TE Lvwg Erkenntnis 2020/8/26 LVwG-2020/48/1657-2, LVwG-2020/48/1658-2

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Veröffentlicht am 26.08.2020
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Entscheidungsdatum

26.08.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §9 Abs2 1.Satz

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Müller, LL.M. über die Beschwerden des Herrn AA, Adresse 1, Z, vertreten durch RA BB, gegen die Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Y vom 02.07.2020, Zahlen *** und ***, betreffend Übertretungen nach dem LSD-BG,

zu Recht:

1.       Den Beschwerden wird Folge gegeben, die Straferkenntnisse behoben und die Verwaltungsstrafverfahren gem § 45 Abs 2 Z 2 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 02.07.2020, Zahl *** (LVwG-2020/48/1657) wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, dass er am 26.11.2019 als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma CC GmbH mit Sitz in X (Provinz W) Adresse 2 und somit als gemäß § 9 VStG zur Vertreten nach Außen berufenes Organ der Gesellschaft eine Übertretung des § 12 Abs 1 Z 3 iVm § 27 Abs 1 Lohn- und Sozialdumping- Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) zu verantworten hat. Es wurde über ihn eine Geldstrafe von EUR 1.000,- und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 33 Stunden gem § 26 Abs 1 LSD-BG verhängt.

Mit dem weiteren Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 02.07.2020, Zahl *** (LVwG-2020/48/1658) wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, dass er am 26.11.2019 als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma CC GmbH mit Sitz in X (Provinz W) Adresse 2 und somit als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach Außen berufenes Organ der Gesellschaft eine Übertretung des § 19 Abs 2 iVm § 26 Abs 1 Z 1 LSD-BG zu verantworten hat. Es wurde über ihn eine weitere Geldstrafe von EUR 1.000,- und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 33 Stunden gem § 26 Abs 1 LSD-BG verhängt.

Gegen diese beiden Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Y vom 02.07.2020, Zahl *** und Zahl ***, erhob der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde und führte unter Bezug auf den Handelsregisterauszug aus, dass der Beschwerdeführer neben DD handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma CC GmbH sei. Per 02.10.2015 bestellten die beiden handelsrechtlichen Geschäftsführer gemäß § 9 Abs 2 VStG aus ihrem Kreis DD zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 1. Fall VStG für das gesamte Unternehmen und beriefen sich auf die bereits im Akt befindliche Bestellungsurkunde.

Der Beschwerdeführer hafte somit im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren nicht für den vorgeworfenen und zur Last gelegten Sachverhalt, sodass das Verfahren gegen den Beschwerdeführer einzustellen sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe bereits in seiner Entscheidung vom 26.07.2018, Zl Ra 2018/11/0081, zur Wirksamkeit der Bestellung verantwortlich Beauftragter nach § 9 Abs 2 VStG ausgeführt, dass diese von der Mitteilung an das zuständige Arbeitsinspektorat nicht abhänge. Einer solchen bedürfe es nicht (vgl VwGH vom 09.02,1999, Zl. 97/11/0044 und 0095). Auch im vorliegenden Fall sei dies nach der Rsp des VwGH nicht erforderlich.

Die Abgabenbehörde gab mit Schreiben vom 19.08.2020 eine Stellungnahme zur Beschwerde ab. Die Rechtsansicht des Beschwerdeführers sei zutreffend, sodass der Beschwerdeführer aufgrund der Bestellungsurkunde 02.10.2015 exkulpiert sei und das Verfahren sohin einzustellen sei.

II.      Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist neben DD handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma CC GmbH. Per 02.10.2015 bestellten die beiden handelsrechtlichen Geschäftsführer mit der Bestellungsurkunde vom gleichen Datum gemäß § 9 Abs 2 VStG aus ihrem Kreis DD zum verantwortlichen Beauftragten für das gesamte Unternehmen.

III.     Beweiswürdigung:

Die Feststellungen waren unzweifelhaft aus dem Akt zu treffen. Auf welcher Grundlage die Behörde dieser Bestellungsurkunde keinen Glauben schenken wollte, bleibt nicht nachvollziehbar, zumal es keine gegenteiligen Beweise gibt.

IV.      Rechtslage:

Die wesentliche Bestimmung des VStG lautet:

„Besondere Fälle der Verantwortlichkeit

§ 9. (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

[…]“

V.       Erwägungen:

Der Verwaltungsgerichtshof führte zuletzt in seiner Entscheidung Ra 2019/09/0058 vom 29.01.2020 aus, das der verantwortliche Beauftragte iSd § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG sich wesentlich vom verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 Abs. 2 erster Satz VStG (Vertretungsorgan) unterscheidet: Ersterer zählt nicht zum Kreis der vertretungsbefugten Organe. Ihn trifft daher keine strafrechtliche Verantwortlichkeit kraft Gesetzes. Seine strafrechtliche Verantwortlichkeit entsteht erst mit seiner rechtswirksamen Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten durch ein Vertretungsorgan. Sie kann immer nur Teilbereiche des Unternehmens umfassen und setzt im Anwendungsbereich des § 28a Abs 3 AuslBG überdies die vorangegangene schriftliche Mitteilung der Bestellung an die zuständige Abgabenbehörde unter Nachweis der Zustimmung des Bestellten voraus.

Ein verantwortliches Vertretungsorgan ist hingegen als vertretungsbefugtes Organ ex lege, umfassend und kumulativ neben anderen vertretungsbefugten Organen (also "überlappend") strafrechtlich verantwortlich. Seine Bestellung nach § 9 Abs 2 erster Satz VStG lässt seine strafrechtliche Verantwortlichkeit als Vertretungsorgan unberührt. Sie bewirkt nur (nach Maßgabe ihres Umfangs) den Entfall der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der übrigen vertretungsbefugten Organe bzw deren Einschränkung auf den Fall vorsätzlicher Nichtverhinderung (§ 9 Abs 6 VStG). Ihre Wirksamkeit hängt nicht von der Mitteilung an die zuständige Abgabenbehörde ab (vgl. VwGH 25.01.2019, Ro 2018/02/0016; 26.07.2018, Ra 2018/11/0081; VwGH 09.02.1999, 97/11/0044 und 0095; VwGH 23.03.2016, Ra 2016/02/0002).

Im Sinne dieser ständigen Rechtsprechung des VwGH ist im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer exkulpiert, weil der andere handelsrechtliche Geschäftsführer mit der Bestellungsurkunde vom 02.10.2015 zum verantwortlichen Beauftragten bestellt wurde. Es war daher das Straferkenntnis zu beheben und das Strafverfahren einzustellen.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

B e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

zusätzlicher Hinweis:

Gemäß § 35 Abs 2 LSD-BG wird darauf hingewiesen, dass mit der rechtskräftigen Bestrafung die Eintragung der/des Beschuldigten und jenes Unternehmens, dem die Bestrafung zuzurechnen ist, in die vom Kompetenzzentrum LSDB geführte Evidenz verbunden ist.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr.in Müller, LL.M.

(Richterin)

Schlagworte

handelsrechtlicher Geschäftsführer exkulpiert;
Einstellung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.48.1657.2

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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