RS Vfgh 2020/9/21 E2225/2020

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Veröffentlicht am 21.09.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

EU-Grundrechte-Charta Art47 Abs2
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §10
FremdenpolizeiG 2005 §52
BFA-VG §21 Abs7
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Erlassung einer Rückkehrentscheidung und Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung nach China; kein Ermittlungsverfahren in entscheidungswesentlichen Punkten; keine Klärung des Sachverhalts auf Grund der Aktenlage

Rechtssatz

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) begründet das Überwiegen öffentlicher Interessen an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme insbesondere mit fehlenden "relevanten und besonders zu berücksichtigenden sozialen Bindungen in Österreich" und der "rudimentären sprachlichen Integration". Dabei lässt das BVwG außer Acht, dass nach den Angaben des Beschwerdeführers eine langfristige Beziehung zu seinem Lebensgefährten, der auch finanzielle Verantwortung für ihn übernommen habe, bestehe. Wenn das BVwG diesbezüglich auf einen (vermeintlichen) Widerspruch in der Niederschrift über die Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verweist, in der lediglich von einem "gute[n] Freund" die Rede sei, so lässt es außer Acht, dass in dieser Niederschrift ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer diese Person bereits 2006 getroffen, diese den Beschwerdeführer aufgenommen sowie "immer unterstützt" habe und "zu [seiner] Familie geworden" sei und sie "sehr sehr gute Freunde" seien. Wenn das BVwG ohne weitere Begründung davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer Deutschkenntnisse "nur auf sehr einfachem Niveau" aufweise und eine Verständigung "teilweise nur mit Hilfestellung" möglich sei, ist - auch angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer über einen Pflichtschulabschluss in Österreich verfügt - nicht nachvollziehbar, worauf das BVwG diese Annahme stützt.

Der VfGH übersieht nicht, dass das BVwG zu Recht auf Aspekte hinweist, die gegen das Gewicht des persönlichen Interesses des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet ins Treffen zu führen sind, wie der offenbar überwiegend unrechtmäßige Aufenthalt (ohne dass das BVwG weitere Ermittlungen anstellt, um die näheren Umstände und die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nachzuvollziehen).

Das BVwG hat ohne weitere Begründung auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Dass das BVwG textbausteinartig ausführt, dass die relevanten Feststellungen zum Herkunftsstaat auf Grund der in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG eingebrachten Erkenntnisquellen getroffen wurden, beruht offensichtlich auf einem Irrtum. Im vorliegenden Fall kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen ist. Indem das BVwG dennoch keine mündliche Verhandlung durchgeführt hat, hat es den Beschwerdeführer auch im Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht (Art47 GRC) verletzt.

Im Übrigen Ablehnung der Beschwerde betreffend die Nichtzuerkennung des Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß §56 AsylG 2005.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Verhandlung mündliche, EU-Recht, Rückkehrentscheidung, Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E2225.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.10.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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