Entscheidungsdatum
04.03.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W159 2182921-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.12.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.01.2020, zu Recht erkannt:
A)
1. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
2. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Absatz 1 Asylgesetz 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
3. Gemäß § 8 Absatz 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 04.03.2021 erteilt.
4. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte IV. bis VI. stattgegeben und diese ersatzlos behoben.
B)Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, der Volksgruppe Hazara und des Stammes der Sayed zugehörig, schiitischen moslemischen Glaubens, volljährig und verheiratet gelangte mit seiner Ehefrau und ihrem mj. Kind (spätestens) am 01.11.2015 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 04.12.2015 erfolgte die Erstbefragung durch die Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug der XXXX .
Er gab befragt zu dem Fluchtgrund an, er habe mit seiner Familie Afghanistan wegen der schlechten Sicherheitslage verlassen. Das Dorf, in welchem er mit seiner Familie gewohnt hätte, sei von den Taliban besetzt worden. Die Taliban hätten den Beschwerdeführer belästigt und nicht arbeiten lassen. Da die Taliban in seiner Heimat grundlos Leute töten würden, sei er in den Iran geflüchtet. Er habe dort nicht arbeiten können, deswegen sei er weiter geflüchtet.
Am 29.11.2017 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme im Verfahren vor der belangten Behörde. Der Beschwerdeführer brachte eine Bestätigung über gemeinnützige Arbeit, Schreiben der Lehrerin, Empfehlungsschreiben und diverse Fotos in Vorlage. Er gab an, er habe sich nie in oder außerhalb Afghanistan politisch betätigt. Er würde keiner politischen Organisation oder Partei angehören. Er sei auch nicht wegen einer politischen Tätigkeit verfolgt oder bedroht worden. Da in seinem Wohngebiet auch Paschtunen gelebt hätten, hätte er auch Probleme wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit gehabt.
Befragt zu seinem Fluchtgrund erzählte der Beschwerdeführer, das neben dem Grundstück seiner Familie, ein Grundstück eines Mitglieds der Taliban gewesen sei. Es hätte eine Auseinandersetzung gegeben, die in eine Schlägerei ausgeartet sei. Die Nachbarn seien sehr mächtig gewesen, sie hätten für die Regierung und für die Taliban gearbeitet. Aus Angst hätte der Beschwerdeführer mit seiner Familie Afghanistan verlassen. Zuvor habe er sein Grundstück an Nachbarn, welche auch Paschtunen gewesen seien, verkauft. Danach hätten sie ihn in Ruhe gelassen, doch ein Leben dort sei für ihn nicht mehr möglich gewesen.
Mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 06.12.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § Abs. 8 abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Zif. 3 Asyl wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die Abschiebung nach Afghanistan sei zulässig. Es bestehe eine zweiwöchige Frist für eine freiwillige Ausreise.
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft darstellen können, dass er Afghanistan aus wohlbegründeter Furcht verlassen habe.
Rechtlich begründend wurde zu Spruchteil I. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine aktuelle asylrelevante Verfolgung habe glaubhaft machen können und auch keine Gruppenverfolgung der Hazara vorliege. Zu Spruchteil II. wurde insbesondere dargelegt, dass der Beschwerdeführer keine individuelle Gefährdungssituation habe glaubhaft machen können und bei einer Rückkehr wieder in der Lage sein werde in Afghanistan eine ausreichende Lebensgrundlage zu finden und jedenfalls nicht in eine hoffnungslose Lage kommen werde. Insbesondere können ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, Mazhar-e Sharif oder Herat zugemutet werden, während in seiner Heimatprovinz XXXX derzeit eine Gefährdungslage vorliege. Schließlich leidet der Beschwerdeführer auch an keiner psychischen oder physischen Erkrankung. Es sei auch im Familienverband keinem Familienmitglied Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt worden. Die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG liegen nicht vor (Spruchteil III.). Zu Spruchteil IV. wurde festgehalten, dass von allfälligen aufenthaltsbeendenten Maßnahmen die gesamte Familie betroffen sei und daher nicht in das Familienleben, sondern lediglich in das Privatleben eingreife. Hinsichtlich seines Privatlebens sei aufgrund der Kürze des Aufenthaltes festzustellen, dass keine schützenswerten, privaten oder sozialen Anknüpfungspunkte bestehen würden und alleine die Aufenthaltsdauer schon für die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu gering sei. Es könne auch nicht angenommen werden, dass der Antragsteller der afghanischen Lebensweise völlig entrückt wäre. Ein Aufenthaltstitel sei daher aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht zu erteilen gewesen und eine Rückkehrentscheidung zulässig. Da keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG vorliege und einer Abschiebung nach Afghanistan auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehe, sei eine solche auszusprechen gewesen (Spruchteil V). Gründe für eine Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise hätte nicht festgestellt werden können (Spruchpunkt VI.)
In der Beschwerde, vertreten durch den XXXX , welche fristgerecht am 28.12.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte, wurde der Bescheid zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, in Folge einer mangelhaften Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten.
Der Beschwerdeführer habe mit seiner Familie Afghanistan verlassen, weil er Grundstücksstreitigkeiten mit seinem Nachbarn, der ein Taliban gewesen sei, gehabt hätte. Dies habe die belangte Behörde nicht näher hinterfragt und sei damit der Pflicht gem § 18 Abs. 1 AsylG nicht ausreichend nachgekommen. Bei der Prüfung betreffend der Zuerkennung von subsidiären Schutz sei eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen seien, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung drohe. Hier sei die volatile Sicherheitslage in Afghanistan nicht beachtet worden.
An der öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 22.01.2020 nahmen der Beschwerdeführer, seine Frau und seine Kinder, alle als Beschwerdeführer, ihre Rechtsvertretung und eine Dolmetscherin teil. Ein Vertreter der belangten Behörde ist entschuldigt nicht erschienen.
Auf die Frage des Richters, ob der Beschwerdeführer psychisch und physisch in der Lage sei der stattfindenden Verhandlung zu folgen, antwortete der Beschwerdeführer, er sei sehr krank und er sei auch wegen Nierenproblemen zwei Wochen im Krankenhaus gewesen. Er könne jedoch an der Verhandlung teilnehmen.
Der Beschwerdeführer brachte aktuelle Befunde des XXXX , Referenzschreiben eines Vereins und ein Unterstützungsschreiben einer Firma, sowie Deutschkursbestätigungen für sich und seine Frau und eine Schulbesuchsbestätigung des BF3 (Sohn des Beschwerdeführers) in Vorlage.
Befragt gab der Beschwerdeführer an, er halte seine Beschwerde und sein bisheriges Vorbringen aufrecht. Er stellte bezüglich der bisherigen Befragungen richtig, dass die Familie nicht ein Jahr, sondern etwa seit 20 Jahren im Iran aufhältig gewesen sei. Der Beschwerdeführer ergänzte, dass alle seine Kinder im Iran geboren worden seien.
Er sei Staatsangehöriger von Afghanistan, stamme aus XXXX und hätte einen Aufenthaltstitel für den Iran gehabt, welchen die Familie jährlich verlängert hätte. Er gehöre der Volksgruppe der Hazara, dem Stamm der Sayed an und sei schiitischer Moslem. Er würde seine Religion auch in Österreich ausüben, jedoch sei er, seit er in Österreich aufhältig sei, lockerer im Umgang mit seiner Religion geworden.
Der Beschwerdeführer ergänzte, er habe bis zu seinem 26. Lebensjahr in seinem Heimatdorf gelebt und in der Stadt XXXX gearbeitet. Danach habe er im Iran gelebt in der Stadt XXXX gelebt. Obwohl er Analphabet sei, er hätte nie die Möglichkeit gehabt die Schule zu besuchen, hätte er immer gearbeitet. In Afghanistan in seinem Heimatort sei er Landwirt und in XXXX Hilfsarbeiter auf Baustellen gewesen. Im Iran sei er in der Metallverarbeitungsfirma tätig gewesen, er habe mit Geräten aus Deutschland Metall verflüssigt und daraus dann Ersatzteile gebaut. In Österreich habe er etwas gelernt und versucht die A1-Prüfung abzulegen, er habe die Prüfung beim ersten Mal nicht geschafft.
Nachgefragt erzählte der Beschwerdeführer, er hätte in Afghanistan eine eigene Landwirtschaft, Schafe, Esel und Kühe gehabt. Sie hätten Weizen und Mais angebaut. Er hätte keine wirtschaftlichen Probleme in Afhanistan gehabt. Seine Eltern seien bereits verstorben und drei seiner vier Geschwister würden im Iran leben. Eine Schwester würde mit ihrem Ehemann in Afghanistan leben.
Der Richter hielt dem Beschwerdeführer vor, dass er bei der belangten Behörde angegeben hätte, dass ein Bruder in der Stadt XXXX lebe und Häuser und Autos verkaufe. Er erkundigte sich, warum er Afghanistan nunmehr verlassen hätte. Der Beschwerdeführer antwortete: „Wegen der Probleme mit den Taliban ist er in den Iran gegangen.“ Der Beschwerdeführer gab an, er sei mit seinen Familienangehörigen in Kontakt. Zu seiner Schwiegerfamilie habe er gelegentlich Kontakt. Er könne bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan niemanden aus dem Kreis seiner Verwandten um Unterstützung bitten. Es sei heutzutage so, dass niemand jemandem helfe.
Er habe in Afghanistan keine persönlichen Probleme mit Behördenorganen gehabt. Er hätte Probleme wegen seinem Grundstück, wie er bei der letzten Einvernahme angegeben hätte, gehabt. Für diese Probleme seien die Taliban ausschlaggebend gewesen. Der Beschwerdeführer führte aus: „Wir hatten Grundstücke. Unsere Nachbarn, die bewaffnet waren und zu den Taliban gehörten, wollten uns die Grundstücke wegnehmen. Wir sind Schiiten, sie hingegen Sunniten. Sie waren gegen uns und wollten nicht, dass wir dort leben. Sie haben uns die Grundstücke weggenommen, deshalb ist es zu einer Auseinandersetzung gekommen. Wir haben dann gemerkt, dass wir dort nicht mehr weiterleben können. Die Lebensumstände wurden schwieriger und wir sind dann in den Iran gegangen. ... Sie wollten uns die Grundstücke wegnehmen, wir haben uns dagegengestellt, ohne unsere Grundstücke konnten wir nicht leben.“ Er sei im Zuge der Auseinandersetzung mit zwei Messerstichen verletzt worden. Er habe sich alleine gegen drei Angreifer wehren müssen und habe sich hierzu seiner Schaufel bedient.
Vorhalt des Richters: „Beim BFA hat Ihre Frau angegeben, dass Sie mit der Gewalttätigkeit angefangen haben.“ Antwort des Beschwerdeführers: „Drei Personen sind zu mir gekommen und haben mich angegriffen.“ Seine Verletzungen, drei Messerstiche, seien vom Arzt genäht worden. Der Beschwerdeführer führte weiter aus: „Nachdem sie mich angegriffen und verletzt haben, habe ich sie auch verletzt. Sie sagten, dass sie nach Hause kommen werden, egal, wo sie uns erwischen, sie werden uns töten.“ Auf die Frage des Richters, ob er versucht habe staatlichen Schutz zu erlangen, antwortete der Beschwerdeführer: „Dort gab es zwei Regierungen, eine die staatliche und eine Regierung der Taliban. Es gab keine Gerechtigkeit. … Der Herr, mit dem ich Probleme hatte, hatte sowohl zu den Taliban als auch zur Regierung Kontakte.“ Sechs Monate nach diesem Vorfall sei er weggezogen, das sei vor etwa 21 Jahren gewesen. Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, er habe diese Grundstücke Verwandten überlassen, doch diesen Verwandten seien die Grundstücke mittlerweile weggenommen worden.
Auf die Frage des Richters, wie sein Leben im Iran gewesen sei, antwortete der Beschwerdeführer, er habe dort gelebt und gearbeitet, mit den staatlichen Organen hätte er keine Probleme gehabt. Die befristete Aufenthaltsberechtigung sei immer wieder verlängert worden. Er habe den Iran verlassen, weil die Kinder in der Schule diskriminiert worden seien, sie hätten immer schlechte Noten bekommen. Sie hätten sich Vorurteilen stellen müssen. 2015 sei die Familie aus dem Iran weggezogen.
Sein älterer Sohn sei allein vor dem Rest der Familie ausgereist, denn er habe sich nicht abhalten lassen. Er hätte seine Entscheidung getroffen, er hätte unbedingt nach Europa wollen, weil es dort Gerechtigkeit geben würde.
Der Richter erkundigte sich nach den aktuellen gesundheitlichen oder psychischen Problemen des Beschwerdeführers. Dieser gab an, er habe Probleme mit einer Niere. In Folge habe er weitere gesundheitliche Probleme mit den Augen bekommen. Er habe offene Wunden im Nasenbereich und in seinem gesamten Körper, auch im Mundbereich. Die entsprechenden Befunde habe der Beschwerdeführer in Vorlage gebracht. Die Ärzte hätten ihm gesagt, dass er ständig in Behandlung sein müsse, weil diese Krankheit könne man nicht heilen. Die gesundheitlichen Probleme hätten im Iran begonnen. Er müsse ständig Medikamente einnehmen.
Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, dass seine Tochter in derselben Flüchtlingsunterkunft leben würde. Es würde keine Form der Abhängigkeit bestehen. Er persönlich würde zurzeit einen A1-Deutschkurs besuchen.
Er hätte drei Jahre lang bei der Gemeinde, wo sie ursprünglich untergebracht worden waren, in Form von Freiwilligenarbeit gearbeitet. Er habe Gärtnerarbeiten, an den Straßen und auch Reinigungsarbeiten in der Gemeinde gemacht. Er habe auch freiwillig beim „ XXXX “ gearbeitet und bei Versammlungen älteren Menschen geholfen. Er hätte auch österreichische Freunde gefunden.
Am 03.02.2020 wurde eine umfassende Befunderläuterung in Vorlage gebracht.
In der übermittelten Stellungnahme vom 04.02.2020 würde auf die prekäre Situation in Afghanistan hingewiesen.
Der Beschwerdeführer ist nicht strafrechtlich verurteilt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers wird festgestellt:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, der Volksgruppe der Hazara, dem Stamm der Sayed zugehörig, volljährig und schiitischen Glaubens. Er ist spätestens am 01.11.2015 mit seiner Frau und einem mj. Sohn in das Bundesgebiet eingereist und hat gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Der Beschwerdeführer floh im Alter von etwa 26 Jahren mit seiner Frau wegen Grundstückstreitigkeiten mit den Taliban in den Iran. Seine Kinder wurden im Iran geboren und sind dort aufgewachsen. Der Beschwerdeführer lebte etwa 21 Jahre legal, mit einer Aufenthaltsberechtigung im Iran.
Der Beschwerdeführer ist laut vorliegenden Befunden schwer krank. Neben einer Nierenerkrankung kann aufgrund der Symptome der erkrankten Mundschleimhaut Morbus Paget (=Osteodystrophia) nicht ausgeschlossen werden. Des weiterem besteht ein tubulöses Adenom und der Verdacht auf Morbus Bahcet einer chronischen autoimmun bedingten Entzündung der Gefäße. Er benötigt eine laufende umfassende ärztliche Behandlung und Medikation.
Er ist bemüht die deutsche Sprache zu lernen. Er hat während seines Aufenthalts in Österreich laufend ehrenamtlich einerseits in seiner ehemaligen Aufnahmegemeinde und beim XXXX gearbeitet. Der Beschwerdeführer ist bemüht sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren und hat auch österreichische Freunde gefunden.
Er hat auch kein familiäres Unterstützungsnetz in Afghanistan.
Der Beschwerdeführer ist nicht strafrechtlich verurteilt.
1.2. Zu Afghanistan wird verfahrensbezogen folgendes festgestellt:
1. Politische Lage
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).
Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).
Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).
In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.4.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.5.2019). Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).
Parlament und Parlamentswahlen
Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für 5 Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.4.2019).
Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.4.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.3.2019).
Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 13.3.2019, Casolino 2011).
Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 2.9.2019).
Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21. Oktober 2018 – mit Ausnahme der Provinz Ghazni – Parlamentswahlen statt (AA 15.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28. September 2019 statt; ein vorläufiges Ergebnis wird laut der unabhängigen Wahlkommission (IEC) für den 14. November 2019 erwartet (RFE/RL 20.10.2019).
Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In der Provinz Kandahar musste die Stimmabgabe wegen eines Attentats auf den Provinzpolizeichef um eine Woche verschoben werden und in der Provinz Ghazni wurde die Wahl wegen politischer Proteste, welche die Wählerregistrierung beeinträchtigten, nicht durchgeführt (s.o.). Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen. Durch Wahl bezogene Gewalt kamen 56 Personen ums Leben und 379 wurden verletzt. Mindestens zehn Kandidaten kamen im Vorfeld der Wahl bei Angriffen ums Leben, wobei die jeweiligen Motive der Angreifer unklar waren (USDOS 13.3.2019).
Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.5.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als „Katastrophe“ und die beiden Wahlkommissionen als „ineffizient“ (AAN 17.5.2019).
Politische Parteien
Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.5.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004, USDOS 29.5.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.1.2004).
Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 2.9.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.3.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 2.9.2019; vgl. AAN 6.5.2018, DOA 17.3.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 2.9.2019).
Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.3.2019).
Die Hezb-e Islami wird von Gulbuddin Hekmatyar, einem ehemaligen Warlord, der zahlreicher Kriegsverbrechen beschuldigt wird, geleitet. Im Jahr 2016 kam es zu einem Friedensschluss und Präsident Ghani sicherte den Mitgliedern der Hezb-e Islami Immunität zu. Hekmatyar kehrte 2016 aus dem Exil nach Afghanistan zurück und kündigte im Jänner 2019 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2019 an (CNA 19.1.2019).
Im Februar 2018 hat Präsident Ghani in einem Plan für Friedensgespräche mit den Taliban diesen die Anerkennung als politische Partei in Aussicht gestellt (DP 16.6.2018). Bedingung dafür ist, dass die Taliban Afghanistans Verfassung und einen Waffenstillstand akzeptieren (NZZ 27.1.2019). Die Taliban reagierten nicht offiziell auf den Vorschlag (DP 16.6.2018; s. folgender Abschnitt, Anm.).
Friedens- und Versöhnungsprozess
Hochrangige Vertreter der Taliban sprachen zwischen Juli 2018 (DZ 12.8.2019) – bis zum plötzlichen Abbruch durch den US-amerikanischen Präsidenten im September 2019 (DZ 8.9.2019) – mit US-Unterhändlern über eine politische Lösung des nun schon fast 18 Jahre währenden Konflikts. Dabei ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Die Gespräche sollen zudem in offizielle Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban münden. Die Taliban hatten es bisher abgelehnt, mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie als “Marionette“ des Westens betrachten – auch ein Waffenstillstand war Thema (DZ 12.8.2019; vgl. NZZ 12.8.2019; DZ 8.9.2019).
Präsident Ghani hatte die Taliban mehrmals aufgefordert, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln und zeigte sich über den Ausschluss der afghanischen Regierung von den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, MS 28.1.2019). Bereits im Februar 2018 hatte Präsident Ghani die Taliban als gleichberechtigten Partner zu Friedensgesprächen eingeladen und ihnen eine Amnestie angeboten (CR 2018). Ein für Mitte April 2019 in Katar geplantes Dialogtreffen, bei dem die afghanische Regierung erstmals an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen wäre, kam nicht zustande (HE 16.5.2019). Im Februar und Mai 2019 fanden in Moskau Gespräche zwischen Taliban und bekannten afghanischen Oppositionspolitikern, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehreren Warlords, statt (Qantara 12.2.2019; vgl. TN 31.5.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha, noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (REU 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019).
Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die „große Ratsversammlung“ (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den innerafghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil (HE 16.5.2019).
Quellen:
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2. Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison – was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt – dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierungen und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten – als Reaktion auf einen Anschlag – absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).
So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit – insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).
Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).
Abb. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle 2015-2018 in ganz Afghanistan gemäß Berichten des UN-Generalsekretärs (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UN-Daten (UNGASC 7.3.2016; UNGASC 3.3.2017; UNGASC 28.2.2018; UNGASC 28.2.2019))
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Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle – eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle – ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).
Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet – 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).
Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit 29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).
Folgender Tabelle kann die Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Jahr im Zeitraum 2016-2018, sowie bis einschließlich August des Jahres 2019 entnommen werden:
Tab. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan lt. INSO 2016-8.2019, monatlicher Überblick (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO-Daten (INSO o.D.))
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\td\August/td/
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Abb. 2: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan lt. INSO 2016-8.2019, monatlicher Überblick (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO-Daten (INSO o.D.))
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Global Incident Map (GIM) verzeichnete in den ersten drei Quartalen des Jahres 2019 3.540 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahr 2018 waren es 4.433. Die folgende Grafik der Staatendokumentation schlüsselt die sicherheitsrelevanten Vorfälle anhand ihrer Vorfallarten und nach Quartalen auf (BFA Staatendokumentation 4.11.2019):
Abb. 3: Sicherheitsrelevante Vorfälle nach Quartalen und Vorfallsarten im Zeitraum 1.1.2018-30.9.2019 (Global Incident Map, Darstellung der Staatendokumentation; BFA Staatendokumentation 4.11.2019)
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Jänner bis Oktober 2018 nahm die Kontrolle oder der Einfluss der afghanischen Regierung von 56% auf 54% der Distrikte ab, die Kontrolle bzw. Einfluss der Aufständischen auf Distrikte sank in diesem Zeitraum von 15% auf 12%. Der Anteil der umstrittenen Distrikte stieg von 29% auf 34%. Der Prozentsatz der Bevölkerung, welche in Distrikten unter afghanischer Regierungskontrolle oder -einfluss lebte, ging mit Stand Oktober 2018 auf 63,5% zurück. 8,5 Millionen Menschen (25,6% der Bevölkerung) leben mit Stand Oktober 2018 in umkämpften Gebieten, ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).
Ein auf Afghanistan spezialisierter Militäranalyst berichtete im Januar 2019, dass rund 39% der afghanischen Distrikte unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen und 37% von den Taliban kontrolliert wurden. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat (IS) kontrollierte rund 4% der Distrikte (MA 14.1.2019).
Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.4.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Intensivierte Kampfhandlungen zwischen ANDSF und Taliban werden von beiden Konfliktparteien als Druckmittel am Verhandlungstisch in Doha erachtet (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019).
Zivile Opfer
Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 1.1.-30.9.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) – dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September – im Gegensatz zu 2019 – von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).
Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.4.2019) berichtet bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge, entspricht das einem Anstieg bei der Gesamtanzahl an zivilen Opfern um 5% bzw. 11% bei zivilen Todesfällen gegenüber dem Jahr 2017 und markierte einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Die meisten zivilen Opfer wurden im Jahr 2018 in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni und Faryab verzeichnet, wobei die beiden Provinzen mit der höchsten zivilen Opferanzahl – Kabul (1.866) und Nangarhar (1.815) – 2018 mehr als doppelt so viele Opfer zu verzeichnen hatten, wie die drittplatzierte Provinz Helmand (880 zivile Opfer) (UNAMA 24.2.2019; vgl. SIGAR 30.4.2019). Im Jahr 2018 stieg die Anzahl an dokumentierten zivilen Opfern aufgrund von Handlungen der regierungsfreundlichen Kräfte um 24% gegenüber 2017. Der Anstieg ziviler Opfer durch Handlungen regierungsfreundlicher Kräfte im Jahr 2018 wird auf verstärkte Luftangriffe, Suchoperationen der ANDSF und regierungsfreundlicher bewaffneter Gruppierungen zurückgeführt (UNAMA 24.2.2019).
Tab. 2: Zivile Opfer im Zeitverlauf 1.1.2009-30.9.2019 nach UNAMA (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNAMA-Daten (UNAMA 24.2.2019; UNAMA 17.10.2019))
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* 2019: Erste drei Quartale 2019 (1.1.-30.9.2019)
High-Profile Angriffe (HPAs)
Sowohl im gesamten Jahr 2018 (USDOD 12.2018), als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018). Diese Angriffe sind stetig zurückge