Entscheidungsdatum
16.09.2020Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
ZustG §2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hirn über die Beschwerde des AA, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 26.08.2020, Zl ***, betreffend Verwaltungsübertretungen nach der Verordnung des Landeshauptmannes vom 20.03.2020, LGBl Nr 35/2020 (belangte Behörde: Bezirkshauptmannschaft Y),
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit Schriftsatz vom 04.04.2020, Zl ***, hat die Polizeiinspektion (PI) Anzeige gegen AA, geboren am 01.01.1999, wohnhaft Adresse 1,
Z, wegen der Verdachts einer Verwaltungsübertretung nach der Verordnung des Landeshauptmannes vom 20.03.2020, LGBl Nr 35/2020 (kurz: VO LGBl Nr 35/2020), erstattet.
Mit der Strafverfügung vom 28.05.2020, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Y AA, geboren am xx.xx.xxxx, wohnhaft Adresse 1,
Z, zur Last gelegt, sich am 03.04.2020 um 17:25 Uhr in Z im Bereich der Kreuzung Adresse 2/Adresse 3 zusammen mit zwei weiteren Personen aufgehalten und sohin dessen eigenen Wohnsitz ohne triftige Gründe zur Deckung von Grundbedürfnissen verlassen zu haben, obwohl das Verlassen des eigenen Wohnsitzes verboten (gewesen) sei und der Ausnahmetatbestand des § 4 Abs 2 VO LGBl Nr 35/2020, nicht vorgelegen sei.
Dadurch habe er die Rechtsvorschrift des § 4 Abs 1 in Verbindung mit (iVm) § 6 der
VO LGBl Nr 35/2020 verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 360,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: 33 Stunden) verhängt wurde.
Mit dem am 11.08.2020 bei der Bezirkshauptmannschaft Y eingelangten Schriftsatz
(E-Mail) hat AA Einspruch gegen die Strafverfügung vom 28.05.2020, Zl *** erhoben. Diesen Einspruch hat die Bezirkshauptmannschaft Y mit Bescheid vom 26.08.2020, Zl ***, als verspätet zurückgewiesen.
Gegen den Bescheid vom 26.08.2020, Zl ***, hat AA mit dem am 24.08.2020 bei der Bezirkshauptmannschaft Y eingelangten Schriftsatz Beschwerde erhoben und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt. Wörtlich heißt es unter anderem in der Beschwerde:
„Hierbei geht es um den Brief, den ich von der Bezirkshauptmannschaft bekommen habe, indem mein Einspruch abgelehnt wird aufgrund von Verspätung, was jedoch nicht der Fall ist (unten die Beweise, wann die erste Email abgeschickt worden ist). Danach habe ich angerufen um mich zu erkundigen, was jetzt los ist, da ich nachdem ich den Einspruch verschickt habe lange keine Antwort bekommen habe (2 Monate lang), dann sagte man mir, dass sie die Email nicht erhalten hätten und fragten, ob ich sie bitte nochmal senden kann. Ich habe es dann nochmal gesendet (11.08.2020) und nach ca. 2 Wochen bekam ich einen Brief, dass das abgewiesen wurde, weil ich die Frist versäumt hätte, was nicht der Fall ist, da ich das erste Schreiben am 7.6.2020 verschickt habe. Vorgestern habe ich wieder bei der BH angerufen und sie sagten mir, dass ich eine Beschwerde verfassen soll und an das Landesverwaltungsgericht schicken soll.“
Dieser Beschwerde sind „Screenshots“ (Bildschirmausdrucke) des Einspruchs vom 07.06.2020 und vom 11.08.2020 beigefügt.
Mit Schriftsatz vom 03.09.2020, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Y den Gegenstandsakt mit dem Ersuchen um Entscheidung über die Beschwerde gegen den Bescheid vom 26.08.2020, Zl ***, dem Landesverwaltungsgericht Tirol vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 10.09.2020 hat die Bezirkshauptmannschaft Y dem Landesverwaltungsgericht Tirol eine aktuelle, den Beschwerdeführer betreffende Melde-registerabfrage übermittelt.
II. Sachverhalt:
AA, geboren am xx.xx.xxxx, ist an der Adresse 1, Z, wohnhaft.
Mit Strafverfügung vom 28.05.2020, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Y AA, geboren am 01.01.1999, wohnhaft Adresse 1, Z, zur Last gelegt, sich am 03.04.2020 um 17:25 Uhr in Z im Bereich der Kreuzung Adresse 2/Adresse 3 zusammen mit zwei weiteren Personen aufgehalten und sohin dessen eigenen Wohnsitz ohne triftige Gründe zur Deckung von Grundbedürfnissen verlassen zu haben, obwohl das Verlassen des eigenen Wohnsitzes verboten (gewesen) sei und der Ausnahmetatbestand des § 4 Abs 2 VO LGBl Nr 35/2020, nicht vorgelegen sei.
Dadurch habe er die Rechtsvorschrift des § 4 Abs iVm § 6 der VO LGBl Nr 35/2020 verletzt, weshalb über ihn gemäß § 6 der VO LGBl Nr 35/2020 eine Geldstrafe in der Höhe von
Euro 360,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: 33 Stunden) verhängt wurde.
Die Bezirkshauptmannschaft Y hat die Strafverfügung vom 28.05.2020, Zl ***, dem Beschwerdeführer an der Adresse „1, Z“ am 04.06.2020 nachweislich zugestellt.
Der Einspruch des Beschwerdeführers gegen die Strafverfügung vom 28.05.2020 ist am 11.08.2020 um 13:49 Uhr bei der Bezirkshauptmannschaft Y auf digitalem Weg
(E-Mail) eingelangt. Diesen Einspruch hat die Bezirkshauptmannschaft Y mit Bescheid vom 26.08.2020, Zl ***, als verspätet zurückgewiesen.
Der Bescheid vom 26.08.2020, Zl ***, wurde vom Beschwerdeführer selbst am 28.08.2020 übernommen und damit nachweislich am genannten Tag zugestellt. Der als Einspruch zu qualifizierende Schriftsatz (E-Mail) vom 31.08.2020 ist an diesem Tag um
17:12 Uhr bei der Bezirkshauptmannschaft Y eingelangt.
III. Beweiswürdigung:
Die Wohnadresse ? Adresse 1, Z ? ergibt sich anhand der aktuellen Melderegisterabfrage. Die weiteren Feststellungen ergeben sich aus dem Akt der belangten Behörde zu Zl ***. Die Feststellung zur Zustellung der Strafverfügung vom 28.05.2020 sowie des Bescheides vom 26.08.2020 stützen sich insbesondere auf die im Akt befindlichen Zustellungsurkunden. Insbesondere ist dem Zustellnachweis betreffend die Strafverfügung vom 28.05.2020, Zl ***, zu entnehmen, dass das Dokument am 04.06.2020 dem Empfänger zugestellt und dieser Vorgang vom Zusteller auf dem Zustellnachweis beurkundet wurde. Darüber hinaus hält der Beschwerdeführer in seinem Rechtsmittel gegen den Bescheid vom 26.08.2020, Zl ***, fest, den Einspruch bereits am 07.06.2020 und damit innerhalb der zweiwöchigen Frist auf digitalem Weg (E-Mail) bei der Bezirkshauptmannschaft Y eingebracht zu haben.
Der Beschwerdeführer bringt unter Hinweis auf die von ihm vorgelegten „Screenshots“ vor, den Einspruch bereits am 07. Juni 2020 an die Bezirkshauptmannschaft Y gesendet zu haben.
Dazu hält das Landesverwaltungsgericht Tirol Folgendes fest:
Im Akt der Bezirkshauptmannschaft Y scheint ein Eingang am 07.06.2020 nicht auf. Auf dem „Screenshot“ des am 11.08.2020 eingebrachten Einspruchs ist die automatisch durch das E-Mail-System der Bezirkshauptmannschaft Y erstellte Empfangsbestätigung ersichtlich. Auf dem Bildschirmausdruck betreffend den Einspruch vom 07.06.2020 ist eine solche Empfangsbestätigung nicht erkennbar.
Dementsprechend hält das Landesverwaltungsgericht Tirol fest, dass der Einspruch erstmalig am 11.08.2020 bei der Bezirkshauptmannschaft Y eingelangt ist (siehe dazu auch die rechtlichen Darlegungen in Kapitel V./2. des gegenständlichen Erkenntnisses).
IV. Rechtslage:
1. Verwaltungsstrafgesetz 1991:
Die entscheidungswesentliche Bestimmung des § 49 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl Nr 52/1991 in der Fassung (idF) BGBl I Nr 57/2018, lautet wie folgt:
„§ 49. (1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.
(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht und nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch, soweit er nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.
(3) Wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben oder zurückgezogen wird, ist die Strafverfügung zu vollstrecken.“
2. Zustellgesetz:
Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Zustellgesetzes (ZustG), BGBl Nr 200/1982 in den Fassungen BGBl I Nr 33/2013 (§ 22), BGBl I Nr 40/2017 (§ 2) und BGBl I Nr 42/2020 (§ 26a), lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:
„Begriffsbestimmungen
§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:
1. ‚Empfänger‘: die von der Behörde in der Zustellverfügung (§ 5) namentlich als solcher bezeichnete Person;
[…]
3. ‚Zustelladresse‘: eine Abgabestelle (Z 4) oder eine elektronische Zustelladresse
(Z 5);
4. ‚Abgabestelle‘: die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort;
[…]“
„Zustellnachweis
§ 22. (1) Die Zustellung ist vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden.
(2) Der Übernehmer des Dokuments hat die Übernahme auf dem Zustellnachweis durch seine Unterschrift unter Beifügung des Datums und, wenn er nicht der Empfänger ist, seines Naheverhältnisses zu diesem zu bestätigen. Verweigert er die Bestätigung, so hat der Zusteller die Tatsache der Verweigerung, das Datum und gegebenenfalls das Naheverhältnis des Übernehmers zum Empfänger auf dem Zustellnachweis zu vermerken. Der Zustellnachweis ist dem Absender unverzüglich zu übersenden.
(3) An die Stelle der Übersendung des Zustellnachweises kann die elektronische Übermittlung einer Kopie des Zustellnachweises oder der sich daraus ergebenden Daten treten, wenn die Behörde dies nicht durch einen entsprechenden Vermerk auf dem Zustellnachweis ausgeschlossen hat. Das Original des Zustellnachweises ist mindestens fünf Jahre nach Übermittlung aufzubewahren und der Behörde auf deren Verlangen unverzüglich zu übersenden.
(4) Liegen die technischen Voraussetzungen dafür vor, so kann die Beurkundung der Zustellung auch elektronisch erfolgen. In diesem Fall hat der Übernehmer auf einer technischen Vorrichtung zu unterschreiben; an die Stelle der Unterschriftsleistung kann auch die Identifikation und Authentifizierung mit der Bürgerkarte (§ 2 Z 10 des E-Government-Gesetzes – E-GovG, BGBl. I Nr. 10/2004) treten. Die die Beurkundung der Zustellung betreffenden Daten sind dem Absender unverzüglich zu übermitteln.“
„Zustellrechtliche Begleitmaßnahmen zu COVID-19
§ 26a. Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 gelten für die Zustellung mit Zustellnachweis der von Gerichten bzw. von Verwaltungsbehörden zu übermittelnden Dokumente sowie die durch die Gerichte bzw. die Verwaltungsbehörden vorzunehmende Zustellung von Dokumenten ausländischer Behörden (§ 1) folgende Erleichterungen:
1. Das Dokument wird dem Empfänger zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird; die Zustellung gilt in diesem Zeitpunkt als bewirkt. Soweit dies ohne Gefährdung der Gesundheit des Zustellers möglich ist, ist der Empfänger durch schriftliche, mündliche oder telefonische Mitteilung an ihn selbst oder an Personen, von denen angenommen werden kann, dass sie mit dem Empfänger in Verbindung treten können, von der Zustellung zu verständigen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
2. Ist das Dokument anderen Personen als dem Empfänger zuzustellen oder kann es diesen zugestellt werden (§ 13 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 bis 4 und §§ 14 bis 16), ist Z 1 sinngemäß anzuwenden.
3. Die Zustellung, die Form der Verständigung von der Zustellung sowie gegebenenfalls die Gründe, aus denen eine Verständigung nicht möglich war, sind vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden. Der Zustellnachweis ist dem Absender unverzüglich zu übersenden; § 22 Abs. 2 ist nicht anzuwenden.
§ 22 Abs. 4 ist mit folgenden Maßgaben anzuwenden:
a) Die elektronische Beurkundung hat anstatt durch den Übernehmer durch den Zusteller zu erfolgen.
b) Die Beurkundung der Form der Verständigung von der Zustellung sowie gegebenenfalls der Gründe, aus denen eine Verständigung nicht möglich war, kann, wenn sie aus technischen Gründen nicht auf den Zustellnachweis elektronisch erfolgen kann, auch auf andere elektronische Weise erfolgen; auch diese Taten sind dem Absender unverzüglich zu übermitteln.“
4. Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz:
Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl Nr 33/2013 in den Fassungen BGBl I Nr 24/2017 (§ 44) und BGBl I Nr 57/2018 (§ 50), lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:
„Verhandlung
§ 44. (1) Das Verwaltungsgericht hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
[…]
(3) Das Verwaltungsgericht kann von einer Verhandlung absehen, wenn
[…]
1. sich die Beschwerde gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
[…]“
„Erkenntnisse
§ 50. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden. […]“
V. Erwägungen:
1. Zur Zustellung:
Im Einklang mit der Bestimmung des § 26a ZustG, BGBl Nr 200/1982 in der Fassung
BGBl I Nr 42/2020, wurde die Strafverfügung vom 28.05.2020, Zl ***, nachweislich dem Beschwerdeführer an seiner Wohnadresse Adresse 1, Z, zugestellt. Die Beurkundung dieses Vorganges auf dem Zustellnachweis durch den Zusteller war gemäß § 26a Z 3 ZustG zulässig. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer die ordnungsgemäße Zustellung nicht bestritten.
2. In der Sache:
Gemäß § 49 Abs 1 VStG kann gegen eine Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erhoben werden. Ausgehend von § 32 Abs 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) endete die in § 49 Abs 1 VStG normierte Frist im gegenständlichen Fall mit Ablauf des 18.06.2020.
Der Beschwerdeführer hat seinen Einspruch gegen die Strafverfügung vom 28.05.2020,
Zl ***, am 11.08.2020 ? also nach Ablauf der zweiwöchigen Frist des
§ 49 Abs 1 VStG ? auf digitalem Wege (E-Mail) bei der Bezirkshauptmannschaft Y eingebracht und damit nicht rechtzeitig erhoben. Der Beschwerdeführer bringt allerdings in seinem Rechtsmittel gegen den Bescheid vom 26.08.2020, Zl ***, vor, bereits am 07.06.2020 einen Einspruch gegen die Strafverfügung vom 28.05.2020 abgeschickt zu haben, und hat einen entsprechenden „Screenshot“ (Bildschirmauszug) dem Rechtsmittel beigefügt.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hält dazu Folgendes fest:
Ein ? konventionelles wie auch elektronisches ? Anbringen gilt gemäß § 13 Abs 1 AVG nur dann als eingebracht, wenn es bei der Behörde (der Einbringungsstelle) auch tatsächlich einlangt. Nur in diesem Fall kann auch von einer Entgegennahme durch die Behörde ausgegangen werden. Diesbezüglich ist die Partei, der die Wahl des Mittels der Einbringung offensteht, nicht nur beweispflichtig, sondern sie trägt auch die Gefahr des Verlustes einer
zB zur Post gegebenen, gefaxten oder per E-Mail übersandten Eingabe. Dementsprechend hat sich die Partei auch zu vergewissern, ob die Übertragung eines E-Mails erfolgreich durchgeführt worden ist [Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 33 (Stand 1.1.2014, rdb.at); vergleiche auch VwGH 25.08.2010, 2008/03/0077].
Zur Übermittlung mit Telefax ist festzuhalten, dass ein Sendebericht mit dem Vermerk „OK“ nicht zwingend den Schluss zulässt, dass eine Schriftsatzkopie tatsächlich beim Adressaten eingelangt ist. Eine E-Mail-Sendebestätigung lässt ebenfalls nicht den zwingenden Schluss zu, dass das gesendete E-Mail beim Empfänger auch tatsächlich eingelangt ist
(VwGH 24.06.2014, 2012/05/0180).
Der Beschwerdeführer hat zu der von ihm behaupteten Versendung des Einspruches am 07.06.2020 keine vom E-Mail-System der Bezirkshauptmannschaft Y automatisch erstellte Empfangsbestätigung vorgelegt. Der Beschwerdeführer hat sich auch nicht vergewissert, ob der per E-Mail übersendete Einspruch vom 07.06.2020 tatsächlich bei der Bezirkshauptmannschaft Y eingelangt ist. Erst ca zwei Monate nach der vom Beschwerdeführer behaupteten Übermittlung seines Einspruches hat er Rücksprache mit der belangten Behörde gehalten und erfahren, dass sein per E-Mail versendeter Einspruch bei der Bezirkshauptmannschaft Y nicht eingelangt ist.
Daraus folgt für den gegenständlichen Fall, dass der Beschwerdeführer das Übermittlungsrisiko zu tragen hatte. Dass der von ihm am 07.06.2020 versendete Einspruch bei der Bezirkshauptmannschaft Y nicht eingelangt ist, geht daher zu seinen Lasten. Insbesondere hat der Beschwerdeführer zeitnah keine Schritte gesetzt, um sicherzugehen, dass der als E-Mail versendete Einspruch tatsächlich bei der Bezirkshauptmannschaft Y angekommen ist.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er hätte gegen die Strafverfügung vom 28.05.2020, Zl ***, fristgerecht ? nämlich am 07.06.2020 ? Einspruch erhoben, ist daher nicht schlüssig. Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 26.08.2020, Zl ***, leidet somit an keiner Rechtswidrigkeit.
3. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
In der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides vom 26.08.2020, Zl ***, heißt es ausdrücklich:
„[…] In der Beschwerde kann die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht beantragt werden. […].“
Der Beschwerdeführer hat in seinem Rechtsmittel die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt. Die belangte Behörde hat in dem an das Landesverwaltungsgericht Tirol gerichteten Vorlageschreiben auf die Teilnahme an einer allfälligen mündlichen Verhandlung verzichtet.
Die gegenständliche Beschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung eines Einspruches als verspätet und damit gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 44 Abs 3 Z 4 sowie Abs 5 VwGVG konnte daher die öffentliche mündliche Verhandlung entfallen.
4. Ergebnis:
Die Strafverfügung vom 28.05.2020, Zl ***, wurde dem Beschwerdeführer nachweislich am 04.06.2020 zugestellt. Zustellmängel liegen nicht vor.
Der Beschwerdeführer hat seinen Einspruch am 11.08.2020 und damit nach Ablauf der zweiwöchigen Frist des § 49 Abs 1 VStG bei der Bezirkshauptmannschaft Y auf digitalem Weg (E-Mail) eingebracht. Sein Einspruch war daher verspätet.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Bezirkshauptmannschaft Y den Einspruch des Beschwerdeführers gegen die Strafverfügung vom 28.05.2020, Zl ***, als verspätet zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer hatte somit die Möglichkeit, im Rahmen seines Rechtsmittels zu der ihm im angefochtenen Bescheid vorgehaltenen Verspätung seines Einspruches ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten.
Der Beschwerdeführer hat vorgebracht, er habe fristgerecht, nämlich am 07.06.2020, seinen Einspruch auf digitalem Weg an die belangte Behörde versendet. Allerdings ist dieses E-Mail bei der Bezirkshauptmannschaft Y nicht eingelangt. Das Übermittlungsrisiko hat im gegenständlichen Fall der Beschwerdeführer zu tragen.
Der erst am 11.08.2020 bei der Bezirkshauptmannschaft Y eingelangte Einspruch des Beschwerdeführers gegen die Strafverfügung vom 28.05.2020, Zl ***, ist damit als verspätet zu qualifizieren. Die Bezirkshauptmannschaft Y hat diesen Einspruch folglich zu Recht mit dem angefochtenen Bescheid als verspätet zurückgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen. Dementsprechend lautet Spruchpunkt 1. des gegenständlichen Erkenntnisses.
Der angefochtene Bescheid ? Zurückweisung eines Einspruches als verspätet ? ist als verfahrensrechtliche Entscheidung im Sinne des § 44 Abs 3 Z 4 VwGVG zu qualifizieren. Mangels eines entsprechenden Antrages konnte die öffentliche mündliche Verhandlung gemäß der zitierten Bestimmung entfallen. Die belangte Behörde hat zudem auch auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 44 Abs 5 VwGVG verzichtet.
Kosten im Sinne des § 52 Abs 1 und 2 VwGVG waren nicht vorzuschreiben, da das gegenständliche Erkenntnis die Beschwerde gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid behandelt.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Im gegenständlichen Fall war zu klären, ob der Einspruch des Beschwerdeführers gegen eine näher bezeichnete Strafverfügung als verspätet zu qualifizieren ist. Dabei war insbesondere der Umstand zu beurteilen, dass ein laut den Angaben des Beschwerdeführers fristgerecht auf digitalem Weg (E-Mail) abgesandter Einspruch nicht bei der Bezirkshauptmannschaft Y eingelangt ist. Bei der Beurteilung dieser Rechtsfrage ist das Landesverwaltungsgericht Tirol von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG liegt somit nicht vor. Das Landesverwaltungsgericht Tirol erklärt daher in Spruchpunkt 2. des gegenständlichen Erkenntnisses die ordentliche Revision für nicht zulässig.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Hinweis:
Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Hirn
(Richter)
Schlagworte
Verspätetes Einbringen eines EinspruchsEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.37.1924.2Zuletzt aktualisiert am
14.10.2020