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Baurecht - SlbgNorm
AVG §68 Abs4 litdBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehne und die Hofräte Dr. Straßmann, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klug, über die Beschwerde des KL in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 17. Juli 1980, Zl. 1.02-13.798/14-1975, betreffend einen baupolizeilichen Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.290,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nachdem der Beschwerdeführer zunächst ohne baubehördliche Bewilligung und ohne Bauplatzerklärung einen Bau begonnen hatte, hatte der Bürgermeister der Marktgemeinde B mit Bescheid vom 11. Juni 1975 den Beschwerdeführer gemäß §§ 13 und 14 des Salzburger Bebauungsgrundlagengesetzes die Bewilligung zur Bebauung des Grundstückes 412/3 KG H zum Zweck der Errichtung eines landwirtschaftlichen Wohn- und Nutzgebäudes (Bauplatzerklärung) erteilt.
Mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 8. September 1975 war diese Bauplatzerklärung gemäß § 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950 in Verbindung mit § 19 Abs. 1, 2 und 4 des Salzburger Raumordnungsgesetzes für nichtig erklärt worden, doch behob die Salzburger Landesregierung diese Nichtigerklärung mit Bescheid vom 27. November 1975 gemäß § 68 Abs. 2 AVG 1950, sodaß das Verfahren über die vom Beschwerdeführer erhobene Verwaltungsgerichtshofbeschwerde mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1975, Zl. 1688/75, eingestellt worden war.
Mit Bescheid vom16. März 1976 hatte der Bürgermeister dem Beschwerdeführer die Baubewilligung für die Errichtung eines Wohngebäudes und eines landwirtschaftlichen Nutzgebäudes erteilt. Eine dagegen vom Landeshauptmann für Salzburg namens der Bundesstraßenverwaltung eingebrachte Berufung wies die Gemeindevertretung der Marktgemeinde B mit Bescheid vom 12. August 1976 als unbegründet ab. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. März 1977 war eine Änderung des Bauvorhabens bewilligt worden.
Mit Bescheid vom 4. November 1977 hatte die Salzburger Landesregierung die erwähnten Gemeindebescheide gemäß § 19 Abs. 4 in Verbindung mit § 24 Abs. 9 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 für nichtig erklärt. Diese Nichtigerklärung war damit begründet worden, daß die die Bauplatzerklärung und die Baubewilligungen in Widerspruch zu der nach dem Flächenwidmungsplan gegebenen Widmung Grünland im Sinne des § 19 Abs. 1 Raumordnungsgesetz 1968 und 1977 erteilt worden seien. Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war mit Beschluß vom 20. Juni 1978, Zlen. 585 und 586/78, als verspätet eingebracht zurückgewiesen worden.
Mit Bescheid vom 8. März 1978 trug der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Beschwerdeführer auf Grund des Bescheides der Salzburger Landesregierung vom 4. November 1977 und gemäß § 16 Abs. 3 des Salzburger Baupolizeigesetzes die Beseitigung des bestehenden Objektes binnen sechs Monaten auf. In seiner dagegen erhobenen Berufung behauptete der Beschwerdeführer, der erwähnte Bescheid der Salzburger Landesregierung sei noch nicht in Rechtskraft erwachsen. Er sei nach wie vor im Besitz einer rechtskräftigen Baubewilligung. In weiteren Schriftsätzen vom 22. März 1978 führte der Beschwerdeführer insbesondere aus, im Vertrauen auf die erlassenen Bescheide sei mit der bescheidmäßigen Errichtung der Baulichkeiten begonnen worden und diese seien weitgehend fertiggestellt. Die Nichtigerklärung sei zu Unrecht erfolgt.
In einer Sitzung vom 24. September 1978 beschloß die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde mehrheitlich, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben. Dieser Beschluß wurde in der Folge nicht ausgefertigt, vielmehr beschloß die Gemeindevertretung in ihrer Sitzung vom 21. Mai 1980, ihren ursprünglichen Beschluß aufzuheben und die Berufung abzuweisen. Dem in Ausfertigung des Sitzungsbeschlusses ergangenen Bescheid vom 12. Juni 1980 ist zu entnehmen, daß die Berufungsbehörde von einem offenbar unbehebbaren Versagungsgrund ausging.
Die dagegen erhobene Vorstellung wies die Salzburger Landesregierung mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet ab. Die Gemeindeaufsichtsbehörde stellte fest, daß die errichteten baulichen Anlagen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes als konsensgemäß anzusehen gewesen seien, derzeit jedoch weder eine Bauplatzerklärung noch eine Baubewilligung vorliege, der Bau daher konsenslos geworden sei. Die Ansicht des Beschwerdeführers, § 16 Abs. 3 des Salzburger Baupolizeigesetzes könne nicht angewendet werden, weil das Gebäude auf Grund einer rechtskräftigen Baubewilligung aufgeführt worden sei, erweise sich als nicht schlüssig. An die Möglichkeit der Beseitigung formalrechtskräftiger Bescheide knüpfe sich die Rechtsfolge, daß ein konsensgemäßer Zustand rechtswidrig geworden sei. Diese Konsequenz ergebe sich zwingend, ohne daß § 16 Abs. 3 Baupolizeigesetz die Möglichkeit der konsenslos gewordenen baulichen Anlage ausdrücklich vorsehen müsse. Die Verwaltungsakte seien nacheinander erlassen worden, im Zeitpunkt der Erlassung des Bauauftrages sei der Bau konsenslos gewesen. Der Wiedererteilung einer Bauplatzerklärung und einer Baubewilligung stehe der Umstand eines offenkundig unbehebbaren Versagungsgrundes entgegen.
Mit seiner vorliegenden Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Gemeindebehörden und die belangte Behörde haben den im Instanzenzug ergangenen baupolizeilichen Auftrag auf die Bestimmung des § 16 Abs. 3 des Salzburger Baupolizeigesetzes, LGBl. Nr. 117/1973 (hier Stammfassung), gestützt. Für das Schicksal der erhobenen Beschwerde ist daher zunächst die Auslegung dieser Gesetzesstelle entscheidend. § 16 Abs. 3 des Gesetzes lautet wörtlich:
„Ist eine bauliche Anlage ohne Bewilligung ausgeführt worden, so hat die Baubehörde dem Veranlasser oder dem Eigentümer aufzutragen, binnen einer angemessenen Frist entweder um die nachträgliche Bewilligung anzusuchen oder die bauliche Anlage zu beseitigen. Liegt unter Berücksichtigung der baurechtlichen Vorschriften offenkundig ein unbehebbarer Versagungsgrund vor, so ist lediglich die Beseitigung der baulichen Anlage Gegenstand des baupolizeilichen Auftrages. Wird eine nachträgliche Bewilligung versagt, so gilt der baupolizeiliche Auftrag mit der Maßgabe als Auftrag zur Beseitigung der baulichen Anlage, daß die darin bestimmte Frist ab Rechtskraft des Versagungsbescheides neu zu laufen beginnt.“
Ein baupolizeilicher Auftrag ist nach dem Wortlaut dieser Gesetzesstelle nur dann zulässig, wenn eine bauliche Anlage „ohne Bewilligung ausgeführt worden“ ist. Sowohl eine grammatikalische als auch eine logische Interpretation dieses Gesetzestextes führt zu dem vom Beschwerdeführer angeführten Auslegungsergebnis, daß im Beschwerdefall eine Auftragserteilung nach dieser Gesetzesstelle nicht zulässig sei, weil der den Gegenstand des Beseitigungsauftrages bildende Bau nicht ohne Bewilligung - zumindest in seinem maßgeblichen Teil - ausgeführt worden ist. Aber auch eine teleologische Auslegung kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zu keinem anderen Ergebnis führen, hat doch der Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet, entweder um die nachträgliche Baubewilligung anzusuchen oder die bauliche Anlage zu beseitigen, also offensichtlich vorausgesetzt, daß eine Bewilligung im Zeitpunkt der Bauführung nicht vorliegt. Wenn die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides behauptet, an die Möglichkeit der Beseitigung formalrechtskräftiger Bescheide knüpfe sich die Rechtsfolge, daß ein konsensmäßiger Zustand rechtswidrig geworden sei, so stimmt diese Auffassung nur insofern, als mit Rechtskraft des Bescheides über die Nichtigerklärung, der Bescheid mit Wirkung ex nunc beseitigt wird, eine früher erteilte Baubewilligung ex nunc nicht mehr Gegenstand der Rechtsordnung ist. Vor allem die Beseitigung des Baubewilligungsbescheides durch die Nichtigkeitserklärung nicht mit der Wirkung ex tunc, sondern mit der Wirkung ex nunc (ab Rechtskraft der Nichtigkeitserklärung) zeigt deutlich, daß dem Baubewilligungsbescheid während seines Bestehens Rechtswirkungen nicht abgesprochen werden können. Der Verwaltungsgerichtshof kann sohin die Ansicht der belangten Behörde nicht teilen, daß unabhängig vom Wortlaut des Gesetzes die Tatsache der rechtskräftigen Aufhebung eines Baubewilligungsbescheides jedenfalls die Erlassung eines Bauauftrages rechtfertige. Die Frage, ob die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages bei einem bestimmten Sachverhalt zulässig ist oder nicht, kann ausschließlich auf Grund der konkreten Rechtslage beantwortet werden, darf doch schon nach Art. 18 Abs. 1 B-VG die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden. Wenn der Gesetzgeber daher keine Anordnung getroffen hat, bei Vorliegen bestimmter Tatbestandsmerkmale die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zu ermöglichen, dann ist es der Verwaltungsbehörde verwehrt, gesetzliche Tatbestände ausdehnend so zu interpretieren, daß im Zweifelsfalle ein baupolizeilicher Auftrag als zulässig erscheint. Im Beschwerdefall hat der Salzburger Landesgesetzgeber die Voraussetzungen für die Auftragserteilung mit den Worten „ist eine bauliche Anlage ohne Bewilligung ausgeführt worden“ umschrieben. Dieser Wortlaut läßt eine Auslegung „eine bauliche Anlage ist als ohne Baubewilligung ausgeführt anzusehen“, wenn etwa eine Nichtigkeitserklärung erfolgt, nicht zu, vielmehr würde es sich hiebei um eine Fiktion handeln und es kann das von der belangten Behörde erzielte Auslegungsergebnis auch nicht im Wege einer berichtigenden Auslegung vertreten werden. Aber selbst dann, wenn die Auffassung als vertretbar erachtet werden sollte, bereits eine analoge Anwendung des Gesetzes auf diesen (anderen) Tatbestand lasse im Beschwerdefall die von der belangten Behörde vertretene Rechtsmeinung berechtigt erscheinen, kann der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer solchen Analogie nicht bejahen, wäre doch das Ergebnis einer solchen Gesetzesanwendung, daß die Baubehörde zu einem Eingriff in Fällen ermächtigt wäre, in denen weder der ausdrückliche Gesetzeswortlaut noch der im Wege der Auslegung noch erfaßbare Sinngehalt der Rechtsnorm einen baupolizeilichen Auftrag zuläßt. Der Verwaltungsgerichtshof, dem der Rechtsschutz des einzelnen gegenüber der staatlichen Verwaltung anvertraut ist, vermag daher die von der Verwaltungsbehörde vertretene Auslegung des § 16 Abs. 3 des Salzburger Baupolizeigesetzes auf Grund der dargelegten Erwägungen nicht zu teilen. Auch der Umstand, daß der Salzburger Landesgesetzgeber in § 19 Abs. 4 ROG für Fälle der Nichtigerklärung die Erlassung von Aufträgen durch die Aufsichtsbehörde selbst vorsieht, deutet - wie in der Beschwerde zutreffend dargelegt wird - darauf hin, daß der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, daß die Bestimmung des § 16 Abs. 3 des Salzburger Baupolizeigesetzes nicht auch jene Fälle erfassen soll, in denen die Konsenslosigkeit eines Bauwerkes nachträglich durch eine Nichtigerklärung eingetreten ist.
Da schon auf Grund der bisherigen Ausführungen der angefochtene Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet ist, erübrigte sich ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdeausführungen. Dem Antrag des Beschwerdeführers war gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 stattzugeben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 542/1977.
Wien, 26. Februar 1981
Schlagworte
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 Ermessen Vorstellungsbehörde (B-VG Art119a Abs5)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1981:1980002841.X00Im RIS seit
15.10.2020Zuletzt aktualisiert am
15.10.2020