Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Schmid (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** S*****, vertreten durch Freimüller Obereder Pilz RechtsanwältInnen GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. W***** GmbH, *****, und 2. V***** GmbH, *****, beide vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. April 2020, GZ 9 Ra 18/20p-15, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO
zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Kläger war seit 1. 9. 2001 bei den Beklagten ununterbrochen als Balletttänzer beschäftigt. Seine Beschäftigung erfolgte auf Basis von wiederkehrenden Bühnenarbeitsverträgen jeweils für ein – immer von September bis August gehendes – Spieljahr. Auf das Beschäftigungsverhältnis finden das Theaterarbeitsgesetz und der Kollektivvertrag für die Ballettmitglieder im Konzernbereich der Bundestheater-Holding Anwendung. Es war vertraglich vereinbart, dass der Vertrag „stillschweigend um je ein weiteres Spieljahr verlängert [gilt], falls von keinem der vertragsschließenden Teile nach den jeweils geltenden kollektivvertraglichen Bestimmungen schriftlich erklärt wird, das Dienstverhältnis nach Beendigung des laufenden Vertragsjahres nicht mehr fortzusetzen“.
Mit am 16. 9. 2019 zugestelltem Schreiben vom 13. 9. 2019 teilten die Beklagten dem Kläger mit, dass sein laufender Bühnenarbeitsvertrag nach dem 31. 8. 2020 nicht mehr fortgesetzt werden könne und daher mit Ablauf des genannten Tages ende. Der bei den Beklagten bestehende Betriebsrat wurde über die Nichtverlängerung des Bühnendienstverhältnisses des Klägers rechtzeitig in Kenntnis gesetzt. Der Betriebsrat hat der Nichtverlängerung nicht ausdrücklich widersprochen.
Der Kläger begehrte mit seiner Klage die Unwirksamerklärung der am 16. 9. 2019 ausgesprochenen Kündigung seines Dienstverhältnisses. In der mündlichen Verhandlung ließ der Kläger die Eventualbegehren fallen und erklärte, sich ausschließlich auf den Anfechtungstatbestand der Sozialwidrigkeit nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG zu stützen. Rechtlich vertrat er den Standpunkt, dass ein unzulässiger Kettendienstvertrag und damit ein unbefristetes Dienstverhältnis vorliege. Die Nichtverlängerungserklärung stelle inhaltlich die Kündigung des unbefristeten Dienstverhältnisses dar, sodass eine Kündigungsanfechtung möglich sei.
Die Beklagten wandten ein, es habe stets nur ein befristetes Dienstverhältnis vorgelegen, welches wegen fristgerechter Mitteilung der Nichtverlängerung und damit Verhinderung einer stillschweigenden Verlängerung mit Ablauf des 31. 8. 2020 auslaufe.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Geltendmachung des Anfechtungstatbestands nach § 105 ArbVG setze jedenfalls eine nach zivilrechtlichen Grundsätzen rechtswirksame Kündigung voraus. Liege eine solche nicht vor, sei die Anfechtungsklage abzuweisen. Wenn der Kläger der Ansicht sei, dass sein Dienstverhältnis infolge der unzulässigen Aneinanderreihung mehrerer befristeter Beschäftigungsverhältnisse als auf unbestimmte Zeit eingegangen zu werten sei, so könne er dies mit Feststellungsklage geltend machen.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Die Umdeutung unzulässiger Kettendienstverhältnisse in ein unbefristetes Dienstverhältnis verlange nicht auch die Umdeutung von Rechtshandlungen, die ein oder beide Vertragspartner in der irrigen Annahme einer wirksamen Befristung abgegeben haben. Die Nichtverlängerungserklärung stelle keine Kündigung dar. Baue sie nicht auf einer wirksamen Befristung auf, so laufe sie schlicht ins Leere. Eine Klage auf Feststellung des Fortbestehens des vorliegenden Bühnendienstverhältnisses stehe nicht zur Entscheidung.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung nicht zu, zur entscheidenden Rechtsfrage der Rechtsnatur der Nichtverlängerungserklärung bestehe eine festgefügte höchstgerichtliche Rechtsprechung.
Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO liegt tatsächlich nicht vor.
Rechtliche Beurteilung
1.1. Kündigung und Befristung schließen einander – jedenfalls mangels besonderer Vereinbarung – grundsätzlich aus (9 ObA 88/94; 9 ObA 22/18b [Pkt 2]; Karl in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG [2017] § 19 Rz 85 mwN). Die Erklärung, einen befristeten Vertrag nicht fortsetzen zu wollen, ist nach ständiger Rechtsprechung nicht als Kündigung im Sinne einer einseitigen auf Beendigung eines unbefristeten Dienstverhältnisses gerichteten Willenserklärung zu verstehen, sondern nur die Ablehnung des Abschlusses eines neuen Vertrags nach Ablauf der Befristung (4 Ob 89/64 = SZ 37/153; 9 ObA 254/89; 9 ObA 10/91; 9 ObA 330/98i = DRdA 2000/4 [zust Holzer]; 9 ObA 81/99y = DRdA 2000/1 [abl Jabornegg]; 8 ObA 99/03x; jüngst 9 ObA 22/18b [Pkt 2]; weitere Rspr-Nachweise bei RS0063980).
1.2. Dieser Grundsatz wurde insbesondere zu Nichtverlängerungsklauseln in Kollektivverträgen im Theaterbereich sowie zur Bestimmung des § 32 des vormaligen SchauspielerG, BGBl 1922/441, entwickelt. An ihm sollte sich durch die Nachfolgebestimmung des § 27 TheaterarbeitsG (TAG), BGBl I 2010/100, und die unter einem erfolgte Novellierung des § 133 Abs 4 ArbVG (Art 3 Z 3 Theateranpassungsgesetz 2010) nach dem Willen des Gesetzgebers nichts ändern. Vielmehr ist nach den Gesetzesmaterialien auch die Nichtverlängerungsanzeige nach § 27 TAG „nach wie vor keine Kündigungserklärung, sondern eine bloße Bekräftigung der durch den Arbeitsvertrag bzw durch das TAG vorgesehenen Beendigung durch Fristablauf“. Eine Anfechtung der Nichtverlängerungserklärung in analoger Anwendung der §§ 105 ff ArbVG schließen die ErläutRV zudem explizit aus (ErläutRV 936 BlgNR 24. GP 14, 17).
2. Geht man vom Vorliegen eines befristeten Dienstverhältnisses des Klägers aus, bedurfte dieses zu seiner Beendigung bloß einer Nichtverlängerungserklärung, die wie bereits erörtert gerade keine Kündigung und daher auch nicht nach § 105 ArbVG – aufgrund der eindeutigen Gesetzesmaterialien mangels planwidriger Lücke auch nicht im Wege der Analogie (zutr Kozak/Balla/Zankel, Theaterarbeitsgesetz2 [2011] Rz 705; Worsch, Besonderheiten im Theaterarbeitsrecht [2018] 140) – anfechtbar ist. Die Kündigungsanfechtungsklage des Klägers kann daher von vornherein nur Erfolg haben, wenn man mit ihm infolge eines unzulässigen Kettendienstvertrags ein unbefristetes Dienstverhältnis annehmen (vgl RS0021824) und zudem die von den Beklagten abgegebene Nichtverlängerungserklärung in eine Kündigung des unbefristeten Dienstverhältnisses umdeuten würde.
3. Schon an letzterem fehlt es jedenfalls. Nach der Rechtsprechung kann die Konversion eines fehlerhaften einseitigen Rechtsgeschäfts nie zu einer stärkeren Belastung des Erklärungsadressaten führen, als im ursprünglichen Geschäft angestrebt wurde (9 ObA 33/88 = DRdA 1990/43 [insofern zust Binder]; 7 Ob 210/03p mwH; dazu RS0016396). Sofern die Rechtsprechung dies auch mit den Worten ausdrückt, dass es durch die Umdeutung nicht zu einem „Mehr an Rechtsfolgen“ kommen darf, wird dies von einem Teil der Lehre als zu apodiktisch kritisiert. Dabei wird aber eingeräumt, dass eine Umdeutung, die zu einem „Mehr an Rechtsfolgen führt“, nur zulässig ist, wenn das Ersatzgeschäft den Interessen des Erklärenden entspricht, dies auch dem Erklärungsempfänger hinreichend deutlich wurde und – kumulativ – keine sonstigen Beeinträchtigungen von dessen schutzwürdigen Interessen drohen (Vonkilch in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 914 ABGB Rz 40 FN 135 mwH). Die Beeinträchtigung eines schutzwürdigen Interesses des Erklärungsempfängers liegt jedenfalls auch dann vor, wenn das Ergebnis der Konversion für eine Partei im Einzelfall derart überraschend käme, dass ihr eine angemessene Interessenwahrnehmung, etwa durch die Geltendmachung von ihr an sich zukommenden Rechtsbehelfen, nicht mehr möglich wäre (Vonkilch aaO § 914 ABGB Rz 40). Auch im Arbeitsrecht müssen im Fall der Umdeutung eines befristeten Arbeitsverhältnisses in ein unbefristetes, wenn es darum geht, ob auch Rechtshandlungen, die der eine oder andere Vertragspartner in irriger rechtlicher Annahme eines befristeten Dienstverhältnisses gesetzt hat, umgedeutet werden können, die Rechtsfolgen ins Auge gefasst werden, die diese Umdeutung mit sich brächte (vgl Binder, Zur Konversion von Rechtsgeschäften [1982] 178 FN 194; Trost in Löschnigg, AngG10 [2016] § 19 Rz 46). Wenn in der Entscheidung 4 Ob 90/64 = Arb 8003 die Ansicht vertreten wird, die Umdeutung mehrfach befristeter Dienstverträge in ein unbefristetes Dienstverhältnis erfordere auch die Umdeutung der Rechtshandlungen, die der eine oder beide Vertragspartner in irriger rechtlicher Annahme gesetzt haben, so ist dies bei Gesamtbetrachtung der dargestellten neueren Rechtsprechung überholt.
4. Die Beklagten wollten mit ihrer Nichtverlängerungserklärung das Dienstverhältnis des Klägers bloß auslaufen lassen. Diesfalls hätte sich der Kläger auf den Standpunkt stellen können, es liege in Wahrheit ein unbefristetes Dienstverhältnis vor, und – sieht man von der (jedoch an keine fixe Frist gebundenen) Aufgriffsobliegenheit ab (dazu zB Brenn in Reissner, AngG3 [2019] § 19 Rz 25) – ohne besonderen zeitlichen Druck Klage auf Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses erheben können. Eine Umdeutung der Nichtverlängerungserklärung in eine Kündigung des unbefristeten Dienstverhältnisses würde auch bedeuten, dass der Kläger gebunden ist, die Kündigung im
– hier gegebenen – Fall, dass der Betriebsrat keine Erklärung abgibt, binnen zwei Wochen nach Zugang der „Kündigung“ beim Gericht anzufechten (§ 105 Abs 4 ArbVG).
5. Die Umdeutung der vom Arbeitgeber ausgesprochenen Nichtverlängerungserklärung in eine Kündigung hätte also nach der gebotenen Betrachtung ex ante durch das Eingreifen einer kurzen Frist zum Vorgehen gegen die umgedeutete Erklärung eine ins Gewicht fallende Verschlechterung der Rechtsposition des Arbeitnehmers zur Folge. Die Umdeutung in eine Kündigung würde den Arbeitnehmer zudem mit der Rechtsunsicherheit belasten, die der Arbeitgeber hervorrief, indem er die von ihrer Natur her nur für ein befristetes Dienstverhältnis vorgesehene Nichtverlängerungserklärung im Fall eines unbefristeten Dienstverhältnisses abgab (vgl dazu das bei einer fristwidrigen Kündigung keine Konversion in eine Kündigung zum nächstmöglichen Termin angenommen wird 8 ObA 306/01k mwH). Auch ist ja schon gar nicht eindeutig, dass ein Arbeitgeber die mit einer Kündigung statt dem Auslaufen einer Befristung unter bestimmten Aspekten denkbaren Verschlechterungen (vgl etwa § 2d Abs 4 Z 5 AVRAG) in Kauf nehmen möchte.
6. Die hier vorliegende Nichtverlängerungserklärung kann aus den genannten Gründen keinesfalls in eine Kündigung umgedeutet werden. Damit ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht offen ließ, ob das Dienstverhältnis des Klägers als befristet oder unbefristet einzustufen ist. Mangels einer Kündigung haben die Vorinstanzen zutreffend die Kündigungsanfechtungsklage abgewiesen.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
Textnummer
E129344European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00068.20P.0825.000Im RIS seit
15.10.2020Zuletzt aktualisiert am
19.10.2021