TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/12 G305 2193617-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.08.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

12.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2193617-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des irakischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich und durch MMag. Dr. Franz Stefan PECHMANN, Rechsanwalt, Prinz Eugen-Straße 70/2/1.1, 1040 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.07.2020 zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 12.09.2015 stellte der zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigte, irakische Staatsangehörige, XXXX , geboren am XXXX (Irak) (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF), vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.1. Noch am selben Tag wurde er von Organen der Landespolizeiinspektion Niederösterreich niederschriftlich einvernommen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF an, dass er vor den IS-Kämpfern geflohen wäre, da diese auf seinen Vater geschossen hätten. Sie hätten auch auf die Mutter geschossen, wodurch die Eltern verletzt worden seien. Auch sei das Haus der Familie dabei zerstört worden. Er sei deshalb mit dem Bruder und dem Cousin geflohen. Der restliche Teil der Familie sei in die Türkei geflüchtet [Protokoll über die Erstbefragung des BF vom 12.09.2015, S. 5, Pkt. 11].

Zur Reiseroute befragt, gab der BF an, dass er vor ca. 10 Monaten mit einem Bus in die Türkei gereist sei, wo er etwa 10 Monate in XXXX gelebt habe. Von dort sei er mit dem Bus nach IZMIR gefahren und von hier aus mit dem Schlauchboot auf eine griechische Insel übergesetzt. Dort habe er sich acht bis 10 Tage aufgehalten und danach habe er einen Landesverweis erhalten. Von dieser Insel sei er mit einem Schiff in die Stadt KAVALA, nahe ATHEN gefahren und habe er seine Reise von hier aus mit verschiedenen Verkehrsmitteln über die Balkanroute bis nach Österreich fortgesetzt. Von Wien aus sei er mit dem Zug nach TRAISKIRCHEN gelangt [Protokoll über die Erstbefragung des BF vom 12.09.2015, S. 4 Pkt. 9.9].

Eine von den öffentlichen Sicherheitsorganen durchgeführte EURODAC-Abfrage erbrachte beim BF keinen Treffer zu einem anderen europäischen Staat.

1.2. Am 06.07.2017 wurde der BF ab 12:30 Uhr durch Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA oder belangte Behörde) einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er an, dass er den Irak wegen seines Vaters verlassen habe; dieser habe Saddam und den Ministern sehr nahegestanden und sei die gesamte Familie deshalb in Gefahr. Als die Regierung 2003 gestürzt wurde, seien sie von XXXX nach XXXX gezogen. Sie seien von den Milizen bedroht worden. Die Milizen hätten jeden bedroht, sogar Ärzte, die Saddam nahe gewesen seien. Selbst als sie nach XXXX zogen, seien die Drohungen weitergegangen. Als sich die Situation 2014 verschlimmerte, der IS einmarschierte und sich mehrere Milizen gebildet hätten, habe man ihnen Sprengstoff vors Haus gelegt. Der Sprengstoff sie explodiert und habe ihn leicht am Rücken und am Kopf verletzt. Die Mutter habe sich am Fuß verletzt und dem Vater seien durch die Splitter zwei Nerven am Oberarm durchtrennt worden. Sein Bruder sei gleich mit dem Vater in eine andere Ortschaft ins Krankenhaus gefahren und sie seien zum Haus der Tante nach XXXX gegangen. Für 10 Tage hätten sie sich bei dieser Tante aufgehalten. Sein Bruder sei mit dem Vater für vier Tage im Krankenhaus geblieben, bis dieser behandelt wurde. Danach seien sie nach XXXX gegangen, da der Vater die Behandlung nicht beendet gehabt hätte und die Nerven vollständig durchtrennt gewesen seien. Dort hätten sie sich für ca. drei Monate aufgehalten, bis der Vater seine Behandlung vollständig beendet hatte. In dieser Zeit hätte man ihnen auch kein Visum gegeben. Sie seien nur für die Zeit der Behandlung geduldet gewesen. Danach seien sie in die Türkei. Die Familie sei dort geblieben; sein Bruder und er seien weiter nach Österreich gereist. Als fluchtauslösendes Moment bezeichnete der BF den Anschlag auf das Haus der Familie, das dabei zerstört worden sein soll. Er habe kein Haus mehr im Irak, wohin er zurückkehren könne [Niederschrift des BFA vom 06.07.2017, S. 5]. Auch der Vater habe mit nach Europa reisen wollen. Er habe jedoch wegen seiner Verletzung nicht mitreisen können [Niederschrift des BFA vom 06.07.2017, S. 7].

1.3. Mit Bescheid vom XXXX .03.2018, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab und sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), wider ihn eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen werde (Spruchpunkt IV.), und dass festgestellt werde, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

1.4. Gegen diesen, dem BF am XXXX .04.2018 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid erhob dieser im Wege seiner ausgewiesenen Rechtsvertretung Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, die er auf die Beschwerdegründe „Verletzung von Verfahrensvorschriften“, „mangelhafte Feststellungen“, „mangelhafte Beweiswürdigung“ und „unrichtige rechtliche Beurteilung“ stützte und mit den Anträgen verband, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und dem BF den Status des Asylberechtigten gem. § 3 AsylG zuerkennen, in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverweisen, für den Fall der Abweisung des Beschwerdeantrages gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG feststellen, dass ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat zukomme und feststellen, dass die erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung plus gem. § 55 AsylG vorliegen und den BF diese von Amts wegen erteilen, sowie in eventu feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 Abs. 1 AsylG vorliegen und ihm eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz von Amts wegen zu erteilen ist.

1.5. In der Folge brachte die belangte Behörde die gegen den Bescheid vom XXXX .03.2018 erhobene Beschwerde und die Bezug habenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Vorlage.

1.6. Am 06.07.2020 wurde vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit des ausgewiesenen Rechtsvertreters (im Folgenden kurz: RV) und des Beschwerdeführers, dessen Bruders, XXXX , sowie eines Dolmetschers für die arabische Sprache durchgeführt, anlässlich welcher dieser als Partei einvernommen wurde.

1.7. Am 13.07.2020 langte im Wege seiner Rechtsvertretung eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen vom 17.03.2020 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Identitätsfeststellungen

Der BF führt die im Spruch angegebene Identität XXXX geboren am XXXX und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur sunnitisch-islamischen Religionsgemeinschaft. Seine Muttersprache ist arabisch und verfügt er über Grundkenntnisse der deutschen Sprache [VH-Niederschrift S. 16].

Er hat seit dem XXXX .09.2015 den Hauptwohnsitz im Bundesgebiet (vom XXXX .09.2015 bis XXXX .10.2017 in XXXX und seit dem XXXX .10.2017 bis laufend in XXXX ) [Auszug aus dem Zentralen Melderegister-ZMR].

1.2. Zur Ausreise, Reise, Einreise der beschwerdeführenden Partei in Österreich und der darauffolgenden Asylantragstellung:

Zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2015 ist der BF vom Herkunftsstaat mit dem Reisebus in die Türkei ausgereist, wo er ein paar Monate lang in XXXX lebte und seine Reise mit dem Bus nach IZMIR fortsetzte. Von hier aus gelangte er mit dem Schlauchboot auf eine ihm nicht näher bekannte griechische Insel, auf der er sich acht bis 10 Tage lang aufhielt und in der Folge einen Landesverweis erhielt. Mit dem Schiff gelangte er nach KAVALA, in der Nähe von Athen und setzte von hier aus mit verschiedenen Verkehrsmitteln die Reise über die Balkanroute fort, wo er zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal die österreichische Grenze überquerte und schließlich über WIEN nach TRAISKIRCHEN gelangte, wo er am 12.09.2015 den verfahrensgegenständlichen Asylantrag stellte [Protokoll über die Erstbefragung des BF vom 12.09.2015, S. 4].

Bis zu seiner Ausreise wohnte der BF im Einfamilienhaus des Vaters in der Ortschaft XXXX .

Dort leben dessen Eltern und dessen, zu einem nichtfeststellbaren Zeitpunkt im XXXX geborene Schwester XXXX ; diese Schwester ist weder verheiratet, noch hat sie Kinder [VH-Niederschrift vom 06.07.2020, S. 13].

1.3. Zur individuellen Situation des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat:

Im Herkunftsstaat besuchte der BF sechs Jahre die Grundschule, drei Jahre die Mittelschule und zwei Jahre das Gymnasium, dies alles in XXXX . Die Schule, die er im Irak bis zum Jahr XXXX besuchte, setzte er in Österreich fort. Im Irak erlernte er keinen Beruf bzw. übte er dort auch keinen Beruf aus [VH-Niederschrift vom 06.07.2020, S. 6 unten]. Sein Vater, der sich seit dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein, im Jahr 2003 in Pension befindet und eine staatliche Pension vom Staat Irak bezieht, sorgte für den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers. Daneben arbeitete er im Jahr 2013, in der Dauer von sieben Monaten, als Verkäufer in einem Herrentextilgeschäft. In dieser Eigenschaft brachte er ca. 300,00 USD pro Monat ins Verdienen. Seine Aufgabe bestand im Wesentlichen darin, die Kleidung zusammenzulegen, aufzuhängen, zu ordnen und zu verkaufen [VH-Niederschrift, S. 7 oben; S. 9].

Der Vater des BF diente zwar als Offizier in der irakischen Armee, doch hatte der BF deswegen und/oder aus anderen Gründen weder mit der Polizei, noch mit den Gerichten, noch mit den Verwaltungsbehörden des irakischen Staates noch mir sonstigen Dritten ein Problem [VH-Niederschrift, S. 10 Mitte]. Auch der übrige, im Irak verbliebene Teil der Kernfamilie des Beschwerdeführers, bestehend aus dem Vater, der Mutter und einer zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt im XXXX geborenen Schwester, hatte zu keinem Zeitpunkt ein Problem aus politischen oder religiösen Motiven, noch wegen ihrer Zugehörigkeit zur Mehrheitsbevölkerung der Araber [VH-Niederschrift, S. 14].

Der im Irak verbliebene Teil der Kernfamilie des Beschwerdeführers lebt nach wie vor im Haus des Vaters in XXXX [VH-Niederschrift vom 06.07.2020, S. 13]. Dieser Teil der Kernfamilie hat sich zu keinem Zeitpunkt außerhalb vom Irak aufgehalten [VH-Niederschrift vom 06.07.2020, S. 14 oben].

Ihren Bedarf an Lebensmitteln und Trinkwasser deckt die im Irak verbliebene Kernfamilie des BF über die in XXXX gelegenen Märkte. Die Schwester des BF ist unverheiratet und studiert derzeit XXXX [VH-Niederschrift vom 06.07.2020, S. 14]. Die Mutter des BF ist noch berufstätig und XXXX diese während des Aufenthaltes des BF im Irak als XXXX an einer Schule mit der Bezeichnung XXXX ; gegenwärtig XXXX sie als XXXX an einer, in der Nähe des Hauses der Familie befindlichen, XXXX unbekannter Bezeichnung [VH-Niederschrift, S. 15 oben]. Sohin erzielen sowohl der Vater als auch die Mutter des BF, Einkünfte; der Vater bezieht vom irakischen Staat eine Pension als ehemaliger, seit dem Jahr 2003 in Pension befindlicher Offizier und die Mutter bezieht ein Gehalt als Grundschullehrerin.

1.4. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Partei:

Der BF war nie Mitglied einer politischen Partei oder anderen aktiven Bewegung oder bewaffneten Gruppierung.

Er hatte weder mit der Polizei noch mit den Verwaltungsbehörden noch mit den Gerichten des Herkunftsstaates ein Problem. Gegen ihn liegt keine strafgerichtliche Verurteilung eines Gerichtes des Herkunftsstaates vor; er wurde auch nie einer Straftat bezichtigt und deswegen von den Strafverfolgungsbehörden des Herkunftsstaates verfolgt. Auch mit den Milizen des Herkunftsstaates hatte er kein Problem [VH-Niederschrift, S. 7 unten]. Er hatte auch nie persönlichen Kontakt zu Mitgliedern einer Miliz des Herkunftsstaates und war zu keinem Zeitpunkt Adressat einer Rekrutierung bzw. eines Rekrutierungsversuchs. Er, wie auch der Vater und die übrigen Mitglieder seiner Kernfamilie, erhielten zu keinem Zeitpunkt ein Drohschreiben von einer Miliz des Herkunftsstaates [VH-Niederschrift, S. 8; Niederschrift des BFA vom 06.07.2017, S. 7]. Er war auch nie Mitglied des IS bzw. hat er zu keinem Zeitpunkt für den IS gekämpft [VH-Niederschrift, S. 18].

Der BF selbst wurde auch nie zum Militär des Herkunftsstaates einberufen [Niederschrift des BFA vom 06.07.2017, S. 6 unten].

Die Familie des Beschwerdeführers war auch nie Adressat eines aus religiösen, politischen oder aus Gründen ihrer Zugehörigkeit zur Ethnie der Araber von einer Miliz des Herkunftsstaates oder eines auf Ihr Familienhaus gezielt verübten Sprengstoffanschlags.

Insgesamt vermochte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft zu machen, dass er im Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt gewesen wäre bzw. nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat einer solchen ausgesetzt sein könnte.

1.5. Zu Situation des BF im Bundesgebiet:

1.5.1. Der BF hat im Bundesgebiet außer seinen Bruder, XXXX , und einen Cousin väterlicherseits, den zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt geborenen, in XXXX lebenden XXXX , keine im Bundesgebiet lebenden Verwandten. Ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis besteht zwischen ihm und seinen Verwandten nicht. Der BF und sein Cousin besuchen einander lediglich zwei Mal pro Jahr. Zuletzt gab es vor der Corona-Krise Besuchskontakt, danach nicht mehr [VH-Niederschrift vom 06.07.2020, S. 15].

1.5.2. Er hat während eines nicht feststellbaren Zeitraumes, ausgehend vom Jahr 2016, einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 besucht. Eine Deutschsprachprüfung legte er allerdings nicht ab [VH-Niederschrift vom 06.07.2020, S. 16]. In Österreich besucht er keine Kurse, Schule oder Universität. Er spielt Fußball im Fußballclub XXXX [VH-Niederschrift vom 06.07.2020, S. 17].

1.5.3. Der BF geht in Österreich auch keiner regelmäßigen Beschäftigung nach; vielmehr bezieht er Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung [VH-Niederschrift vom 06.07.2020, S. 16 unten und 17 oben].

1.5.4. Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.

Er wurde zwar wegen des Verdachts, das Verbrechen der kriminellen Organisation gem. § 278a StGB, weiter das Verbrechen der terroristischen Vereinigung gem. § 278b Abs. 2 StGB und das Vergehen der Aufforderung zu terroristischen Straftaten und der Gutheißung terroristischer Straftaten nach § 282a Abs. 1 und 2 StGB festgenommen und in Untersuchungshaft genommen, jedoch mangels an Beweisen auf freien Fuß gesetzt [VH-Niederschrift vom 06.07.2020, S. 17].

1.5.5. Der Beschwerdeführer lebt von Leistungen aus der Grundversorgung.

1.6. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines „Kalifats“ in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war diese Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden, verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Während seines Aufenthalts im Irak bis zu dessen, zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt erfolgten Ausreise aus dem Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung durch schiitische Milizen, den IS oder durch die Polizei des Herkunftsstaates war der BF keiner asylrelevanten Bedrohung und/oder Verfolgung ausgesetzt. Überdies sind keine Umstände hervorgekommen, dass er nach erfolgter Rückkehr in den Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung und/oder Verfolgung ausgesetzt sein könnte.

1.6.1. Die Asa’ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz’ali-Netzwerk, League of the Righteous, kurz: AAH) ist eine der unter der PMF zusammengefassten schiitischen Milizen. Diese Miliz wurde 2006 von Qais al-Khaz’ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Ausgegangen wird von einer Truppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist, wie die Badr-Organisation und Kata’ib Hizbullah, vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Seitens der Regierung wurde 2016 der Versuch unternommen, Teile der PMF in die staatliche Sicherheitsstruktur einzugliedern und unter die Kontrolle des Premierministers zu stellen - ein Projekt, dessen Ausgang noch immer unklar ist.

Eine landesweite und systematische Verfolgung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft oder der palästinensischen Minderheit durch diese Miliz besteht nicht. Anlässlich seiner PV in der am 06.07.2020 durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erklärte der BF, dass er im Herkunftsstaat, konkret in seiner Heimatstadt AL RUMADI in der Provinz AL ANBAR, durch sechs Jahre die Grundschule, durch drei Jahre die Mittelschule und durch drei Jahre die HTL besuchte und dass er im Herkunftsstaat weder einen Beruf erlernt, noch einen solchen ausgeübt hätte. Nach eigenen Angaben war er zu keinem Zeitpunkt Mitglied einer politischen Partei, einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder bewaffneten Gruppierung des Irak [VH-Niederschrift vom 06.07.2020, S, 7]. Er persönlich hatte auch keine Probleme mit den Milizen des Herkunftsstaates [VH-Niederschrift vom 06.07.2020, S. 7 unten]. Der BF hatte persönlich nie Kontakt mit einer Miliz des Herkunftsstaates. Keine Miliz des Herkunftsstaates hatte jemals eine Rekrutierungsaufforderung an ihn gerichtet. Er war auch nie Adressat einer Bedrohung durch eine Miliz des Herkunftsstaates bzw. erhielt er auch nie ein Drohschreiben von einer Miliz des Herkunftsstaates [VH-Niederschrift vom 06.07.2020, S. 8].

Dass sein Vater - wegen seiner Vergangenheit als Offizier im Militär des Herkunftsstaates - Probleme mit auch nur einer Miliz des Herkunftsstaates gehabt hätte, kam anlassbezogen nicht hervor. Dass der Vater des BF gemeinsam mit der Mutter und der Schwester des BF in dem in XXXX gelegenen Familienhaus lebt und sich durchgängig im Irak aufgehalten und diesen nie verlassen hat, er weiters eine Pension vom irakischen Staat bezieht und die Mutter des BF bis laufend einer Tätigkeit als XXXX in XXXX nachgeht und aus dieser Tätigkeit ein Gehalt bezieht, ergibt sich, dass keines der im Irak aufhältigen Mitglieder der Kernfamilie des Beschwerdeführers Probleme mit einer Miliz gehabt haben kann bzw. hat und damit einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung unterlegen sein kann bzw. unterliegt.

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges- amt- bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 30.06.2020

-        ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq, insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen 02.02.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424853.html Zugriff am 30.06.2020

-        - ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (11.12.2019): ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen, https://www.ecoi.net/en/document/2021156.html, Zugriff 30.06.2020

-        BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc Zugriff am 30.06.2020

-        - GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 13.3.2020

-        - Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Al-Hashd ash-Sha’bi: Die irakischen „Volksmobilisierungseinheiten“ (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 13.3.2020

-        UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf Zugriff am 30.06.2020

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf Zugriff am 30.06.2020

1.6.2. Berufsgruppen:

Aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat der bfP geht hervor, dass Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats besonders gefährdet seien (AA 12.01.2019).

Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird - fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, vor allem Jesiden und Christen (AA 12.1.2019; vgl. USDOS 21.6.2019), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten sowie medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen (AA 12.1.2019).

Während seines Aufenthalts im Irak ging der BF noch zur Schule. Er erlernt keinen Beruf, noch übte er einen von ihm erlernten Beruf aus [VH-Niederschrift vom 06.07.2020, S. 6 unten]. Ungeachtet dessen war er während seiner schulischen Ausbildung im Jahr 2013 durch sieben Monate hindurch als Verkäufer in einem Herrentextilgeschäft tätig und brachte als solcher ca. 300,00 USD ins Verdienen. Er hat keine asylrelevante Verfolgung bzw. Bedrohung seiner Person im Rahmen eines Berufs behauptet bzw. glaubhaft gemacht.

Quellen:

-        - AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

-        - USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html, Zugriff 13.3.2020

1.6.3. Medizinische Versorgung

Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können - für den Zugang zum Gesundheitswesen wird lediglich ein irakischer Ausweis benötigt - haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben maximal eine Stunde vom nächstgelegenen Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 1.4.2019). Staatliche, wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore. Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD (Anm.: ca. 12-16 EUR). Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 12.2019).

Insgesamt bleibt die medizinische Versorgungssituation angespannt (AA 12.1.2019). Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung (GIZ 12.2019). In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser mit eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, doch haben viele aus Angst vor Entführung oder Repression das Land verlassen. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.1.2019). Spezialisierte Behandlungszentren für Personen mit psychosoziale Störungen existieren zwar, sind jedoch nicht ausreichend (UNAMI 12.2016). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

Ob der Tatsache, dass sich der BF selbst als gesund bezeichnete und angegeben hatte, dass er keine Medikamente einnehme, steht fest, dass er gesund ist und keine, über das normale Maß hinausgehende, medizinische Betreuung benötigt. Er ist von den in den Länderinformationen beschriebenen Problemlagen am Medizinsektor nicht betroffen, sodass sich eine nähere Auseinandersetzung mit denselben erübrigt.

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 30.06.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2019): Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/, Zugriff 30.06.2020

-        IOM - Internationale Organisation für Migration (1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18363939/Irak_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101157&vernum=-2, Zugriff 30.06.2020

-        UNAMI - United Nations Assistance Mission to Iraq (12.2016): Report on the Rights of Persons with Disabilities in Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNAMI_OHCHR__Report_on_the_Rights_of_PWD_FINAL_2Jan2017.pdf, Zugriff 30.06.2020

-        WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html, Zugriff 30.06.2020

1.7. Aus den Angaben des BF lassen sich keine Anhaltspunkte dahin entnehmen, dass er mit den Behörden, der Polizei oder den Gerichten des Herkunftsstaates etwa wegen seines Religionsbekenntnisses, seiner ethnischen Zugehörigkeit zur Mehrheitsbevölkerung der Araber oder aus politischen Gründen Probleme gehabt hätte. Es gibt auch keinerlei Hinweise in die Richtung, dass er oder die Angehörigen seiner Kernfamilie politisch aktiv gewesen wären oder als Mitglied einer politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates angehört hätten. Im Herkunftsstaat war er nie Adressat einer Verfolgung durch die dortigen Strafverfolgungsbehörden bzw. liegt gegen ihn auch keine strafgerichtliche Verurteilung durch ein irakisches Gericht vor.

Der BF gehört der Volksgruppe der Araber an. Er ist sunnitischer Muslim und hatte weder mit den Angehörigen derselben Glaubensrichtung noch mit den Angehörigen einer anderen, im Herkunftsstaat beheimateten Glaubensrichtung Probleme.

Auch hatte er mit den Angehörigen einer Miliz des Herkunftsstaates oder mit dem IS kein Problem. Zu keinem Zeitpunkt war er Adressat einer Rekrutierungsaufforderung durch Angehörige einer Miliz des Herkunftsstaates oder den IS. Bevor er den Irak verließ, war er weder durch eine Miliz des Herkunftsstaates noch durch den IS einer Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt.

Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ist der BF keiner, aus in seiner Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort , realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte, oder dass er als Zivilpersonen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und die in der Folge getroffenen (sachverhaltsbezogenen) Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben der BF1 anlässlich ihrer Befragung durch die Organe der belangten Behörde.

2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, die vom BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, andererseits vor den Organen der belangten Behörde getätigt wurden sowie auf den im Akt befindlichen Kopien der vorgelegten Dokumente und Urkunden.

Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Die zu seiner Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise ins Bundesgebiet getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus seinen Angaben anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der Sicherheitsbehörde, die der gegenständlichen Entscheidung daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde zu legen waren.

2.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

Die Konstatierungen zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zur Situation des BF im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat beruht einerseits auf seinen Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, sowie auf den vor den Organen der belangten Behörde gemachten Angaben und auf den Angaben, die er anlässlich seiner PV in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gemacht hatte.

Anlässlich seiner Erstbefragung hatte der BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden angegeben, den Herkunftsstaat vor den IS-Kämpfern verlassen zu haben, da diese auf seinen Vater geschossen hätten. Sie hätten auch auf die Mutter geschossen, wodurch die Eltern verletzt worden seien. Auch sei das Haus der Familie dabei zerstört worden. Er sei deshalb mit dem Bruder und dem Cousin geflohen. Der restliche Teil der Familie sei in die Türkei geflüchtet [Protokoll über die Erstbefragung des BF vom 12.09.2015, S. 5, Pkt. 11].

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er anlässlich seiner Einvernahme vor dem BFA an, den Herkunftsstaat wegen seines Vaters verlassen zu haben; dieser habe Saddam und den Ministern sehr nahegestanden und sei die gesamte Familie deshalb in Gefahr. Als die Regierung 2003 gestürzt wurde, seien sie von XXXX nach XXXX gezogen. Sie seien von den Milizen bedroht worden. Die Milizen hätten jeden bedroht, sogar Ärzte, die Saddam nahe gestanden hätten. Selbst als sie nach XXXX zogen, seien die Drohungen weitergegangen. Als sich die Situation 2014 verschlimmerte, der IS einmarschierte und sich mehrere Milizen gebildet hätten, habe man ihnen Sprengstoff vors Haus gelegt. Der Sprengstoff sei explodiert und habe ihn leicht am Rücken und am Kopf verletzt. Die Mutter habe sich am Fuß verletzt und dem Vater seien durch die Splitter zwei Nerven am Oberarm durchtrennt worden. Sein Bruder sei gleich mit dem Vater in eine andere Ortschaft ins Krankenhaus gefahren und sie seien zum Haus der Tante nach XXXX gegangen. Für 10 Tage hätten sie sich bei dieser Tante aufgehalten. Sein Bruder sei mit dem Vater für vier Tage im Krankenhaus geblieben, bis dieser behandelt wurde. Danach seien sie nach XXXX gegangen, da der Vater die Behandlung nicht beendet gehabt hätte und die Nerven vollständig durchtrennt gewesen seien. Dort hätten sie sich für ca. drei Monate aufgehalten, bis der Vater seine Behandlung vollständig beendet hatte. In dieser Zeit hätte man ihnen auch kein Visum gegeben. Sie seien nur für die Zeit der Behandlung geduldet gewesen. Danach seien sie in die Türkei. Die Familie sei dort geblieben; sein Bruder und er seien weiter nach Österreich gereist. Als fluchtauslösendes Moment bezeichnete der BF den Anschlag auf das Haus der Familie, das dabei zerstört worden sein soll. Er habe kein Haus mehr im Irak, wohin er zurückkehren könne [Niederschrift des BFA vom 06.07.2017, S. 5]. Auch der Vater habe mit nach Europa reisen wollen. Er habe jedoch wegen seiner Verletzung nicht mitreisen können [Niederschrift des BFA vom 06.07.2017, S. 7].

Wie schon sein Bruder im hg. zu GZ.: G305 2193620 geführten Parallelverfahren vermochte der BF im gegenständlichen Beschwerdeverfahren den Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates (Fluchtgründe) nicht glaubhaft zu machen.

Sowohl den Sprengstoffanschlag, als auch eine Verfolgung des Vaters (zuerst durch den IS und später umgestellt auf namentlich nicht näher genannte Milizen des Herkunftsstaates)bzw. seiner eigenen Person vermochte der BF nicht glaubhaft zu machen. So hatte er anlässlich seiner Erstbefragung vor den Organen der Sicherheitsbehörde noch eine Flucht vor den IS-Kämpfern, die auf den Vater und die Mutter geschossen hätten, wodurch beide verletzt worden seien, und eine Zerstörung des Hauses durch den IS behauptet.

Vor dem BFA stellte er diese Version insofern um, als er eine jahrelange Bedrohung des Vaters durch (namentlich nicht näher genannte) Milizen des Herkunftsstaates behauptete, weil der Vater Saddam HUSSEIN während seiner aktiven Zeit als Offizier des irakischen Militärs nahegestanden hätte. 2014, nach dem Einmarsch des IS, habe man ihnen Sprengstoff vor das Haus gelegt. Als der Sprengstoff explodierte seien er leicht am Rücken und Kopf und die Mutter am Fuß verletzt worden; beim Vater seien durch die Splitter zwei Nerven am Oberarm durchtrennt worden. Bei diesem Anschlag sie das Haus zerstört worden.

Dadurch setzte sich der BF nicht nur mit seinen eigenen Angaben, sondern auch mit den Angaben seines Bruders, XXXX , in einen eklatanten, die Glaubwürdigkeit seiner Angaben in den Grundfesten erschütternden Widerspruch. Dies beginnt schon bei den Angaben, die beide vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde im Rahmen ihrer Erstbefragung machten. Während der BF angab, vor den IS Kämpfern geflohen zu sein, weil diese auf den Vater und die Mutter geschossen und beide verletzt zu haben, trug sein Bruder im Parallelverfahren zu GZ: G305 2193620-1 weniger dick auf. So behauptete dieser eine Bedrohung durch den IS und von einem Anschlag auf den Vater, bei dem dieser schwer verletzt worden sein soll. Zum einen nannte der Bruder des BF weder einen Urheber des Anschlages, noch brachte er vor, dass auch auf die Mutter ein Anschlag verübt worden wäre, bei dem diese verletzt worden sein könnte. Davon, dass das Haus der Familie zerstört worden wäre, berichtete der Bruder des BF nichts. Im Gegenteil gab der Bruder im Parallelverfahren an, dass er bis zu seiner im April 2015 stattgehabten Ausreise im Familienhaus in XXXX gelebt und gewohnt hätte; vor dem Bundesverwaltungsgericht gaben der Beschwerdeführer und dessen Bruder in der am 06.07.2020 stattgehabten mündlichen Verhandlung an, dass der Vater, die Mutter und die unverheiratete Schwester seit der Pensionierung des Vaters (Anm.: im Jahr 2003) bis laufend im Familienhaus in XXXX leben [VH-Niederschrift vom 06.07.2020, S. 13]. Der Vater des BF lebt von einer Pension, die er seit dem Jahr 2003 vom Staat Irak bezieht. Die Mutter ist seit jeher einer Berufstätigkeit als XXXX nachgegangen und bezieht sie aus dieser Tätigkeit ein Gehalt. Aus den Angaben, die der Bruder des BF anlässlich seiner PV vor dem Bundesverwaltungsgericht machte, ergibt sich weiter, dass der im Irak aufhältige Teil der Kernfamilie des BF den Irak nie ins Ausland verlassen hat und das Haus der Familie nie zerstört oder beschädigt wurde [VH-Niederschrift vom 06.07.2020, S. 14 oben]. Die Richtigkeit dieser vor dem Bundesverwaltungsgericht gemachten Angaben des Bruders bestätigte der BF im Rahmen seiner, am selben Tag stattgehabten PV [VH-Niederschrift vom 06.07.2020, S. 14].

Aus all dem ergibt sich, dass die Version, dass das Familienhaus bei einem Angriff durch den IS bzw. durch einen Sprengstoffanschlag zerstört worden sei und der restliche Teil der Kernfamilie des BF, wie er anlässlich seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 06.07.2017 noch behauptete, in die Türkei geflohen sei, nicht der Wahrheit entsprechen [Niederschrift des BFA vom 06.07.2017, S. 5 Mitte].

Die angeführten Widersprüche und Inkonsistenzen in der Darstellung der Fluchtgründe machen dieselben, wie auch eine Bedrohung der gesamten Familie völlig unglaubwürdig. Es wird nicht verkannt, dass die Einvernahme durch die Organe der Sicherheitsbehörden primär der Erkundung der Reiseroute dient, doch wird im Rahmen der Erstbefragung auch kurz nach dem Fluchtgrund gefragt. Wenn sich der Befragte hinsichtlich seiner Angaben derart in Widersprüche verstrickt, wie dies beim BF der Fall ist, gebietet es die allgemeine Lebenserfahrung, dass es sich beim dargelegten Fluchtmotiv um ein tatsachenwidriges Gedankenkonstrukt handelt. Wäre der Vater, ebenfalls ein sunnitischer Muslim, tatsächlich vom (sunnitischen) IS angegriffen worden, hätte der BF bei Wahrunterstellung dieser ersten Angabe auch bei seinen weiteren Einvernahmen daran festgehalten und nicht auf eine Bedrohung durch namentlich nicht näher bezeichnete Milizen des Herkunftsstaates umgestellt.

Der Umstand, dass der Vater, die Mutter und die unverheiratete Schwester des BF bis laufend in XXXX leben, sprechen gegen die vom BF unsubstantiiert behaupteten, angeblichen Drohungen gegen den Vater bzw. die Familie [BF in Verhandlungsniederschrift vom 06.07.2020, S. 12]. Hinsichtlich der wider den Vater ausgesprochenen Drohungen blieb der BF stets unkonkret, was insgesamt dessen Glaubwürdigkeit in deren Grundfesten erschüttert.

Zudem hat der BF angegeben selbst nie bedroht worden zu sein [VH-Niederschrift vom 06.07.2020, S. 8]. Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er überdies an, mit den Milizen des Herkunftsstaates bzw. deren Mitgliedern nie persönlichen Kontakt gehabt zu haben und auch nie Adressat eines Rekrutierungsversuchs durch die Milizen des Herkunftsstaates gewesen zu sein [VH-Niederschrift vom 06.07.2020, S. 8].

Hinsichtlich seiner Angaben zu den Fluchtgeschichten blieb der BF stets sehr vage und unbestimmt. Unter Berücksichtigung der Widersprüche, in die er sich verstrickte, und der damit in Widerspruch stehenden Angaben seines Bruders, sind die Angaben des BF, die er vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, vor dem BFA und auch vor dem Bundesverwaltungsgericht gemacht hatte, insgesamt in Zweifel zu ziehen.

Ein Vergleich seiner Angaben mit jenen seines Bruders im Parallelverfahren zeigt, dass die beiden Brüder eine Fluchtgeschichte zu konstruieren versuchten, sich dabei selbst und auch mit den Angaben des jeweils anderen derart in Widersprüche verstrickten, dass sich die angegebenen Fluchtgründe als tatsachenwidriges Gedankenkonstrukt erwiesen haben und von einer asylrelevanten Bedrohung bzw. Verfolgung, von wem immer, nichts übrig geblieben ist.

Insgesamt vermittelte der BF dem erkennenden Gericht einen unglaubwürdigen persönlichen Gesamteindruck.

Die getroffenen Konstatierungen waren somit im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen.

2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat

Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat des BF in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Diesen war auch kein über die oben erörterten, vom BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.

2.5. Zur Integration des BF in Österreich

Die Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzten Integrationsschritten ergeben sich aus den diesbezüglich vorgelegten Nachweisen im Akt und aus dem eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.07.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

3.1.1. Die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom XXXX .03.2018 erhobene Beschwerde des BF ist rechtzeitig und legte die belangte Behörde die Beschwerdesachen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide:

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, der sich eignet, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH vom 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; vom 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318 und vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH vom 05.11.1992, Zl. 92/01/0792 und vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH vom 01.06.1994, Zl. 94/18/0263 und vom 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor einer konkreten Verfolgung findet (VwGH vom 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH vom 08.09.1999, Zlen. 98/01/0503 und 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH vom 21.01.1999, Zl. 98/20/0399 und vom 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unbegründet:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Eine gegen eine Person gerichtete Verfolgungsgefahr aus solchen Gründen wurde vom Beschwerdeführer weder im Verfahren vor der belangten Behörde, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft gemacht.

Vielmehr gab er im Rahmen seiner stattgehabten Vernehmung als Partei vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass er persönlich mit der Polizei, den Verwaltungsbehörden oder den Gerichten des Herkunftsstaates kein Problem hatte. Er selbst war nach eigenen Ang

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten