TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/26 W109 2199871-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.05.2020
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Entscheidungsdatum

26.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W109 2199871-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 22.05.2018, XXXX - XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.10.2019 zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 AsylG, §§ 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2, Abs. 9, 46 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang:

1.       Am 04.10.2015 stellte der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, nach Einreise unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 05.10.2015 gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung im Wesentlichen an, er sei afghanischer Staatsangehöriger und in Parwan geboren. Er habe zwölf Jahre die Schule besucht, zuletzt in XXXX gelebt und die letzten vier bis fünf Jahre als Koch gearbeitet. Ehefrau, Eltern und Geschwister seien in Afghanistan aufhältig. Zum Fluchtgrund befragt führte er aus, ein Freund von ihm sei in XXXX entführt worden, die Leute hätten die Eltern seines Freundes erpressen wollen. Er sei auch von den Entführern des Freundes mit dem Umbringen bedroht worden, weil sie gewusst hätten, dass er einen Verdacht gehabt habe. Deshalb sei er ausgereist. Im Zuge eines Selbstmordanschlages in XXXX sei er etwa drei Jahre zuvor am Unterschenkel verletzt worden. Er habe Angst vor den Entführern

Am 29.03.2018 führte der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, er habe wegen seiner Volkgruppenzugehörigkeit Probleme. Als Tadschike könne er sich in Afghanistan nicht frei bewegen. Einer seiner Freunde sei entführt worden, sie seien gemeinsam unterwegs gewesen. Der Freund komme aus einer reichen Familie, deshalb hätte diese Gruppe ihn entführen wollen. Den Beschwerdeführer hätten sie mitnehmen wollen, weil er dabei gewesen sei. Sie hätten ihn aber nicht mitnehmen können, er sei geflohen. Die Gruppe habe den Freund des Vaters kontaktiert und Lösegeld erpresst. Sie hätten dem Vater des Freundes gesagt, sie wollten den Beschwerdeführer entführen. Der Vater des Freundes habe den Freund freikaufen wollen. Der Beschwerdeführer habe das Risiko nicht eingehen können und den Entschluss gefasst, das Land zu verlassen. Bis zur Ausreise habe er zwei Monate versteckt gelebt. Er habe den Reisepass und das Visum für den Iran beantragt. Der Vater des Freundes habe gewollt, dass der Beschwerdeführer mit ihm zur Polizei gehe. Der Beschwerdeführer sei auch bei einem Bombenanschlag verletzt worden, dieser habe jedoch nicht ihm persönlich gegolten. Die Bande könne ihn überall finden. Er habe Angst, entführt zu werden, er könne das Lösegeld nicht bezahlen und dann würden sie ihn töten.

2.       Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22.05.2018, zugestellt am 25.05.2018, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, die Identität des Beschwerdeführers stehe nicht fest, der Beschwerdeführer sei als Person unglaubwürdig. Die Fluchtgründe seien nicht glaubhaft, der Beschwerdeführer habe sie nach der Erstbefragung erweitert. Der Beschwerdeführer habe dort nicht angegeben, dass er selbst hätte entführt werden sollen. Die Entführungsgeschichte sei nicht asylrelevant. Die Ausführungen seien vage, widersprüchlich und in keiner Weise plausibel. Der Beschwerdeführer habe lediglich Behauptungen in den Raum gestellt, ohne diese mit Details zu untermauern. Es könne nicht als Zufall angesehen werden, dass die angeblichen Probleme des Beschwerdeführers ausgerechnet 2015 begonnen hätten. Seither seien einige Jahre vergangen, niemand würde sich mehr für den Beschwerdeführer interessieren. Aus dem Kriminalfall könne man subsidiären Schutz nicht ableiten. Es bestehe eine innerstaatlich Fluchtalternative in XXXX .

3.       Am 19.06.2018 langte die vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der belangten Behörde ein in der im Wesentlichen ausgeführt wird, der Beschwerdeführer sei als unmittelbarer Tatzeuge einer Entführung von den Entführern mit dem Umbringen bedroht worden. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde sei per se äußerst bedenklich und stelle das Gegenteil zur vom VwGH geforderten individuellen Betrachtung des Einzelschicksals des Asylwerbers dar. Es liege ein grober Verfahrensmangel vor. Die Länderinformationen seien veraltet. Das Wissen um die sich rasch ändernden Verhältnisse im Nahen Osten könne als behördennotorisch unterstellt werden, ebenso die Verfolgung und Unterdrückung der sunnitischen Minderheit durch die am „Hebel der Macht“ sitzende regierende schiitische Minderheit. Das willkürliche Verhalten reiche in die Verfassungssphäre, es liege in einem gehäuften Verkennen der Rechtslage, geradezu beleidigenden Ausführungen zur Glaubwürdigkeit und im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit oder im Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt. Der nachvollziehbaren Darlegung des Beschwerdeführers zu den Fluchtgründen in Verbindung mit den Urkunden sei Glauben zu schenken. Ein ordnungsgemäßer Schutz durch die afghanischen Institutionen sei keinesfalls gegeben. Es sei menschenunwürdig, jemanden, dessen Bruder gerade getötet worden sei, dennoch der Gefahr durch die Rückführung in das Herkunftsland auszusetzen. Es sei nicht von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative auszugehen. Die Auseinandersetzung mit der Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz sei unzureichend erfolgt. Die belangte Behörde habe die UNHCR-Richtlinien nicht berücksichtigt, diesen komme Indizwirkung zu.

Am 14.10.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin und ein Dolmetscher für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde nahm nicht an der Verhandlung teil.

In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, er werde im Herkunftsstaat von den Entführern seines Freundes verfolgt, aufrecht.

Mit Schreiben vom 27.11.2019 brachte das Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme.

Mit Schreiben vom 04.06.2020 brachte das Bundesverwaltungsgericht nochmals aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme. Am 09.06.2020 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, dass die COVID-19-Pandemie Afghanistan besonders hart treffe. Es sei davon auszugehen, dass sich bis zu 50 % der afghanischen Bevölkerung mit COVID-19 anstecken würden, bedingt dadurch, dass viele Teile der Bevölkerung an Mangelernährung leiden und ein geschwächtes Immunsystem oder Vorerkrankungen aufweisen würden, sei die Risikogruppenverteilung eine andere, als in Europa. Es gebe Lockdownmaßnahmen und Bewegungseinschränkungen, dies wirke sich insbesondere auf Unterstützungsmöglichkeiten aus. Rückkehrer würden stigmatisiert, Binnenflüge seien eingestellt. Preise von Grundnahrungsmitteln würden steigen, die Maßnahmen hätten nachteilige Auswirkungen auf wirtschaftliche Aktivitäten, was zu Entlassungswellen und Arbeitslosigkeit führe. Insbesondere Tagelöhner seien gefährdet. In Herat und Mazar-e Sharif sei die Situation für Rückkehrer äußerst prekär, die Städte seien auf dem Luftweg nicht zu erreichen und sei eine sichere Anreise auf dem Landweg von XXXX aus nicht möglich.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

–        Afghanischer Reisepass des Beschwerdeführers

–        UNHCR-Anfrage

–        Afghanisches Schulzeugnis in Kopie

–        Afghanische Schulabschlussbestätigung in Kopie

–        Empfehlungsschreiben des Arbeitsgebers in Afghanistan in Kopie

–        Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse

–        Empfehlungsschreiben

–        Bestätigung über ehrenamtliche Dolmetschertätigkeit

–        Bestätigung für gemeinnützige Tätigkeiten

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Zu Person und Lebensumständen Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde am XXXX geboren und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken. Er bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Er spricht auch Urdu und Englisch.

Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Die Familie des Beschwerdeführers stammt aus der Provinz Parwan, der Beschwerdeführer wurde jedoch in XXXX geboren, wo er zwölf Jahre die Schule besucht und abgeschlossen hat.

Der Beschwerdeführer hat mehrere Jahre als Koch in XXXX gearbeitet. Dass der Beschwerdeführer auch für eine ausländische Firma oder für dieselbe Firma, in der er Koch war, zuletzt im Logistikbereich gearbeitet und dies Firma Stützpunkte für die Amerikaner gebaut hat, wird nicht festgestellt.

In XXXX lebte der Beschwerdeführer mit seiner Frau, Eltern, drei Brüdern und zwei Schwestern in einem Haus, das dem Vater des Beschwerdeführers gehört.

Ehefrau, Eltern und die genannten Geschwister leben auch aktuell in einem Haus, das den Eltern des Beschwerdeführers gehört, in XXXX . Der Beschwerdeführer steht in regelmäßigem Kontakt zu seinen Angehörigen.

Ein weiterer Bruder des Beschwerdeführers lebt im Iran, eine weitere Schwester lebt ebenso in XXXX .

Der Beschwerdeführer hält sich seit er am 04.10.2015 seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, durchgehend im Bundesgebiet auf. Er hat Deutschkurse besucht und verfügt bereits über Deutschkenntnisse. Ein bestimmtes Niveau des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen konnte er nicht nachweisen. Außerdem hat der Beschwerdeführer in seiner Grundversorgungseinrichtungen Dolmetschertätigkeiten übernommen und gemeinnützige Arbeit geleistet. Der Beschwerdeführer bezieht seit seiner Antragstellung Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht erwerbstätig. Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet soziale Kontakte geknüpft.

1.2.    Zu den Ausreisegründen des Beschwerdeführers:

Dass der Beschwerdeführer Zeuge einer Entführung wurde und auch beinahe ihr Opfer war und in der Folge von den Tätern bedroht wurde, wird nicht festgestellt. Es wird nicht festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach XXXX Übergriffe durch Entführer seines Freundes drohen. Dass der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr Opfer einer erpresserischen Entführung wird, ist nicht wahrscheinlich.

In XXXX leben zahlreiche ethnische Gruppen, darunter auch Tadschiken. Im Fall der Rückkehr nach XXXX hat der Beschwerdeführer nicht Übergriffen aufgrund seiner Volkgruppen- oder Religionszugehörigkeit zu rechnen.

Der Beschwerdeführer wurde einige Jahre vor seiner Ausreise bei einem Bombenanschlag in XXXX verletzt. Der Anschlag galt jedoch nicht ihm, er war lediglich zufällig zugegen.

1. 3.   Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat:

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

Die Hauptstadt XXXX steht unter der Kontrolle der afghanischen Regierung. Es kommt allerdings in der Hauptstadtregion weiterhin zu Anschlägen Aufständischer auf Hochrangige Ziele. Hauptursache für Opfer sind Selbstmord- und komplexe Angriffe, improvisierte Sprengkörper und gezielte Tötungen.

XXXX verfügt über einen internationalen Flughafen, über die die Stadt sicher erreicht werden kann.

Es ist nicht wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach XXXX im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode kommt oder misshandelt oder verletzt wird.

Afghanistan ist stark von der COVID-19-Pandemie betroffen. Die afghanische Regierung hat zu ihrer Bekämpfung eine Reihe von Maßnahmen erlassen, was auch in XXXX zur Schließung ganzer Stadtteile und Bewegungseinschränkungen führt. Insbesondere Tagelöhner können aufgrund des Lockdowns nicht arbeiten. Die Lebensmittelpreise sind gestiegen.

Die medizinische Versorgung des Beschwerdeführers im Fall der Rückkehr nach XXXX ist gewährleistet. Es ist zu erwarten, dass er sich eine Lebensgrundlage wird aufbauen können.

2.       Beweiswürdigung:

2.1.    Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers beruhen auf dem von ihm in Vorlage gebrachten Reisepass. Die belangte Behörde führt zur Identität des Beschwerdeführers beweiswürdigend (im Wesentlichen) aus, dass nicht davon ausgegangen werde könne, dass die Daten im Reisepass stimmen, weil diese nicht mit der UNHCR-Anfrage und den Überlegungen der belangten Behörde zu Schuleintritt und Schulbesuchsdauer übereinstimmen würden, etc. Keine Berücksichtigung in der Beweiswürdigung der belangten Behörde findet der von dieser selbst eingeholte Untersuchungsbericht der LPD Vorarlberg vom 04.04.2018 zur beantragten Feststellung von Total- oder Verfälschungsmerkmalen. Aus diesem ergibt sich, dass der verwendete Formularvordruck nach dem derzeitigen Kenntnisstand authentisch ist und sich bei der Untersuchung der personenbezogenen Elemente sowie der Stempelaufdrucke keine Hinweise auf das Vorliegen einer Verfälschung ergeben haben. Nachdem sich also keine Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass der vom zuständigen Völkerrechtssubjekt zum Nachweis von Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ausgestellte Reisepass (vgl. hierzu auch § 2 Abs. 4 Z 4 und 5 FPG) unecht oder unrichtig ist, steht die Identität des Beschwerdeführers fest. Die spekulativen Ausführungen der belangten Behörde (angefochtener Bescheid, S. 79 ff.) sind nicht geeignet, dies in Zweifel zu ziehen (Vgl. auch § 47 AVG).

Seine Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seine Muttersprache sowie seine sonstigen Sprachkenntnisse hat der Beschwerdeführer gleichbleibend angegeben und hegte auch die belangte Behörde keine Zweifel an den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers.

Dass der Beschwerdeführer gesund ist, hat dieser selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.10.2019 auf Nachfrage bestätigt und auch angegeben, er habe keine Krankheiten (Verhandlungsprotokoll S. 4). Seither wurde – insbesondere auch mit Stellungnahme vom 09.06.2020 (OZ 13) – kein gegenteiliges Vorbringen erstattet und auch keine medizinischen Unterlagen in Vorlage gebracht.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit beruht auf dem im Akt einliegenden aktuellen Auszug aus dem Strafregister.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerdeführer angegeben, er sei in XXXX geboren (Verhandlungsprotokoll S. 5). Befragt, warum er bisher angegeben habe, in Parwan geboren worden zu sein, verwies der Beschwerdeführer darauf, dass seine Eltern aus Parwan stammen würden und betont die durch den Gebrauch der Formulierung „Wir kommen ursprünglich aus Parwan“, dass er seine persönliche Identität stark mit diesen Wurzeln verknüpft. Zudem gab der Beschwerdeführer auch in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 29.03.2018 bereits an, in XXXX geboren zu sein (Einvernahmeprotokoll, S. 5). Folglich wurde als Geburtsort XXXX festgestellt.

Die Feststellung zum zwölfjährigen Schulbesuch in XXXX beruhen auf den gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers, wobei die belangte Behörde ebenso von einem zwölfjährigen Schulbesuch des Beschwerdeführers ausgeht, auch wenn diese Feststellung auf einer nicht nachvollziehbaren Beweiswürdigung ruht. So führt die belangte Behörde zunächst aus, die 12-jährige Schulbildung werde nicht in Zweifel gezogen (angefochtener Bescheid, S. 12), um dann dazu im Widerspruch stehende Zweifel an der Echtheit der in Vorlage gebrachten Schulunterlagen darzulegen. Da diese Ausführungen jedoch offenkundig lediglich der Konstruktion einer Basis dafür dienen, um dem Beschwerdeführer letztendlich attestieren zu können, er sei „als Person unglaubwürdig“, war hierauf nicht näher einzugehen und im Einklang mit den Feststellungen der belangten Behörde den Angaben des Beschwerdeführers zu folgen.

Der Beschwerdeführer hat zudem gleichbleibend angegeben, in XXXX mehrere Jahre als Koch gearbeitet zu haben. Die belangte Behörde stellt ebenso mehrjährige Berufserfahrung als Koch fest, auch wenn die diesbezügliche Beweiswürdigung nicht nachvollziehbar ist. So führt die Behörde zunächst aus, es werde nicht angezweifelt, dass der Beschwerdeführer Berufserfahrung als Koch habe (angefochtener Bescheid, S. 80), um dann weiter auszuführen, die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers seien widersprüchlich, weil die Angaben zur Arbeitsdauer nicht präzise gewesen seien. Damit begründet die Behörde nicht nachvollziehbar, wie sie zu ihrer Feststellung kommt. Nach Ansicht des Bundesveraltungsgerichtes liegt jedoch in diesen Angaben des Beschwerdeführers – so gibt er in der Erstbefragung vier bis fünf Jahre an (Erstbefragungsprotokoll S. 4) und in der Einvernahme vier Jahre (Einvernahmeprotokoll, S. 5), während aus der in Vorlage gebrachten Kopie eines „Recommendation Letter“ etwa fünfeinhalb Jahre hervorgehen – kein maßgeblicher Widerspruch, der Rückschlüsse auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers erlauben würde. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass die geschätzte Dauer insbesondere einer mehrjährigen Zeitspanne kaum präzise zu bewerkstelligen ist. Die im Übrigen offenkundig auf die Konstruktion einer persönlichen Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers gerichtete Beweiswürdigung der belangten Behörde erweist sich sohin in diesen Punkt als nicht haltbar.

Dass er nach seiner Tätigkeit als Koch noch in der Logistik derselben Firma gearbeitet haben will, die zudem Stützpunkte für die Amerikaner bauen soll (Verhandlungsprotokoll, S. 6), bringt der Beschwerdeführer jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.10.2019 erstmals vor. Vor der Behörde dagegen hatte der Beschwerdeführer noch angegeben, vor seiner Tätigkeit als Koch drei Jahre für eine ausländische Firma eingekauft zu haben (Einvernahmeprotokoll S. 5). Dies findet wiederum – obwohl der Beschwerdeführer explizit gefragt wurde, ob er sonst noch Berufe ausgeübt hat – in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Erwähnung. In diesem Punkt zu seiner beruflichen Tätigkeit macht der Beschwerdeführer damit widersprüchliche Angeben. Zudem erweisen sich die Schilderungen zum behaupteten Arbeitsgebiet als wenig präzise. Folglich wurde nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer auch für eine ausländische Firma hat oder für dieselbe Firma, in der er Koch war, zuletzt im Logistikbereich gearbeitet und dies Firma Stützpunkte für die Amerikaner gebaut hat.

Die Feststellungen zu den Lebensverhältnissen des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat bis zu seiner Ausreise beruht auf seinen gleichbleibenden Angaben. Dass der Haushalt, dessen Mitglied auch der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise war, in XXXX weiterhin besteht und die Personen in einem Haus leben, dass den Eltern des Beschwerdeführers gehört, hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigt (Verhandlungsprotokoll, S. 5 – 6). Ebenso hat er bestätigt, dass regelmäßiger Kontakt besteht.

Die Feststellung zum Bruder im Iran und der weiteren Schwester in XXXX beruht auf den Angaben des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde (Einvernahmeprotokoll, S. 5 – 6). Auch in der mündlichen Verhandlung gibt der Beschwerdeführer an, insgesamt drei Schwestern und vier Brüder zu haben (Verhandlungsprotokoll, S. 6) und gab im Wesentlichen keine Änderungen hinsichtlich seiner Angehörigen an.

Das Vorbringen zum kürzlich ermordeten Bruder aus der Beschwerde (Punkt 4.3.2.) wurde dagegen nie näher ausgeführt oder wiederholt, weswegen das Bundesverwaltungsgericht von einer irrtümlichen Erstattung im Zusammenhang mit der Nutzung einer Textvorlage ausgeht.

Die Feststellungen zu den Lebensverhältnissen und Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers sowie aus den in Vorlage gebrachten Bestätigungen. Zur Aufenthaltsdauer in Österreich ist auszuführen, dass das Datum der Asylantragstellung aktenkundig ist und Hinweise dafür, dass der Beschwerdeführer das Bundesgebiet zwischenzeitig verlassen hätte, nicht hervorgekommen sind. Zum Deutschkursbesuch sowie zur gemeinnützigen Tätigkeit hat der Beschwerdeführer Bestätigungen in Vorlage gebracht. Nicht vorgelegt hat er allerdings ein Deutschprüfungszertifikat, weswegen Deutschkenntnisse auf einem bestimmten Niveau des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen nicht nachgewiesen werden konnten. Der Beschwerdeführer war jedoch im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in der Lage, zu seiner Lebensgestaltung in Österreich flüssig in deutscher Sprache Angaben zu machen. Folglich wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer über Deutschkenntnisse verfügt. Dass der Beschwerdeführer Grundversorgung bezieht, beruht auf dem im Akt einliegenden aktuellen Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem.

2.2.    Zu den Ausreisegründen des Beschwerdeführers:

Im Ergebnis teilt das Bundesverwaltungsgericht die Einschätzung der belangten Behörde, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft ist, mag den Ausführungen zur Mangelhaftigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde auch teilweise Berechtigung zukommen.

Zwar ergibt sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 27.11.2019 in das Verfahren eingebrachten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender von 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien), dass sowohl Aufständische wie die Taliban, als auch regierungstreue Milizen auf unter anderem Erpressung, Entführung und Mord als Einkommensquelle zurückgreifen. Insbesondere Geschäftsleute und andere Personen, die tatsächlich oder vermeintlich wohlhabend seien, würde zunehmen ins Visier von Entführerbanden geraten (Abschnitt Internationaler Schutz, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 15. Geschäftsleute und andere wohlhabende Personen sowie deren Familienangehörige, S. 112 ff.). Auch die vom Bundesverwaltungsgericht ebenso mit Schreiben vom 27.11.2019 in das Verfahren eingebrachte EASO Country Guidance Afghanistan von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance) berichtet von Entführungen und Erpressungen im ganzen Land, die insbesondere Personen und deren Angehörige betreffen, die als wohlhabend wahrgenommen werden. Speziell für XXXX finden kriminelle Banden als großes städtisches Problem Erwähnung. Auch die EASO Country Guidance bestätigt zudem, dass es sich hierbei auch um eine Finanzierungsquelle aufständischer Gruppierungen handelt (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 20. Afghans perceived as wealthy, S. 140).

Ungeachtet der abstrakten Übereinstimmung der vom Beschwerdeführer geschilderten Fluchtgründe mit den eben zitierten Länderberichten, konnte der Beschwerdeführer die behauptete Entführung nicht glaubhaft machen.

So trug der Beschwerdeführer seine Schilderungen zu den Gründen, aus denen er den Herkunftsstaat verlassen hat, in der mündlichen Verhandlung trotz diesbezüglicher klar formulierter Aufforderung nicht aus eigenem umfassend und detailreich vor, sondern beschränkte sich auf eine oberflächliche und formelhafte Darlegung. Auch nach erneuter Aufforderung, alle Ereignisse möglichst genau zu schildern und insbesondere die Entführung genau zu schildern, gibt der Beschwerdeführer lediglich Floskeln wieder, füllt seine Rahmenhandlung jedoch nicht mit konkreten Ereignissen aus, in denen einzelne Handlungen aufeinanderfolgen. Insbesondere die Schilderung des Beschwerdeführers zur Behauptung, dass auch er hätte entführt werden sollen, ist höchst unpräzise. So gibt er lediglich an, sie hätten ihn nicht mitnehmen können, weil er weggelaufen sei. Er schildert jedoch keine Handlung oder Aussage der Entführer, in der sich widerspiegelt, dass auch er entführt werden sollte. Auch vor der Behörde gibt der Beschwerdeführer dazu lediglich an, sie hätten ihn auch mitnehmen wollen, weil er dabei gewesen sei (Einvernahmeprotokoll, S. 6) und kurz später, sie seien dann zu ihm gekommen und hätten auch ihn mitnehmen wollen, er sei geflohen (Einvernahmeprotokoll, S. 7). Dies erweist sich jedoch lediglich als abstrakte Floskel. Die Schilderung des Beschwerdeführers erweckt insgesamt den Eindruck, als würde er eine Geschichte vom Hören-sagen wiedergeben, ohne jemals persönlich involviert gewesen zu sein.

Auch behauptet der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung erstmals einen Zusammenhang der Entführer mit der Regierung, indem er nun behauptet, diese seien mit einem Auto mit Regierungskennzeichen vorgefahren (Verhandlungsprotokoll, S. 7). Dieses Detail fügt der Beschwerdeführer allerdings nicht konsistent in seine Geschichte, so gibt der Beschwerdeführer schon vor der Behörde an, er würde auch entführt werden, wenn er zur Polizei gehe (Einvernahmeprotokoll, S. 8). Den augenscheinlich noch stärkeren Beweggrund, dass eine Einschaltung der Polizei bei Regierungsbeteiligung der Entführung gefährlich bzw. nicht zielführend sein könnte, erwähnt der Beschwerdeführer dagegen nicht. Diesen Zusammenhang spricht er auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht an, wo er zur unterlassenen Anzeige lediglich ausführt, die Entführer hätten den Vater des Freundes bedroht, dass er keine Anzeige machen solle (Verhandlungsprotokoll, S. 8). Dazu im Widerspruch hatte der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde dagegen noch angegeben, der Vater des Freundes habe gewollt, dass der Beschwerdeführer mit ihm zur Polizei gehe und den Vorfall der Polizei berichte (Einvernahmeprotokoll, S. 8). Dass der Beschwerdeführer nicht so detailliert befragt worden sein will oder unter Stress gestanden sein soll (Verhandlungsprotokoll, S. 10), vermag diese Inkonsistenz nicht zu rechtfertigen.

Auch verwunderlich ist, dass der Beschwerdeführer keinerlei Informationen zum Verbleib des Freundes geben kann. So kann der Beschwerdeführer nicht angeben, ob das Geld bezahlt wurde und behauptete lediglich, die Familie sei dann ausgezogen und er wisse nicht, was passiert sei (Verhandlungsprotokoll, S. 8). Angesichts der behaupteten direkten Betroffenheit des Beschwerdeführers von dieser Entführung sowie der behaupteten Freundschaft lässt dieses Desinteresse des Beschwerdeführers am Fortgang der Geschichte das Vorbringen als nicht glaubhaft erscheinen. Damit konfrontiert behauptet der Beschwerdeführer plötzlich, die Person sei kein sehr guter Freund, sondern lediglich ein Nachbar (Verhandlungsprotokoll, S. 8).

Insgesamt kommt das Bundesverwaltungsgericht daher zu dem Schluss, dass die vom Beschwerdeführer geschilderte Entführung nicht glaubhaft ist.

Hinsichtlich eines allfälligen Entführungsrisikos im Fall der Rückkehr nach XXXX ist auszuführen, dass hierfür im Lauf des Verfahrens keine Anhaltspunkte hervorgekommen sind. So ist den bereits oben zitierten Berichten zu entnehmen, dass insbesondere wohlhabende bzw. als wohlhabend wahrgenommene Personen und deren Angehörige als Entführungsopfer in Frage kommen. Der Beschwerdeführer hat jedoch durchgehend angegeben, die finanzielle Situation sei durchschnittlich bzw. mittelmäßig gewesen (Einvernahmeprotokoll, S. 5 bzw. Verhandlungsprotokoll, S. 6). Zwar ist der EASO Country Guidance zu entnehmen, dass etwa Rückkehr zur Personengruppe gehören können, die als wohlhabend wahrgenommen werden, es gebe ein paar Fälle, in denen Rückkehrer Drohungen erhalten hätten oder erpresst worden seien, weil sie als wohlhabend wahrgenommen worden seien (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 20. Afghans perceived as wealthy, S. 140). Anhaltspunkte dafür, dass dies im Fall der Rückkehr gerade den Beschwerdeführer treffen würde, sind jedoch nicht hervorgekommen und stellt die EASO Country Guidance – etwa mit der Formulierung „some“ (dt. etwa „ein paar“) – als gehäuft auftretendes Phänomen dar. Für eine derartige Gefahr lassen sich auch dem vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 04.06.2020 in das Verfahren eingebrachten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung: 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.05.2020, (in der Folge: Länderinformationsblatt) keine Anhaltspunkte entnehmen (Kapitel 22. Rückkehr).

Zur Behauptung des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde, dass er als Tadschike sich in Afghanistan nicht frei bewegen könne und z.B. nicht nach Kunduz, Mazar-e Sharif oder Helmand könne, weil dort viele Paschtunen seien, ist auszuführen, dass die UNHCR-Richtlinien zwar berichten, dass Mitglieder einer ethnischen Gruppe, die auf nationaler Ebene einer der größten ethnischen Gruppen angehören, an ihrem Wohnort zu einer ethnischen Minderheit gehören können (Abschnitt Internationaler Schutz, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 13. Angehörige ethnischer (Minderheiten-)Gruppen, S. 103). Damit schließt die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Volksgruppe der Tadschiken als zweitgrößte Volksgruppe des Herkunftsstaates (Länderinformationsblatt, Kapitel 16. Relevante ethnische Minderheiten, insbesondere Unterkapitel 16.2. Tadschiken) eine allfällige lokale Diskriminierung noch nicht aus. Allerdings ist der EASO Country Guidance zu entnehmen, dass in XXXX (und entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers auch in Mazar-e Sharif) die Tadschiken zu den größten Ethnien gehören, insbesondere XXXX sei ein Schmelztiegel verschiedenster Ethnien und Sprachen (EASO Country-Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterkapitel Reasonableness to settle, Unterkapitel Individual circumstances, S. 135). Im Fall der Rückkehr dorthin ist daher nicht zu erwarten, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken Übergriffe drohen.

Zur in der Beschwerde aufgestellten Behauptung einer Verfolgung und Unterdrückung der sunnitischen Mehrheit durch die „am Hebel der Macht“ sitzende regierende schiitische Minderheit ist den Länderberichten kein Anhaltspunkt für ihr Zutreffen zu entnehmen. Zwar berichtet das Länderinformationsblatt, dass im kaum entwickelten afghanischen Parteiensystem die meisten Gruppierungen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien erscheinen und insbesondere die ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen traditionell eine größere Rolle spielen als politische Organisationen (Kapitel 1. Politische Lage, Abschnitt Politische Parteien). Von der Dominanz einer schiitischen Partei wird allerdings nicht berichtet. Die EASO Country Guidance berichtet ebenso wenig von einer gegen Sunniten gerichteten Unterdrückung (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 17. Ethnic and religious minorities, S. 69 ff.) wie die UNHCR-Richtlinien (Abschnitt Internationaler Schutz, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, S. 66 ff.).

Die Feststellung zum Bombenanschlag beruht auf den gleichbleibenden diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers im Lauf des Verfahrens, wobei der Beschwerdeführer auch durchgehend angegeben hat, dass dieser Anschlag nicht gegen ihn persönlich gerichtet war. So gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht auf die Frage, ob der Anschlag gegen ihn gerichtet gewesen sei an: „Nein, es handelte sich um einen Selbstmordanschlag, solche Anschläge gibt es fast jeden Tag in Afghanistan“ (Verhandlungsprotokoll, S. 11). Dass in XXXX Selbstmordanschläge stattfinden, bestätigt im Übrigen auch das Länderinformationsblatt (Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.1. XXXX , Abschnitt Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung). Dies bezieht sich zwar auf die aktuelle Lage, jedoch wird der Umstand, dass Anschläge stattfinden, nicht als neuere Entwicklung dargestellt. Der Beschwerdeführer äußerte allerdings in diesem Zusammenhang keine konkrete Rückkehrbefürchtung.

2.3.    Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in XXXX beruhen auf den übereinstimmenden Informationen des Länderinformationsblattes, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.1. XXXX , und der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Buchstabe c. Indiscriminate violence, Abschnitt XXXX , S. 101-102, insbesondere Unterabschnitt Focus on the capital: XXXX City, S. 102.

Die Feststellung zum internationalen Flughafen in XXXX beruht auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.35. Erreichbarkeit, Abschnitt Internationale Flughäfen in Afghanistan. Die EASO Country Guidance berichten, dass für den Flughafen von XXXX , fünf km vom Stadtzentrum entfernt im Stadtgebiet gelegen, zwar Zwischenfälle bekannt sind, die Erreichbarkeit sei jedoch über den Flughafen im Allgemeinen sicher gegeben (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection, Unterkapitel Travel and admittance, S. 130).

Zur Feststellung, dass es im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers nach XXXX nicht wahrscheinlich ist, dass er im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode kommt oder misshandelt oder verletzt wird, ist auszuführen, dass XXXX der EASO Country Guidance zufolge zwar von Gewalt betroffen ist. Ziel seien insbesondere insbesondere die zivile Administration der Regierung, religiöse Kultstätten, Bildungseinrichtungen, im Zusammenhang mit Wahlen stehende Einrichtungen, etc. Die konkrete Gefährdung hängt nach der Einschätzung von EASO stark von individuellen Faktoren ab (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Buchstabe c. Indiscriminate violence, Abschnitt XXXX , S. 101-102, insbesondere Unterabschnitt Focus on the capital: XXXX City, S. 102). Der Beschwerdeführer hat sein gesamtes Leben in XXXX verbracht, verfügt dort über Ortskenntnisse und ein soziales Netzwerk und sind auch sonst keine individuellen Elemente ersichtlich, die das Risiko für ihn erhöhen (z.B. Behinderung, Erkrankung, Betroffenheit von Strafverfolgung oder Verhaftung, extreme Armut, Vgl. EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, S. 26 - 30).

Die Feststellungen zur COVID-19-Pandemie in Afghanistan beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Abschnitt Länderspezifische Anmerkungen COVID-19 in Zusammenschau mit der vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 09.06.2020 eingebrachten Stellungnahme von Friederike Stahlmann, Risiken der Verbreitung von SARS-CoV-2 und schweren Erkrankung an Covid-19 in Afghanistan, besondere Lage Abgeschobener vom 27.03.2020, sowie dem ebenso vom vom Beschwerdeführer eingebrachten UNOCHA, Afghanistan: COVID-19 Multi-Sectoral Response Operational Situation Report von 13.05.2020. Aus dessen aktuellerer Fassung vom 24.09.2020 ergibt sich zudem, dass die im Report vom 13.05.2020 beschreibene Situation nach wie vor aufrecht ist und es zu einer Entspannung der Lage nicht gekommen ist.

Die Gesundheitsversorgung ist in XXXX den vorliegenden Informationen zufolge grundsätzlich gewährleistet. So ist dem Länderinformationsblatt zu entnehmen, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsstaat in großen Städten und auf Provinzlevel sichergestellt ist. Für XXXX wird von einigen Krankenhäusern berichtet (Kapitel 21. Medizinische Versorgung). Zwar lässt sich etwa der vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 09.06.2020 in das Verfahren eingebrachten Stellungnahme von Friederike Stahlmann, Risiken der Verbreitung von SARS-CoV-2 und schweren Erkrankung an Covid-19 in Afghanistan, besondere Lage Abgeschobener vom 27.03.2020 entnehmen, dass im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie mit einer Überlastung des afghanischen Gesundheitssystems zu rechnen ist. Nachdem der Beschwerdeführer – wie bereits ausgeführt – gesund ist, ist für ihn eine spezifische medizinische Problemstellung im Fall der Rückkehr nicht zu erwarten. Zur COVID-19 Pandemie ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer mit Mitte 30 und ohne Vorerkrankungen nicht zur Risikogruppe gehört und folglich in seinem Fall ein schwerer Krankheitsverlauf mit Behandlungsbedarf im Krankenhaus im Fall einer Ansteckung im Herkunftsstaat nicht wahrscheinlich ist. Dass die Ausführungen in der Stellungnahme vom 09.06.2020, denen zufolge viele Teile der Bevölkerung an Mängelernährung leiden und ein geschwächtes Immunsystem oder Vorerkrankungen haben, auf den Beschwerdeführer zutreffen, wurde im Übrigen nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. So leidet der Beschwerdeführer nach einem viereinhalbjährigen Aufenthalt in Österreich wohl nicht an Mangelernährung und gehört – wie bereits ausgeführt – nicht zur Risikogruppe. Entsprechend wurde festgestellt, dass seine medizinische Versorgung gewährleistet ist.

Dass er von Strafverfolgung oder Verhaftung betroffen wäre, hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Zudem hat der Beschwerdeführer – wie bereits unter 2.2. ausgeführt – durchgehend angegeben, die finanziellen Verhältnisse der Familie seien mittelmäßig. Angesichts seiner Ortskenntnisse, sozialen Netzwerke in XXXX , seiner ebenso dort gesammelten Berufserfahrung und seiner für afghanische Verhältnisse guten Schuldbildung ist damit auch nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer in XXXX in ökonomische Bedrängnis geraten wird. Dies gilt übrigens auch im Hinblick auf –die im Rahmen der Pandemiebekämpfung verhängten Maßnahmen in XXXX , wie sie sich etwa aus dem Länderinformationsblatt ergeben (Länderspezifische Anmerkungen COVID-19). So kehrt der Beschwerdeführer in einen bestehenden Haushalt zurückkehrt und kann dort auf die Unterstützung seiner Familie zurückgreifen. Damit wäre er bei der Wohnraumsuche nicht beeinträchtigt, im Fall der Rückkehr nicht von Obdachlosigkeit bedroht und könnte – angesichts des vorrübergehenden Charakters dieser Maßnahmen – von seiner Familie mitversorgt werden, bis ihm etwa die Arbeitssuche möglich ist. Entsprechend wurde festgestellt, dass er eine Lebensgrundlage wird aufbauen können. Zudem sind damit auch – wie bereits angesprochen – individuelle Elementen, die für ein erhöhtes Risikos sprechen, nicht ersichtlich. Auch daraus, dass der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit bei einem Bombenanschlag verletzt wurde, lässt sich nicht ableiten, dass er auch in Zukunft wieder betroffen wäre.

Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.

3.       Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zum Herkunftsort des Beschwerdeführers:

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt wurde der Beschwerdeführer in XXXX geboren, ist dort aufgewachsen und hat dort bis zu seiner Ausreise nach Europa gelebt. Seine Eltern stammen allerdings aus der Provinz Parwan und hat der Beschwerdeführer auch angegeben, „Wir kommen ursprünglich aus Parwan“ (Verhandlungsprotokoll, S. 5), was nahelegt, dass er einen persönlichen Nahebezug zu dieser Provinz in seiner Identität verortet. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch – unabhängig davon, ob dies gleichzeitig auch für die Provinz Parwan gelten kann – ungeachtet seines Geburtsortes insbesondere aufgrund seines Aufwachsens und Lebens in XXXX , ohne in die Provinz Parwan zurückzukehren – von einer starken Nahebeziehung des Beschwerdeführers zu XXXX auszugehen. Zudem hat der Beschwerdeführer nicht angegeben, dass der Umzug von Parwan nach XXXX gezwungenermaßen erfolgt und eine Rückkehr unmöglich gewesen sei. Damit ist XXXX für den Fall der Rückkehr allerdings nicht als innerstaatliche Fluchtalternative, sondern als Herkunftsort zu behandeln (Vgl. VwGH 26.01.2006, 2005/01/0057 sowie Nedwed, Interner Schutz (innerstaatliche Fluchtalternative) am Beispiel Afghanistan in Filzwieser/Taucher [Hrsg.], Jahrbuch Asylrecht und Fremdenrecht 2018 [2018] 287 [294-195]).

3.2.    Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl):

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 30.08.2018, Ra 2017/18/0119 mwN).

3.2.1.  Zur mangelnden Asylrelevanz der behaupteten Entführung:

UNHCR stuft die erpresserische Entführung – so wie sie auch der Beschwerdeführer beschreibt – per se nicht als asylrelevante Verfolgung ein, sondern allenfalls als Handlung, die asylrelevante Verfolgung bedeuten kann, wenn sie auf Grundlage eines GFK-Fluchtgrundes erfolgt (UNHCR-Richtlinien, Abschnitt Internationaler Schutz, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 15. Geschäftsleute und andere wohlhabende Personen sowie deren Familienangehörige, S. 114). Eine derartige Verknüpfung hat der Beschwerdeführer jedoch nicht vorgebracht und ist eine solche auch nicht ersichtlich. Viel mehr führt der Beschwerdeführer stets eine lediglich finanzielle Motivation an. Auch EASO sieht im Zusammenhang mit Entführung und Erpressung keinen Konnex zur GFK, dieser könne allenfalls in zusätzlichen Umständen begründet sein (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 20. Afghans perceived as wealthy, S. 140).

Auch der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass eine nur auf kriminellen Motiven beruhende Verfolgung keinem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründe zugeordnet werden kann und eine Asylgewährung grundsätzlich nicht zu rechtfertigen vermag (VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0336).

Dem auf die Entführung bezogenen Fluchtvorbringen kommt damit von vornherein – wie die belangte Behörde richtig, wenn auch disloziert und zudem unsachlich in der Beweiswürdigung ausführt (angefochtener Bescheid, S. 82) – ungeachtet der Frage, ob das Vorbringen glaubhaft ist, keine Asylrelevanz zu.

3.2.2.  Zum behaupteten Gruppenverfolgung wegen der Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeine Gefahr eines Bürgerkriegs hinausgehende „Gruppenverfolgung“, so hat jedes einzelne Mitglied schon aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten. Diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (zuletzt VwGH 07.02.2020, Ra 2019/18/0400 mwN).

Der Beschwerdeführer konnte wie festgestellt und beweiswürdigen ausgeführt glaubhaft machen, dass er der Volksgruppe der Tadschiken angehört und sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam bekennt.

Hinsichtlich der Angaben des Beschwerdeführers, er könne sich als Tadschike nicht frei im Herkunftsstaat bewegen und nicht nach Kunduz, Mazar-e Sharif oder Helmand gehen, weil dort viele Paschtunen seien, sowie, dass dies ein allgemeines Problem der Tadschiken sei, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen nicht auf seinen Herkunftsort bezieht. Auch wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach XXXX mit Übergriffen aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken nicht zu rechnen hat.

Hinsichtlich der in der Beschwerde behaupteten Verfolgung und Unterdrückung der sunnitischen Mehrheit durch die „am Hebel der Macht“ sitzende regierende schiitische Minderheit (Beschwerde Punkt 2.5.) ist auszuführen, dass derartige Umstände – wie festgestellt und beweiswürdigen ausgeführt – im Herkunftsstaat nicht ersichtlich sind. Dass auch dieses Vorbringen irrtümlich im Zusammenhang mit der Verwendung einer Textvorlage für die Erstellung der Beschwerde erstattet wurde, scheint wahrscheinlich.

Damit konnte der Beschwerdeführer eine an seine Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit anknüpfende Verfolgungsgefahr und damit keine Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse oder Religion iSd GFK glaubhaft machen.

3.2.3.  Zum Bombenanschlag:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt in dem Umstand, dass im Heimatland Bürgerkrieg herrscht, für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (zuletzt VwGH 17.11.2017, Ra 2017/20/0404 mwN). Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht (VwGH 19.10.2018, 98/20/0233).

Zwar konnte der Beschwerdeführer glaubhaft machen, in der Vergangenheit bereits bei einem Bombenanschlag verletzt worden zu sein. Allerdings gibt er auch an, dieser Anschlag habe nicht ihm gegolten und äußert keinerlei konkrete daraus resultierende Rückkehrbefürchtung. Der oben zitierten Judikatur zufolge konnte der Beschwerdeführer allerdings mit seiner zufälligen Betroffenheit von einem Angriff Aufständischer im Zuge innerstaatlicher bewaffneter Auseinandersetzungen eine asylrelevante Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft machen.

Im Ergebnis war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides daher abzuweisen.

3.3.    Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (subsidiärer Schutz):

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Mit Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 hat der Verwaltungsgerichtshof sich mit der Rechtsprechung des EuGH zu den Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auseinandergesetzt. Danach sei subsidiärer Schutz nur in jenen Fällen zu gewähren, in denen die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK auf einen ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zurückzuführen ist, der vom Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie verursacht wird (Art. 15 lit a. und b.), bzw. auf eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c) zurückzuführen ist. Nicht umfasst sei dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführende Verletzungen von Art. 3 EMRK. Insofern habe der nationale Gesetzgeber die Bestimmungen der Statusrichtlinie fehlerhaft umgesetzt, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 2. Art. EMRK, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führe (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

An diese Judikatur anschließend spricht der der Verwaltungsgerichthof in seinem Erkenntnis vom 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 aus, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausschließlich anhand Art. 15 Statusrichtlinie geprüft werden könne. Die Bestimmung sei – obgleich fehlerhaft in das nationale Recht umgesetzt – nicht unmittelbar anwendbar, weil dies zulasten eines bzw. zur Vorenthaltung von Rechten des Einzelnen nicht in Frage komme. Die nationale Regelung des § 8 Abs. 1 AsylG sei günstiger. Deren unionsrechtskonforme bzw. richtlinienkonforme Auslegung finde ihre Schranke jedoch in einer Auslegung contra legem des nationalen Rechtes. Eine einschränkende Auslegung des Wortlautes des § 8 Abs. 1 AsylG im Sinne einer teleologischen Reduktion sei vor dem Hintergrund des klaren gesetzgeberischen Willens – den der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung herausarbeitet – nicht zu rechtfertigen. Daher halte der Verwaltungsgerichtshof an seiner Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat – auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird – die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG begründen kann (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 m.w.N.).

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reicht es, um von der realen Gefahr („real risk“) einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf viel mehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109 m.w.N.). Es obliegt dabei der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines solchen Risikos nachzuweisen. Es reicht nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen (VwGH 03.05.2018, Ra 2018/20/0191).

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein – im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen – höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 MRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 MRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH 23.01.2019, Ra 2018/14/0196).

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer behaupteten Entführung ist auszuführen, dass allenfalls hieraus drohende Gefahren, nachdem die Asylrelevanz mangels GFK-Anknüpfung verneint wurde, allenfalls infolge einer Verletzung von Art. 2 oder 3 MRK zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen könnten. Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, konnte der Beschwerdeführer jedoch nicht glaubhaft machen, Zeuge bzw. beinahe Opfer einer Entführung und in der Folge von den Tätern bedroht worden zu sein, nicht glaubhaft machen. Zudem wurde festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, dass für den Fall der Rückkehr nicht wahrscheinlich ist, dass der Beschwerdeführer Opfer einer Entführung würde.

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, ist es auch nicht wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach XXXX im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode kommt oder misshandelt oder verletzt wird. Zudem kann sich der Beschwerdeführer in XXXX eine Lebensgrundlage aufbauen und ist auch die medizinische Versorgung des gesunden Beschwerdeführers gewährleistet.

Damit ist für den Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr ins Herkunftsdorf eine reale Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte im Sinne der oben zitierten Judikatur aufgrund der Sicherheitslage nicht zu erwarten und die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war abzuweisen.

3.4.    Zu den Spruchpunkten III. und VI. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG ist eine Entscheidung nach dem AsylG mit einer Rückkehrentscheidung nach dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

3.4.1.  Zur Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Nachdem der Antrag des Beschwerdeführers mit diesem Erkenntnis sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, ist vor Erlassung der Rückkehrentscheidung und der damit verbundenen Zulässigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG zwingend zunächst eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG vorzunehmen (vgl. Filzwieser/Frank/Klo

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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