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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §63 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des R in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 21. April 1995, Zl. 312.236/3-III/A/2a/95, betreffend Verfahren gemäß § 79 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: B-Gesellschaft mbH. in G, vertreten durch Dr. R und Dr. Z, Rechtsanwälte in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 27. Februar 1995, Zl. 04-15 Ga 5-91/25, abgewiesen wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 13.100,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 6. Oktober 1992, wurden der mitbeteiligten Partei gemäß § 79 GewO (1973) zusätzliche Auflagen vorgeschrieben.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 27. Februar 1995 wurde u. a. diese Berufung als unzulässig zurückgewiesen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 21. April 1995 wurde u.a. diese Berufung des Beschwerdeführers "gemäß § 356 Abs. 4 iVm § 359 Abs. 4 GewO 1994 abgewiesen". Zur Begründung führte der Bundesminister nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgebenden Rechtslage im wesentlichen aus, im Zurückweisungsbescheid (des Landeshauptmannes) werde richtig dargestellt, daß der Beschwerdeführer im Genehmigungsverfahren betreffend die Walzasphaltmischanlage und Gußasphaltaufbereitungsanlage Parteistellung erworben habe. Damit habe der Beschwerdeführer auch im Verfahren gemäß § 79 GewO Parteistellung. Diese umfasse jedoch nur den Bereich des Immissionsschutzes. Ein subjektiv-öffentliches Recht der Nachbarn auf Durchführung eines Verfahrens gemäß § 81 GewO 1994 bestehe nicht. Da ein Berufungsrecht den Nachbarn nur "im Rahmen ihrer im Rahmen der subjektiv-öffentlichen Rechte erworbenen Parteistellung" zukomme, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen, ohne zu prüfen, ob qualifizierte Einwendungen erhoben worden seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat "Teilakten des Verwaltungsverfahrens samt einem Aktenverzeichnis sowie Kopien der Berufungen und Bescheide" vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattete und kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Beschwerdeführer hat zu beiden Gegenschriften mit Schriftsatz vom 26. Jänner 1995 (richtig: 1996) eine Replik erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen (unter anderem auch) erkennbar in dem Recht auf inhaltliche Erledigung seiner Berufung verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes wird (unter Bedachtnahme auf den Inhalt der Replik) im wesentlichen vorgebracht, es sei unverständlich, aus welchem Grund die belangte Behörde zu der Ansicht gelangt sei, daß das Vorliegen qualifizierter Einwendungen nicht zu prüfen sei. Gerade weil solche Einwendungen erhoben worden seien und sich die belangte Behörde mit diesen nicht inhaltlich auseinandergesetzt habe, sei der angefochtene Bescheid inhaltlich rechtswidrig. Die belangte Behörde habe schon in ihrem Bescheid vom 28. Oktober 1994 festgestellt, daß ihm (dem Beschwerdeführer) auch im Verfahren nach § 79 GewO Parteistellung zukomme. In der Begründung dieses Bescheides habe die belangte Behörde zum Ausdruck gebracht, daß über seine Berufung vom Landeshauptmann meritorisch abzusprechen sei. Trotz dieser Entscheidung habe aber der Landeshauptmann seine Berufung (neuerlich) zurückgewiesen. Diese Zurückweisung habe die belangte Behörde jedoch keiner weiteren Überprüfung (im angefochtenen Bescheid) unterzogen. Das übrige Vorbringen des Beschwerdeführers befaßt sich mit der meritorischen Berechtigung der erhobenen Berufung.
Die Beschwerde ist schon aufgrund folgender Erwägungen berechtigt:
Gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 steht das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind.
Im Verfahren betreffen die Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen (§ 79) haben gemäß § 356 Abs. 4 GewO 1994 (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 63/1997) die im Abs. 3 genannten Nachbarn Parteistellung.
Die belangte Behörde (sowie auch der Landeshauptmann in seinem Zurückweisungsbescheid) und der Beschwerdeführer stimmen darin überein, daß in dem der zurückgewiesenen Berufung zugrundeliegenden Verfahren gemäß § 79 dem Beschwerdeführer Parteistellung zukam. Solcherart steht aber dem Beschwerdeführer das Recht der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung zu.
Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Ein solcher liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn die Eingabe erkennen läßt, welchen Erfolg der Einschreiter anstrebt und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. September 1985, Slg. NF. Nr. 11864/A). Für die Beurteilung, ob ein Berufungsantrag begründet ist, ist aber nicht wesentlich, daß die Begründung auch stichhältig ist. Auch eine - aus objektiver Sicht - unzutreffend begründete Berufung vermag die Unzulässigkeit dieses Rechtsmittels nicht zu bewirken (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Juni 1994, Zl. 93/04/0039, vom 18. März 1997, Zl. 96/04/0200, und vom 27. Mai 1997, Zl. 96/04/0159).
Für die Rechtsansicht der belangten Behörde, die Berufung eines Nachbarn (hier: gegen einen Bescheid betreffend ein Verfahren gemäß § 79 GewO) müsse - als Zulässigkeitserfordernis - Behauptungen im Rahmen einer Verletzung seiner subjektiv-öffentlichen Rechte enthalten, bietet das Gesetz keine Grundlage. Die Gewerbeordnung enthält keine die Bestimmung des § 63 Abs. 3 AVG ersetzende oder modifizierende Anordnung. Daß die belangte Behörde (ebenso wie der Landeshauptmann) das zum Berufungsantrag erstattete Vorbringen für inhaltlich unzutreffend hielt, ändert nichts daran, daß ein begründeter Berufungsantrag im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG vorgelegen ist und demnach über diese zulässige Berufung des Beschwerdeführers meritorisch hätte abgesprochen werden müssen.
Die belangte Behörde belastete daher dadurch, daß sie in Verkennung der Rechtslage den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark über die (neuerliche) Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers bestätigte, den angefochtenen Bescheid in diesem Umfang mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher hinsichtlich der Bestätigung der Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers aus den dargelegten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den für die Replik verzeichneten Schriftsatzaufwand. Als obsiegende Partei hat der Beschwerdeführer gemäß § 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG lediglich Anspruch auf Ersatz des Aufwandes für den Beschwerdeschriftsatz. Für eine Äußerung zur Gegenschrift besteht kein Anspruch auf Schriftsatzaufwand (vgl. auch die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 686 wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Gewerberecht und EisenbahnrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995040136.X00Im RIS seit
20.11.2000