TE Vwgh Erkenntnis 2020/9/24 Ra 2020/17/0082

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Veröffentlicht am 24.09.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

GSpG 1989 §53 Abs1
VStG
VwRallg

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2020/17/0083 E 01.10.2020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und den Hofrat Mag. Berger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der U G s.r.o. in B, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 3. Juni 2020, LVwG-S-401/001-2020, betreffend Einziehung nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Krems), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 3. Jänner 2020 wurde gegenüber der revisionswebenden Partei als Eigentümerin die Einziehung eines näher bezeichneten Glücksspielgerätes gemäß § 54 Abs. 1 und 2 Glücksspielgesetz - GSpG verfügt.

2        2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (LVwG) vom 3. Juni 2020 wurde der dagegen erhobenen Beschwerde der revisionswerbenden Partei keine Folge gegeben und die Einziehung „der genannten Eingriffsgegenstände insoweit“ bestätigt (Spruchpunkt 1.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die revisionswerbende Partei keine Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu tragen habe (Spruchpunkt 2.) sowie dass die Revision an den Verwaltungsgerichthof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt 3.).

3        2.2. In der Begründung dieser Entscheidung ging das LVwG im Rahmen seiner Sachverhaltsfeststellungen unter anderem davon aus, dass mit rechtskräftigem Erkenntnis des LVwG vom 6. Juli 2018 der Beschlagnahmebescheid der belangten Behörde bestätigt worden sei. In einem weiteren Erkenntnis vom 5. Juli 2018 habe sich das LVwG bereits umfassend mit der Frage der Unionsrechtswidrigkeit des GSpG und der genauen Funktionsweise der „Geräte“ auseinander gesetzt. Für die Einziehungen gälten dieselben Überlegungen wie im Strafverfahren und im Beschlagnahmeverfahren. „Daraus folgt“, dass mit den „Eingriffsgegenständen“ im Wesentlichen verbotene Ausspielungen in Form von virtuellen Walzenspielen angeboten worden seien. Dies ergebe sich aus der Fotodokumentation. Die Glücksspielgeräte seien für jeden potentiellen Spieler zugänglich gewesen, und es hätten im Zuge der Kontrolle auch Spieler vorgefunden werden können. Der genaue Spielablauf habe von den Spielern geschildert werden können, und die Endstellungen der letzten Spiele seien noch ersichtlich gewesen. Aus der Lichtbilddokumentation seien die einzelnen Gewinnsituationen ersichtlich; daraus ergäben sich Einsätze von € 0,30 bis maximal € 10,--. Beweiswürdigend führte das LVwG aus, der festgestellte Sachverhalt stütze sich auf den Verwaltungsstrafakt, die Ausführungen in der Beschwerde und die vorgelegten Urkunden.

4        2.3. In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das LVwG nach Wiedergabe des § 54 GSpG die Ansicht, dass im „vorliegenden Fall“ bereits mit Erkenntnis des LVwG vom 5. Juli 2018 „festgestellt“ worden sei, dass mit dem Gerät in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen worden sei und verbotene Ausspielungen „mit den Gegenständen“ angeboten worden seien. Es liege „somit“ ein Verstoß mit den „gegenständlichen Geräten“ gemäß § 52 Abs. 1 GSpG vor; „[s]omit“ sei „der erste Teil der Voraussetzungen für die Einziehung erfüllt“. Soweit die revisionswerbende Partei vorbringe, dass bei der Beschlagnahme lediglich der Verdacht einer Übertretung bestehen, bei der Einziehung hingegen eine Tat verwirklicht werden müsse, sei festzuhalten, dass das LVwG schon im Beschlagnahmeverfahren zu dem Schluss gekommen sei, dass verbotene Ausspielungen veranstaltet worden seien.

5        3.1. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, mit dem Antrag, dieses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6        3.2. Die belangte Behörde erstattete eine Stellungnahme zum Antrag der revisionswerbenden Partei, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, jedoch keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:

7        4.1. Die revisionswerbende Partei macht in der Zulässigkeitsbegründung ihrer Revision unter anderem geltend, das LVwG habe im Widerspruch zu näher genannter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - insbesondere in Verkennung der Bindungswirkung eines Strafurteils - nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen, die eine Einziehung gemäß § 54 GSpG tragen könnten. Das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Schuldspruch beruhe, wozu jene Tatumstände gehörten, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetze, nur hinsichtlich jener Personen entfalte, denen gegenüber das Strafurteil ergangen sei, nicht aber gegenüber Dritten.

8        4.2. Die Revision erweist sich aus diesem Grund als zulässig und begründet:

9        4.2.1. § 54 GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 70/2013, lautet auszugsweise:

Einziehung

§ 54. (1) Gegenstände, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, sind zur Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 einzuziehen, es sei denn der Verstoß war geringfügig.

...“

10       4.2.2. Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist die Einziehung nach § 54 GSpG unabhängig von einer Bestrafung eines Beschuldigten und hängt gemäß § 54 Abs. 1 GSpG von der Verwirklichung eines objektiven Tatbildes nach § 52 Abs. 1 GSpG ab (vgl. etwa VwGH 17.12.2019, Ra 2019/09/0045, mwN). Das Verwaltungsgericht trifft daher im Einziehungsverfahren nach dem GSpG die Verpflichtung, nach Durchführung eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens nähere Feststellungen zum Vorliegen der Verwirklichung des objektiven Tatbildes zu treffen (vgl. VwGH 10.5.2019, Ra 2019/17/0019; 27.11.2018, Ra 2018/17/0157).

11       4.2.3. Hingegen ist nach der hg. Rechtsprechung eine Beschlagnahme nach § 53 Abs. 1 GSpG bereits dann zulässig, wenn ein ausreichend substantiierter Verdacht vorliegt, dass mit Glücksspielgeräten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt oder wiederholt gegen Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen wird. Nicht erforderlich ist dabei, dass die Übertretung des Gesetzes zum Zeitpunkt der Beschlagnahme bereits erwiesen ist (vgl. etwa VwGH 25.10.2018, Ra 2018/09/0091, mwN).

12       Die Beschlagnahme setzt nicht voraus, dass zum Zeitpunkt der Beschlagnahme die Eigenschaft als Glücksspielapparat oder Glücksspielautomat zweifelsfrei nachgewiesen ist. Der Verdacht iSd § 53 Abs. 1 GSpG bezieht sich vielmehr auf den Umstand, dass mit Glücksspielautomaten oder Glückspielapparaten fortgesetzt in das Glücksspielmonopol eingegriffen wurde oder wird (vgl. VwGH 26.3.2019, Ra 2019/16/0023).

13       Der nach § 53 Abs. 1 GSpG erforderliche Verdacht muss dabei im Fall der Erhebung einer Beschwerde im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes vorliegen (vgl. VwGH 26.2.2020, Ra 2019/09/0053, mwN).

14       4.2.4. Weiters ist festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen entfaltet, auf denen sein Schuldspruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt. Diese Bindung besteht allerdings nur hinsichtlich jener Personen, denen gegenüber das Strafurteil ergangen ist, nicht aber gegenüber Dritten. Auch im Verwaltungsstrafverfahren ist von der Beschränkung der Bindungswirkung von Straferkenntnissen auf Parteien, denen gegenüber sie ergangen sind, auszugehen (vgl. VwGH 17.12.2019, Ra 2019/09/0045, mwN).

15       4.2.5. Im vorliegenden Fall ist es zutreffend, dass die revisionswerbende Partei im Beschlagnahmeverfahren als Eigentümerin des Glücksspielgerätes als Partei teilnahm. Eine in einem Beschlagnahmeverfahren ergehende Entscheidung, in der lediglich das Vorliegen eines ausreichend substantiierten Verdachts, dass mit Glücksspielgeräten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, zu prüfen ist, ist aber kein „Strafurteil“. Ein solches wäre ein (rechtskräftiges) Straferkenntnis hinsichtlich einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG, das (auch) gegenüber der revisionswerbenden Partei ergangen sein müsste.

16       Das LVwG geht in seiner Begründung unter Berufung auf das Erkenntnis des LVwG vom 5. Juni 2018 jedoch erkennbar davon aus, dass dem rechtskräftigen Straferkenntnis gegen den handelsrechtlichen Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der revisionswerbenden Partei im vorliegenden Verfahren auch dann Bindungswirkung zukommt, wenn die revisionswerbende Partei selbst nicht Partei des Verwaltungsstrafverfahrens (etwa als Haftungsverpflichtete) war.

17       Eine solcheBindungswirkung besteht jedoch nach ständiger hg. Rechtsprechung nicht (vgl. die unter Rn. 14 wiedergegebene Judikatur).

18       4.3. Da das LVwG demnach in Verkennung der Rechtslage von einer Bindungswirkung der gegenüber einem Dritten erlassenen, rechtskräftigen (Straf-)Entscheidung ausgegangen ist, war das angefochtene Erkenntnis schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

19       5. Für das fortzusetzende Verfahren, in dem das LVwG entsprechende Feststellungen für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen der Einziehung zu treffen haben wird, ist das LVwG auf die gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG bestehende Verhandlungspflicht in Verwaltungsstrafverfahren sowie die Begründungspflicht für deren etwaigen Entfall hinzuweisen.

20       6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 24. September 2020

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020170082.L00

Im RIS seit

10.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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