bauvorhaben so ausgestalten, dass der geforderte Lichteinfall bei einer seitlichen Verschwenkung von höchstens 30 Grad in beide seitlichen Richtungen bei jedem zulässigen Hauptfenster des Nachbarn gegeben sei. Der Privatsachverständige Dipl. Ing. C habe ausgeführt, dass bei einer Anwendung der Verschwenkungsregel durch die Leibungstiefe des Mauerwerks bei zeitgemäßer Anwendung der bauphysikalischen Erfordernisse der vorgesehene Belichtungsflächenanteil von 12 % der Grundrissfläche bei Weitem nicht mehr erreicht werden könne. Daraus ergebe sich, dass unter Berücksichtigung des erforderlichen Lichteinfalls und einer Mauerdicke von 45 cm eine Verschwenkung von deutlich unter 30 Grad anzunehmen wäre. Der Amtssachverständige sei darauf nicht detailliert eingegangen und habe nicht ausreichend erklärt, wann eine Verschwenkung um weniger als 30 Grad zu erfolgen habe. Es sei auch nicht nachvollziehbar, ob er die Leibungstiefe berücksichtigt habe. Das Verwaltungsgericht sei auf die Frage der Verschwenkung überhaupt nicht eingegangen.

30       Die Revisionswerber hätten mehrfach vorgebracht, dass auf Grund des von ihnen vorgelegten Planes und des Bescheides vom 26. September 1980 die bestehende Garagenzufahrt bewilligt worden sei. Außerdem seien Geländeveränderungen im Bauland dann bewilligungsfrei, wenn dadurch die Belichtung der Hauptfenster des Nachbarn nicht beeinträchtigt werde. Daher sei entgegen den Annahmen des Amtssachverständigen die derzeit bestehende Höhenlage auf dem Grundstück der Revisionswerber das maßgebliche Bezugsniveau. Bereits die Baubewilligung vom 27. September 1980 sehe eine Geländeveränderung vor, indem die abfallende Garagenabfahrt im Bereich des Bauwichs zum Grundstück der mitbeteiligten Partei dargestellt sei. Aus dem bewilligten Plan gehe eindeutig hervor, dass der südliche Bereich des Grundstückes an das Niveau des südlich gelegenen Grundstückes angepasst werde. Diese Anpassung erfolge auch im Westen, also in Richtung der Liegenschaft der mitbeteiligten Partei. Außerdem sei die Auflage 16 des Bescheides vom 26. September 1980, die vom Verwaltungsgericht herangezogen worden sei, unbestimmt und erfasse jedenfalls nicht die Garagenzufahrt. Die diesbezügliche Niveauabsenkung beginne nämlich erst im Abstand von 2 m zur Grundgrenze und befinde sich daher nicht „im Bereich der Nachbargrundgrenzen“, wie in der Auflage formuliert. Hinsichtlich des Abstandes zur Grundgrenze sei die Auflage daher unbestimmt. Sie könne nicht dazu herangezogen werden, um eine (der grundsätzlichen Bewilligungsfreiheit von solchen Geländeveränderungen innerhalb des Baugrundstückes der Revisionswerber widersprechende) Bewilligungspflicht für die gegenständliche Garagenabfahrt im Abstand von mehr als 2 m von der Grundgrenze zu begründen. Das Verwaltungsgericht habe ohne Berücksichtigung des § 14 Z 8 NÖ BO 1996 und in unrichtiger Auslegung der Baubewilligung der Revisionswerber eine bewilligungslose Herstellung der bestehenden Garagenzufahrt angenommen. Hätte der Amtssachverständige das bestehende bewilligte Geländeniveau berücksichtigt, hätte sich eine unzulässige Beeinträchtigung des gesetzlichen Lichteinfalles durch das Bauvorhaben ergeben.

31       Weiters werden in der Revision Verfahrensmängel betreffend die aktenwidrige Annahme, dass der Befund des Amtssachverständigen unbestritten geblieben sei, und wegen fehlender Auseinandersetzung mit von den Revisionswerbern vorgelegten Privatgutachten vom 6. Juni 2019 und 8. Juli 2019 vorgebracht (wurde näher dargestellt). Schließlich macht die Revision vor dem Hintergrund des § 54 Abs. 1 NÖ BO 1996 geltend, dass das Bauvorhaben nur einen seitlichen Abstand von 2,73 m zur Grundgrenze habe und damit eine Ausnahme von der mehrheitlich im Bezugsbereich vorkommenden Bebauung darstelle (wurde näher ausgeführt).

32       Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im zweiten Vorerkenntnis vom 16. Februar 2017, Ra 2016/05/0038, ausgeführt hat, ist auf Grund des § 70 Abs. 1 erster Satz NÖ BO 2014 auf das gegenständliche Baubewilligungsverfahren weiterhin die NÖ BO 1996, LGBl. Nr. 8200-0, in der Fassung LGBl. Nr. 8200-23 anzuwenden. Die NÖ BO 1996 in dieser Fassung lautete auszugsweise:

„§ 6

Parteien, Nachbarn und Beteiligte

(1) In Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 4 und § 35 haben Parteistellung:

...

3.   die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z. B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn), ...

Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauvorhaben bzw. das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind.

...

(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die ...

gewährleisten und über

3.   die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung auf Hauptfenster (§ 4 Z 11) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen.

...

§ 49

Anordnung von Bauwerken auf einem Grundstück

(1) Über eine Baufluchtlinie sowie in einen Bauwich darf grundsätzlich nicht gebaut werden. Ausgenommen sind Bauwerke nach § 51, Vorbauten nach § 52 und unterirdische Bauwerke oder Bauwerksteile.

...

§ 52

Vorbauten

Über die Straßenfluchtlinie sind folgende Vorbauten zulässig:

...

7.   Hauptgesimse und Dachvorsprünge bis 1 m,

...

(3) Im seitlichen oder hinteren Bauwich sind zulässig:

...

2.   die in Abs. 1 Z. 5 bis 7 genannten Bauteile mit denselben Beschränkungen,

...

(4) Unabhängig von Abs. 1 bis 3 und einer im Bebauungsplan festgelegten Bebauungsdichte dürfen Wärmeschutzverkleidungen bis 20 cm an vor dem 1. Jänner 2009 baubehördlich bewilligten Gebäuden angebracht werden.

...

§ 53

Höhe der Bauwerke

...

Bei der Ermittlung der Gebäudehöhe bleiben

o Vorbauten nach § 52,

...

unberücksichtigt, wenn die Belichtung der Hauptfenster zulässiger Gebäude auf dem Nachbargrundstück nicht beeinträchtigt wird.

...

§ 54

Bauwerke im Baulandbereich ohne Bebauungsplan

(1) Ein Neu- oder Zubau eines Hauptgebäudes ist auf einem als Bauland, ausgenommen Bauland-Industriegebiet, gewidmeten Grundstück, für das kein Bebauungsplan gilt oder dieser keine Festlegung der Bebauungsweise oder -höhe enthalt, nur zulässig, wenn es in seiner Anordnung auf dem Grundstück oder in seiner Höhe (Bauklasse) von den in seiner Umgebung bewilligten Hauptgebäuden nicht abweicht.

Die Umgebung umfasst einschließlich des Baugrundstücks alle Grundstücke im Bauland, ausgenommen Bauland-Industriegebiet, die vom Baugrundstück aus zur Gänze innerhalb einer Entfernung von 100 m liegen.

Eine Abweichung hinsichtlich der Anordnung oder Höhe liegt dann vor, wenn das neue oder abgeänderte Hauptgebäude nicht der auf dem Baugrundstück bereits bewilligten Bebauungsweise und Bebauungshöhe (Bauklasse) oder nicht jener Bebauungsweise und Bebauungshöhe (Bauklasse) entspricht, die von der Anordnung und der Höhe der Hauptgebäude in der Umgebung abgeleitet wird und die mehrheitlich in der Umgebung vorhanden ist. Neben der abgeleiteten Bauklasse darf auch die nächst niedrigere gewählt werden. Entspricht das neue oder abgeänderte Hauptgebäude der offenen Bebauungsweise und den Bauklassen I und II, liegt unbeschadet des Abs. 4 eine Abweichung hinsichtlich der Anordnung und der Höhe jedenfalls nicht vor. Erhebungen in der Umgebung hinsichtlich der Anordnung und Höhe sind diesfalls nicht erforderlich.

(3) Für Hauptgebäude und andere Bauwerke gelten - nach der Feststellung der durch die bewilligten Hauptgebäude gemäß Abs. 1 und 2 abgeleiteten Bebauungsweise und abgeleiteten Bauklasse - dieselben Bestimmungen dieses Gesetzes wie für Hauptgebäude und Bauwerke, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegen, sinngemäß, wobei diese den Lichteinfall unter 45 Grad auf bewilligte Hauptfenster auf den Nachbargrundstücken nicht beeinträchtigen dürfen.

(4) Zur Wahrung des Charakters der Bebauung darf von den Absätzen 1 bis 3 abgewichen werden, wenn dagegen keine brandschutztechnischen Bedenken bestehen und der Lichteinfall unter 45 Grad auf bewilligte Hauptfenster auf den Nachbargrundstücken nicht beeinträchtigt wird.

...“

33       Von Relevanz war daher im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren unter anderem das Tatbestandsmerkmal „zukünftig bewilligungsfähige Gebäude der Nachbarn“ des § 6 Abs. 2 NÖ BO 1996. Die zukünftige Bewilligungsfähigkeit von Gebäuden der Nachbarn kann sich im vorliegenden Fall aber nicht aus der NÖ BO 1996 ergeben, weil auf Grund des § 70 Abs. 1 NÖ BO 2014 lediglich die am Tage des Inkrafttretens der NÖ BO 2014 (gemäß § 72 Abs. 1 NÖ BO 2014 war dies der 1. Februar 2015) anhängigen Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen sind. Dass ein derartiges Verfahren in Bezug auf eine Baubewilligung auf ihrer Nachbarliegenschaft an diesem Tag anhängig gewesen wäre, behaupten die Revisionswerber nicht. Es scheidet daher aus, dass sich die zukünftige Bewilligungsfähigkeit von Nachbargebäuden im vorliegenden Fall noch nach der NÖ BO 1996 richten kann. Das Verwaltungsgericht ist somit zutreffend davon ausgegangen, dass für die zukünftige Bewilligungsfähigkeit von Nachbargebäuden im Sinne des § 6 Abs. 2 NÖ BO 1996 die NÖ BO 2014, vorliegend in der im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes geltenden Fassung, maßgebend ist.

34       Bereits im ersten Vorerkenntnis vom 15. Mai 2012, 2010/05/0095, 0096, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass § 54 NÖ BO 1996 dem Nachbarn keine weitergehenden Mitspracherechte einräumt, als sie in § 6 Abs. 2 NÖ BO 1996 umschrieben sind. Im Rahmen des § 54 NÖ BO 1996 werden die subjektiv-öffentlichen Rechte des Nachbarn darauf beschränkt, dass ein Einfluss auf den Lichteinfall auf die Nachbarliegenschaft ausgeübt wird. Insbesondere steht dem Nachbarn ein Anspruch auf Versagung des Vorhabens wegen auffallender Abweichungen im Sinne des § 54 NÖ BO 1996, ohne dass ein Einfluss auf seine Lichtverhältnisse gegeben wäre, nicht zu.

35       Diese Aussagen des Verwaltungsgerichtshofes bezogen sich zwar auf § 54 NÖ BO 1996 in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 8200-19. Sie gelten aber ebenso für § 54 NÖ BO 1996 in der Fassung nach der genannten Novelle (vgl. VwGH 29.9.2015, 2013/05/0096, mwN). Der in der Revision vorgebrachte Umstand, dass der Seitenabstand im vorliegenden Fall geringer sei als bei anderen Bauten der Umgebung, vermag daher als solcher keine Verletzung von Nachbarrechten zu begründen (vgl. VwGH 24.5.2016, 2013/05/0200, mwN).

36       Wie der Verwaltungsgerichtshof im zweiten Vorerkenntnis vom 16. Februar 2017, Ra 2016/05/0038, unter Verweis auf sein Erkenntnis vom 16. Dezember 2008, 2007/05/0250, ausgeführt hat, ist bei der Prüfung der Gewährleistung des gesetzlichen Lichteinfalls die Höhe der tiefstgelegenen Hauptfenster bewilligter und zukünftig bewilligungsfähiger Gebäude des Nachbarn festzustellen, wobei es auch auf den konkreten, rechtmäßigen Geländeverlauf ankommt.

37       Das Verwaltungsgericht stellte diesbezüglich fest, dass auf dem Grundstück der Revisionswerber ein mit Bescheid vom 26. September 1980 bewilligtes Einfamilienhaus stehe. Im Plan sei ein in einer Umgebung von bis zu ca. 4 m um das Gebäude an das Bauvorhaben etwas angepasstes Gelände eingezeichnet worden. Im Auflagenpunkt 16 des Baubewilligungsbescheides sei jedoch explizit darauf „hingewiesen“ worden, dass die Geländeveränderung im Bereich von Nachbargrundstücken einer gesonderten Bewilligung bedürfe. Eine solche gesonderte Bewilligung befinde sich nicht im Bauakt, daher könne davon ausgegangen werden, dass im Bereich der Grundstücksgrenze aus rechtlicher Sicht keine Geländeveränderung erfolgt sei. Beim Lokalaugenschein sei festgestellt worden, dass zwischen dem Einfamilienhaus der Revisionswerber und der Grundstücksgrenze zum Baugrundstück eine gepflasterte Abfahrt hergestellt und das Gelände dadurch in einem Abstand von ca. 1 m bis ca. 5,5 m von der Grundstücksgrenze abgesenkt worden sei. Für diese Geländeabsenkung und für die Herstellung der befestigten Fläche gebe es im Bauakt der Revisionswerber keine Unterlagen. Aus dem Bauakt gehe unbestritten hervor, dass die Absenkung konsenslos erfolgt sei. Die konsenslose Absenkung habe vom Amtssachverständigen unberücksichtigt bleiben müssen.

38       Die Revisionswerber haben im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ebenso wie in der Revision die Konsenslosigkeit bestritten.

39       Den Revisionswerbern ist insofern beizupflichten, als die Begründung des Verwaltungsgerichtes zu kurz greift: Bei der Frage, ob eine bauliche Anlage einer Bewilligung unterliegt, ist zunächst der Zeitpunkt der Errichtung der Anlage festzustellen. Sodann ist zu prüfen, ob zu diesem Zeitpunkt eine Bewilligungspflicht bestanden hat. Hernach ist zu prüfen, ob die Bewilligungspflicht auch noch derzeit, hier also im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, besteht (vgl. VwGH 24.2.2016, Ro 2015/05/0012, mwN). Nur wenn in beiden Zeitpunkten die Bewilligungspflicht zu bejahen ist und die entsprechende Bewilligung fehlt, kann davon ausgegangen werden, dass die bauliche Anlage mangels erforderlicher Bewilligung nicht rechtmäßig ist. Zu ergänzen ist, dass sich eine relevante Unrechtmäßigkeit allenfalls auch dann ergeben könnte, wenn eine erforderliche Anzeige fehlt oder ein bewilligungs- und anzeigefreies Vorhaben wegen eines Widerspruches zu baurechtlichen Vorschriften beseitigt werden müsste.

40       Wie die Revision zutreffend vorbringt, bestand etwa nach § 14 Z 8 NÖ BO 1996 für die Veränderung der Höhenlage des Geländes auf einem Grundstück im Bauland nur unter bestimmten, in der zitierten Bestimmung näher genannten Voraussetzungen Baubewilligungspflicht. Bemerkt wird in diesem Zusammenhang, dass der „Auflagenpunkt“ 16 der Baubewilligung aus dem Jahre 1980 (vom Verwaltungsgericht zutreffend als „Hinweis“ gedeutet), keine behördlichen Zuständigkeiten festzulegen vermag. Sollte keine Baubewilligungspflicht bestehen, würde eine gesetzliche Grundlage für die Zuständigkeit einer Behörde, über ein entsprechendes Bewilligungsansuchen (oder eine entsprechende Anzeige) zu entscheiden, fehlen. Eine Bescheidauflage kann eine solche Zuständigkeit nicht begründen. Die Berufung allein auf die „Bescheidauflage“ führt zu inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

41       Der ausreichende Lichteinfall muss auf die Fläche der Fensteröffnung in der Ebene der Außenwand gegeben sein. Es ist Sache des Bauwerbers (im vorliegenden Fall wäre es Sache der Revisionswerber bei einem zukünftigen Bauvorhaben), dass im Übrigen die ausreichende Belichtung für sein Bauvorhaben gegeben ist. Wenn daher die Revision auf die Leibungstiefe des Mauerwerks eines allfälligen zukünftigen Baues verweist und ausführt, dass der vorgesehene Belichtungsflächenanteil von 12 % der Grundrissfläche des zugehörigen Aufenthaltsraumes nicht mehr gegeben wäre (vgl. Anlage 3 zur NÖ Bautechnikverordnung 2014, LGBl. Nr. 54/2018, Punkt 9.1. der OIB-Richtlinie 3), geht dieses Vorbringen ins Leere. Es obliegt dem (künftigen) Bauwerber, diese Anforderungen durch die konkrete Ausgestaltung seines Baues zu erfüllen (vgl. bereits zu § 39 Abs. 3 NÖ Bautechnikverordnung 1997 VwGH 26.3.2019, Ra 2017/05/0218, 0219, mwN).

42       Der Verwaltungsgerichtshof hat aber im gegenständlichen Zusammenhang auch ausgesprochen, dass das Nachbarrecht auf Einhaltung des Bauwichs bzw. der Gebäudehöhe im Hinblick auf den Lichteinfall durch die Berücksichtigung einer Verschwenkung des freien Lichteinfalls von 30 Grad auf dem Nachbargrundstück, die dem Nachbarn im Fall einer Bauführung möglich ist, nicht verletzt ist, wenn dieser verschwenkte Lichteinfall gewährleistet bleibt (vgl. wiederum VwGH 26.3.2019, Ra 2017/05/0218, 0219, mwN; vgl. nunmehr § 4 Z 3 NÖ BO 2014 - wobei als ausreichende Belichtung jene Belichtung auf Hauptfenster gilt, die durch einen freien Lichteinfall unter 45 Grad, gemessen von der Horizontalen, bei einer seitlichen Abweichung - Verschwenkung - um nicht mehr als 30 Grad, ausgehend vom Bezugsniveau - § 4 Z 11a NÖ BO 2014 -, gegeben ist). Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings ebenso ausgesprochen, dass es für die Gewährleistung des freien Lichteinfalls auf die Hauptfenster zulässiger Gebäude des Nachbarn notwendig ist, dass der freie Lichteinfall bei einer seitlichen Abweichung (Verschwenkung) des Lichteinfalls von höchstens 30 Grad in beiden seitlichen Richtungen gegeben sein muss (vgl. VwGH 17.12.2015, Ra 2014/05/0045; vgl. auch VwGH 6.11.2013, 2010/05/0179).

43       Im vorliegenden Fall hat nun der bautechnische Amtssachverständige Dipl. Ing. L in seinem Gutachten vom 10. Mai 2019 ausgeführt, dass die Versetzung hangaufwärts immer die maßgebliche sei, weshalb in weiterer Folge immer die maximale Verschwenkung hangaufwärts (Richtung Norden) herangezogen werde. Das Verwaltungsgericht ist auf diese Problematik in seiner Begründung nicht eingegangen. Es hat daher auch in diesem Zusammenhang sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

44       Nicht nachvollziehbar ist schließlich die Begründung des Verwaltungsgerichtes hinsichtlich des gegenständlichen Dachvorsprunges. Der Nachbar hat zwar auf die Einhaltung der Beschränkung von 1 m betreffend Dachvorsprünge gemäß § 52 Abs. 1 Z 7 NÖ BO 1996 in Verbindung mit § 52 Abs. 3 Z 2 NÖ BO 1996 für sich allein kein subjektiv-öffentliches Recht; der Dachvorsprung darf aber insgesamt die Belichtung der Hauptfenster zulässiger Gebäude auf dem Nachbargrundstück nicht beeinträchtigen (§ 53 Abs. 2 NÖ BO 1996; vgl. VwGH 17.12.2015, Ra 2014/05/0045; vgl. auch § 54 Abs. 3 und 4 NÖ BO 1996). Der Dachvorsprung wird daher in seiner gesamten Ausladung in die Belichtungsprüfung einzubeziehen sein.

45       Das angefochtene Erkenntnis war aus den dargestellten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Für das weitere Verfahren wird bemerkt, dass bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen (vgl. § 24 VwGVG) auch noch eine (weitere) mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht durchzuführen sein wird (vgl. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/09/0013; 19.4.2016, Ra 2016/22/0003, 0004; 19.2.2020, Ra 2019/14/0509).

46       Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

47       Von der vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil eine solche beim gegebenen Verfahrensstand bereits vor dem Verwaltungsgericht stattgefunden hat (vgl. VwGH 9.9.2015, Ra 2014/04/0036, mwN).

Wien, am 22. September 2020

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Baurecht Nachbar Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Belichtung Belüftung BauRallg5/1/3 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Gebäudehöhe BauRallg5/1/5 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9 Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019050312.L00

Im RIS seit

02.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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