TE OGH 2020/8/26 9ObA42/20x

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Veröffentlicht am 26.08.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

 Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Cadilek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei C***** E*****, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen den Sozialhilfeverband *****, vertreten durch Jäger, Loidl Welzl Schuster Schenk Rechtsanwälte OG in Linz, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. März 2020, GZ 12 Ra 9/20k-11, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 2. Oktober 2019, GZ 10 Cga 76/19m-7, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 501,91 EUR (darin 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am ***** 1968 geborene Klägerin absolvierte von 2001 bis Anfang 2003 eine Ausbildung zur Altenfachbetreuerin. Sie war vom 14. 7. 2003 bis 31. 7. 2007 als Gesunden- und Krankenpflegerin im Seniorenheim der Stadt ***** und von 1. 8. 2007 bis 30. 6. 2011 als Angestellte der Volkshilfe ***** in der mobilen Altenpflege tätig. Seit 1. 7. 2011 ist sie als Altenfachbetreuerin (so die Klägerin zuletzt in ihrer Berufungs- und auch Revisionsbeantwortung) im Bezirksalten- und Pflegeheim *****, dessen Rechtsträger der beklagte Sozialhilfeverband ist, beschäftigt.

Die Vorinstanzen gaben dem Feststellungsbegehren der Klägerin, ihr stünde ab 1. 10. 2018 bis zum Erreichen des erhöhten gesetzlichen Urlaubsausmaßes von sechs Wochen ein Zusatzurlaub von einer Woche im aliquoten Ausmaß zu, statt. Die Klägerin erfülle sämtliche Voraussetzungen des § 126 Abs 6 des Oö. GDG 2002. Für die erforderliche Tätigkeitsdauer von 15 Jahren in einem pflegerischen, therapeutischen oder diagnostischen Gesundheitsberuf sei auch die (hier allein strittige) Beschäftigung der Klägerin in der mobilen Altenpflege zu berücksichtigen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur maßgeblichen Rechtsfrage bislang keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt.

In seiner Revision beantragt der Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsabweisung.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision des Beklagten zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Auf das zwischen den Parteien aufrecht bestehende Dienstverhältnis ist unstrittig das Landesgesetz über das Dienst- und Gehaltsrecht der Bediensteten der oö. Gemeinden (mit Ausnahme der Städte mit eigenem Statut) und Gemeindeverbände (Oö. Gemeinde-Dienstrechts- und Gehaltsgesetz 2002 – Oö. GDG 2002) anzuwenden (§ 1 Abs 1 iVm § 2 Z 2 und 13).

2.1. Gemäß § 126 Abs 6 Satz 1 Oö. GDG 2002 erhalten Bedienstete nach § 193a, die bereits insgesamt 15 Jahre in einem pflegerischen, therapeutischen oder diagnostischen Gesundheitsberuf unabhängig vom Dienstgeber tätig sind und das 43. Lebensjahr bereits vor Beginn des aktuellen Urlaubsjahres vollendet haben und noch kein Urlaubsausmaß von 240 Stunden (sechs Wochen) erreicht haben, ab dem Urlaubsjahr 2018 bis zum Erreichen des erhöhten gesetzlichen Urlaubsausmaßes 40 Stunden (eine Woche) Zusatzurlaub.

2.2. § 193a Oö. GDG 2002 sieht als Sonderbestimmung einen erhöhten Grundgehalt für pflegende, therapeutische oder diagnostische Gesundheitsberufe vor. Nach Abs 1 leg cit sind von dieser Sonderbestimmung die in einer Anstalt, einem Heim, einem Pflegezentrum oder einer Krankenanstalt einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbands tätigen in Z 1 bis 3 dieses Absatzes genannten Berufsgruppen umfasst. Dazu gehören beispielsweise Bedienstete der diplomierten Gesundheits- und Krankenpflege (DGKS/DGKP) (Z 1) und der Fach-Sozialbetreuung in der Altenarbeit (FSB-A) (Z 2) sowie der Sanitätshilfsdienste (ua) (Z 3).

3. Nach § 6 ABGB darf einem Gesetz in der Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet. Am Anfang jeder Gesetzesauslegung steht daher die wörtliche (sprachliche, grammatikalische) Auslegung, der nach ständiger Rechtsprechung große Bedeutung zukommt (9 ObA 21/17d [Pkt 2. mwN]). Die Gesetzesauslegung darf aber nicht bei der Wortinterpretation stehen bleiben (RS0008788). Bleibt nach Wortinterpretation und logischer Auslegung die Ausdrucksweise des Gesetzes dennoch zweifelhaft, dann ist die Absicht des Gesetzgebers zu erforschen (RS0008836) und der Sinn einer Bestimmung unter Bedachtnahme auf den Zweck der Regelung zu erfassen (objektiv-teleologische Interpretation).

4. Zur hier allein strittigen Frage, ob auch die Tätigkeit der Klägerin in der mobilen Altenpflege von 1. 8. 2007 bis 30. 6. 2011 für die nach § 126 Abs 6 Satz 1 Oö. GDG 2002 erforderliche Dauer einer Tätigkeit von insgesamt 15 Jahren in einem pflegerischen, therapeutischen oder diagnostischen Gesundheitsberuf zu berücksichtigen ist, hat der Senat erwogen:

4.1. Der Anspruch auf Sonderurlaub nach § 126 Abs 6 Satz 1 Oö. GDG 2002 in Form einer Woche Zusatzurlaub setzt nach dem Gesetzeswortlaut das Erfüllen folgender vier Tatbestandsmerkmale voraus: Erstens hat nur ein Bediensteter nach § 193a Oö. GDG 2002 diesen Anspruch, zweitens muss dieser Bedienstete bereits insgesamt 15 Jahre in einem pflegerischen, therapeutischen oder diagnostischen Gesundheitsberuf unabhängig vom Dienstgeber tätig gewesen sein, drittens muss er das 43. Lebensjahr bereits vor Beginn des aktuellen Urlaubsjahres vollendet haben und viertens darf er noch kein Urlaubsausmaß von 240 Stunden (sechs Wochen) erreicht haben.

4.2. Zunächst zutreffend geht auch die Revision davon aus, dass mit dem ersten Tatbestandsmerkmal des § 126 Abs 6 Satz 1 Oö. GDG 2002 durch den Verweis auf „Bedienstete nach § 193a“ der persönliche Anwendungsbereich für die Sonderurlaubsregelung des § 126 Abs 6 Oö. GDG 2002 festgelegt wird. Vom Personenkreis des § 193a Abs 1 Oö. GDG 2002 ist die Klägerin aber zweifellos umfasst, weil sie bei der Beklagten seit 1. 7. 2011 als Altenfachbetreuerin in einem Alten- und Pflegeheim tätig ist und daher – so auch der Standpunkt des Beklagten – der Berufsgruppe des § 193a Abs 1 Z 2 leg cit zugehörig ist. Die Frage, ob auch ein Bediensteter, der zwar ebenfalls einer der in § 193a Abs 1 Z 1 bis 3 Oö. GDG 2002 genannten Berufsgruppen zugehörig, aber nicht in einer Anstalt, einem Heim, einem Pflegezentrum oder einer Krankenanstalt einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbands, sondern im mobilen Dienst tätig ist, Anspruch auf einen erhöhten Grundgehalt nach § 193a Oö. GDG 2002 hat, braucht hier nicht näher untersucht zu werden; es geht hier nur um den Zusatzurlaub nach § 126 Oö. GDG 2002. Die Klägerin ist nicht im mobilen Dienst tätig.

4.3.1. Die Klägerin erfüllt aber auch die zweite Voraussetzung des § 126 Abs 6 Satz 1 Oö. GDG 2002, weil sie in den letzten 15 Jahren in einem pflegerischen Gesundheitsberuf tätig war. Der Gesetzeswortlaut dieses zweiten Tatbestandsmerkmals umfasst alle Tätigkeiten in einem pflegenden therapeutischen oder diagnostischen Gesundheitsberuf (und zwar unabhängig vom Dienstgeber) und ohne Einschränkung auf eine solche Tätigkeit in einer stationären Einrichtung. Insbesondere verweist das Gesetz hier nicht etwa (einschränkend) bloß auf „Tätigkeiten nach § 193a“. Auch pflegerische Tätigkeiten in der mobilen Altenpflege erfüllen daher dieses zweite Tatbestandsmerkmal.

4.3.2. Dieser Gesetzesauslegung nach seinem Wortlaut stehen die von der Revisionswerberin angestellten teleologischen Überlegungen nicht entgegen. Richtig ist zwar, dass die Bestimmungen des § 126 Abs 6 und § 193a Oö GDG 2002 gleichzeitig, und zwar erst infolge des Zusatzantrags vom 9. 7. 2015, 1575/2015 BlgOöLT 27. GP – und nicht bereits mit der Regierungsvorlage 1502/2015 BlgOöLT 27. GP – mit dem Oö. Gesundheitsberufeanpassungsgesetz 2015, LGBl 2015/91, in das Oö. GDG 2002 eingefügt wurden. Richtig ist auch, dass diesem Zusatzantrag eine am 23. 6. 2015 zwischen dem Land Oberösterreich und der Gewerkschaft abgeschlossene Grundsatzeinigung für das pflegende Personal zugrunde liegt, wonach zum Ausgleich für die besonderen Belastungen in der Pflege bestimmte Personen (Berufsgruppen), die bereits 15 Jahre in der Pflege tätig sind und im Regelungsbereich des Landes Oberösterreich liegen, mit dem Erreichen des 43. Lebensjahres die 6. Urlaubswoche erhalten sollen (Pkt 3. lit e der Begründung des Zusatzantrags). Auch wenn nach Ansicht des Revisionswerbers aus dieser Grundsatzeinigung und dem Zusatzantrag hervorgeht, dass der Landesgesetzgeber den Bediensteten der Fach-Sozialbetreuung (FSB-A), die im mobilen Dienst tätig sind, keinen Sonderurlaub gewähren wollte und damit auch eine pflegerische Tätigkeit im mobilen Dienst nicht für die nach § 126 Abs 6 Satz 1 Oö. GDG 2002 erforderliche Tätigkeitsdauer von 15 Jahren maßgeblich sein sollte, so hat diese Überlegung (der Partner der Grundsatzvereinbarung) letztlich im Gesetz keinen Niederschlag gefunden und kann daher auch nicht im Weg der Auslegung Geltung erlangen (RS0008799).

4.4. Da zwischen den Parteien nicht weiter strittig ist, dass die Klägerin auch die dritte und vierte Voraussetzung des § 126 Abs 6 Satz 1 Oö. GDG 2002 erfüllt, haben die Vorinstanzen dem Feststellungsbegehren der Klägerin zu Recht stattgegeben.

Der Revision des Beklagten war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E129371

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:009OBA00042.20X.0826.000

Im RIS seit

16.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.10.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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