TE Lvwg Erkenntnis 2020/9/1 LVwG-2020/13/1534-2, LVwG-2020/13/1535-2

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Veröffentlicht am 01.09.2020
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Entscheidungsdatum

01.09.2020

Index

41/04 Verwaltungsverfahren

Norm

VVG §5 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Dr.in Strele über die Beschwerde der AA GmbH, nunmehr vertreten durch BB, Rechtsanwalt in Y, Adresse 1, gegen

I.     den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 22.06.2020, GZ *** (LVwG-2020/13/1534), und

II.    den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 06.07.2020, GZ *** (LVwG-2020/13/1535),

betreffend Angelegenheiten nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz,

zu Recht:

1.       Den Beschwerden zu I. und II. wird Folge gegeben und die angefochtenen Bescheide behoben.

 

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Angefochtene Bescheide, Beschwerdevorbringen und Beweisaufnahme:

Mit den Vollstreckungsverfügungen der Bezirkshauptmannschaft Y vom 22.06.2020, GZ *** und 06.07.2020, GZ ***, wurde jeweils gegenüber der Beschwerdeführerin, die AA GmbH in Z, Adresse 2 gemäß § 5 Abs 2 VVG 1991 im Wege der Zwangsvollstreckung eine Zwangsstrafe in Höhe von jeweils Euro 700,00 verhängt. Gleichzeitig wurde für den Fall des weiteren Zuwiderhandelns jeweils eine weitere Zwangsstrafe von Euro 700,00 angedroht.

In ihren fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerden brachte die Beschwerdeführerin durch ihren damaligen Rechtsvertreter CC im Wesentlichen vor, dass die bekämpften Vollstreckungsverfügungen vollinhaltlich angefochten werden. Sie seien insofern mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, als bereits vor Erlassung derselben sämtliche Aktivitäten eingestellt worden seien. Es handle sich am Standort Adresse 2, Z lediglich um ein Vermietungsobjekt. Der Betrieb sei längst geschlossen, dies betreffe die Tätigkeit der DD. Derzeit werde der Betrieb als Hotel geführt, wobei die derzeit dort befindlichen Personen den Wohnsitz dort hätten. Sie hätten nicht ausziehen wollen. Beachte COVID-19. Eine Personenbetreuung von dritter Seite werde längst, jedenfalls längst vor Erlassung gegenständlichenfalls bekämpfter Verfügungen, nicht mehr durchgeführt. Für die Eigenpflege der dort ansässigen Personen sei es so, dass diese sich selbst darum kümmern würden. Sie hätten selbstständige Personenbetreuer, diese auf Dienstverhältnisbasis. Hiebei werde keinerlei Verantwortung übernommen. Die belangte Behörde würde sich offenbar gar nicht dafür interessieren, wie der tatsächliche Stand der Verhältnisse sich darstelle. Ein Lokalaugenschein/eine Besichtigung sei das einfachste, offenbar finde dies die belangte Behörde nicht der Mühe wert. Es werde überlegt eine Aufsichtsbeschwerde einzubringen.

Abschließend wurde in diesen Rechtsmitteln beantragt, die bekämpften Vollstreckungsverfügungen ersatzlos zu beheben.

Aufgrund dieser Beschwerden wurden die behördlichen Akten dem Landesverwaltungsgericht Tirol zur Entscheidung über diese Beschwerden vorgelegt.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in die behördlichen Akten, in die entsprechenden Akten des Landesverwaltungsgerichtes Tirol, sowie insbesondere durch Einsichtnahme in den Akt LVwG Tirol, LVwG-2020/45/1425, ebenfalls betreffend die Beschwerdeführerin, die AA GmbH.

II.      Nachfolgender Sachverhalt steht als erwiesen fest:

Mit dem Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 28.06.2019 wurde der AA GmbH, Adresse 2, Z, gemäß § 14 Abs 4 Tiroler Heimgesetz 2005 der Betrieb des Heimes am Standort Adresse 2 in Z zur Gänze untersagt (Spruchpunkt I.). Gemäß Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen. Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass auch im Falle der Gründung einer Genossenschaft durch die Einhebung von „Unkostenbeiträgen“ für die Betreuung und Pflege der Heimbewohner von einer Entgeltlichkeit auszugehen sei. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass eine Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der HeimbewohnerInnen vorliege sowie, dass die gesetzlich geschützten Interessen der HeimbewohnerInnen erheblich beeinträchtigt werden. Aufträge über Mängelbehebung seien aufgrund der Schwere und der Anzahl der festgestellten Mängel und auch aufgrund der Tatsache, dass seitens der Baubehörde die Benützungsbewilligung entzogen worden sei, nicht zielführend. Der vorzeitige Vollzug dieses Bescheides sei wegen Gefahr in Verzug dringend geboten, weshalb die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen werde.

Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 27.01.2020, Zl LVwG-2019/41/1610-20, wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die dagegen erhobene außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 02.04.2020, Zl Ra 2020/10/0038-4, zurückgewiesen.

Ein Lokalaugenschein der belangten Behörde am 11.02.2020 hat allfällige Sicherheitsprobleme gezeigt. Zudem wurde festgestellt, dass der Heimbetrieb aller Wahrscheinlichkeit noch aufrecht ist (vgl AV vom 19.02.2020). Zusätzlich findet sich im Akt eine „Einwohnerkurzliste“ der zuständigen Meldebehörde Marktgemeinde Z für die Adresse Adresse 2, Z vom 17.02.2020. In dieser Auflistung fanden sich mit EE, FF, GG, JJ, KK, LL, MM, NN und OO neun Personen, die bereits im „Pflegefachlichen Gutachten zur Einrichtung AA GmbH“ vom 04.11.2019 in diesem Heim in der Adresse 2, Z betreut wurden.

Im daran anschließenden verfahrensgegenständlichen Vollstreckungsverfahren wurde die Beschwerdeführerin mit Schreiben der belangten Behörde vom 20.02.2020, Zl ***, das mit „Androhung einer Strafe“ überschrieben ist, gemäß § 5 VVG 1991 aufgefordert, den Betrieb des Heimes am Standort Adresse 2 in Z binnen einer Woche ab Zugang dieses Schreibens zu unterlassen. Im Falle des Zuwiderhandelns werde der Beschwerdeführerin eine Geldstrafe in Höhe von Euro 500,-- vorgeschrieben werden. Dieses Schreiben wurde nachweislich am 27.02.2020 zugestellt.

In Reaktion darauf teilte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 03.03.2020 mit, dass grundsätzlich festzuhalten sei, dass kein Heimbetrieb vorliege und niemals vorgelegen habe, insofern sei die Androhung der Strafbeträge irritierend.

Am 26.02.2020 übermittelte die Marktgemeinde Z als zuständige Meldebehörde der belangten Behörde eine aktuelle Meldeliste für die Adresse Adresse 2, Z. In dieser Auflistung fanden sich mit EE, FF, GG, JJ, KK, LL, MM und NN jedenfalls acht Personen, die bereits im „Pflegefachlichen Gutachten zur Einrichtung AA GmbH“ vom 04.11.2019 in diesem Heim in der Adresse 2, Z betreut wurden.

Mit Vollstreckungsverfügung der Bezirkshauptmannschaft Y vom 04.06.2020, Zl ***, wurde gegenüber der Beschwerdeführerin, der AA GmbH gemäß § 5 Abs 2 VVG 1991 im Wege der Zwangsvollstreckung eine Zwangsstrafe in der Höhe von Euro 500,00 verhängt. Gleichzeitig wurde für den Fall des weiteren Zuwiderhandelns eine weitere Zwangsstrafe im Ausmaß von Euro 700,00 angedroht.

Gegen diese Vollstreckungsverfügung erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde.

Mit Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 31.08.2020, GZ LVwG-2020/45/1424 wurde diese Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass seitens des Landesverwaltungsgerichtes keine Zweifel darin bestehen, dass die Beschwerdeführerin weiterhin am Standort Adresse 2, Z, ein Heim betreibt. Dem rechtskräftigen Titelbescheid (Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 27.01.2020, GZ LVwG-2019/41/1610-20, in der festgestellt wurde, dass die Beschwerdeführerin entgegen ihren Behauptungen sehr wohl ein Heim gemäß § 2 Abs 1 Tiroler Heimgesetz 2005 betreibt und ihr dieser Betrieb untersagt worden war) wurde somit von Seiten der Beschwerdeführerin bislang nicht entsprochen. Die belangte Behörde hat damit zu Recht nach Androhung der Strafe mit Schreiben vom 20.02.2020 und fruchtlosem Verstreichen der gesetzten Paritionsfrist die angedrohte Zwangsstrafe mit Bescheid verhängt.

Zwischenzeitig ergingen seitens der belangten Behörde ohne der Beschwerdeführerin neuerlich eine Frist zu setzen, den Betrieb des Heimes am Standort Adresse 2 in Z zu unterlassen, die nunmehr angefochtenen Vollstreckungsverfügungen vom 22.06.2020, GZ *** und vom 06.07.2020, GZ ***, mit welchen gegenüber der AA GmbH jeweils Zwangsstrafen in Höhe von Euro 700,00 verhängt wurden und gleichzeitig für den Fall des weiteren Zuwiderhandelns jeweils eine weitere Zwangsstrafe im Ausmaß von Euro 700,00 angedroht wurde.

III.     Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen ergeben sich aufgrund der dem Landesverwaltungsgericht vorliegenden Akt bzw aus den angesprochenen und teilweise in Klammer angeführten Beweismitteln.

IV.      Rechtliche Beurteilung:

Die gegenständlich relevante Bestimmung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991 (VVG 1991), BGBl Nr 53/1991 idF BGBl I Nr 33/2013 lautet wie folgt:

„Erzwingung anderer Leistungen und Unterlassungen

[…]

b) Zwangsstrafen§ 5

(1) Die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen läßt, wird dadurch vollstreckt, daß der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.

(2) Die Vollstreckung hat mit der Androhung des für den Fall des Zuwiderhandelns oder der Säumnis zur Anwendung kommenden Nachteiles zu beginnen. Das angedrohte Zwangsmittel ist beim ersten Zuwiderhandeln oder nach fruchtlosem Ablauf der für die Vornahme der Handlung gesetzten Frist sofort zu vollziehen. Gleichzeitig ist für den Fall der Wiederholung oder des weiteren Verzuges ein stets schärferes Zwangsmittel anzudrohen. Ein angedrohtes Zwangsmittel ist nicht mehr zu vollziehen, sobald der Verpflichtung entsprochen ist.

(3) Die Zwangsmittel dürfen in jedem einzelnen Fall an Geld den Betrag von 726 Euro, an Haft die Dauer von vier Wochen nicht übersteigen.

(4) Die Vollstreckung durch Geldstrafen als Zwangsmittel ist auch gegen juristische Personen mit Ausnahme der Körperschaften des öffentlichen Rechts und eingetragene Personengesellschaften zulässig.“

Nach § 5 Abs 2 zweiter Satz VVG ist bei der Vollstreckung einer Verpflichtung zur Bewirkung einer unvertretbaren Handlung das angedrohte Zwangsmittel nach furchtlosem Ablauf der für die Vornahme der Handlung gesetzten Frist sofort zu vollziehen. Aus dieser Bestimmung folgt, dass mit jeder Androhung einer Zwangsstrafe dem Verpflichteten eine angemessene Frist zur Erfüllung der Verpflichtung einzuräumen ist (Paritionsfrist). Die Einräumung dieser Frist zielt darauf ab, dem Verpflichteten die Möglichkeit zu geben, durch Nachholung der versäumten Handlung der Vollstreckung zu entgehen. Das Fehlen einer solchen Fristsetzung zieht die Rechtswidrigkeit der Vollstreckungsakte nach sich. Dies gilt auch für die gleichzeitig mit der Verhängung der Zwangsstrafe gemäß § 5 Abs 2 dritter Satz VVG erfolgende Androhung einer weiteren Zwangsstrafe. Da eine solche Fristsetzung anlässlich der Androhung beider Zwangsstrafen von jeweils Euro 700,00 mit den angefochtenen Bescheiden vom 22.06.2020 und vom 06.07.2020 nicht erfolgt ist, war die Verhängung der mit diesen Vollstreckungsverfügungen verhängten Zwangsstrafen rechtswidrig (vgl VwGH vom 26.02.2002, Zl 2001/11/0281).

Aus den genannten Gründen war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Letztlich wird festgehalten, dass die Einsichtnahme in den Akt LVwG Tirol 2020/45/1425 ergeben hat, dass die Beschwerdeführerin, die AA GmbH, das Vertretungsverhältnis zu Rechtsanwalt CC am 25.08.2020, ausgelöst hat und gleichzeitig Rechtsanwalt BB mit ihrer Vertretung beauftragt hat.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall war keine Rechtsfrage zu klären, der erhebliche Bedeutung zukommt. Es war zudem ausschließlich eine einfache Auslegung des Gesetzes vorzunehmen, weshalb die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a Dr.in Strele

(Richterin)

Schlagworte

Paritionsfrist;
Nichteinräumung;
Zwangsstrafe;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.13.1534.2

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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