TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/28 93/08/0230

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Veröffentlicht am 28.10.1997
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ASVG §410 Abs1 Z7;
GSVG 1978 §194 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des J in W, vertreten gewesen durch Dkfm. DDr. Gerhard Grone, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 12-14, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 17. Juni 1993, Zl. 122.423/2-6a/93, wegen Zurückweisung eines Devolutionsantrages betreffend Feststellung der Beitragsgrundlage nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei:

Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der - anwaltlich vertretene - Beschwerdeführer stellte am 19. Februar 1992 nach einer Beitragsvorschreibung der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt durch seinen Rechtsvertreter bei dieser den Antrag, "die Beitragsgrundlage entsprechend festzustellen und der Vorschreibung zugrundezulegen". Die Beiträge zur Unfallversicherung seien unbestritten und würden fristgerecht eingezahlt. Hingegen sei die Vorschreibung in der Pensionsversicherung "als Neuzugang ohne Rechtsgrundlage" erfolgt. Der Beschwerdeführer habe als Gesellschafter zwar einen Jahresgewinn von S 12.000,-- erzielt, der jedoch nach dem Gesellschaftsvertrag erst ab 1992 auszuzahlen sei. Für 1991 (Gründungsjahr der Gesellschaft) sei daher kein Gewinnanteil entstanden und ausbezahlt worden, sodaß sich keine Bemessungsgrundlage ergeben könne.

Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt richtete daraufhin am 5. März 1992 an den Beschwerdeführer ein an diesen persönlich adressiertes, formularmäßiges Schreiben über die "Herabsetzung der Beitragsgrundlage". Der wesentliche Inhalt dieses Schreibens lautet folgendermaßen:

"Sehr geehrter Herr

Ihrem Antrag auf Herabsetzung der Beitragsgrundlage vom 19.2.92 wird gemäß § 25a Abs. 2 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes (GSVG) stattgegeben. Die Herabsetzung gilt für 1991, 1992, wobei die Voraussetzungen jährlich überprüft werden.

Der vorläufige monatliche Beitrag beträgt nunmehr:

1.079,50 S vom 1.8.91 bis 31.12.91

1.138,88 S vom 1.1.92 bis 31.12.92

...

Die endgültige Beitragshöhe kann erst festgestellt werden, sobald der dem jeweiligen Beitragsjahr entsprechende Einkommensteuerbescheid vorliegt. Bitte beachten Sie, daß es bei einer zu weit gehenden Herabsetzung nach Feststellung der endgültigen Beitragsgrundlage unter Umständen zu einer hohen Beitragsnachbelastung kommen kann. ...

Mit vorzüglicher Hochachtung

SOZIALVERSICHERUNGSANSTALT DER GEWERBLICHEN WIRTSCHAFT

Für die Landesstelle:

Der Direktor:

Im Auftrage:

Unterschrift"

Der Beschwerdeführer stellte am 23. November 1992 durch seinen Rechtsvertreter an den Landeshauptmann von Wien einen Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht, da ihm die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt bis heute keine Entscheidung zugestellt habe.

Mit Bescheid vom 8. März 1993 wies der Landeshauptmann den Antrag als unzulässig zurück. Nach der Begründung habe die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt über das Begehren des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 5. März 1992 entschieden. Da sie ihre Verpflichtung zur Bescheiderlassung erfüllt habe, fehle dem Devolutionsantrag jegliche Grundlage.

Der Beschwerdeführer erhob durch seinen Rechtsvertreter Berufung, wobei er im wesentlichen die Auffassung vertrat, daß die Entscheidung der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt vom 5. März 1992 seinen Antrag nicht erledigt habe. Er habe keinen Antrag auf Herabsetzung, sondern auf Feststellung der Beitragsgrundlage gestellt. Das Fehlen des Wortes "Bescheid" sowie einer Rechtsmittelbelehrung könne nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgelegt werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und die Entscheidung des Landeshauptmannes bestätigt. Wenngleich das Schreiben der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt vom 5. März 1992 nicht ausdrücklich als "Bescheid" bezeichnet sei, so komme ihm doch nach Auffassung der belangten Behörde Bescheidcharakter zu. Damit sei der Antrag des Beschwerdeführers vollständig erledigt worden. Selbst bei Bestreitung des Bescheidcharakters des Schreibens wäre dieser Umstand allerdings rechtlich nicht von Bedeutung, weil der Beschwerdeführer mit seinem Antrag vom 19. Februar 1992 nicht die Erlassung eines formellen Bescheides, sondern eine "entsprechende Feststellung" seiner Beitragsgrundlage verlangt habe. Aus diesen Gründen fehle es an einer Säumnis der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt hat eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hat mit seinem Schreiben vom 19. Februar 1992 einen Antrag auf Feststellung der Beitragsgrundlage gestellt. Da für das Jahr 1991 kein Gewinnanteil entstanden und ausbezahlt worden sei, fehle es - seiner Ansicht nach - an einer Bemessungsgrundlage, weshalb die "Vorschreibung in der Pensionsversicherung als Neuzugang ohne Rechtsgrundlage" erfolgt sei.

Da der Antrag des Beschwerdeführers somit auf Feststellung der sich für ihn aus dem GSVG ergebenden Rechte und Pflichten gerichtet war, wäre die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt im Sinne des § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG iVm § 194 Abs. 1 GSVG verpflichtet gewesen, darüber bescheidmäßig abzusprechen.

Unabhängig von der Frage, ob dem Schreiben der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt vom 5. März 1992 Bescheidcharakter zukommt (vgl. dazu etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1997, VwSlg. 9458/A, wonach an eine behördliche Erledigung, die nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet ist, hinsichtlich der Wertung als Bescheid nach ihrem Inhalt ein strenger Maßstab anzulegen ist), ist davon auszugehen, daß damit jedenfalls keine Feststellung der Beitragsgrundlage, sondern deren Herabsetzung erfolgt ist. Der Antrag des Beschwerdeführers wurde daher durch das Schreiben der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt vom 5. März 1992 nicht erledigt. Im übrigen ist darauf zu verweisen, daß dieses Schreiben dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer persönlich zugestellt worden ist.

Die zur Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers in einer Devolutionsangelegenheit zuständige belangte Behörde (vgl. dazu etwa den Beschluß vom 29. September 1992, Zl. 92/08/0192, und das Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, Zl. 95/08/0262) belastete daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes; dieser war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit (vgl. § 46 GSVG) nicht zuzusprechen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1993080230.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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