TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/28 97/05/0212

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Veröffentlicht am 28.10.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ZustG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der "Schuster-Werbung" Ankündigungsunternehmung Gottfried Schuster Gesellschaft mbH in Wien, vertreten durch Dr. Josef Krist, Rechtsanwalt in Wien I, Liebiggasse 4, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Krems an der Donau vom 24. Juni 1997, Zl. MD-Sch-2/1997/Li/Be, betreffend Abbruchauftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Stadt Krems hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 24. November 1995, eingelangt bei der Behörde am 29. November 1995, beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung der Baubewilligung für die Aufstellung von vier Plakattafeln in Krems, Wienerstraße. Das Ausmaß der Plakattafeln betrage 4 m x 10,2 m x 20,60 m (richtig: 2,6 m). Die Tafeln sollten entlang der Straße im Bereich der Grundgrenze errichtet werden. Aus Anlaß dieses Ansuchens wurde am 13. Februar 1996 eine Erhebung durchgeführt, worüber sich im Akt folgende Feststellung vom 15. Februar 1996 findet:

"... südlich d. Wienerstraße BW. Einfamilienhausbebauung. Die Werbetafeln bestehen bereits im Vorgartenbereich. Da lt. Bebauungsplan KG. Landersdorf die Vorgärten der Wohngebiete gärtnerisch zu gestalten sind, stellen die Werbetafeln einen Widerspruch zum Bebauungsplan dar und sind demnach demontieren zu lassen."

Mit Mitteilung vom 21. März 1996 wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht, daß nach Prüfung ihres Baugesuches festzustellen sei, daß die gegenständliche Parzelle mit der Flächenwidmung Bauland-Wohngebiet im Gültigkeitsbereich des rechtskräftigen Bebauungsplanes für die KG Landersdorf liege. Aus dem Textteil dieses Bebauungsplanes gehe hervor, daß "jene außerhalb der Baufluchtlinien liegenden Teile eines Baugrundes wie Vorgärten in Wohngebieten gärtnerisch zu gestalten" seien. Aufgrund dieses Sachverhaltes stelle das Vorhaben einen Widerspruch zum rechtskräftigen Bebauungsplan dar.

Aufgrund dieser Mitteilung erstattete der nunmehrige Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin eine Stellungnahme, in der er auf sein Vollmachtsverhältnis hinwies und ausführte, daß die Errichtung von Einfriedungen im Bebauungsplan über die KG Landersdorf nicht beschränkt sei. Die beiden errichteten Werbetafeln stellten de facto Einfriedungen dar. Selbst wenn man diese Tafeln nicht als Einfriedungen ansehe, hindere dies nicht die Gestaltung der Vorgärten in gärtnerischer Weise.

Am 5. Juni 1996 wurde seitens des Baurechtsamtes eine weitere Äußerung zur Wirkung der Plakattafeln auf das Ortsbild erstellt.

Mit Anordnung vom 11. Juni 1996 wurde aufgrund des Baugesuches für den 3. Juli 1996 eine mündliche Verhandlung anberaumt. Zur mündlichen Verhandlung waren die Grundeigentümer und die Beschwerdeführerin, diese jedoch nicht zu Handen ihres ausgewiesenen Vertreters, geladen. An der Verhandlung nahm ein Vertreter der Beschwerdeführerin (nicht ihr Rechtsvertreter) teil. Während der Verhandlung wurde seitens des Verhandlungsleiters auf die Gutachten des Sachverständigen für das Orts- und Landschaftsbild hingewiesen, es wurde ausgeführt, daß ein näherer Befund dem Gutachten vom 5. Juni 1996 zu entnehmen sei. Der Vertreter der Beschwerdeführerin äußerte dazu, daß er grundsätzlich zu den Darlegungen des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin nichts hinzuzufügen habe.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Krems an der Donau vom 21. August 1996 wurde der Beschwerdeführerin aufgrund des Ermittlungsverfahrens, im besonderen der Verhandlung vom 3. Juli 1996, der Auftrag erteilt, die auf der Parzelle 91/3, KG Landersdorf, konsenslos errichteten beiden Plakatwände bis spätestens 1. Oktober 1996 zu entfernen. Der Bescheid wurde der Beschwerdeführerin, nicht aber ihrem Vertreter zugestellt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter im wesentlichen aus, das Verfahren sei mangelhaft, es werde ein Amtsgutachten zum Orts- und Landschaftsbild zitiert, das der Beschwerdeführerin nie zugekommen sei. Feststellungen, wonach eine (nachträgliche) Baubewilligung nicht erteilt werden könne, oblägen nicht dem Sachverständigen, sondern der Behörde. Inhaltlich irrig sei der erstinstanzliche Bescheid auch dahingehend, daß angenommen werde, Werbeanlagen stünden im Widerspruch zu den Normierungen des Bebauungsplanes. Der Bebauungsplan sei in seinem Textteil sehr kursorisch gehalten, er normiere im Hinblick auf die zu bebauende Liegenschaft lediglich, daß die außerhalb der Baufluchtlinien liegenden Teile der Baugrundstücke gärtnerisch auszugestalten seien. Die Errichtung der Werbeanlagen hindere die Ausgestaltung der Vorgärten in gärtnerischer Weise überhaupt nicht. Überdies sei der Bescheid zu Unrecht an die Beschwerdeführerin ergangen, er hätte an den Grundeigentümer ergehen müssen.

In der Folge holte die belangte Behörde eine Benützungsvereinbarung zwischen den Grundeigentümern und der Beschwerdeführerin ein.

Mit Bescheid vom 24. Juni 1997 wies der Stadtsenat der Stadt Krems an der Donau die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid ab. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es hätte anläßlich der Augenscheinsverhandlung am 3. Juli 1996 der Vertreter der Beschwerdeführerin in sämtliche Unterlagen der Behörde Einsicht nehmen können. Aus der von den Grundeigentümern vorgelegten Benützungsvereinbarung vom 24. August 1995 gehe hervor, daß die Beschwerdeführerin Eigentümerin der Plakattafeln sei. Gutächtliche Ausführungen des Amtssachverständigen seien offenbar bewußt als rechtliche Qualifikation mißverstanden worden. Diese rechtliche Qualifikation habe die Baubehörde erster Instanz nach Abwägung aus rechtlicher Sicht gezogen. Den gutächtlichen Ausführungen des Amtssachverständigen sei inhaltlich lediglich entgegengehalten worden, daß die betroffenen Werbetafeln Einfriedungen darstellten und die Gestaltung der Vorgärten in gärtnerischer Weise überhaupt nicht beeinträchtigten. Es fehle allerdings zu diesen Behauptungen eine entsprechende Argumentation aus fachlicher Sicht. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung sei gutächtlichen Ausführungen auf Amtssachverständigenseite mit Gegendarstellungen auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten; es wäre also in diesem Punkt Sache der Beschwerdeführerin gewesen, etwa durch Privatgutachten zu entgegnen, daß die dem Bebauungsplan entsprechende (gärtnerische) Gestaltung der Vorgärten durch die großflächigen Werbeanlagen nicht beeinträchtigt sei. Auf die gutächtliche Feststellung, daß das Orts- und Landschaftsbild durch diese Werbeeinrichtungen beeinträchtigt sei, werde im übrigen von der Beschwerdeführerin nicht eingegangen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte die Zuerkennung des Aufwandersatzes für die Aktenvorlage.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Baubehörde hat den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn

1. mehr als die Hälfte des voll ausgebauten umbauten Raumes eines Gebäudes durch Baugebrechen unbenützbar geworden ist, gesundheits-, bau- oder feuerpolizeiliche Mißstände vorliegen und der Eigentümer innerhalb der ihm gemäß § 112 Abs. 2 gewährten Frist die Mißstände nicht behoben hat oder

2. die Behebung des Baugebrechens unwirtschaftlich ist und der Eigentümer innerhalb der ihm gemäß § 112 Abs. 2 gewährten Frist die Mißstände nicht behoben hat oder

3. für das Bauwerk keine baubehördliche Bewilligung vorliegt und

a)

die fehlende Bewilligung nicht erteilt werden darf, weil das Bauvorhaben nicht zulässig ist oder

b)

der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat.

Gemäß § 89 Abs. 2 leg. cit. dürfen Werbeanlagen das Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtigen und müssen so beschaffen sein, daß sie mit amtlichen Hinweisen nicht verwechselt werden können und von derartigen Hinweisen nicht ablenken. Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung sind Einfriedungen gegen öffentliche Verkehrsflächen, Parks oder Grüngürtel so auszuführen, daß das Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtigt wird. Vorgärten dürfen weder gegen die Verkehrsfläche noch an den Nachbargrundstücksgrenzen durch Mauern oder undurchsichtige Zäune eingefriedet werden.

Die belangte Behörde stützte den aus Anlaß der Behandlung des Baugesuches der Beschwerdeführerin erlassenen Abbruchauftrag zum einen darauf, daß die bereits errichtete Anlage, für die eine (nachträgliche) Baubewilligung erteilt werden sollte, einerseits die dem Bebauungsplan entsprechende gärtnerische Gestaltung der Vorgärten beeinträchtige, und andererseits darauf, daß das Orts- und Landschaftsbild durch diese Werbeeinrichtungen beeinträchtigt werde. Inhaltlich ging sie davon aus, daß die Werbeanlagen keine Einfriedungen darstellten, und bezog sich darauf, ebenso wie hinsichtlich der Beeinträchtigung der gärtnerischen Gestaltung und der Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes, auf Gutachten von Amtssachverständigen.

Der einschreitende Rechtsvertreter hat bereits in seiner Stellungnahme vom 16. April 1996 auf das bestehende Vollmachtsverhältnis in der gegenständlichen Bausache hingewiesen. Weitere Ladungen und Zustellungen hätten daher nur an den ausgewiesenen Rechtsvertreter erfolgen dürfen. Wird stattdessen an den Vertretenen selbst zugestellt, dann ist diese Zustellung unwirksam (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5.

Auflage, auf Seite 1225 zu § 9 Abs. 1 des Zustellgesetzes zu

1)

zitierte hg. Judikatur). Durch die Ladung der Beschwerdeführerin selbst zur mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 1996 und die Teilnahme eines Vertreters (nicht des einschreitenden Rechtsfreundes) der Beschwerdeführerin an dieser Verhandlung wurde daher entgegen der Ansicht der belangten Behörde weder das Parteiengehör gewahrt, noch hatte der Rechtsvertreter Gelegenheit, anläßlich dieser Verhandlung in den Verwaltungsakt Einsicht zu nehmen. Zutreffend wird in der Beschwerde auch gerügt, daß dem Beschwerdevertreter Gutachten, auf die sich die belangte Behörde stützte, nie zur Kenntnis gebracht wurden. Mangels Bekanntgabe der Gutachten an den Rechtsvertreter war es entgegen der Ansicht der belangen Behörde auch nicht Sache der Beschwerdeführerin, durch Privatgutachten den Amtsgutachten auf gleicher fachlicher Ebene zu begegnen.

Abgesehen davon verkennt die belangte Behörde die Erfordernisse, die an ein Gutachten zu stellen sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt, so auch in seinem Erkenntnis vom 24. September 1992, Zl. 89/06/0086, ausgeführt, daß es, damit die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes entsprechend ihrer Verpflichtung die Schlüsse eines Sachverständigengutachtens nachvollziehen können, der detaillierten Wiedergabe des konkreten Sachverhaltes bedürfe, aus dem der Sachverständige sein Gutachten schöpft (Befund). Beschränke sich dieser Befund jedoch auf ganz wenige Angaben, aus denen für das Ortsbild überhaupt nichts abgeleitet werden kann, führe dies zu einer Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdefall gibt keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzurücken. Im Beschwerdefall enthält der vorgelegte Verwaltungsakt weder ein nachvollziehbares Gutachten bezüglich der behaupteten Beeinträchtigung der gärtnerischen Gestaltung des Vorgartens noch hinsichtlich der Beeinträchtigung des Ortsbildes. Weder das "Gutachten" vom 15. Februar 1996, noch jenes vom 5. Juli 1996 enthält eine eingehende Befundaufnahme über die tatsächlichen Gegebenheiten und den Beurteilungsraum oder eine schlüssige Ableitung, weshalb die Werbetafeln die gärtnerische Gestaltung des Vorgartenbereiches beeinträchtigen könnten bzw. das Ortsbild störten. Weshalb die Werbetafeln keine Einfriedungen darstellen, wird nicht dargelegt und ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar.

Die von der Beschwerdeführerin in der Berufung erhobenen Einwände wurden von der belangten Behörde mit dem Hinweis abgetan, sie seien nicht geeignet, die Gutachten zu entkräften. Diese Ansicht wäre jedoch nur dann zutreffend, wenn sich die Behörde selbst auf eingehende, nachvollziehbare Gutachten gestützt hätte und diese in einem mängelfreien Verfahren der Beschwerdeführerin vor Bescheiderlassung zur Kenntnis gebracht hätte. Da dies nicht der Fall war und nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Durchführung eines mängelfreien Verfahrens zu einem anderen Bescheid gekommen wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997050212.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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