TE OGH 2020/8/25 5Ob140/20d

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Veröffentlicht am 25.08.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin A*****, vertreten durch Dr. Hans Jürgen David, Verein Mieterfreunde Österreich, *****, gegen die Antragsgegnerin N*****, vertreten durch Dr. Gernot Nachtnebel, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 16, 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. April 2020, GZ 38 R 254/19p-30, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Gegenstand des Verfahrens ist die Zulässigkeit des vereinbarten Hauptmietzinses. Im Revisionsrekursverfahren sind noch die – von beiden Vorinstanzen jeweils verneinte – Einstufung der Wohnung in die Kategorie A, die Berechtigung eines Lagezuschlags und eines Zuschlags für ein Fischgrätparkett strittig.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Die Ausstattungskategorien A und B verlangen nach § 15a Abs 1 Z 1 und 2 MRG (unter anderem) das Vorhandensein eines Vorraums. Im hier zu beurteilenden Fall führt der Eingang zur Wohnung unmittelbar in die Küche, ein gesonderter Vorraum fehlt. Dass die Vorinstanzen aufgrund der räumlichen Einheit von Küche und Vorraum das Vorhandensein des Ausstattungsmerkmals Vorraum verneinten, entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl RIS-Justiz RS0113013; 5 Ob 173/12w; jüngst 5 Ob 4/20d).

2.1. Mit der Frage der überdurchschnittlichen Lage und des dafür maßgeblichen Referenzgebiets hat sich der erkennende Senat bereits mehrfach auseinandergesetzt (vgl RS0111204). Demnach bedarf es zur Beurteilung, ob eine konkrete Lage (Wohnumgebung) aufgrund ihrer Eigenschaften als „besser als durchschnittlich“ zu qualifizieren ist, eines wertenden Vergleichs mit anderen Lagen (Wohnumgebungen). In Wien ist als Referenzgebiet für die Beurteilung der Durchschnittlichkeit der Lage eines Hauses nicht regelhaft maximal der jeweilige Gemeindebezirk heranzuziehen, sondern auf jene Teile des Wiener Stadtgebiets abzustellen, die einander nach der Verkehrsauffassung in ihren Bebauungsmerkmalen gleichen und (daher) ein einigermaßen einheitliches Wohngebiet bilden (RS0131812; 5 Ob 74/17v). Als Referenzgebiet für ein im 5. Bezirk gelegenes Haus wurde auf die innerstädtischen Gebiete mit dafür typischer geschlossener mehrgeschossiger Verbauung als Referenzgebiet abgestellt (5 Ob 74/17v), wo die festgestellte Erschließung der Wohnumgebung des Hauses mit öffentlichen Verkehrsmitteln und dort bestehende Möglichkeiten der Nahversorgung die Annahme einer überdurchschnittlichen Lage im Sinn des § 16 Abs 4 MRG nicht rechtfertigten.

2.2. Diese Grundsätze auch für die hier zu beurteilende, im 3. Wiener Gemeindebezirk gelegene Wohnung anzuwenden bedarf keiner Korrektur im Einzelfall: Das Objekt befindet sich im dicht verbauten Wohn- und Geschäftsgebiet, im Vergleich mit innerhalb und außerhalb des Gürtels gelegenen, durch Blockbauweise gekennzeichneten Lagen fehlen Anhaltspunkte für eine Überdurchschnittlichkeit. Sowohl Geschäfte des täglichen Bedarfs in unmittelbarer Umgebung als auch die Anbindung an eine U-Bahn-Linie sind im dicht verbauten Stadtgebiet zu erwarten, die Nähe zu den Auffahrten auf die stark befahrene Autobahn A23 stellt zwar die gute Anbindung an das Autobahnnetz sicher, bewirkt aber naturgemäß eine übermäßige Belastung der Liegenschaft mit Verkehrslärm. Die Auffassung der Vorinstanzen, eine überdurchschnittliche Lage im Sinn des § 16 Abs 4 MRG liege hier nicht vor, hält sich daher im Rahmen bereits vorliegender Rechtsprechung. Auf die vom Rekursgericht verneinte Frage, ob der Hinweis nur auf die U-Bahn-Nähe im Mietvertrag als nach § 16 Abs 4 MRG ausreichend anzusehen ist, kommt es daher gar nicht mehr an.

2.3. Die Beurteilung des zulässigen Mietzinses und damit auch der Berechtigung eines Lagezuschlags ist Rechtsfrage, die vom Richter und nicht vom Sachverständigen zu lösen ist (vgl RS0111105 [T14] zum angemessenen Mietzins). Dass der Sachverständige im Gutachten von einer „leicht überdurchschnittlichen Lage“ ausging, konnte die Vorinstanzen daher in rechtlicher Hinsicht nicht binden, die die vom Gutachter herausgearbeiteten tatsächlichen Kriterien für die Ermittlung des Lagezuschlags einer eigenen rechtlichen Beurteilung zu unterziehen hatten.

2.4. Dass die Antragstellerin in ihrem Antrag an die Schlichtungsstelle die Berechtigung eines Lagezuschlags ausdrücklich zugestanden hätte, ergibt sich aus ihrem Vorbringen dort nicht. Sie begehrte die Höhe des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses festzustellen und nannte zur Begründung (insbesondere) die für die Ausstattungskategorie A fehlenden Merkmale. Da an die Bestimmtheit eines Begehrens in einem außerstreitigen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 und 12 MRG keine allzu strengen Anforderungen zu stellen und Mietzinsüberprüfungsanträge nicht kleinlich nach ihrem Wortlaut, sondern so auszulegen sind, dass nach Möglichkeit eine Überprüfung der gesetzlichen Zulässigkeit des vereinbarten Hauptmietzinses in sachlich notwendigem Umfang gewährleistet werden kann (RS0116684 [T3]; 5 Ob 148/18b), ist die Beurteilung der Vorinstanzen, der Mietzinsüberprüfungsantrag habe sich (auch) auf die Berechtigung des Lagezuschlags bezogen, keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung.

3.1. Die Frage, ob und in welcher Höhe Zuschläge zum Richtwertmietzins gerechtfertigt sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und unterliegt deshalb grundsätzlich keiner Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof (RS0116132 [T2]). Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung (RS0117881; 5 Ob 4/20d; 5 Ob 43/17k) hat sich die Vornahme der Zuschläge oder Abstriche an der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu orientieren. Damit ist es unvereinbar, alle Ausstattungsdetails gesondert zu bewerten und die so gewonnenen Zuschläge und Abschläge einfach zusammenzurechnen. Abzustellen ist auf eine Gesamtschau.

3.2. Den nach den Feststellungen nur in einem Zimmer verlegten Fischgrätparkettboden nicht als zuschlagbegründend zu werten, bedarf keiner Korrektur im Einzelfall. Zu 5 Ob 296/02v ging der Fachsenat davon aus, Fischgrätparkettböden seien in Altbauwohnungen der Ausstattungskategorie A nicht ungewöhnlich, nur bei besonderer Qualität oder Ausführung könne von einer zuschlagsrelevanten Sonderausstattung ausgegangen werden. Eine solche steht hier nicht fest. Die Beurteilung der Vorinstanzen hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung und wirft daher ebensowenig eine erhebliche Rechtsfrage auf.

4. Damit war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Textnummer

E129342

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00140.20D.0825.000

Im RIS seit

15.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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