TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/4 G305 2230631-3

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Veröffentlicht am 04.09.2020
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Entscheidungsdatum

04.09.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch

G305 2230631-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX , über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Mit Bescheid vom XXXX .04.2020, Zl. XXXX , verhängte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge kurz: BFA) die Schubhaft über XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria (in der Folge: betroffener Fremder oder kurz: BF).

Seine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 06.05.2020, GZ: G306 2230631-1/8E, als unbegründet ab (Spruchpunkt I.), stellte fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen (Spruchpunkt II.), dass der BF dem Bund (konkret dem BFA) Aufwendungen in Höhe von EUR 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen habe (Spruchpunkt III.) und wies den Antrag des BF, ihm seine Aufwendungen zu ersetzen, ab (Spruchpunkt IV.).

2. Am XXXX .08.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung, der neben dem BF eine Dolmetscherin für die englische Sprache und eine Vertreterin des BFA teilnahmen, eine amtswegige Überprüfung der andauernden Anhaltung des BF in Schubhaft gem. § 22a Abs. 4 BFA-VG durchgeführt.

Mit mündlich verkündetem Erkenntnis wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlegen und die Aufrechterhaltung in Schubhaft verhältnismäßig ist und wurde dies im Wesentlichen auf den Umstand gestützt, dass die drei vom BF gestellten Anträge auf internationalen Schutz mittlerweile rechtskräftig entschieden worden seien und eine rechtskräftige (und damit durchsetzbare) Rückkehrentscheidung samt fünfjährigem Einreiseverbot gegen ihn bestehe. Auch verfüge er weder über ausreichende Mittel zur Sicherung seines Unterhalts und habe er auch keinen gesicherten Wohnsitz. Auch lägen im Bundesgebiet weder berufliche noch familiäre Anknüpfungspunkte vor. Der BF habe bei der mündlichen Verhandlung angegeben, nach Italien gehen zu wollen, wenn er nicht in Österreich bleiben dürfe. Die Delikte nach dem Suchtmittelgesetz habe er begangen, um sich so sein Leben finanzieren zu können. In den Herkunftsstaat wolle er nicht zurückkehren.

3. Am 31.08.2020 brachte das BFA den Akt zur Überprüfung der Anhaltung des BF in Schubhaft dem Bundesverwaltungsgericht zur Vorlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der am XXXX geborene XXXX (in der Folge: betroffener Fremder oder kurz: BF) ist Staatsangehöriger von Nigeria. Er befindet sich seit dem XXXX .04.2020, 09:30 Uhr in Schubhaft. Seit dem XXXX .05.2020, 10:50 Uhr wird die über den BF verhängte Schubhaft zur Sicherstellung seiner Abschiebung in den Herkunftsstaat im Anhaltezentrum XXXX vollzogen.

1.2. Er ist zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal ins Bundesgebiet eingereist und stellte er hier am XXXX .10.2014 einen (ersten) Asylantrag, den er mit einer im Herkunftsstaat angeblich gegen ihn bestehenden Verfolgungsgefahr begründete.

Da er seine wahre Identität in jeder Richtung zu verschleiern suchte, gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge kurz: BFA) ein medizinisches Sachverständigengutachten in Auftrag. Dieses ergab, dass der BF im Zeitpunkt der Antragstellung mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits das 18. Lebensjahr erreicht hatte und bestimmte als spätestmögliches Geburtsdatum den XXXX .

In der Folge beauftragte das BFA am 15.01.2015 XXXX mit einer forensisch-afrikanistischen Befunderhebung zur Sprachkompetenz und zu den Landeskenntnissen des BF. Das in der Folge von XXXX erstellte Gutachten vom XXXX .01.2015 ergab, dass der BF mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Nigeria und nicht - wie angegeben - im Sudan hauptsozialisiert wurde.

1.3. Mit Bescheid vom XXXX .11.2017, Zl. XXXX , wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom XXXX .10.2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria als unbegründet ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.) und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen werde (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 22.01.2018, GZ: I421 2183177-1/3E, als unbegründet ab.

1.4. Am 07.02.2018 stellte der BF neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom XXXX .11.2018, Zl. XXXX , wies das BFA diesen Antrag des BF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria als (Spruchpunkt II.) gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück und sprach aus, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.) und eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen werde (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V.). Darüber hinaus wurde gem. § 55 Abs. 1a FPG festgehalten, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht bestehe (Spruchpunkt VI.). Zudem wurde ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 08.01.2019, GZ: I421 2183177-2/5E, als unbegründet ab.

1.5. Am 19.02.2019 stellte der BF aus dem Stande der Untersuchungshaft erneut einen Asylantrag.

Am 11.04.2019 wurde er von einem Organ des BFA niederschriftlich einvernommen und erging in der Folge ein mündlich verkündeter Bescheid, auf dessen Grundlage der faktische Abschiebeschutz gem. § 12a Abs. 2 AsylG zur Aufhebung gelangte. Den mündlich verkündeten Bescheid brachte das BFA in der Folge dem Bundesverwaltungsgericht zur Vorlage.

Mit Beschluss vom XXXX .04.2019, GZ: XXXX , sprach das Bundesverwaltungsgericht über den am 11.04.2019 mündlich verkündeten Bescheid des BFA dahingehend ab, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gem. § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm. § 22 BFA-VG rechtmäßig sei.

1.6. Durch die wiederholten Asylantragstellungen versuchte der BF, sich dem Vollzug der (durchsetzbaren) Rückkehrentscheidung zu entziehen.

Sämtliche, vor dem BFA anhängig gemachten Asylverfahren sind rechtskräftig abgeschlossen; die Rückkehrentscheidungen sind durchsetzbar.

1.7. Am XXXX .03.2019 wurde der BF von Beamten der LPD XXXX wegen des Verdachts des Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz festgenommen und noch am selben Tag in die Justizanstalt XXXX eingeliefert.

Im Verfahren zu GZ: 45 XXXX wurde er vom Landesgericht XXXX wegen des Vergehens nach § 27 SMG am XXXX zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bedingt verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , GZ: XXXX , wurde er wegen § 27 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten rechtskräftig verurteilt.

1.8. Am XXXX .04.2020 wurde er aus der Strafhaft, die er ab dem XXXX .10.2019 in der JA XXXX verbüßte, entlassen und ins Polizeianhaltezentrum XXXX überstellt und in Schubhaft genommen.

Am XXXX .05.2020 erfolgte seine Überstellung ins Anhaltezentrum XXXX .

1.9.1. Der BF ist absolut rückkehrunwillig. Anlässlich der am XXXX .08.2020 durchgeführten Schubhaftüberprüfung gab der BF an, dass er nicht mehr in den Herkunftsstaat zurückkehren wolle. Vielmehr würde er nach Italien reisen, sollte er Österreich verlassen müssen (VH-Niederschrift vom XXXX .08.2020, S. 4).

1.9.2. Er ist im Bundesgebiet keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen. Vielmehr verdingte er sich den Lebensunterhalt mit dem Handel mit Suchtgift. Berufliche Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet liegen nicht vor (VH-Niederschrift vom XXXX .08.2020, S. 4).

1.9.3. Er hat keine Familienangehörigen oder nahen Verwandten im Bundesgebiet. Auch liegen sonst keine konkreten Anhaltspunkte für das Bestehen eines nennenswerten Privatlebens vor (VH-Niederschrift vom XXXX .08.2020, S. 6).

1.9.4. Der BF verfügt weder über Ersparnisse noch über Immobilienbesitz im Bundesgebiet. Auch verfügt er über keine gesicherte Unterkunft (VH-Niederschrift vom XXXX .08.2020, S. 8).

1.10. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats durch die nigerianische Botschaft steht unmittelbar bevor.

1.11. Der BF ist insgesamt nicht gewillt, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten und ist er nicht vertrauenswürdig.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. XXXX (Schubhaft) und den zitierten Akten des Bundesverwaltungsgerichtes.

1.2. Die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers sind aus einem rezenten Auszug aus dem Strafregister ersichtlich und im Übrigen auch unstrittig. Die in den Bescheid aufgenommenen Feststellungen zu den fehlenden sozialen Anknüpfungspunkten des Beschwerdeführers Im Bundesgebiet wurden vom BF ebenso wenig in Zweifel gezogen, wie jene, sich durch wiederholte Asylantragstellungen der Rückschiebung in den Herkunftsstaat zu widersetzen.

1.3. Aufgrund seines Verhaltens seit Stellung des Antrags auf internationalen Schutz, insbesondere der Begehung von Suchtmitteldelikten 2019 (nach bereits einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Gewalt- und einer wegen Suchtmitteldelikten), kann dem Beschwerdeführer keine Vertrauenswürdigkeit attestiert werden.

1.4. Das Fehlen substanzieller sozialer, familiärer und beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet ergibt sich aus der Aktenlage. Substanzielle Deutschkenntnisse wurden in der Beschwerde nicht behauptet. Im Verfahren sind auch keine legalen Beschäftigungsverhältnisse oder Fähigkeiten hervorgekommen, die zu einer mittelfristigen Sicherung der eigenen Existenz in Österreich beitragen würde. Vielmehr hat der BF selbst angegeben, sich mit dem Handel mit Suchtgift den Lebensunterhalt verdient zu haben. Auch außerhalb der Haftzeiten hat der Beschwerdeführer keine substanziellen beruflichen Integrationsschritte gesetzt.

1.5. Substanzielle gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers wurden in der Beschwerde nicht behauptet und sind auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

2. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A) (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 - FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

„§ 22a. (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

§22a Abs. 4 bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage, da der Beschwerdeführer seit 17.04.2020 in Schubhaft angehalten wird.

Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen (innerstaatlichen) verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Art 5 Abs. lit. f EMRK und des Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG sowie einfachgesetzlichen Normen des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 - FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 lauten:

Art 5 Abs. 1 lit. F EMRK

(1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

f) wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.

Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG

(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

§ 76 FPG (in der nunmehr gültigen Fassung)

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1.       dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2.       dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3.       die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1.       ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a.      ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2.       ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3.       ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4.       ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5.       ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6.       ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a.       der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b.       der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.       es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7.       ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8.       ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9.       der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 - immer noch - vor, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete (Ziffern 1 und 9 des § 76 Abs. 1 FPG), haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Insbesondere hat der Beschwerdeführer das Kriterium der Ziffer 1 des § 76 Abs. 3 FPG durch mangelhafte Mitwirkung im Asylverfahren erfüllt. Es ist in diesem Zusammenhang im Übrigen ohne rechtliche Relevanz, dass der Beschwerdeführer mittlerweile nicht mehr Asylwerber ist.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts deutlich reduzierter persönlicher Vertrauenswürdigkeit (nicht zuletzt aufgrund Verurteilungen wegen Suchtmitteldelikten) kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.

Der Beschwerdeführer war bei der Anordnung der Schubhaft haftfähig hat sich dies nicht geändert.

Die mit der Erlangung eines Heimreisezertifikats verbundene Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist vor dem dargestellten Hintergrund zumutbar. Verzögerungen, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen.

Die in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG grundsätzlich vorgesehene Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft im Ausmaß von sechs Monaten wurde zum Entscheidungszeitpunkt überschritten. Allerdings liegt hier unzweifelhaft ein Sachverhalt im Sinne des § 80 Abs. 4 Z 1 FPG vor, weshalb die gegenständliche Schubhaft auch über die sechs Monate hinaus fortgesetzt werden kann. Das erkennende Gericht verkennt nicht, dass derzeit immer noch Reisebeschränkungen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung der Corona-Pandemie vorliegen, der Flugverkehr wird jedoch momentan wieder vermehrt aufgenommen. Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die für ihre Fortsetzung maßgeblichen Voraussetzungen im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da im gegenständlichen Fall der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der von Amts wegen gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VF erhobenen Beschwerde eindeutig geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, zu Mal auch der BF zuletzt am 10.08.2020 im Zuge einer mündlichen Verhandlung gehört wurde.

Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Pandemie Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G305.2230631.3.00

Im RIS seit

15.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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