TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/28 96/04/0130

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Veröffentlicht am 28.10.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §367 Z25;
VStG §51e Abs1;
VStG §51e Abs2;
VStG §51e Abs3;
VStG §51i;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der C in O, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich

vom 16. April 1996, Zl. VwSen-221198/5/Schi/Ka, betreffend Übertretung der GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 6. Februar 1995 wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, sie habe es als gewerberechtliche Geschäftsführerin der Firma Ernst W., Säge- und Hobelwerk, Holzhandel, Ges.m.b.H. in O. zu verantworten, daß folgende Bescheidauflagen jedenfalls in der Zeit vom 15. Juli 1994 bis 15. Dezember 1994 nicht eingehalten worden seien:

"Mit Genehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 22.7.1955 in Verbindung mit dem Bescheid des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau, Zahl: 141125-III-22-1957, wurde folgender Auflagenpunkt VII des letztangeführten Bescheides vorgeschrieben:

VII.) Der Lagerplatz (auf dem Grundstück Nr. n2, KG O.) ist durch eine mindestens 2 m hohe, standsichere und möglichst fugenlose Einfriedung abzuschließen. Die Tore müssen mindestens 4 m breit sein.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 8.11.1989, Ge/355/1989-8/89/Ks, wurde im Spruchteil I unter Punkt 2 folgende Ausführung des an den Lagerplatz Nr. n4 und Nr. n5 zu errichtenden Bretterzaunes vorgeschrieben:

"Dieser ist in Form eines senkrechten Bretterzaunes mit Stulpschalungs-Ausbildung zu errichten und mit einem mittelbraunen Farbton zu imprägnieren"."

Es sei jedoch festgestellt worden, daß im oben angeführten Zeitraum weder die 2 m hohe, standsichere und möglichst fugenlose Einfriedung um den Lagerplatz Nr. n2, noch die Stulpschalung des Bretterzaunes um den Lagerplatz Nr. n4 bzw. Nr. n5 vorhanden gewesen seien. Demnach seien diese angeführten Bescheidauflagen der jeweiligen Bewilligungsbescheide, die für die gesamte Dauer des Betriebes vorgeschrieben worden seien, nicht eingehalten, obwohl die Betriebsanlage betrieben worden sei. Die Beschwerdeführerin habe dadurch gegen § 367 Z. 25 GewO 1994 verstoßen, weshalb über sie eine Geldstrafe in Höhe von S 6.000,-- (sechs Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Der Sachverhalt und das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten - so die Begründung - sei "aufgrund der Feststellungen der Bezirkshauptmannschaft Linz-Urfahr erwiesen". Die Beschwerdeführerin habe sich, obwohl sie mit Schreiben vom 22. Dezember 1994 dazu aufgefordert worden sei, nicht gerechtfertigt. Festzuhalten sei, daß sie mit Schreiben vom 28. Dezember 1994 und im Zuge der gewerbebehördlichen Überprüfungsverhandlung vom 12. Jänner 1995 darauf hingewiesen habe, daß der alte Zaun an der Nordseite entfernt, die neue Einfriedung aber - bedingt durch den Wintereinbruch - noch nicht habe hergestellt werden können. Die Beschwerdeführerin habe somit selbst zugegeben, daß die Einfriedung nicht vorhanden sei.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie im wesentlichen vorbrachte, die Erstbehörde habe keinerlei Ermittlungsverfahren durchgeführt, es lägen auch keinerlei Beweisergebnisse vor, aus denen sich ableiten lasse, daß die der Beschwerdeführerin vorgeworfene Verwaltungsübertretung vom 15. Juli 1994 bis 15. Dezember 1994 verwirklicht worden sei. Es sei richtig, daß sie der BH Urfahr-Umgebung mit Schreiben vom 28. Dezember 1994 mitgeteilt habe, daß die 2 m hohe Einfriedung an der Nordseite des Grundstückes Nr. n1 entfernt worden sei, weil der seinerzeit errichtete Holzzaun verwittert gewesen sei und daß die diesbezüglichen Arbeiten noch nicht fertiggestellt worden seien. Allerdings würde der Lagerplatz so lange nicht mehr betrieblich genutzt, bis die Einfriedung fertiggestellt sei. Zum Vorwurf, der für den Lagerplatz auf den Grundstücken Nr. n4 und n5 vorgeschriebene Bretterzaun sei nicht in Form einer Stulpschalung ausgebildet, sei auszuführen, daß zwar seinerzeit die senkrechten Bretter großteils mit Abstand verlegt worden seien, diese Abstände allerdings zwischenzeitig durch die Anbringung schmaler Bretter geschlossen worden seien. Die Beschwerdeführerin rügte weiters eine Verletzung des Parteiengehörs, sowie, daß sie als gewerberechtliche Geschäftsführerin und nicht der handelsrechtliche Geschäftsführer zur Verantwortung gezogen werde und schließlich, daß die als erwiesen angenommene Tat nicht ausreichend genau beschrieben worden und die verhängte Strafe überhöht sei.

Mit Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 16. April 1996 wurde der Berufung keine Folge gegeben und das Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß bei den Umschreibungen der Lagerplätze vor der jeweiligen Nummer der Ausdruck "Grundstück" eingefügt werde. Hiezu wurde - nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage - im wesentlichen ausgeführt, die objektive Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes ergebe sich laut dem vorgelegten Verwaltungsakt durch amtlichen Wahrnehmungen der Organe der Gewerbebehörde bzw. der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung anläßlich von Lokalaugenscheinen und gewerberechtlichen Überprüfungsverhandlungen am 11. Juli und am 15. Juli 1994 sowie am 12. Jänner 1995; aus dem Schreiben der Beschwerdeführerin vom 28. Dezember 1995 an die Erstbehörde, worin sie selbst zugebe, daß die Einfriedung nicht vorhanden sei. Im übrigen habe die Beschwerdeführerin auch in der Berufung das Fehlen des Zaunes während des Tatzeitraumes nicht in Abrede gestellt. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, es habe keinerlei Ermittlungsverfahren stattgefunden, sei vollkommen aus der Luft gegriffen. Im übrigen sei der gewerberechtliche Geschäftsführer - im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin - für die Einhaltung der in einem Betriebsanlagengenehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen strafrechtlich verantwortlich; eine Verletzung des Parteiengehörs habe nicht stattgefunden, der Spruch des Strafbescheides der Erstbehörde entspreche den Anforderungen des § 44a VStG und es sei die festgesetzte Geldstrafe nicht überhöht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht, "entgegen den Bestimmungen des § 367 Z. 25 GewO 1994 nicht bestraft zu werden", verletzt. Sie bringt hiezu im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe die der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Tat im vorgeworfenen Tatzeitraum als erwiesen angenommen, obwohl sie weder Nachschau gehalten, noch Feststellungen über den Zustand des Zaunes getroffen habe. Wenn die belangte Behörde auf gewerberechtliche Überprüfungen vom 11. Juli bzw. 15. Juli 1994 verweise, so sei dem entgegenzuhalten, daß am 11. Juli keine Überprüfung stattgefunden habe und in der gewerberechtlichen Überprüfung vom 15. Juli 1994 keine Feststellungen über den Zustand des Zaunes getroffen worden seien. Am 12. Jänner 1995 sei von der Behörde erstmals festgestellt worden, daß der Zaun teilweise entfernt worden bzw. nicht fugenlos ausgeführt worden sei. Daß der Zaun während des vorgeworfenen Zeitraumes nicht bestanden habe, ergebe sich auch aus dem Schreiben der Beschwerdeführerin vom 28. Dezember 1994 nicht. Vielmehr sei der Zaun kurz vor dem 28. Dezember 1994 an der Nordseite des Grundstückes n3 entfernt und dies der Behörde mitgeteilt worden. Ein Entfernungszeitraum scheine in der Mitteilung allerdings nicht auf. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde falle die Pflicht zur Einhaltung von in Betriebsanlagengenehmigungsbescheiden vorgeschriebenen Auflagen nicht in die "Zuständigkeit" des gewerberechtlichen Geschäftsführers. Es hätte vielmehr der handelsrechtliche Geschäftsführer herangezogen werden müssen. Schließlich fehle dem Spruch des angefochtenen Bescheides eine genaue Beschreibung der Umstände, durch die die Auflagen nicht eingehalten worden seien.

Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt:

Gemäß § 51e Abs. 1 VStG ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder wenn nicht bereits aus der Aktenlage oder aufgrund ergänzender Erhebungen ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden.

Wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder wenn sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid oder nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder wenn im bekämpften Bescheid eine S 3.000,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, dann kann gemäß § 51e Abs. 2 VStG eine Verhandlung unterbleiben, es sei denn, daß eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt.

Von der Verhandlung kann gemäß § 51e Abs. 3 VStG abgesehen werden, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten.

Gemäß § 51i VStG ist, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisse nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur so weit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet, oder als es sich um Beweiserhebungen handelt, deren Erörterung infolge des Verzichts auf eine fortgesetzte Verhandlung gemäß § 51e Abs. 3 dritter Satz VStG entfallen ist.

In ihrer - dem wesentlichen Inhalt nach oben wiedergegebenen - Berufung hat die Beschwerdeführerin u.a. die Auffassung der Erstbehörde bestritten, es lägen Beweisergebnisse vor, denen zufolge die der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Verwaltungsübertretung in der Zeit vom 15. Juli 1994 bis 15. Dezember 1994 gesetzt worden sei. Sie hat damit den gegen sie gerichteten Tatvorwurf bestritten und nicht etwa eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht. Da die übrigen Gründe, aus denen die öffentliche mündliche Verhandlung gesetzmäßig unterbleiben kann, gleichfalls nicht in Betracht kommen, hat die belangte Behörde, indem sie eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen unterließ, Verfahrensvorschriften verletzt.

Die Verletzung von Verfahrensvorschriften führt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn die belangte Behörde bei Einhaltung dieser Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können; die Relevanz des Verfahrensmangels ist in der Beschwerde darzustellen, wenn sie nicht offenkundig ist.

Im vorliegenden Fall erachtete die Erstbehörde die der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Verwaltungsübertretung aufgrund von nicht näher dargelegten "Feststellungen der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung" als erwiesen. Aufgrund des Vorbringens der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung, es lägen keine Beweisergebnisse vor, die eine Feststellung des als erwiesen angenommenen Sachverhalts tragen könnten, zog die belangte Behörde gleichfalls nicht näher dargelegte "amtliche Wahrnehmungen" heran, die von "Organen der Gewerbebehörde bzw. der BH Urfahr-Umgebung" anläßlich von - an bestimmten Tagen stattgefundenen - Lokalaugenscheinen und gewerberechtlichen Überprüfungverhandlungen getroffen worden seien, was sich aus dem Verwaltungsakt der Erstbehörde ergebe.

Für den Fall des gesetzmäßigen Vorgehens, d.h. bei Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung hätte die belangte Behörde im Hinblick auf den Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 51i VStG bei ihrer Entscheidung nur auf das Rücksicht nehmen dürfen, was in der mündlichen Verhandlung vorgekommen ist. Wenn die Beschwerdeführerin daher bestreitet, daß die von der belangten Behörde herangezogenen "amtlichen Wahrnehmungen" vorliegen - aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten sind weder amtliche Wahrnehmungen vom 11. Juli noch vom 15. Juli 1994 ersichtlich und finden sich auch weder in der - vorgelegten - Niederschrift über die Verhandlung vom 12. Jänner 1995, noch im Schreiben der Beschwerdeführerin vom 28. Dezember 1994 Angaben, aus denen auf den vorgeworfenen Tatzeitraum geschlossen werden könnte -, so läßt sich nicht ausschließen, daß die belangte Behörde bei Beachtung der Bestimmungen der §§ 51e und 51i VStG zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund - ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996040130.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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