TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/19 G314 2215983-1

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Veröffentlicht am 19.03.2019
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Entscheidungsdatum

19.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch

G314 2215983-1/2Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, vertreten durch den Rechtsanwalt Mag. Kurt JELINEK, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .03.2019, Zl. XXXX , betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Recht:

A)       Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)             Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF), der aktuell über keinen österreichischen Aufenthaltstitel verfügt, reiste zuletzt am XXXX .11.2018 in den Schengenraum ein. Am 13.02.2019 stellte er beim XXXX einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Angehöriger. Er ist seit 1999 durchgehend an der Adresse seiner Eltern mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Er besuchte zumindest in den Schuljahren 1992/93, 1993/94, 1995/96 und 1998/99 in Österreich die Schule. 2013 wurde er wegen des Vergehens der Urkundenfälschung zu einer 2014 vollzogenen Geldstrafe verurteilt. Es handelt sich um seine einzige strafgerichtliche Verurteilung im Bundesgebiet. Zuletzt war er zwischen 2016 und 2018 in XXXX als Arbeiter geringfügig beschäftigt. Nach seinen Angaben kommen derzeit seine Eltern und sein Bruder für seinen Lebensunterhalt auf.

Mit dem oben angeführten Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde dem BF kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt I.), eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina zulässig sei (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde damit begründet, dass sich der BF seit längerem unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und hier ohne entsprechende Bewilligung einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Er sei auch nicht bereit, in seinen Herkunftsstaat auszureisen, woraus eine entsprechend schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit abzuleiten sei. Aus seinem bisheriger Verhalten sei abzuleiten, dass er auch weiterhin Delikte gegen fremdenrechtliche Vorschriften begehen werde. Sein Interesse an einem Aufenthalt in Österreich trete hinter das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit zurück.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des BF, in der er vorbringt, er habe in Österreich die Schule und den Kindergarten besucht und spreche zwar Bosnisch, könne es aber weder schreiben noch lesen. Alle seine Angehörigen würden in Österreich, Deutschland oder der Schweiz leben; er habe keine Verwandten und keine Wohnmöglichkeit in Bosnien und Herzegowina. Ihm sei einmal ein Aufenthaltstitel erteilt worden, der nun beim Magistrat nicht mehr aufzufinden sei. Von ihm gehe keine Bedrohung aus.

Mit Eingabe vom 07.03.2019 gab der Vertreter des BF bekannt, dass er von diesem bevollmächtigt worden sei.

Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 14.03.2019 einlangten.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG. Ein dem BF erteilter Aufenthaltstitel ist nicht aktenkundig.

Eine Kopie des Reisepasses des BF liegt vor, aus dem seine Identität und das Datum seiner letzten Einreise in den Schengenraum hervorgehen. Die geringfügige Beschäftigung des BF im Bundesgebiet ergibt sich aus dem Versicherungsdatenauszug. Die Wohnsitzmeldung und der gemeinsame Haushalt mit der Familie werden anhand des Zentralen Melderegisters (ZMR) festgestellt. Da der BF diverse Schulzeugnisse vorlegte und aus dem Jahreszeugnis für das Schuljahr 1998/99 eine positive Deutschnote hervorgeht, ist davon auszugehen, dass er ausreichend Deutsch spricht.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Die Aberkennung bedarf – insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen – einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus die sofortige Ausreise der BF geboten sei.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Das BVwG hat über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 BFA-VG (oder gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids) gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Gemäß § 58 Abs 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dem gesetzlichen Gebot, Bescheide zu begründen, ist als Ausdruck eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens besondere Bedeutung beizumessen. Ein Begründungsmangel kann eine wesentliche Mangelhaftigkeit darstellen (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 417 ff).

Da hier angesichts der bereits mehrere Jahre zurückliegenden, nicht sonderlich schwerwiegenden strafgerichtlichen Verurteilung des BF und seiner aufrechten Wohnsitzmeldung keine Gründe ersichtlich sind, warum seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei, ist Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids rechtswidrig und daher ersatzlos aufzuheben, zumal keine Hinweise aktenkundig sind, dass der BF aktuell eine unerlaubte Erwerbstätigkeit ausübt und er sich um die Legalisierung seines Aufenthalts bemüht. Außerdem ist nach dem derzeitigen Verfahrensstand im Rahmen der vorzunehmenden Grobprüfung nicht auszuschließen, dass er sich bereits seit längerem kontinuierlich im Bundesgebiet aufhält, sodass die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung möglicherweise Art 8 EMRK verletzt.

Der Umstand, dass auch das BFA davon ausging, dass vom BF keine maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, zeigt sich schon daran, dass gegen ihn gleichzeitig mit der Rückkehrentscheidung nicht auch ein Einreiseverbot erlassen wurde.

Der Beschwerde wird daher die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.

Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2215983.1.00

Im RIS seit

15.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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